Thaler Predigt Der göttliche Anwalt Johannesevangelium 16,5-15 von Pfr. Christian Münch gehalten an Pfingsten 2012 in der paritätischen Kirche Thal
Lesung aus der Apostelgeschichte 2,1-18: Als (...) die Zeit erfüllt und der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren sie alle beisammen an einem Ort. Da entstand auf einmal vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sassen; und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und auf jeden von ihnen liess eine sich nieder. Und sie wurden alle erfüllt von heiligem Geist und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie der Geist es ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun jenes Tosen entstand, strömte die Menge zusammen, und sie waren verstört, denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie waren fassungslos und sagten völlig verwundert: Sind das nicht alles Galiläer, die da reden? Wie kommt es, dass jeder von uns sie in seiner Muttersprache hört? Parther und Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, von Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asia, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem kyrenischen Libyen, und in der Stadt weilende Römer, Juden und Proselyten, Kreter und Araber - wir alle hören sie in unseren Sprachen von den grossen Taten Gottes reden. Sie waren fassungslos, und ratlos fragte einer den andern: Was soll das bedeuten? Andere aber spotteten und sagten: Die sind voll süssen Weins. Petrus aber trat vor, zusammen mit den Elfen, erhob seine Stimme und sprach: Ihr Juden und all ihr Bewohner Jerusalems, dies sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! Diese Männer sind nicht betrunken, wie ihr meint; es ist doch erst die dritte Stunde des Tages. Nein, hier geschieht, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da werde ich von meinem Geist ausgiessen über alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure jungen Männer werden Gesichte sehen, und eure Alten werden Träume träumen. 2
Liebe Gemeinde Für Menschen, die oft den Gottesdienst besuchen, hat das Pfingstfest klar mit dem Heiligen Geist zu tun. Es ist die Erinnerung an das Pfingstwunder zehn Tage nach Christi Himmelfahrt. Kirchlich gesehen ist es die Geburtsstunde der Kirche Christi. Doch was das Pfingstereignis für uns heute bedeutet, darauf eine Antwort zu finden, ist schon eher eine Knacknuss. Dass wir an Gott glauben, das leuchtet vielen Menschen ein. Dass wir an Jesus Christus glauben, leuchtet auch noch ein. Wir nennen uns ja auch Christen. Aber warum sollen wir, wie in jedem klassischen christlichen Glaubensbekenntnis als drittes Element aufgeführt, auch an einen Heiligen Geist glauben? Vielleicht hilft zum Verstehen ein Abschnitt aus einer Rede von Jesus, die uns im Johannesevangelium, im 16. Kapitel, überliefert ist. Jesus sprach von seinem Weggehen, von seinem Tod. Die Jünger machte es traurig. Jesus sagte darauf: 7b Es ist zu eurem Wohl, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, wird der Fürsprecher nicht zu euch kommen; wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden. 8 Und wenn er kommt, wird er die Welt überführen und aufdecken, was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist; 9 Sünde: dass sie nicht an mich glauben, 10 Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht, 11 Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Wirklich getröstet haben diese Worte Jesu die Jünger vorerst überhaupt nicht. Das, was Jesus in seinen Abschiedsreden seinen Schülern prophezeit hat, ist beileibe nicht der Himmel auf Erden, sondern Hass und Spott dieser Welt. Da hätten die Jünger sich als Trost Jesus als Person bei sich gewünscht und nicht einen Stellvertreter. Doch genau das hat Jesus verheissen, einen Stellvertreter. Und diesen Stellvertreter nennt er nicht Heiligen Geist, wie wir das vermuten würden, sondern er umschreibt ihn mit dem weltlichen Begriff Parakletos. 3
In der vorgelesenen Übersetzung wird der griechische Begriff Paraklet mit Fürsprecher übersetzt. Luther sprach vom Tröster ; die Einheitsübersetzung benutzt den Begriff Beistand und die Bibel in heutiger Sprache spricht vom Helfer. Doch alle übersetzten den gleichen Begriff. Wörtlich heisst Paraklet schlicht und einfach Anwalt. Der Heilige Geist, Christi Stellvertreter, hat die Aufgabe eines Anwalts. Und diese ist vielschichtig: Vom Fürsprecher, der an unserer Stelle spricht, vom Helfer, der sich im Dschungel des Gesetzes auskennt, vom Beistand und Tröster, der seinem Klienten Mut zuspricht in der Zerwürfnis eines Prozesses. An diese Vielschichtigkeit hat Jesus gedacht, als er von seinem Stellvertreter sprach. Der Heilige Geist kann von schonungslosem Aufdecken der Ungerechtigkeit und Sünde bis zum Trost alles ansprechen oder zusprechen. Nicht die Jünger haben dies zu tun, auch wenn Jesus ihnen in der Fortsetzung seiner Geschichte, kurz vor Himmelfahrt, den Auftrag geben wird, in aller Welt das Evangelium zu predigen. Sie müssen nicht eine Drohbotschaft verkünden, sondern eine gute Nachricht, die Nachricht der Liebe Gottes. Der Heilige Geist wird die Menschen dann zur Erkenntnis ihrer Gottlosigkeit überführen. Und die Menschen, die sich Gott zuwenden, denen wird der Heilige Geist Gottes Gesetz ins Herz schreiben. Und das ist das Gesetz der Liebe. Christus umschreibt es in seiner Rede wie folgt: 13 Wenn er aber kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und was kommen wird, wird er euch kundtun. 14 Er wird mich verherrlichen, denn aus dem Meinen wird er empfangen und euch kundtun. 15 Alles, was der Vater hat, ist mein. Darum habe ich gesagt, dass er aus dem Meinen empfängt und euch kundtun wird. Die Jünger werden auf einen Weg geschickt, auf dem sie darüber nachdenken müssen, was der Sinn des Kommens 4
Christi ist, was er für uns Menschen bedeutet, welche Konsequenzen dies nach sich zieht. Umso länger und intensiver sie sich damit befassen, desto mehr Facetten, ja sogar Neues werden sie entdecken - ausgedeckt durch den Heiligen Geist. Dabei rückt Christus immer mehr ins Zentrum ihres Lebens und sie werden ihn immer deutlicher als Gott selber erkennen, ihn ehren und nach seinem Gebot der Liebe leben. Manchmal könnte man sich fragen, ob da Jesus nicht etwas zu viel versprochen hat. Haben die Jünger dies so erfahren? Wie steht es mit all den andern Menschen, in den späteren Generationen bis heute? Erleben wir diesen Geist Gottes als Anwalt, als Tröster und Fürsprecher? Nun, ich denke, die Antwort fällt gemischt aus. Direkt nach dem versprochenen und erfahrenen Pfingstereignis wird uns von der Jerusalemer Gemeinde berichtet, die füreinander einstand. Es wird von neuem Mut berichtet, von Jesus, als den versprochenen Christus zu bezeugen und dies trotz Todesdrohungen, ja sogar erlebtem Totschlag. Doch dort, wo das neue Gebot der Liebe nicht ins Herz gepflanzt war, gab es auch Streit, Rechthaberei, Egoismus. Und die Christen mussten erfahren, ähnlich wie wir das heute an uns selber vielleicht sehen, beides steckt in unserm Herzen: Die Liebe und das Böse. Das Böse im eigenen Leben zu erkennen und es auch als Sünde zugeben zu können, das ist das Werk des Heiligen Geistes. Er ist die Kraft, die Herzen bewegt zu bitten, wie das einst der König David tat und betete: Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist. (Psalm 51,12) Das kann nur jemand beten, dem der Heilige Geist die Einsicht geschenkt hat, aber auch Vertrauen in Gott, dass er unser Herz verändern kann. Darum glauben wir auch an den Heiligen Geist, als Gottes Gegenwart im wörtlichen Sinne, der uns leitet und ausrüstet fürs Leben. Amen. 5
Fürbitten um deinen Geist der Heiligkeit für alle, denen nichts mehr heilig ist; für alle, die sich für nichts mehr begeistern können. um deinen Geist der Freude für alle, die ihre Freude am Leben verloren haben; für alle, denen das Lachen vergangen ist; für alle, die sich ihres Lebens von Herzen freuen dürfen. um deinen Geist des Verstehens für alle, die sich unverstanden fühlen; für alle, die für andere kein Verständnis mehr aufbringen können. um deinen Geist des Trostes, für alle, die etwas zu verlieren haben; für alle, die einen Menschen verloren haben.. um deinen Geist des Friedens für alle, denen Macht wichtiger ist als das Leben; für alle, die unter Gewalt und Krieg leiden. um deinen Geist in unserer Mitte für alle, die in deinem Namen leben und handeln; für alle, die von einer versöhnten, geschwisterlichen weltweiten Kirche träumen. Dir sei Ehre in Ewigkeit. Amen 6