Pfingstsonntag Mai 2016 Klosterkirche zu Cottbus
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- Günther Kevin Fürst
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1 1 Pfingstsonntag Mai 2016 Klosterkirche zu Cottbus - es gilt das gesprochene Wort - Predigttext: Apostelgeschichte 2, 1-18 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden. Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem
2 2 Wein. Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist s, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5):»Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Predigt 1 Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Gemeinde: Amen. Pfingsten in Jerusalem. Menschen aus vielen Völkern sind versammelt, Völkern, an denen sich viele die Zunge zerbrechen: Parther und Meder, aus Mesopotamien, Kappadozien, Phrygien und Pamphylien, aus Judäa, der Provinz Asien, Libyen und Rom. Die wenigsten sind Einheimische, die meisten stammen von anderswoher, aus anderen Kulturen, aus Asien, Afrika, Ägypten, dem Westen, also der Metropole Rom. Ein Sprachengewirr ist das, ein kulturelles Gemisch und auch eine Religionsvielfalt, jüdisch, christlich, viele, die sich keinem von beiden zuordnen. Der Wind der Verständigung erfasst 1 Viele Gedanken und Textabschnitte verdanke ich einer Predigt von Margot Runge.
3 3 sie. Sie hören sich plötzlich in ihrer eigenen Muttersprache reden. Sie verstehen sich, sie werden eine Gemeinde, eine Gemeinschaft. Der Geburtstag der Kirche ist ein Fest des Verstehens. Es überwindet die Grenzen von Herkunft, Sprache, Kultur und Religion. Die Kirche wird mit einem spontanen Fest von Verschwisterung geboren. Menschen aus vielen Völkern sind auch hier in Cottbus versammelt, Menschen, an deren Sprachen wir uns die Zunge zerbrechen. Ein Sprachengewirr, ein kulturelles Gemisch und auch eine Religionsvielfalt und Konfessionsvielfalt. Plötzlich sind sie da, wie damals in Jerusalem, die Menschen aus Asien und Afrika, aus Libyen und Ägypten. Pfingsten kommt zu uns. Und es geht wie damals um die Sprache. In der Jungen Gemeinde lernen wir Namen, die wir uns auch nach Wochen nur schwer merken können, weil Jugendliche aus Afghanistan plötzlich dazugehören, Muslime, mit dem Wunsch nach Austausch, nach einem deutschen Freund. Sie wollen deutsch lernen. Sie wollen begreifen, wie wir leben. Vielleicht würden sie auch gern mehr erzählen, was sie erlebt haben und woher sie ihre Kraft schöpfen. Aber dazu müssen wir wohl noch öfter über Alltägliches reden, miteinander spielen, vielleicht mal miteinander und füreinander kochen. Zu Pfingsten in Jerusalem konnten sich die Menschen auf einmal in ihren Sprachen reden hören. Sich verstehen das ist die Wurzel der Kirche und damit ist es zugleich ihr Auftrag. Damit können wir ausstrahlen auf andere, aber wir müssen sie damit nicht missionieren. Denn es gehört seit Pfingsten zum ureigensten Auftrag von uns Christen, für Verständigung, für Verstehen, für Annäherung da zu
4 4 sein. Das trifft für Menschen ohne einen religiösen Hintergrund nicht so einfach zu. Sie haben vielleicht sogar mehr ein Recht als wir, sich zurückzuhalten, erst einmal zu beobachten. Das Wunder von Pfingsten ist also eine Herausforderung für uns. Schön ist es, wenn sich solche Wunder ereignen. Das ist im hinter uns liegenden Jahr geschehen und wird immer wieder geschehen. Aber dann erwächst aus solchen Verstehens-Wundern eben auch ein Auftrag. Und das heißt: Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir diesem Auftrag gerecht werden. Wir fragen: Was trägt zum Verstehen bei? Warum haben viele Menschen Angst? Was führt zu Hass statt Verständnis? Und wie können wir dem begegnen? Vor einigen Wochen hat der katholische Christ und SPD-Politiker, unser ehemaliger Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, hier in der Klosterkirche einen Vortrag zum Thema Doppelte Integration gehalten. Seine Ausgangsfrage war: Was haben wir anzubieten? Neben den Verfassungswerten Gleichberechtigung, Religionsfreiheit, Meinungs- und Kunstfreiheit haben wir unsere Sprache anzubieten, Ausbildung und Arbeit. Aber dann war ihm die Verständigung darüber wichtig, was für uns Deutsche Freiheit bedeutet, Würde, gutes Leben. Wir leben in einer Zeit heftiger Umbrüche und fragen darum stärker als sonst nach unserer Identität. Die Kultur, die Künste werden darum wichtiger denn je. Damit wir uns erst einmal untereinander verständigen, wofür wir stehen. Wolfgang Thierse hat ein eindrückliches Plädoyer dafür gehalten, dass die Frage nach dem Eigenen, der eigenen Kultur nicht als anrüchig gelten darf. So sagte er: Wer nach Deutschland kommt, kommt in eine Erinnerungskultur. Deutschland gibt es nicht ohne Auschwitz. Das gilt für Neuankömmlinge ebenso wie für Neonazis. Man könnte
5 5 meinen, dass wir mit solchen Überlegungen viel zu sehr bei uns sind. Mir hat es eingeleuchtet, dass wir nur dann überzeugend zur Integration einladen können, wenn wir wissen, wer wir sind. Es kommen eben auch Menschen von weit her, die von Deutschland nur wissen, dass Hitler angeblich gut gewesen sei. Solche Meinung lässt sich nicht verbieten, sie lässt sich nur durch Verständigung verändern, durch eine andere, fundierte Meinung ablösen. Einander annehmen, Missverständnisse ausräumen, Konflikte lösen, Frieden säen das braucht einen langen Atem. Gottes Geist verbindet Menschen und bringt sie zusammen. Jesus hat sich als Geselle der Kinder und Frauen, der Behinderten und Verachteten zu ihnen gestellt. Er hat ihnen Licht gebracht und sie ans Licht gebracht. Er hat ihnen Würde und Ansehen gegeben und sie einbezogen. Wie sprechen wir also von ihnen? Wie werden Fremde in unserer Sprache sichtbar? Als Flüchtlingsströme oder als Neuankömmlinge? Pfingsten erinnert uns daran, dass wir sorgsam mit unseren Begriffen umgehen, dass wir unsere Sprache hinterfragen, unsere Worte abklopfen, ob wir mit ihnen die, die am Rand stehen, im Blick haben und mit ihnen solidarisch sind, so wie Jesus. Die Pfingstgeschichte erinnert uns auch daran, dass es immer eine Innenansicht und eine Außenansicht gibt. Diejenigen, die das Sprachenwunder erlebt hatten, die plötzlich einen wildfremden Menschen in ihrer eigenen Muttersprache haben reden hören, waren begeistert. Sie waren wirklich vom Geist getragen und haben etwas Tolles erlebt, was sie so vermutlich noch nie erlebt haben. Die von außen haben es hingegen ganz einfach auf den Punkt gebracht: Die sind wohl betrunken.
6 6 Wir müssen unsere Worte abklopfen, ob wir den anderen, vor allem den Fremden, aber auch den Fremden in unserer Gesellschaft, dem Punker, dem schwulen Nachbarn oder der lesbischen Arbeitskollegin, gerecht werden. Es ist nicht selbstverständlich, dass Kommunikation gelingt, schon im Deutschen nicht. Noch viel schwieriger ist es, sich über Sprachgrenzen hinweg zu verständigen. Pfingsten ist wirklich ein Wunder und eine Aufgabe für uns als Christinnen und Christen in unseren Dörfern, in dieser Stadt. Viele haben diese Aufgabe angenommen. Verlage produzieren Gottesdienstordnungen in sechs Sprachen. Es gibt zweisprachige Kurse zum Taufunterricht für Erwachsene in Deutsch und Farsi und so können Menschen aus dem Iran lernen, was zu unserem christlichen Glauben gehört. Was wir da tun, ist nicht etwas, das Kirche auch noch tun könnte oder sollte. Einander verstehen, das ist die Wurzel der Kirche, das ist pfingstliches Kerngeschäft, da sind wir mitten drin in unserer Aufgabe als Christinnen und Christen in dieser Welt. Dass wir damit auch etwas gegen die Angst vieler Menschen in unserem Land tun, ist gut. Denn die Angst unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch in der Gemeinde, dürfen wir nicht dämonisieren. Angst begegnet man am besten durch Begegnung. Manchmal sorgt Gott selbst dafür, geschieht Pfingsten in unserem Leben. Aber wie gesagt, das Fest des Verstehens am Geburtstag der Kirche ist Wunder und Auftrag. Es setzt voraus, dass wir hörende, empfangende Menschen sind, dass wir Gott zutrauen: Er hat etwas mit uns vor. Er gibt uns die Kraft des Heiligen Geistes.
7 7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Gemeinde: Amen.
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