Wege in ein wettbewerbliches Strommarktdesign für erneuerbare Energien Herausgeber/Institute: MVV Energie, arrhenius, Ecofys, Takon Autoren: Oliver Kopp et al. Themenbereiche: Schlagwörter: Strommarkt, Marktdesign, Strompreis, Energiepreise, EEG Datum: Juli 2013 Auftraggeber/Förderer: Seitenzahl: MVV Energie 94 Zielsetzung und Fragestellung Die Studie geht der Frage nach, wie ein neues Strommarktdesign für Erneuerbare Energien aussehen könnte, das einen möglichst kosteneffizienten Zubau bewirken und gleichzeitig das Erreichen des eines Anteils von über 80 Prozent Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2050 ermöglichen würde.
Ein Schwerpunkt liegt dabei auf einem möglichst reibungslosen Übergang vom gegenwärtigen zu einem neuen Marktdesign. Zu diesem Zweck zeigen die Autoren einen mehrstufigen Weg vom heutigen EEG in ein aus ihrer Sicht stärker wettbewerbliches Strommarktdesign auf und sprechen entsprechende Handlungsempfehlungen aus. Jede Stufe soll dabei reversibel sein und radikale Strukturbrüche vermeiden. Zentrale Ergebnisse Abschaffung der festen Einspeisevergütung zugunsten eines wettbewerblichen Prämiensystems Im Ergebnis ihrer Analysen schlagen die Autoren für die Erneuerbaren Energien die Einführung eines wettbewerblichen Prämiensystems in drei Stufen vor. Es solle das System der festen Einspeisevergütung mittelbis langfristig vollständig ersetzen. Die Finanzierung der Erneuerbaren Energien basiere dann auf zwei Zahlungsströmen, nämlich der Vermarktung der Stromerzeugung auf den allgemeinen Strommärkten (Energy-only-Märkten), ergänzt durch Prämienzahlungen, deren Höhe mittels Auktionen bestimmt würden. Dies gewährleiste die Reaktion auf Preissignale und den Wettbewerb um die günstigsten Vollkosten. Für den Übergang sollten dabei in der ersten Stufe kurzfristig folgende Reformen im Erneuerbare-Energien- Gesetz umgesetzt werden: Verpflichtende Einführung der derzeit optionalen gleitenden Marktprämie, eventuell mit einer Deminimis-Regelung für Kleinstanlagen; Schnellere Vergütungsanpassungen als bisher, um den Zubau zu verstetigen und Unter- oder Überförderungen zu vermeiden, zum Beispiel durch Übertragung des Prinzips des atmenden Deckels,
wie er derzeit für die Photovoltaik gelte; Überarbeitung der Befreiungstatbestände bei der EEG-Umlage; Einschränkung der Entschädigungszahlungen für die Abregelung von EEG-Anlagen, um einen weiteren Zubau von Anlagen in Gegenden mit Netzengpässen zu vermeiden; Erhöhung der Vergütung für Onshore-Wind in Süddeutschland und Absenkung in Norddeutschland. Wettbewerb auf der Ebene der Vollkosten für Strom aus Erneuerbaren Energien einführen Auf der zweiten Stufe solle der Wettbewerb bei der Vermarktung von erneuerbarem Strom auf die Vollkosten für Strom aus Erneuerbaren Energien ausgedehnt werden. Dabei würden die von den Investoren zu tragenden Risiken erhöht. Konkrete Maßnahmen wären: Bestimmung der Höhe der gleitenden Marktprämie im Zuge von Auktionen; Politische Festlegung eines Finanzierungsbudgets zur Begrenzung der Auktionen mit dem Ziel, die Kosten der Energiewende unter Kontrolle zu halten; Festlegung technologiespezifischer Preisobergrenzen in den Auktionen, die sich an den heutigen EEG-Sätzen orientieren könnten. Übergang von gleitender zu fixer Marktprämie bei entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen In Stufe 3 würden die Auktionen erhalten bleiben, jedoch geprüft, inwieweit die Finanzierung der Erneuerbaren Energien von einer gleitenden auf eine fixe, ex ante bestimmte Marktprämie umgestellt werden könne. Der Zeitpunkt für einen möglichen Übergang in Stufe 3 hänge von einer Reihe schwer prognostizierbarer Parameter ab, er müsse aber auch noch nicht entschieden werden. Voraussetzung wäre nach Ansicht der Autoren eine deutliche Verringerung der Unsicherheiten hinsichtlich des Strommarktpreises. Dies betreffe insbesondere den
Emissionshandel und die fossilen Stromerzeugungstechnologien. In einem weiteren Schritt solle dann der Übergang von technologiespezifischen zu technologieoffenen Auktionen erfolgen. Dieser Schritt sei erst dann sinnvoll, wenn sich die Kostenkurven Erneuerbarer Energien so angeglichen haben, dass ein solcher Wechsel keine hohen Windfall- Profits für kostengünstige Technologien bedeuten würde. Anderenfalls würden die Kosten für die Verbraucher vermutlich steigen. Anforderungen an den Transformationsprozess Für die Transformationsphase auf dem Weg zum Zieldesign werde ein Finanzierungs- und Regulierungsrahmen benötigt, der darauf ziele: an das erfolgreiche EEG anzuknüpfen und das Marktprämienmodell weiterzuentwickeln; Wettbewerb bei den Vollkosten zu schaffen, ausreichende Investitionsanreize zum Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu generieren und gleichzeitig Überrenditen zu vermeiden; den Wettbewerb beim Kraftwerkseinsatz (Dispatch) auszuweiten; die Steuerung des Zubaus einzelner Technologien sowie deren regionale Verteilung zu ermöglichen; alle Akteure auf dem Weg zu mehr Wettbewerb mitzunehmen und systemische Brüche zu vermeiden; notfalls einen Instrumentenwechsel zu ermöglichen (Reversibilität). Zu beachten sei, dass der vielfache Wunsch nach technologieneutraler Finanzierung für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien nicht sinnvoll sei. Eine technologieneutrale Förderung würde zu Windfall-Profits (erhöhten Gewinnen für die kostengünstigsten Technologien) führen, die von den Verbrauchern bezahlt werden müssten. Ferner würden die Innovationspotenziale der gegenwärtig noch teuren Technologien zu kurz kommen. Deren Entwicklung sei
aber notwendig, um anspruchsvolle Ausbauziele und hohe Anteile Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung zu erreichen. Bei einer technologieneutralen Finanzierung würden diese Technologien heute nicht entwickelt, was langfristig die Kosten erhöhen würde. Internationale Erfahrungen mit Auktionen und Schlussfolgerungen Die im Rahmen der Studie durchgeführte Länderanalyse, in der Auktionsmodelle aus Brasilien, Frankreich, Großbritannien, China, Portugal und den Niederlanden untersucht wurden, habe gezeigt, dass den Vorteilen von Auktionsmodellen einige empirische Nachteile gegenüber stünden: geringe Realisierungsraten, unzureichende Strafen für nicht umgesetzte Projekte, unzureichender Wettbewerb, Abgabe ungültiger Gebote. Diese Nachteile seien aber einerseits nicht auf Auktionsmodelle beschränkt und andererseits durch eine zielgerichtete Ausgestaltung einzelner Designelemente der Auktion vermeidbar. Dabei müssten der landesspezifische Rechtsrahmen, die Bieterstruktur und die Heterogenität von Technologien zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien berücksichtigt werden. Für Deutschland lasse sich eine Reihe von Prinzipien für das weitere Vorgehen ableiten: Es sollten zunächst die energiewirtschaftlichen Grundlagen und erst dann die Details des Auktionsdesigns bestimmt werden. Die ausgeschriebene Menge müsse größer sein als die Zielmenge, um unvermeidliche Projektabbrüche eines Teils der in der Auktion erfolgreichen Projekte zu kompensieren. Es müsse mit großer Sorgfalt bestimmt werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit
Projekte bzw. Investoren an den Auktionen teilnehmen dürfen. Es seien hinreichende, aber nicht zu hohe und somit abschreckende Vertragsstrafen vorzusehen. Es solle überlegt werden, ob ein Sekundärmarkt für Projekte eingeführt wird, die andernfalls nicht bzw. verspätet umgesetzt würden. Es sei zu prüfen, ob für die verschiedenen Technologien individuelle Auktionsdesigns sinnvoll sind, zum Beispiel für Wind Offshore und Wind Onshore. Qualität ginge vor Geschwindigkeit: Das Auktionsdesign solle mit großer Sorgfalt und dem dafür nötigen zeitlichen Vorlauf entwickelt werden. Vorteile des vorgeschlagenen Finanzierungsmodells im Vergleich zu anderen Instrumenten Bei einer administrativ festgelegten festen Prämie erhöhe sich das Risiko für die Verbraucher, da der Staat hier sowohl die Vollkosten für die Stromproduktion durch Erneuerbare Energien als auch die Höhe des Strommarktpreises für die kommenden 15 bis 25 Jahre abschätzen müsse. Dies brächte gegenüber dem Status Quo keine weiteren Effizienzgewinne, verstärke aber die aktuellen Probleme. Bei Quotenmodellen sei ein wesentlicher Nachteil, dass nachträgliche Anpassungen zu starken Marktverwerfungen führen würden. Politische Eingriffe, die unter Kostengesichtspunkten notwendig sein könnten, wären dadurch nicht möglich, es bestünde also eine hohe Pfadabhängigkeit. Der komplexe Preisbildungsmechanismus auf dem Zertifikatemarkt führe zudem zu hohen Investitionsrisiken, denen keine entsprechenden Effizienzgewinne gegenüberstünden. Das vorgeschlagene wettbewerbliche Prämiensystem verfüge insbesondere über folgende Vorteile: Es finde ein Wettbewerb statt über die Höhe der Vollkosten zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.
Auktionsmodelle seien sehr robust gegenüber Änderungen der energiewirtschaftlichen Umfeldbedingungen. Auktionsmodelle hätten eine geringe Pfadabhängigkeit, so dass ein gegebenenfalls politisch erwünschter Wechsel des Finanzierungsmodells leicht und reibungslos möglich sei. Zentrale Annahmen und Thesen Erneuerbare Energien auch langfristig auf Finanzierungsinstrument angewiesen Ausgangspunkt der Studie ist die These, dass sich die Erneuerbaren Energien an den allgemeinen Strommärkten alleine auf absehbare Zeit nicht refinanzieren können. Damit bestünde auch langfristig eine Deckungslücke, die durch ein Finanzierungsinstrument geschlossen werden müsse. Stärkere Marktintegration Erneuerbarer Energien erforderlich Um die Kosteneffizienz bei der Umstellung auf hohe Anteile Erneuerbarer Energien zu steigern, sei eine im Vergleich zum bestehenden Erneuerbare-Energien-Gesetz stärkere Marktintegration erforderlich. Darunter verstehen die Autoren insbesondere die Einführung von Wettbewerb um die beeinflussbaren Vollkosten der Erneuerbaren Energien (Stromgestehungskosten) sowie die Reaktion auf Marktpreissignale. Die Übernahme nicht beeinflussbarer, langfristiger Preisrisiken am allgemeinen Strommarkt, also die Integration der Erneuerbaren
Energien in den bestehenden Markt, stehe hingegen nicht im Fokus der Marktintegration. Die zentrale Herausforderung bestehe darin, ein höheres Maß an Marktintegration der Erneuerbaren Energien zu erreichen, dabei aber die gegenwärtige Ausbaudynamik beizubehalten und größere Marktverwerfungen zu vermeiden. Dies könne am besten durch einen lernenden Ansatz erfolgen, der radikale Strukturbrüche vermeide und es Marktakteuren, Politik und Verwaltungen ermögliche, sich anzupassen. Methodik Im ersten Schritt stellen die Autoren energiewirtschaftliche und politische Zielkonflikte dar und analysieren die Notwendigkeit einer weiteren Finanzierung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zusätzlich zur Vermarktung an den bestehenden Strommärkten. Darauf aufbauend werden verschiedene Finanzierungsoptionen diskutiert, darunter die bestehenden Einspeisetarife nach dem Erneuerbare- Energien-Gesetz, die gleitende Marktprämie, die fixe Marktprämie, Auktionen und ein Quotenmodell mit Zertifikatehandel. Unter Berücksichtigung theoretischer Überlegungen und auf Grundlage internationaler Erfahrungen skizzieren die Autoren anschließend einen Vorschlag für ein wettbewerbliches Prämiensystem, das in drei Entwicklungsstufen umgesetzt werden soll.