Interview mit Herrn Dr. Heinrich Pfeiffer

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Transkript:

Interview mit Herrn Dr. Heinrich Pfeiffer Dr. Heinrich Pfeiffer, geb. 1927, langjähriger und nunmehr ehemaliger Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung. Wie viele Angehörige seiner Generation nach nahezu als Kind zum Militärdienst eingezogen, ereilte ihn als 18-jährigen das Schicksal eines Kriegsgefangenen. Es folgte ein Studium der Philosophie und Geschichte an den Universitäten Mainz und Bonn unterbrochen durch Studienaufenthalte in Schweden (1948) und in den USA (1951-1952) mit anschließender Promotion im Fach Philosophie. Nach einer kurzen Phase als Lehrer in Wiesbaden und als Assistent an der Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt/Main, wurde er im Jahre 1953 als Leiter der deutschen Abteilung der Fulbright-Commission im Bereich des Wissenschaftsmanagements tätig. In der erwähnten Position blieb er drei Jahre, um dann auf Ruf von Professor Heisenberg das Amt des Generalsekretärs der Alexander von Humboldt- Stiftung zu übernehmen. Die in den nun folgenden 39 Jahren ausgeübte Tätigkeit prägt die Stiftung. Er war Geschäftsführendes Vorstandsmitglied seit 1964. Nebenbei wirkte er als Stellvertretender Generalsekretär der Deutsch-Britischen Stiftung in London (1974-2000), Mitglied des Vorstandes der Canon-Stiftung Europe in Amsterdam (seit 1987) und Vizepräsident des Vorstandes des Human Frontier Science Programms in Straßburg (1991-1998). Diese Tätigkeiten sind ein weiterer Beleg für seine internationale Anerkennung. Zahlreiche deutsche und ausländische akademische Ehrungen (Drs. h.c., Prof. h.c.), Mitgliedschaften und Ehrenmitgliedschaften in mehreren ausländischen und deutschen Akademien der Wissenschaften sowie die Auszeichnungen als Ehrensenator der Technischen Universität München und als Ehrenbürger der Universität Bonn stellen ein weiteres Zeugnis seines erfolgreichen Wirkens dar. Obwohl seit 1995 pensioniert, hat er in der Humboldt-Stiftung weiterhin ein Arbeitszimmer, in dem auch das aufgezeichnete Gespräch stattfand. Eigentlich müsste es heißen: die Gespräche, denn zahlreiche Telefongespräche und Anfragen, auf die er ebenso klar wie effizient reagiert, stellten angesichts des phänomenalen Gedächtnisses und der auch in der Diskussion spürbaren Dynamik der Pfeifferschen Persönlichkeit durchaus erholsame Unterbrechungen während des für 30 Minuten geplanten, zweistündigen Treffens dar. HN: Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer, Ihnen wurde während der dritten Epoche der Humboldt-Stiftung eine Schlüsselrolle zuteil. Seit Ihrer Pensionierung sind zwar bereits acht Jahre vergangen, doch für die große Mehrheit der Humboldtianer ist der Name Heinrich Pfeiffer auch heute noch untrennbar mit der Bonner Stiftung verbunden. Wie erinnern Sie sich an die Anfänge der dritten Epoche der Stiftung, an das Jahr 1953? Wie wurde die Stiftung neu ins Leben gerufen? HP: Erst Anfang Dezember 1953 unterzeichnete Bundeskanzler Adenauer in seiner zusätzlichen Eigenschaft als Bundesaußenminister der Bundesrepublik Deutschland die 1

Stiftungsurkunde in Bonn. Anwesend war auch Professor Werner Heisenberg, der sich bereit erklärt hatte, die Präsidentschaft der Humboldt-Stiftung zu übernehmen. Wichtig ist mir der Hinweis, dass es vor allen Dingen auf Anregung ehemaliger Humboldt- Stipendiaten, die vor 1945 von der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert wurden, zur erneuten Gründung der Alexander von Humboldt-Stiftung kam. Dazu gehörten der frühere Staatssekretär aus dem Wissenschaftsministerium in England, Dr. Bertie Blount, der Reichsbibliothekar Schwedens, Dr. Uno Willers, der Physiker und Nobelpreisträger Lew Landau aus Moskau und viele andere. Bei diesem Vorgang war ich nicht involviert. Werner Heisenberg nahm sich Zeit, um einen geeigneten Generalsekretär für die Humboldt-Stiftung zu finden. Er bat die Geschäftsführerin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, Frau Dr. Ruth Ziervogel-Tamm, vorübergehend (bis 31. Juli 1956) die Stiftungsarbeit mit zu übernehmen. Ich war erst 1952 aus den USA zurückgekehrt und wurde 1953 in der neu errichteten Fulbright-Stiftung zum Leiter der Abteilung für den wissenschaftlichen Austausch Deutscher berufen. Auch hier hatte ich die erfreuliche Aufgabe, aus einem Nichts ein Austauschprogramm zu entwickeln, in dessen Rahmen jährlich etwa 80 Professoren, 150 Postdocs und etwa bis 100 deutsche Postgraduierte ausgewählt wurden, um in den USA ihre Ausbildung, Lehre oder Forschung weiter zu betreiben. Diesen wissenschaftlichen Austausch finanzierte die Fulbright-Stiftung. In der Fulbright-Stiftung saßen nicht nur die Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und der Kultusministerkonferenz etc., sondern auch einige angesehene Wissenschaftler, darunter Werner Heisenberg. Er konnte beurteilen, welche Aufbauarbeit ich dort leistete. Im März 1956 fragte mich Werner Heisenberg, ob ich mich für die Stelle des Generalsekretärs der Humboldt-Stiftung bewerben wolle. Ich entgegnete, dass ich mir als junger, gerade promovierter, mit der Aufbauarbeit bei der Fulbright-Kommission beschäftigter Mitarbeiter bei der AvH-Stiftung ja wohl schwerlich eine Chance ausrechnen könne. Daraufhin bat er mich, ihm ein zweiseitiges Papier zuzusenden: 1. meine Lebensdaten, 2. eine Antwort auf die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, um bei der Geschäftsstelle der Humboldt-Stiftung mit Erfolg vornehmlich promovierte Wissenschaftler auf internationaler Ebene zu finden, unabhängig von Rasse, Religion, Weltanschauung und Geschlecht; allein ausschlaggebend für die Auswahl müsse die wissenschaftliche Qualifikation sein. Eine Bewerbung gab ich nicht ab, gab aber die erbetenen Unterlagen ihm zur Kenntnis. Etwa vier Wochen später erhielt ich einen Anruf von Werner Heisenberg, zu einem Vorstellungsgespräch in Bonn zu erscheinen. Es waren neun Kandidaten anwesend, so fügte ich mich in die Reihe als Zehnter ein und wurde als Zweitletzter zum Interview gebeten. Als jüngster Kandidat ich war gerade 29 Jahre alt wurde ich nach der Vorstellung gebeten, im Vorzimmer noch zu warten. Am Ende der Veranstaltung verkündete der Ausschuss unter Vorsitz von Werner Heisenberg, dass ich spätestens am 1. Juli 1956 die neue Aufgabe übernehmen möge. Mein Vorteil war vor allem, dass ich in den drei Jahren des Bestehens der Fulbright-Stiftung ein bereits anerkanntes wissenschaftliches Austauschprogramm Deutschland-Amerika Amerika-Deutschland entwickelt hatte. Meine neue Aufgabe bestand darin, diesen wissenschaftlichen Austausch nicht bi-, sondern international auszuweiten, um die Weiterbildung von promovierten ausländischen Wissenschaftlern an 2

deutschen wissenschaftlichen Instituten der Universitäten, der Max-Planck-Institute etc. zu ermöglichen. HN: Werner Heisenberg war 52 Jahre alt, als er im Jahre 1953 Präsident der Stiftung wurde. Wie war das Verhältnis zum Generalsekretär, der zu der Zeit nur halb so alt war? HP: Das Verhältnis zu mir war zunächst wie das eines Vaters zu seinem Sohn und entwickelte sich aber in drei Jahren zu einem brüderlichen Kontakt. Seit diesem Zeitpunkt fanden unsere Begegnungen entweder bei ihm zuhause oder in meiner Wohnung statt. Damals war ich noch Junggeselle. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart geborgen, das Vertrauensverhältnis war nie getrübt. Heisenberg war kein in Stein gehauener Mathematiker oder theoretischer Physiker, sondern eine Persönlichkeit mit bewundernswerten, vielseitigen menschlichen und kulturellen Eigenschaften. Dies kam auch häufiger in den von ihm angeregten Unterbrechungen bei Sitzungen zum Ausdruck. Wenn er glaubte, dass die Diskussion für eine Entscheidung oder Einigung noch nicht reif sei, dann wurde in der Pause eine Sonate am Klavier gespielt und eine Tasse Tee getrunken. Anschließend ging die Sitzung weiter. Ich erfuhr 1974 aus seinem Munde, dass er die Absicht habe, sich von der Präsidentschaft der Alexander von Humboldt-Stiftung zurückzuziehen. Er hat mit mir in aller Offenheit Kandidatenvorschläge für seine Nachfolge erörtert, weil er sicherstellen wollte, dass ich auch mit seinem Nachfolger weiterhin mit Engagement in Unabhängigkeit und Freiheit arbeiten könne. So geschah es auch. HN: Eine der anschaulichsten Aktivitäten der Humboldt-Stiftung war der Ausbau der Internationalen Begegnungszentren an deutschen Hochschulen. Könnten Sie diesen Prozess noch einmal Revue passieren lassen? HP: In den 70er Jahren wurde es immer schwieriger, in Westdeutschland geeignete Wohnungen für die Unterbringung von ausländischen Wissenschaftlern, den Humboldtianern, zu finden. So entstand bei mir die Idee, Gästehäuser für die Unterbringung ausländischer Wissenschaftler zu errichten. Vorbild waren für mich die faculty clubs an angelsächsischen Universitäten. Die Gästehäuser nannten wir später Internationale Begegnungszentren der Wissenschaft (IBZ). Hier wurden nicht nur voll ausgestattete Wohnungen, Kinderspielplätze errichtet, sondern auch Seminar- und Konferenzräume, um gemeinsames Kennenlernen bei Vorträgen, Konzerten zu erleichtern. Dies hat Anklang gefunden. Durch private Spenden, durch Unterstützung seitens der Industrie und von privaten Mäzenen vor allem durch die Volkswagenstiftung kamen einige hundert Millionen DM zusammen, mit denen dann diese Gästehäuser gebaut werden konnten. Nach der Wiedervereinigung (1990) ergriff ich die Initiative, in Ostdeutschland auch solche IBZ zu errichten. Dankenswerter Weise haben sich Stiftungen und der Staat bereit erklärt, diese Initiative mit etwa 80 Millionen DM zu unterstützen. Als Pensionär habe ich diese ehrenvolle Aufgabe bis zum Jahr 2000 erfüllt. Damit konnten an allen Hochschulorten solche IBZ errichtet werden. Sie heißen in der Regel Humboldt-Häuser, mit Ausnahme des Heisenberg-Hauses in Leipzig, wo Werner Heisenberg langjährig als Professor tätig war, und des Felix-Hausdorff-Hauses in Greifswald, benannt nach dem jüdischen Mathematiker und späteren Bonner Professor, der sich 1942 mit seiner Frau und seiner Tochter das Leben genommen hatte. 3

Durch den Bau dieser IBZ können ungefähr 70% der Humboldt-Gastwissenschaftler in den Internationalen Begegnungszentren untergebracht werden. Die Gebäude sind jetzt im Besitz der Universitäten. HN: Eine andere Frage. Im Mai dieses Jahres wurde der Vorschlag gemacht, jährlich eine europäische Humboldt-Konferenz zu organisieren. Die Idee wurde von mehreren Humboldt- Vereinen begrüßt. Könnte damit nicht auch der Zusammenhalt der Humboldtianer verstärkt werden? HP: Derartige Veranstaltungen wurden von der Stiftung nicht nur europa-, sondern sogar weltweit organisiert. So haben wir zum Beispiel alle Privatrechtler eingeladen. Das gleiche geschah auf dem Gebiet der Biochemie und für die Germanistik. Das sind allerdings fachspezifische Tagungen. Der von Ihnen erwähnte Vorschlag ist allgemeiner gehalten. Er zielt darauf ab, ehemalige Humboldtianer aller Fachbereiche auf europäischer Ebene zu einem Treffen zu bitten. Allerdings kann das Ziel, sich so besser kennen zu lernen, nicht die alleinige Aufgabe einer solchen Tagung sein. Die Frage bei Tagungen ist doch immer: Mit welchem Ergebnis sollen die Teilnehmer nach Hause gehen? Hier müsste noch weiter über Ziel und Zweck solcher Treffen nachgedacht werden. Gute Tagungsergebnisse sind bei Themen zu erwarten, die von allgemeiner, aber aktueller Natur sind. Ich erinnere mich an eine sehr gut gelungene Veranstaltung zur Archäologie, bei der Wissenschaftler aus den verschiedensten Nationen über Grundprobleme, aber auch über spezielle Fragen ihres Fachbereichs diskutierten, unabhängig davon, ob es sich um die ägyptische, griechische oder chinesische Archäologie handelte. Mit einem Wort: vorstellbar wäre es, doch man sollte über Thema und die mögliche Begrenzung der Teilnehmerzahl intensiv nachdenken. HN: Herr Pfeiffer, es dürfte kaum Generalsekretäre von Stiftungen geben, die über einen derart langen Zeitraum und derart erfolgreich gearbeitet haben, wie Sie. Worin liegt Ihr Geheimnis, welche Eigenschaften und Fähigkeiten muß ein leitender Mitarbeiter einer solchen Stiftung mitbringen? HP: Eine schwierige Frage, die besser diejenigen beantworten könnten, die mich in meiner langjährigen Arbeit erlebt haben. Dennoch dazu einige Bemerkungen. Der Leiter einer Stiftung, die besonders begabte Individuen fördert, muss jederzeit zu einem Dialog mit diesen Menschen bereit sein, muss ein offenes Ohr für Fragen und Probleme haben. Er muss versuchen, auf internationaler Ebene die fähigsten Wissenschaftler zu animieren, sich dem Wettbewerb einer Auswahl bei der Humboldt-Stiftung zu stellen. Er muss darauf hinwirken, dass sich die fähigsten Wissenschaftler der gelehrten Gesellschaft in den Auswahlausschüssen der Alexander von Humboldt-Stiftung engagieren. 4

Er muss die Ziele und die Arbeitsrichtung der Stiftung eindeutig bestimmen und an deren Verwirklichung tätig mitwirken. Er sollte weniger Vorgesetzter, mehr Vorbild sein. Die Ziele und Methoden müssen mit den Kollegen im Sekretariat abgestimmt werden und laufend alternative Arbeitsweisen zur Verbesserung angeregt werden. Besondere Führungseigenschaften sind unabdingbar. Und nicht zuletzt: Die Gastwissenschaftler aus fremden Ländern und Kulturen sind in Deutschland Mitbürger auf Zeit. Sie müssen nicht nur fachlich an geeigneten Instituten integriert, sondern auch persönlich betreut werden. Ständige Ansprechbereitschaft seitens der Stiftung muss garantiert werden. HN: Sie haben es bereits erwähnt: die Stiftung nahm ihre Tätigkeit im Jahre 1953 wieder auf. Wie lange dauerte es, bis ungarische Stipendiaten von der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert wurden? HP: Es ist richtig, die Stiftung wurde 1953 wieder ins Leben gerufen. Die ersten Humboldt- Stipendiaten trafen im Herbst 1954 in Deutschland ein. Bis zum Eingang eines ungarischen Antrags vergingen sieben Jahre. Herr Dr. Aladár Gajáry, ein katholischer Theologe von der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom bewarb sich als erster Ungar. Weitere zwei Jahre vergingen bis 1962 die ersten beiden Mediziner, Dr, Jenő Ormos und Dr. Zoltán Posalaky, als Humboldt-Stipendiaten aus Ungarn hier eintrafen. Im darauf folgenden Jahr waren es wieder drei Mediziner, im Jahr 1964 kamen 16 Humboldt- Stipendiaten aus Ungarn, im Jahr 1965 waren es dann 20. Es handelte sich in der Überzahl um Mediziner aus Szeged, Budapest und Pécs; erinnern kann ich mich sehr gut an einen Nicht- Mediziner, an Mario Szenessy, ein Germanist und anerkannter Schriftsteller, der leider viel zu früh in Deutschland verstarb. Während meiner Tätigkeit bis zum 1. Januar 1995 sind etwa 400 Wissenschaftler aus Ungarn gefördert worden, von denen über 95% einen Lehrstuhl an ungarischen Universitäten übernommen haben. Um den Ausbau der Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Ungarn machten sich die Humboldtianer besonders verdient. Jedoch sollte das Engagement, das Herr Professor Petri, ehemaliger Rektor der Universität Szeged, und Herr Professor Rusznyák, ein Mediziner oder Biochemiker, der lange Zeit Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften war, in dieser Frage zeigten, keinesfalls vergessen werden. Bereits im Jahre 1964 erhielt ich eine Einladung von Herrn Professor Petri, Szeged zu besuchen. Seit dem bin ich insgesamt siebenmal Gast in Ihrem Land gewesen. Am 15. Februar 1990 hat mir die Medizinische Fakultät der Universität Pécs die Ehrendoktorwürde verliehen, und auch an der Gründungsversammlung des Humboldt-Vereins Ungarn im März 1992 habe ich gemeinsam mit Herrn Papenfuß teilgenommen. Die Freundschaft und die Verbindungen mit ungarischen Humboldtianern haben Bestand, und ich bin sicher, dass dieser persönliche Kontakt auch mit meinen Nachfolgern und der gesamten Alexander von Humboldt-Stiftung weiter gepflegt wird. 5

HN: Eine Frage in eigener Sache. Als langjähriger Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung haben Sie mit zahlreichen Humboldt-Vereinen aus nahezu allen Länden der Welt in engem Kontakt gestanden. Viele dieser Vereinigungen haben eigene Zeitschriften oder Informationsblätter, um das Vereinsleben effektiver zu gestalten. Wie schätzen Sie die HUMBOLDT NACHRICHTEN unter diesem Aspekt ein? HP: Ich bewundere die HUMBOLDT NACHRICHTEN, die Sie in Ungarn herausgeben. Sie sind einmalig in der Geschichte der Alexander von Humboldt-Stiftung. Es ist nicht nur ein Nachrichtenblatt, das den Zusammenhalt der einstmals geförderten Wissenschaftler aus Ungarn festigt, sondern durch wissenschaftliche Beiträge auch Einblick gibt in Bereiche der Wissenschaft, der einem breiten Kollegenkreis in verständlicher Form dargeboten wird. Ich wäre glücklich, wenn auch in vielen anderen Nationen solche HUMBOLDT NACHRICHTEN erscheinen würden. 6