Arzneimitteltherapie seltener Krankheiten Herausforderungen und Chancen

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Transkript:

Workshop der Paul-Martini-Stiftung am 25. Januar 2007 in Berlin Arzneimitteltherapie seltener Krankheiten Herausforderungen und Chancen Prof. Peter Scriba/Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München wies in seiner Begrüßung der 75 Teilnehmer darauf hin, dass von den etwa 6.000 seltenen Krankheiten (orphan diseases) rund 30 Mio. EU- Bürger betroffen sind. Die EG-Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden, die für die EU ähnliche Anreize zur Erforschung und Entwicklung von Orphan -Arzneimitteln vorsieht wie Japan und die USA, hat neue Chancen für Patienten und Forscher in Kliniken und Industrie eröffnet. Dass diese auch in großem Maße aufgegriffen wurden, zeigen die rund 420 Entwicklungsprojekte, die bis Ende 2006 in diesem Bereich angegangen wurden, und die 2006 zu neun Zulassungen und im Januar 2007 bereits zu drei weiteren Zulassungen geführt haben. Anschließend gab Scriba einen kurzen Ausblick auf die Vorträge der Referenten. Seite 1/6 Prof. Rembert Elbers/Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Bonn stellte in seinem Vortrag Allgemeine Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Zulassung von Orphan Medicinal Products zunächst die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Orphan -Status durch den COMP (Ausschuss für Orphan -Arzneimittel) bei der europäischen Zulassungsagentur EMEA vor: lebensbedrohliche o- der schwere Krankheit; Prävalenz: 5 Betroffene unter 10.000 EU- Einwohnern oder unwirtschaftliches Projekt; keine zufrieden stellende Behandlung vorhanden oder das neue Orphan -Medikament bringt signifikanten Nutzen. Anschließend ging er auf die Zusammensetzung des COMP (Vertreter der EU-Mitgliedstaaten, aber auch von Patientenorganisationen) und die mit der Zuerkennung des Orphan -Status verbundenen Anreize ein (kostenlose Beratung; Gebührenermäßigung, 10 Jahre Marktexklusivität). Die bisherigen Zuerkennungen betrafen insbesondere Krebsmedikamente (50 %), immunologische Präparate (14 %) und solche gegen Muskel-/Skelett- und Nervensystem-Erkrankungen (12 %), Stoffwechselstörungen (11 %) sowie Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen (11 %). Lediglich 8 % lagen im oberen Prävalenzbereich (3-5 von 10.000), 31 % dagegen im mittleren (1-3 von 10.000) und 61 % im unteren Bereich (kleiner 1 von 10.000). Prof. Ivar Roots/Charité Berlin gab einen Einblick in die Diagnostik bei seltenen erblichen Stoffwechselstörungen: 80 % aller seltenen Krankheiten sind genetisch bedingt; die Häufigkeit reicht von 1:2.500 bei der Mukoviszidose bis zu 1:1 Mio. beim Crigler-Najar-Syndrom. Eine ganze Reihe von Störungen sind Bestandteil des seit März 2005 erweiterten Neugeborenen-Screenings (z.b. Hypothyreose, Phenylketonurie oder Ahornsirupkrankheit); diese werden aber nicht durch molekulargeneti-

sche, sondern meist durch phänotypische Tests diagnostiziert. Inzwischen gibt es eine Software zur Diagnose von seltenen Krankheiten. Anschließend stellte Roots am Beispiel des Ornithintranscarbamylase-Mangels die Möglichkeiten der molekulargenetischen Diagnose vor. Abschließend erläuterte er die molekularen Ursachen von schweren, seltenen Nebenwirkungen wie die maligne Hyperthermie nach Gabe bestimmter Narkosemittel oder die verlängerte Wirkung durch einen ererbten Plasmacholinesterase-Mangel. Prof. T.O.F. Wagner/Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt referierte über Spezielle Studiendesigns bei seltenen Krankheiten. Diese sind aus folgenden Gründen erforderlich: Meist handelt es sich um chronische, schwere Krankheiten, von denen nur wenige Patienten betroffen sind, wobei diese meist eine sehr vielfältige Behandlung erfahren (Ernährungs-, physikalische, chirurgische Pharmakotherapie); dies machte er am Beispiel der Mukoviszidose deutlich, wobei er auch die Vielzahl der derzeit in Entwicklung befindlichen neuen Therapien aufzeigte (u. a. Gentherapie zur Korrektur des CFTR-Proteins, Mukolytika, Entzündungshemmer, Antibiotika, Medikamente zur Beeinflussung des Ionen transports). Schließlich würdigte er die positiven Auswirkungen der Orphan -Verordnung sowie die Rolle von Netzwerken und Patientenorganisationen, die sich auch finanziell bei der Erforschung neuer Therapien engagieren. Seite 2/6 Elbers wies in der Diskussion auf die neue EMEA-Leitlinie zu klinischen Prüfungen in kleinen Populationen hin. Prof. Michael Hallek/Universität Köln beleuchtete die Rolle der Kompetenznetze für seltene Krankheiten am Beispiel Maligne Lymphome. Dieses ist eines der 17 Kompetenznetze, die vom Bundesforschungsministerium im Zeitraum 1999 bis 2008 mit 225 Mio. Euro gefördert werden, und stellt mit mehr als 8.600 Patienten pro Jahr in 55 klinischen Studien das weltweit größte Forschungsnetz in diesem Bereich dar. Zur Vernetzung gehören auch eine eigene Website, die Einrichtung eines Newsletters und die Abstimmung von Studienprotokollen. Die deutschen Studiengruppen sind führend in der Lymphomforschung und durch neue Medikamente konnte die Heilungsrate bei Morbus Hodgkin-Patienten von 0 % um 1940 auf inzwischen über 90 % verbessert werden. Große Probleme bereiten aber die mit der 12. Novellierung des Arzneimittelgesetzes eingeführten sehr hohen Anforderungen an akademische Studien, die zu einem extremen Kostenanstieg bei solchen Prüfungen führten und deshalb kaum noch finanzierbar seien. Hinzu komme die hohe Abhängigkeit von Fördermitteln der Krebshilfe. Daher forderte er die Beteiligung der Kostenträger an akademischen Studien und einen deutlichen Bürokratieabbau, um die Spitzenstellung der deutschen Lymphomforschung zu erhalten.

Prof. Peter Scriba/LMU München befasste sich mit Comprehensive Care Centers Ihr Beitrag zur Verbesserung der Therapie im Bereich Orphan Diseases. Der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen hat bereits 2000/2001 im Anhang zum Bd. III Über-, Unter-, Fehlversorgung seines damaligen Gutachtens für eine Kompetenzbündelung plädiert, die inzwischen erfreulicherweise in Form von Verträgen gem. 116b SGB V aufgegriffen wird. Solche Verträge gibt es für die seltenen Krankheiten Mukoviszidose, das Marfan-Syndrom und die Hämophilie. Durch Verbesserungen in der Behandlung der Bluter-Kranken konnte deren Lebenserwartung von früher 16 Jahren auf inzwischen etwa 70 Jahre gesteigert werden. Nach einer US-Studie weisen aber Patienten, die nicht in Hämophiliezentren behandelt werden, eine um 60 % höhere Mortalität auf. Von den 122 Zentren in Deutschland können lediglich 13 mehr als 50 Patienten aufweisen, wie es in den Anforderungen an deutsche Hämophiliezentren vorgesehen ist. Bei einem Limit von 40 Patienten würde man auf 18 Zentren kommen, mit denen dann eine bessere Flächendeckung erreicht würde. Weitere Anforderungen betreffen erfahrene Ärzte, eine interdisziplinäre, ambulante, stationäre Betreuung sowie eine Evaluierung und Zertifizierung. Scriba verwies auch auf die Hämotherapieleitlinien der Bundesärztekammer, die in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut veröffentlicht werden. Da die Behandlung der 4.000 Bluter mit 450 Mio. Euro jährlich (2-3 % des Gesamtbudgets) zu Buche schlägt, gibt es hierfür folgende speziellen Erstattungssysteme, die er kurz vorstellte: Sonderentgelte, Mischpreissystem und Bayerisches Modell. Seite 3/6 Prof. Hannsjörg Seyberth/Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Marburg erläuterte Seltene Krankheiten bei Kindern am Beispiel von Nierenerkrankungen. Ein genetisch bedingter Salzverlust bei Säuglingen und Kleinkindern tritt mit einer Häufigkeit von 1:100.000 auf und ist mit Cox-Hemmern behandelbar. Es gibt aber auch Mutationen, die zur Salzretention führen. Im Weiteren stellte Seyberth die Bedeutung des ClCKb-Kanals vor und spannte schließlich den Bogen zum genetisch bedingten Kochsalz-sensitiven Bluthochdruck; diese Veranlagung kommt bei bestimmten Bevölkerungsgruppen in Afrika gehäuft vor und hat Auswirkungen auf die Blutdrucktherapie. Prof. Dr. Hossein Ardeschir Ghofrani/Universitätsklinikum Gießen und Marburg referierte zur Therapie des Lungenhochdrucks Sicht des Klinikers. Betrug nach einer Publikation von 1991 das damalige mediane Überleben lediglich 2,8 Jahre, so hat sich dies durch die Einführung einer Reihe von innovativen Medikamenten erheblich verbessert. Zunächst wurde Epoprostenol verfügbar, das allerdings als Dauerinfusion gegeben werden musste, dann Iloprost, das alle zwei bis 3 Stunden insgesamt 6-9 mal pro Tag inhaliert werden muss, und schließlich der erste oral anwendbare Endothelin-Antagonist Bosentan; seit 2005 ist ein oraler PDE 5-Hemmer, Sildenafil, hinzugekommen. Durch den Einsatz der vorgenannten Medikamente, teilweise bereits als Kombinationstherapien, können eine Reihe von ursprünglichen Therapiezielen wie Verbesserung

der Lebensqualität und der Prognose erreicht werden. Anfang 2007 habe die mediane Überlebenszeit mehr als 5 Jahre betragen. Damit sei es gelungen, aus einer tödlichen eine chronische Krankheit zu machen. Nun gilt es, Risikopatienten und Responder zu identifizieren und Möglichkeiten zu finden, um dadurch eine individualisierte, gezielte Therapie zu ermöglichen. Als weitere Therapieoption werden die bisher als Krebsmedikamente verwendeten Tyrosinkinasehemmer geprüft. Dr. Michael Mehler/Actelion Pharmaceuticals Deutschland GmbH stellte in seinem Vortrag Therapie des Lungenhochdrucks Beispiel für die Leistungsfähigkeit innovativer Medizin zunächst die Geschichte der noch jungen Actelion und dann den Beitrag der Pharma/Biotech-Industrie dar. Bis zum Jahr 2000 gab es keine zugelassenen Medikamente gegen Lungenhochdruck, von dem in Deutschland etwa 5.000 Patienten (Frauen:Männer = 1,7:1) betroffen sind; die jährliche Neuerkrankungsrate liegt bei 160 Patienten. Bis Ende 2006 erhielten vier verschiedene Arzneimittel die Zulassung, mit denen ca. 2.500 Patienten behandelt werden. Das 2001 zugelassene Bosentan wurde ausgehend von der Entdeckung des Endothelins 1988 und seiner schädlichen Wirkungen entwickelt und hat neben seiner symptomatischen Wirkung vor allem zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose und Lebensqualität geführt (orale Einnahme statt Dauerinfusion/Inhalation, Verbesserung der Gehstrecke), wie in verschiedenen Studien gezeigt werden konnte. Mehler stellte das laufende Entwicklungsprogramm für Bosentan vor, das Studien bei Kindern und weiteren seltenen Krankheiten, wie Sichelzellenkrankheit und Eisenmenger sowie Kombinationen umfasst. Auch die anderen bisher verfügbaren Wirkstoffe werden intensiv in weiteren Studien untersucht. Mehler konstatierte, dass die Fortschritte bei der Therapie des Lungenhochdrucks als ausgezeichnetes Beispiel für die Leistungsfähigkeit der Medizin und die Zusammenarbeit von Academia und Industrie angesehen werden können. Seite 4/6 Prof. Stephan vom Dahl/St. Franziskus Hospital Köln gab einen Überblick über die Therapie von vererbten Stoffwechselstörungen Sicht des Klinikers. Dabei ging er zunächst auf die politischen Rahmenbedingungen (sehr positive Auswirkungen der EG-Verordnung zu Arzneimitteln gegen seltene Krankheiten) und das Krankheitsspektrum lysosomaler Störungen ein, das insbesondere folgende Speicherkrankheiten umfasst: Morbus Gaucher, Morbus Fabry, Mukopolysaccharidose (MPS) I, II, VI, Morbus Pompe und Niemann-Pick-Syndrom. Anschließend stellte er die Therapiemöglichkeiten bei Morbus Gaucher vor, einer systemischen Erkrankung, die durch die Anreicherung von Glucocerebrosid bedingt ist und standardmäßig mit dem rekombinanten Enzym Glucocerebrosidase behandelt wird oder, wenn diese Enzymersatztherapie nicht möglich ist, gelegentlich mit Miglustat, einem oralen Hemmstoff der Glucocerebrosidsynthase behandelt werden kann (Substratreduktionstherapie). Von 250 Patienten in Deutschland werden 180 bis 190 behandelt. Ein Vergleich zwischen 57 Patienten in Düsseldorf sowie 50 Patienten in Amsterdam

über 10 Jahre ergab, dass sich entgegen der Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eine höhere Dosierung des Enzyms positiv auf einige Parameter auswirkt. 1991 erfolgte die Einrichtung des internationalen Gaucher-Registers; inzwischen gibt es auch Register für Morbus Fabry (seit 2001); MPS I (seit 2003) und seit 2004 für Morbus Pompe. Aus dem Gaucher-Register lässt sich eine um 10 Jahre geringere Lebenserwartung als die der Normalbevölkerung ableiten. Während Patienten mit Morbus Gaucher und Morbus Fabry gut auf eine spätere Behandlung ansprechen und Schäden reversibel sind, ist das z. B. bei den skelettassoziierten Schäden bei MPS I kaum der Fall. Abschließend plädierte vom Dahl dafür, Therapieziele festzulegen und - wie seit 2003 vom G-BA vorgesehen - die Verordnung dieser teuren Therapien zwingend mit der Vorstellung in Behandlungszentren zu verknüpfen. Seite 5/6 Martina Ochel/Genzyme GmbH stellte in ihrem Beitrag Therapie von vererbten Stoffwechselstörungen Beiträge der Industrie zunächst den Werdegang von Genzyme und dann die Erfolgsgeschichte bei der Behandlung der 40 bisher bekannten lysosomalen Speicherkrankheiten vor. Diese wurden um 1900 entdeckt; erst 50 Jahre später konnten ihre molekularen Ursachen aufgeklärt werden, und ab etwa 1990 gab es erstmals rekombinante Medikamente. Sie erläuterte, dass die bereits genannten Patientenregister von den Zulassungsbehörden als Auflage im Zulassungsverfahren gefordert wurden und von der Industrie finanziert werden müssen. Die Organisation erfolge aber unabhängig und werde von einem wissenschaftlichen Board überwacht. Abschließend stellte Ochel Therapieziele vor, zeigte Behandlungserfolge auf und wies auf den enormen Schub hin, der in diesem Bereich durch den Forschungseinsatz der Industrie entstanden war und zu einer Vielzahl von Publikationen und Leitlinien sowie inzwischen zur Verfügbarkeit einer ganzen Reihe von Medikamenten gegen die häufigsten lysosomalen Speicherkrankheiten geführt hat. Dr. Andreas Reimann/ACHSE und Mukoviszidose e.v. stellte in seiner Präsentation Die Rolle von Patientenorganisationen bei Seltenen Krankheiten zunächst die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) vor, in der sich 59 Patientenorganisationen zusammengeschlossen haben, die ca. 500.000 Patienten vertreten. Insgesamt sind in Deutschland trotz Seltenheit 4 Mio. Patienten von seltenen Krankheiten betroffen. Die größten Probleme liegen in der späten Diagnose, geringen Forschungsaktivitäten, Fehlen von Medikamenten, Mangel an erfahrenen Patienten und fehlendem Verständnis für solche Patienten. Hier können Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen wertvolle Hilfe leisten, indem sie den Informationsaustausch zwischen Ärzten, Wissenschaftlern und Patienten fördern und unmet medical needs wie das fehlende Mukoviszidose-Screening in Deutschland identifizieren, das eine gegenüber Frankreich um 1 Jahr spätere Diagnose zur Folge hat. Weitere Aktivitäten von Patientenorganisationen betreffen die Errichtung bzw. den Erhalt von Spezialambulanzen, schnellere Diagnose/Screening, Off-Label-Use, Compassionate Use, Therapieförderung (Mukoviszidose e.v. unterhält Patien-

tenregister mit 6.800 der 8.000 Mukoviszidose-Patienten in Deutschland), Forschungsförderung und Mitwirkung bei der klinischen Forschung. Abschließend begrüßte Reimann die vom G-BA ausgesprochene Konkretisierung gem. 116b SBG V für Spezialambulanzen Seltener Krankheiten. Seite 6/6 Stand: 01.02.2007