Technische Universität Dortmund Fakultät Maschinenbau Patentanwalt Jochen Meinke WS 2016/2017

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Technische Universität Dortmund Fakultät Maschinenbau Patentanwalt Jochen Meinke WS 2016/2017 11 Internationales Patentrecht: Europäisches Patentübereinkommen, PCT I. Die Entwicklung des europäischen Patentrechts Wenn ein Erfinder für seine Erfindung in mehreren Staaten Patentschutz erhalten möchte, ist er grundsätzlich gezwungen, in jedem einzelnen dieser Staaten ein Patent anzumelden. Somit haben ggf. mehrere Patentämter unabhängig voneinander ein Prüfungsverfahren für ein und dieselbe Erfindung durchzuführen. Da die Patentanmeldungen in der jeweiligen nationalen Amtssprache hinterlegt werden müssen und auch die Rechtsordnungen der Staaten unterschiedlich sind, ist ferner die Mitwirkung von in den jeweiligen einzelnen Ländern ansässigen, dort zugelassenen Anwälten erforderlich. Ein Patentschutz in mehreren Staaten erfordert daher einen beträchtlichen Arbeits- und Kostenaufwand. Um diese Situation wesentlich zu verbessern, ist im Herbst 1973 in München von 16 europäischen Staaten das "Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (europäisches Patentübereinkommen)" - nachfolgend EPÜ genannt - unterzeichnet worden. Dieses Übereinkommen trat am 07.10.1977 in Kraft, nachdem 6 europäische Staaten das Abkommen ratifiziert hatten. Vertragsstaaten des EPÜ sind derzeit: Albanien, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, (ehem. jugosl. Rep.) Mazedonien, Malta, Monaco, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik,

Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Zypern. Ferner ist eine Erstreckung europäischer Patente möglich auf Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro.. Darüber hinaus ist in Luxemburg im Jahre 1975 das "Übereinkommen über das europä- 2

ische Patent für den gemeinsamen Markt (Gemeinschaftspatentübereinkommen)" - nachfolgend GPÜ genannt - unterzeichnet worden. Dieses wird jedoch erst in Kraft treten, wenn es von allen Ländern der europäischen Union ratifiziert worden ist. II. Die Europäische Patentorganisation Zur Durchführung der durch das EPÜ gestellten Aufgaben wurde die Europäische Patentorganisation gegründet. Ihre Organe sind: a) das Europäische Patentamt b) der Verwaltungsrat. Die Leitung des Europäischen Patentamtes obliegt dem Präsidenten, der vom Verwaltungsrat ernannt wird und ihm gegenüber verantwortlich ist. Der Präsident wird von mehreren Vizepräsidenten unterstützt, die gleichzeitig Leiter der verschiedenen Generaldirektionen des Europäischen Patentamtes sind. Sitz der Europäischen Patentorganisation und des Europäischen Patentamtes ist München. Eine Zweigstelle des Europäischen Patentamtes befindet sich in Den Haag und Berlin. Der Verwaltungsrat besteht aus den Vertretern der Vertragsstaaten und deren Stellvertretern. Jeder Vertragsstaat ist berechtigt, einen Vertreter und einen Stellvertreter für den Verwaltungsrat zu bestellen. III. Das europäische Patent 1. Voraussetzungen des Patentschutzes Materielle Erteilungsvoraussetzungen sind Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit. Neuheit bedeutet dabei alles, was vor dem Prioritäts- oder Anmeldetage der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Be- 3

nutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Außerdem gilt hinsichtlich der Beurteilung der Neuheit auch der Inhalt älterer europäischer Patentanmeldungen, die nicht vorveröffentlicht sind, als Stand der Technik, allerdings nur für diejenigen Länder, für die die ältere europäische Patentanmeldung gilt. Ausgenommen vom Patentschutz sind insbesondere Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden, ästhetische Formschöpfungen, Anweisungen an den menschlichen Geist, reine EDV-Programme und dergleichen. Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen und tierischen Körpers sowie Diagnostizierverfahren als solche sind ebenfalls nicht patentierbar. Für Pflanzensorten oder Tierarten und biologische Züchtungsverfahren werden ebenfalls keine Patente erteilt, soweit es sich nicht um mikrobiologische Verfahren handelt. 2. Anmelde- und Prüfungsverfahren Die europäische Patentanmeldung ist beim Europäischen Patentamt einzureichen. Das Erteilungsverfahren ist bis zur rechtskräftigen Erteilung des europäischen Patentes zentralisiert. Der der Anmeldung entgegenstehende Stand der Technik wird zentral ermittelt und nach beantragter materieller Prüfung durchläuft die Anmeldung das zentrale Prüfungsverfahren, dem sich die ebenfalls beim Europäischen Patentamt zentralisierten Verfahren des Einspruches und der Beschwerde anschließen können. Nach der Erteilung des Europäischen Patentes hat dieses in den benannten Vertragsstaaten die gleiche Wirkung wie ein nationales Patent in diesen Staaten. Mit der Einreichung der Anmeldung ist eine etwaige Priorität zu beanspruchen und es ist eine Anmelde- und Recherchengebühr zu zahlen. Die europäische Patentanmeldung wird anschließend zunächst von der Eingangsstelle einer Formalprüfung unterworfen (Eingangs- und Formalprüfung), insbesondere auf Vollständigkeit der Unterlagen und rechtzeitige Entrichtung der Gebühren. Nach Abschluss der Formalprüfung erfolgt die obligatorische Recherche zum relevanten Stand der Technik, die meistens in der Zweigstelle in Den Haag durchgeführt wird. 4

Die Patentanmeldung wird nach Ablauf von 18 Monaten ab Prioritätszeitpunkt veröffentlicht. Wenn zu diesem Zeitpunkt bereits das Ergebnis der Recherche vorliegt, wird der Recherchenbericht ebenfalls mit veröffentlicht. Innerhalb von 6 Monaten nach Veröffentlichung des Recherchenberichtes ist zur Aufrechterhaltung der europäischen Patentanmeldung der Prüfungsantrag zu stellen und die Prüfungsgebühr zu zahlen, außerdem ist eine pauschale Benennungsgebühr für alle Vertragsstaaten zu zahlen. Werden diese Gebühren nicht fristgemäß bezahlt, gilt die Anmeldung insgesamt als zurückgenommen. Nach wirksamer Stellung des Prüfungsantrages wird die Patentanmeldung von einer Prüfungsabteilung geprüft, die aus drei sachkundigen Mitgliedern besteht. Am Ende des Prüfungsverfahrens erfolgt eine Patenterteilung oder ggf. eine Zurückweisung. Das europäische Patent führt nach Erteilung zu einem Bündel nationaler Rechte in denjenigen Staaten, die der Anmelder aus allen Vertragsstaaten auswählt. Da diese Rechte den jeweiligen gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Staaten des EPÜ unterliegen, empfiehlt es sich, schon in einem frühen Stadium erfahrene Auslandsvertreter, im Regelfall Patentanwälte, mit der Vertretung für die betreffenden Staaten zu beauftragen. Diese sind über die wesentlichen Vorgänge des europäischen Erteilungsverfahrens zu informieren, damit in den jeweiligen Vertragsstaaten geltende Vorschriften ordnungsgemäß eingehalten werden können. 3. Einspruchsverfahren Durch die Erteilung des europäischen Patentes wird eine 9-monatige Einspruchsfrist in Gang gesetzt, der Einspruch ist schriftlich einzulegen und es ist innerhalb der Frist eine Einspruchsgebühr zu zahlen. Einspruchsgründe sind prinzipiell dieselben wie im Einspruchsverfahren gegen ein deutsches Patent, worauf deshalb Bezug genommen wird. Über einen Einspruch entscheidet eine Einspruchsabteilung, die wiederum üblicherweise aus drei Mitgliedern besteht. Im europäischen Einspruchsverfahren finden vor Abschluss des Verfahrens häufig auch mündliche Verhandlungen statt. 5

Am Ende des Einspruchsverfahrens entscheidet die Einspruchsabteilung durch Beschluss, ob die Einsprüche zurückzuweisen, das Patent einzuschränken oder zu widerrufen ist. 4. Beschwerdeverfahren Die Entscheidungsorgane der zweiten Instanz des Europäischen Patentamtes sind die Beschwerdekammern. Das Europäische Patentamt verfügt über eine juristische Beschwerdekammer, technische Beschwerdekammern, eine Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten und eine große Beschwerdekammer. Die juristische Beschwerdekammer setzt sich aus drei rechtskundigen Mitgliedern zusammen, während die technischen Beschwerdekammern, je nach Lage des Falles, aus drei oder fünf Mitgliedern bestehen. Die große Beschwerdekammer ist zwar keine weitere Instanz gegen die Entscheidungen der anderen Beschwerdekammern, jedoch soll sie in gewissem Umfang den Nachteil einer fehlenden weiteren Instanz dadurch ausgleichen, dass sie die Möglichkeit hat, eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen und Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Sie ist zusammengesetzt aus sieben Mitgliedern, von denen fünf rechtskundige Mitglieder und zwei technisch vorgebildete Mitglieder sein müssen. Die Entscheidungen der Eingangsstelle, der Prüfungsabteilungen, der Einspruchsabteilungen und der Rechtsabteilung sind mit der Beschwerde anfechtbar. Die Beschwerdefrist beträgt 2 Monate ab Zustellung des Beschlusses, zugleich beginnt die Begründungsfrist von 4 Monaten. Beide Fristen sind nicht verlängerbar, es muß also in jedem Falle spätestens innerhalb von 4 Monaten ab Zustellung der Entscheidung eine Begründung der Beschwerde eingereicht werden. 6

5. Fristen Wenn in dem Verfahren vor dem Europäischen Patentamt eine Frist versäumt wird, hat dies im Regelfall die Folge, dass die Anmeldung als zurückgenommen bzw. der gestellte Antrag als zurückgewiesen gilt. Das Europäische Patentamt hat indessen dem Anmelder über die Wirkung der Versäumnis eine Mitteilung zu machen bzw. eine Entscheidung zuzustellen. Der Anmelder kann dann in bestimmten Fällen unter gleichzeitiger Zahlung einer Gebühr die Weiterbehandlung beantragen. Wenn im übrigen eine Frist trotz Beachtung aller gebotenen Sorgfalt nicht eingehalten werden konnte, besteht in bestimmten Fällen die Möglichkeit der so genannten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. 6. Das erteilte europäische Patent Die Laufzeit des europäischen Patentes (Höchstlaufzeit) beträgt 20 Jahre ab Anmeldetag. Das europäische Patent ist ein "Bündelpatent", d.h. das Erteilungsverfahren ist zwar zentralisiert, jedoch wird das erteilte Patent, wenn auch unter Beachtung der Vorschriften des EPÜ im nationalen Bereich der Vertragsstaaten weiterbehandelt. Dies gilt insbesondere auch für ein etwaiges Nichtigkeitsverfahren. Aufgrund des Rechts eines Vertragsstaates kann das europäische Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet dieses Staates für nichtig erklärt werden. Eine solche Entscheidung gilt in den anderen Staaten nicht, d.h. in anderen Staaten sind getrennt davon ggf. weitere Nichtigkeitsverfahren anzustrengen. 7. Sprachen des Europäischen Patentamtes Die Amtssprachen des Europäischen Patentamtes sind Deutsch, Englisch und Französisch. Europäische Patentanmeldungen sind in einer dieser Sprachen einzureichen. Das Erteilungsverfahren des Europäischen Patentes wird in derjenigen Amtssprache 7

als Verfahrenssprache durchgeführt, die der Anmelder in der Anmeldung gewählt hat, dementsprechend erfolgt auch die Veröffentlichung der Patentanmeldung in der gewählten Amtssprache. Das gleiche gilt für das erteilte Patent, jedoch hat der Anmelder Übersetzungen der Ansprüche in die beiden anderen Amtssprachen einzureichen. Die Vertragsstaaten können auch Übersetzungen der vollständigen Patentschrift in die Amtssprache ihres Landes verlangen, von diesem Recht machen derzeit noch fast alle Mitgliedsstaaten Gebrauch. IV. Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (Patentzusammenarbeitsvertrag- Patent Cooperation Treaty - PCT) Ebenso wie das EPÜ entstand der PCT-Vertrag aufgrund der Tatsache, dass ein Anmelder, der in mehreren Staaten Patentschutz zu erhalten wünscht, aufgrund des im gewerblichen Rechtsschutz herrschenden Territorialitätsprinzips in jedem einzelnen dieser Staaten ein Patent zu beantragen hat. Da die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit in Anbetracht der verschiedenen nationalen Rechtsverordnungen der Staaten voneinander abweichen, war der Schutz einer Erfindung in mehreren Staaten für den Anmelder früher mit erheblichen Kosten und viel Arbeit verbunden, hinzu kam die Doppelarbeit der prüfenden Patentämter. Da ein Vertrag über ein "Weltpatent" aus politischen Gründen nicht erreichbar sein wird, stellt der PCT-Vertrag den Versuch dar, die Anmeldung von Patenten in mehreren Staaten soweit wie möglich zu vereinfachen. Das Erteilungsverfahren wird auf internationaler Ebene bis zu einer internationalen Recherche oder einer internationalen vorläufigen Prüfung durchgeführt und geht anschließend auf die nationalen Patentämter über. Der PCT-Vertrag ist im Jahre 1970 unterzeichnet und im Januar 1978 in Kraft getreten. Ihm gehören alle wirtschaftlich bedeutsamen Industrienationen an, insbesondere auch die USA, Japan und die Staaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ). Grundlage des PCT-Systems ist, dass eine internationale Patentanmeldung in nur einer 8

Sprache bei nur einem Patentamt, dem Anmeldeamt, hinterlegt wird. Diese Anmeldung hat dann die Wirkung einer nationalen Patentanmeldung in denjenigen Vertragsstaaten, die der Anmelder gewählt und für die er Gebühren entrichtet hat. Das Anmeldeamt nimmt zunächst eine Offensichtlichkeitsprüfung vor, um evtl. formelle Mängel festzustellen. Anschließend wird eine internationale Recherche zum Stand der Technik durchgeführt, bei der die für die materielle Beurteilung der Patentierbarkeit in Betracht zu ziehenden Druckschriften ermittelt werden. Zuständig für die Recherche ist die internationale Recherchenbehörde. Als internationale Recherchenbehörden stehen insbesondere die Patentämter der USA, Japans und das Europäische Patentamt zur Verfügung, die Zuständigkeit richtet sich nach dem gewählten Anmeldeamt. Da deutsche Anmelder beim Deutschen Patentund Markenamt oder beim Europäischen Patentamt eine PCT-Anmeldung hinterlegen können, ist internationale Recherchenbehörde dann in jedem Fall das Europäische Patentamt. Der von der internationalen Recherchenbehörde ausgearbeitete internationale Recherchenbericht (zusammen mit einem informellen schriftlichen Bescheid) wird zunächst dem Anmelder mitgeteilt, dieser hat dann die Möglichkeit, ggf. die Ansprüche aufgrund des Recherchenergebnisses zu ändern oder seine Anmeldung zurückzuziehen. Anschließend wird die internationale Anmeldung zusammen mit dem internationalen Recherchenbericht den Patentämtern aller vom Anmelder bezeichneten Staaten mitgeteilt. Nach Ablauf von 18 Monaten ab dem Prioritätstag wird die internationale Anmeldung zusammen mit dem internationalen Recherchenbericht vom internationalen Büro der WIPO/OMPI veröffentlicht. Damit ist die erste Phase des PCT-Vertrages beendet. Anschließend wir das Erteilungsverfahren vor den nationalen Patentämtern unter Berücksichtigung des Ergebnisses des internationalen Verfahrens fortgesetzt, sofern der Anmelder die notwendigen Maßnahmen vor den nationalen Patentämtern trifft. In einer zweiten Phase des PCT-Vertrages kann der Anmelder die PCT-Phase auf 30 Monate ab dem Prioritätsdatum ausdehnen, was dann Sinn macht, wenn noch nicht 9

feststeht, in welchen Ländern er die Anmeldung tatsächlich weiterverfolgen will. Spätestens mit Ende dieser zweiten Phase (30 Monate ab Prioritätszeitpunkt) muss der Anmelder in den dann von ihm gewünschten Staaten die Anmeldungen national vor den nationalen Patentämtern weiterverfolgen, ggf. auch als europäische Patentanmeldung (so genannte Euro-PCT-Anmeldung). Wesentlicher Vorteil des PCT-Verfahrens ist, dass ein Anmelder kurz vor Ablauf des Prioritätsjahres nur eine Anmeldung in einer Sprache hinterlegen muss, die für eine gewisse Zeit, nämlich die PCT-Phase, als wirksame Anmeldung in mehreren Ländern gilt. Dies ist insbesondere dann von wesentlichem Vorteil, wenn sich der Anmelder in Zeitnot befindet oder sich bis zum Ablauf des Prioritätsjahres noch nicht endgültig entscheiden kann, in welchen Ländern er ein Patent anmelden will. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Verfahren sowohl die beteiligten Behörden als auch den Anmelder zu einer zügigen Arbeitsweise zwingt, so dass bereits in verhältnismäßig kurzer Zeit Klarheit über die wesentlichen Kriterien der Patentierbarkeit bestehen. Ein Nachteil des PCT- Systems ist allerdings, dass, sofern die PCT-Anmeldung nach Ablauf der PCT-Phase in den einzelnen Ländern weiterverfolgt wird, durch das PCT-Verfahren zusätzliche Kosten entstehen. Allerdings kann man häufig durch das PCT-Verfahren auch Kosten sparen, wenn sich durch die zusätzliche internationale Recherche ergibt, dass der Anmeldungsgegenstand nicht patentfähig ist und sich somit weitere Auslandsanmeldungen nicht lohnen. 10