Arbeitskreis Versammlungsrecht. Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes (ME VersG)



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Transkript:

Arbeitskreis Versammlungsrecht Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes (ME VersG) Vorgelegt von Christoph Enders, Wolfgang Hoffmann-Riem, Ralf Poscher, Michael Kniesel und Helmuth Schulze-Fielitz, unter Mitarbeit von Mathias Hong 1

Vorwort Seit der Föderalismusreform haben die Länder die Kompetenz zur Gesetzgebung für das Versammlungsrecht. Dies gibt eine Gelegenheit zur Fortentwicklung und Modernisierung des Versammlungsrechts. Als Initiative mit dem Versammlungsrecht befasster Wissenschaftler und Autoren haben sich die Mitglieder des Arbeitskreises Versammlungsrecht mehrfach in Berlin und Leipzig getroffen, die Beratung durch weitere Sachverständige und Praktiker gesucht und den Entwurf eines Versammlungsgesetzes mit Begründung gemeinsam erarbeitet, der als Muster für die Landesgesetzgeber dienen könnte. Sie übergeben ihn hiermit der Öffentlichkeit. Sie hoffen, damit nicht nur die öffentliche Diskussion um die Versammlungsfreiheit anzuregen, sondern vor allem, den Parlamenten in den Bundesländern Anregungen für die Novellierung des Versammlungsrechts auch mit dem Ziel seiner möglichst weitgehenden Vereinheitlichung zu geben. Sie danken Herrn Ltd. Regierungsdirektor Hartmut Brenneisen (Schleswig-Holstein), Herrn Ltd. Polizeidirektor Udo Behrendes (Nordrhein-Westfalen) und Herrn Kriminaldirektor Oliver Toelle (Berlin) für sachverständigen Rat. Der besondere Dank gilt der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Bereitstellung der Mittel zur Deckung der Reise- und Unterkunftskosten und der Ausgaben für die Unterstützung durch wissenschaftliche und studentische Mitarbeiter. Juli 2010 Christoph Enders Wolfgang Hoffmann-Riem Ralf Poscher Michael Kniesel Helmuth Schulze-Fielitz 2

Inhaltsverzeichnis Vorwort... 2 Inhaltsverzeichnis... 3 Abkürzungen... 4 Einleitung... 5 Gesetzestext Übersicht... 11 Gesetzestext... 12 I. Allgemeine Regelungen... 12 II. Versammlungen unter freiem Himmel... 14 III. Versammlungen in geschlossenen Räumen... 20 IV. Straftaten, Ordnungswidrigkeiten, Einziehung, Kosten, Entschädigung und Schadensersatz... 23 Gesetzestext mit Begründungen... 26 I. Allgemeine Regelungen... 26 1 Versammlungsfreiheit... 26 2 Begriff der öffentlichen Versammlung... 27 3 Schutzaufgabe und Kooperation... 31 4 Veranstaltung einer Versammlung... 36 5 Versammlungsleitung... 38 6 Befugnisse der Versammlungsleitung... 40 7 Störungsverbot... 43 8 Waffenverbot... 45 9 Anwendbarkeit des Polizeirechts... 47 II. Versammlungen unter freiem Himmel... 51 10 Anzeige... 51 11 Erlaubnisfreiheit... 55 12 Behördliche Ablehnungsrechte... 58 13 Beschränkungen, Verbot, Auflösung... 59 14 Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen... 65 15 Kontrollstellen... 67 16 Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton... 70 17 Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot... 76 18 Militanzverbot... 80 19 Symbolträchtige Orte und Tage... 82 20 Schutz des Landtags... 85 21 Öffentliche Verkehrsflächen in Privateigentum... 88 III. Versammlungen in geschlossenen Räumen... 96 22 Einladung... 96 23 Beschränkungen, Verbot, Auflösung... 98 24 Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen... 103 25 Kontrollstellen... 104 26 Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton... 106 IV. Straftaten, Ordnungswidrigkeiten, Einziehung, Kosten, Entschädigung und Schadensersatz... 109 27 Straftaten... 109 28 Ordnungswidrigkeiten... 112 29 Einziehung... 118 30 Kosten... 118 31 Entschädigung und Schadensersatz... 121 V. Schlussbestimmungen... 121 32 Einschränkung von Grundrechten... 121 Arbeitskreis Versammlungsrecht... 123 Mitarbeit... 123 Stichwortverzeichnis... 124 3

Abkürzungen BayVersG Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) vom 22. Juli 2008 (GVBl S. 421), zuletzt geändert durch 1 des Gesetzes vom 22. 4. 2010 (GVBl S. 190) BVerfG (K) LVersG-E BW NVersG-E SächsVersG VersammlG LSA Beschluss einer Kammer des Bundesverfassungsgerichts Gesetzentwurf der Landesregierung (Stand 24. 7. 2008), Gesetz zur Regelung von Versammlungen in Baden-Württemberg, Artikel 1: Versammlungsgesetz für Baden-Württemberg (Landesversammlungsgesetz - LVersG) Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP, Gesetz zur Neuregelung des Versammlungsrechts, Artikel 1: Niedersächsisches Versammlungsgesetz (NVersG), Nds. LT- Drs. 16/2075 v. 12. 1. 2010 Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Versammlungsgesetz - SächsVersG) v. 20. 1. 2010 (GVBl S. 3) Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt über Versammlungen und Aufzüge (Landesversammlungsgesetz - VersammlG LSA) v. 3. 12. 2009 (GVBl S. 558) VersG-E-BL Entwurf eines Versammlungsgesetzes, Bund- Länderarbeitsgruppe; s. Anhang VersG-E-GdP Mustergesetzentwurf der Gewerkschaft der Polizei für ein Versammlungsgesetz (Stand 29. 6. 2009), http://www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/de_gdp_legt_musterentw urf_fuer_einheitliches_versammlungsgesetz_vor?open&highlig ht=versammlungsgesetz (zuletzt abgerufen am 20. Juli 2010). Im Übrigen wird verwiesen auf H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl. 2008. Ein Verzeichnis der Mitglieder des Arbeitskreises befindet sich am Ende dieses Bandes (S. ). 4

Einleitung Bis zur ersten Föderalismusform 2006 verfügte der Bund über die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht. Von dieser Kompetenz hatte der Bundesgesetzgeber mit dem Versammlungsgesetz von 1953 Gebrauch gemacht. Das Gesetz von 1953 hat sich insoweit bewährt, als es trotz einer ganzen Reihe von Änderungen in seiner Grundstruktur auch noch das aktuelle Versammlungsgesetz des Bundes prägt. Durch die Föderalismusreform wurde die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht den Ländern übertragen. Einzelne Landesgesetzgeber haben von der neuen Kompetenz bereits Gebrauch gemacht. Zum Teil haben sie fragmentarische Regelungen erlassen, zum Teil das Bundesrecht inkorporiert und durch fragmentarische Neuregelungen modifiziert, zum Teil auch eigenständige Vollregelungen verabschiedet. Für die übrigen Bundesländer gilt nach Art. 125a Abs. 1 GG das Versammlungsrecht des Bundes fort. Insgesamt ergibt sich bereits jetzt eine uneinheitliche, fragmentierte und wenig übersichtliche Rechtslage, die sowohl für die Veranstalter besonders überregionaler Versammlungen als auch für die Polizei, die bei größeren Versammlungen häufig auf die Unterstützung von auswärtigen Kräften angewiesen ist, erhebliche Rechtsunsicherheiten und Schwierigkeiten birgt. Die Unsicherheiten und Schwierigkeiten drohen sich noch zu verschärfen, wenn weitere Länder neue Versammlungsgesetze erlassen. Historisch ist diese Entwicklung mit der Rechtslage im Polizeirecht bis Anfang der 70er Jahre vergleichbar. Damals hatten die Divergenzen zwischen den Polizeigesetzen der Länder die bundesweite Arbeit der Polizei besonders auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung behindert. Die Schwierigkeiten waren der Anlass für den 1972 von der Innenministerkonferenz erteilten Auftrag zur Erarbeitung eines Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, der 1976 in einer Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz fertiggestellt wurde und in der Folge als Grundlage für die Vereinheitlichung des Polizeirechts gedient hat. Der vorliegende Gesetzentwurf knüpft an das historische Beispiel des Musterentwurfs für ein Polizeigesetz an, ist allerdings anders als jener nicht das Ergebnis der Kooperation von Bund und Ländern, sondern einer Initiative der Mitglieder des Arbeitskreises Versammlungsrecht. Wie der Musterentwurf des Polizeigesetzes zielt er nicht darauf, jede Einzelfrage des Versammlungsrechts in allen Ländern zu vereinheitlichen, sondern eine einheitliche Regelungsstruktur anzubieten, die der Musterentwurf exemplarisch ausformuliert. Wie der Musterentwurf des Polizeigesetzes knüpft auch der Musterentwurf des Versammlungsgesetzes an die überkommene Rechtslage an. Der Entwurf schlägt keinen grundstürzenden Systemwechsel vor, sondern erhebt den bescheideneren Anspruch, die traditionelle Regelungsstruktur fortzuschreiben, weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Der Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes möchte eine Ant- 5

wort auf die Fragen geben, die das Versammlungsgesetz von 1953 noch offen gelassen hat, die bereits vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen des Versammlungsrechts systematisieren, das Versammlungsrecht stärker als bisher als Recht bürgerschaftlicher Selbstorganisation ausgestalten und es um einige Regelungsvorschläge ergänzen, die auf aktuelle Entwicklungen der Versammlungspraxis reagieren. Dabei legt der Musterentwurf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, soweit sie Klärungen enthält. Der Entwurf möchte Landesgesetzgebern, welche die ihnen neu zugewachsene Gesetzgebungskompetenz zu einer Modernisierung des Versammlungsrechts nutzen wollen, als Vorlage dienen, die gleichzeitig das Potential hat, einen gewissen Grad der Vereinheitlichung des Versammlungsrechts zu erreichen. Der Musterentwurf ist von vier Grundgedanken geprägt: Erstens, versteht er Versammlungen als Ausdruck der Freiheitsausübung in bürgerschaftlicher Selbstbestimmung und das Versammlungsgesetz nicht vorrangig als Gefahrenabwehrrecht, sondern als Grundrechtsgewährleistungsrecht; zweitens, strebt er eine möglichst weitgehende rechtsstaatliche Klarheit seiner Regelungen an, durch die er den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der zuständigen Behörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Orientierungen bietet; drittens, erhebt er einen umfassenden Regelungsanspruch für alle Versammlungsformen und alle Versammlungsrechtsfragen; viertens, möchte er das Versammlungsrecht modernisieren, indem er für aktuelle Entwicklungen und Tendenzen der Versammlungswirklichkeit neue Regelungen bereitstellt. I. An erster Stelle steht das Verständnis des Gesetzgebungsauftrags im Sinn der Gewährleistung und des Schutzes der Versammlungsfreiheit, die eine für die demokratische Ordnung essentielle Form bürgerschaftlicher Selbstorganisation garantiert. Darin und in der rechtsstaatlichen Ausgestaltung der einzelnen versammlungsrechtlichen Regelungen liegt die Liberalität des Entwurfs. Der Entwurf legt großen Wert auf die Gewährleistung der Autonomie der Versammlung. Er überlässt nicht nur die Entscheidung über Zweck, Gegenstand, Ort und Zeitpunkt der Versammlung den Trägern der grundrechtlichen Freiheit, sondern schreibt auch keine bestimmte innere Ordnung für Versammlungen vor. Er bietet aber die traditionellen Instrumente etwa der Versammlungsleitung und des Ordnereinsatzes im Sinn autonomieschützender Gestaltungsmöglichkeiten an. Die im Gesetz im Einzelnen ausgestaltete Leitungsgewalt soll die Versammlung dazu befähigen, die innere und äußere Ordnung der Versammlung möglichst selbst zu gewährleisten. Entsprechend werden die staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf Versammlungen grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen die Versammlung sich hierzu nicht mehr in der Lage erweist. 6

Der Gewährleistung und dem Schutz der Versammlungsfreiheit gilt auch die im Entwurf ausgestaltete Kooperation zwischen der Versammlung und den zuständigen Behörden. Die Kooperation dient als verfahrensmäßiges Mittel einerseits der Sicherung der Autonomie der Versammlung, andererseits aber auch dem Schutz ihrer Durchführung auch gegenüber Dritten sowie der Vermeidung von Gefahren, die von der Versammlung und ihren Teilnehmern ausgehen können. Die Kooperation mit der Behörde, insbesondere das Kooperationsgespräch, ist ein Angebot an die Versammlungsleitung; die Nichtannahme des Angebots führt nicht zu Sanktionen, kann allerdings bewirken, dass eine Gefahrenlage, die sonst hätte ausgeräumt werden können, weiter besteht und beschränkende Maßnahmen gegen die Versammlung erforderlich werden. Die in Art. 8 Abs. 1 GG verankerte Anmelde- und Erlaubnisfreiheit bedeuten einen ergänzenden Schutz der Versammlung in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Eine grundsätzliche Anmelde- oder Erlaubnispflicht für Versammlungen unter freiem Himmel würde diesen Schutz für den versammlungsrechtlich wichtigsten Versammlungstyp aufheben. Entsprechend sieht der Musterentwurf kein Anmeldeverfahren vor, von dem die Rechtmäßigkeit einer Versammlung abhängig wäre. Die in dem Entwurf vorgesehene Anzeigepflicht für Versammlungen unter freiem Himmel ist lediglich als Wissenserklärung ausgestaltet, und die Pflicht zu deren Abgabe wird zudem für Eil- und Spontanversammlungen entsprechend der bisherigen Rechtsprechung modifiziert. Eine Ausnahme von diesem Konzept sieht der Musterentwurf nur zugunsten des räumlichen Funktionsschutzes von Parlamenten vor. Hier bestehen eine Pflicht zur Anmeldung und ein Verbotsvorbehalt. Die Erlaubnisfreiheit für jedwede Art von Versammlungen bezieht sich nicht nur auf deren Durchführung, sondern auch auf sonstige Genehmigungen, die an die Benutzung öffentlicher Verkehrsflächen geknüpft sind. Das Versammlungsgesetz schützt die Versammlung auch vor Störungen insbesondere durch Dritte. Der Versammlungsleitung räumt es Befugnisse gegenüber Störungen der inneren Ordnung der Versammlung ein, ermächtigt die zuständigen Behörden zu entsprechenden Maßnahmen und sieht einen strikten Vorrang der Inanspruchnahme der Störer einer rechtmäßigen Versammlung vor. Der Musterentwurf betrachtet Versammlungen nicht in erster Linie als Gefahrenherde. Von der überwiegenden Mehrzahl der Versammlungen gehen keine Gefahren aus. Bei Versammlungen als Mittel der aktiven Teilnahme am demokratischen Willensbildungsprozess steht der Schutz der Ausübung des Freiheitsrechts im Vordergrund, nicht aber Gefahrenvorsorge durch Eingriffe in die Versammlungsfreiheit. Behördliche Maßnahmen gegen eine Versammlung sind daher grundsätzlich nur zulässig, soweit im Einzelfall bei der Durchführung der Versammlung unmittelbare Gefahren drohen. Der Entwurf greift damit durchgängig die Gefahrenschwelle auf, die bereits in der Brokdorf- Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für Beschränkungen der Versammlungs- 7

freiheit eingefordert wurde. Der Musterentwurf enthält dementsprechend wegen der negativen Auswirkungen auf die innere Versammlungsfreiheit keine Befugnisse zu im Vorfeld konkreter Gefahren ansetzenden Eingriffen durch Informationserhebung. Zweckänderungen der zur Abwehr konkreter Gefahren erhobenen Daten sind nur in engen, versammlungsbezogenen Grenzen zulässig. II. Der rechtsstaatliche Anspruch des Entwurfs kommt nicht nur darin zum Ausdruck, dass er die verfassungsrechtlichen Vorgaben in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde legt, sondern auch darin, dass er sich um ein Höchstmaß an Normenklarheit, Systematik und sprachlicher Konsistenz bemüht. Angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs der öffentlichen Ordnung und der mit seiner Auslegung und Anwendung verbundenen Unsicherheiten, die auch Missbrauchsmöglichkeiten bieten, wird vorgesehen, die Gefahrenabwehr auf das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zu begrenzen, aber bestimmte Schutzgüter, die bisher im Rahmen der öffentlichen Ordnung erfasst wurden, durch Normierung in den Rang eines Schutzguts der öffentlichen Sicherheit zu überführen. Normiert werden in dem Musterentwurf besonders das Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot, aber auch das Militanzverbot. Im Rahmen der Konkretisierung des Militanzverbots wird auch das Uniformverbot erfasst, allerdings auf seinen verfassungsrechtlich zulässigen Kern beschränkt. Um der kodifikatorisch nicht zu vermeidenden Restunschärfe der Verbote entgegenzutreten, sorgen zudem verfahrensrechtliche Sicherungen dafür, dass die Versammlungsteilnehmer die Grenze des Verbotenen erkennen und dass Maßnahmen zur hoheitlichen Durchsetzung der Verbote auf konkretisierende Anordnungen gestützt werden. Die so konkretisierten Verbote können dann gegebenenfalls mit einem Ausschluss aus der Versammlung durchgesetzt und später als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden. Der rechtsstaatlichen Klarheit dient auch die ausdrückliche Regelung des Verhältnisses des Versammlungsgesetzes zum allgemeinen Polizeirecht, das bislang forensisch und praktisch zu vielen Unklarheiten und Zweifelsfällen geführt hat. Versammlungsspezifische Befugnisse wie etwa die Einrichtung von stationären oder mobilen Kontrollstellen werden in dem Musterentwurf selbst ausgestaltet. Aber auch soweit der Entwurf den Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht erlaubt, wird dieses durch die versammlungsspezifische Schwelle der unmittelbaren Gefahr insoweit modifiziert. Maßnahmen gegen Dritte können soweit Befugnisse dazu nicht ausnahmsweise im Musterentwurf vorgesehen sind hingegen unmittelbar auf das Polizeirecht gestützt werden, da die Dritten keines besonderen versammlungsrechtlichen Schutzes bedürfen. 8

III. Der Entwurf verfolgt einen umfassenden Regelungsanspruch. Er regelt alle Formen von Versammlungen: öffentliche und nichtöffentliche, unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen. Der Musterentwurf übernimmt im Grundsatz die Systematik des Versammlungsgesetzes des Bundes, indem er zunächst für alle Versammlungen geltende Vorschriften in einem allgemeinen Teil zusammenfasst und dann zwischen Regelungen für Versammlungen unter freiem Himmel und solchen in geschlossenen Räumen differenziert, an die nach der Systematik von Art. 8 GG unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen gestellt werden. Anders als das Bundesgesetz beginnt der Musterentwurf jedoch mit den Regelungen für die praktisch bedeutenderen Versammlungen unter freiem Himmel. Auch die nichtöffentlichen Versammlungen werden in dem Musterentwurf geregelt. Regelungstechnisch wurde dies dadurch umgesetzt, dass alle Regelungen, die nur für öffentliche Versammlungen gelten, einen entsprechenden Hinweis enthalten. Die Regelung der nichtöffentlichen Versammlungen wurde auf einen Kernbestand an Vorschriften beschränkt und durch ein Optionsmodell hinsichtlich der Regelungen zur Versammlungsleitung ergänzt, das einer Überregulierung dieses Versammlungstyps entgegentritt. Umfassend ist der Regelungsanspruch des Musterentwurfs auch insoweit, als er sich bemüht, Fragen, die das Versammlungsgesetz des Bundes offen gelassen hat, nunmehr explizit zu regeln. So wurden etwa die Vorschriften über das Verhältnis von Veranstalter, Anmelder und Leiter überarbeitet und systematisiert. Zu dem umfassenden Regelungsanspruch gehört weiterhin die explizite Einbeziehung der polizeirechtlichen Regelungen und der ausdrücklich normierte Verzicht auf Erlaubnisse, die sich auf die Benutzung der für die Versammlung benötigten Verkehrsflächen beziehen. Grundsätzlich sollen alle im Zusammenhang mit einer Versammlung aufgeworfenen Rechtsfragen eine Antwort im Versammlungsgesetz finden. IV. Schließlich kennzeichnet den Entwurf der Versuch, das Versammlungsrecht in Hinblick auf aktuelle Entwicklungen fortzuschreiben. Exemplarisch sei insoweit auf die Regelungen zu privatisierten öffentlichen Räumen und zum Datenschutz bei Bild- und Tonaufnahmen hingewiesen. Die Versammlungsfreiheit entfaltet sich zu einem erheblichen Teil im öffentlichen Raum. Sie ist daher auf öffentliche Flächen angewiesen. Die Privatisierung bisher öffentlicher Räume etwa von Fußgängerzonen oder Einkaufszentren darf nicht dazu führen, dass Versammlungen an solchen traditionell für die Ausübung der Versammlungsfreiheit genutzten Orten nunmehr nicht mehr stattfinden können. Der Gesetzgeber ist insoweit aufgerufen, die verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 8 GG auch für 9

diese Räume zu konkretisieren, um die Durchführung von Versammlungen auch auf öffentlichen Verkehrsflächen zu ermöglichen, die in Privateigentum stehen. Der Musterentwurf entwickelt dabei ein Modell, das an die Ausgestaltung des Kooperationsgedankens anknüpft. Die Regelungen zu Ton- und Bildaufnahmen tragen den sich schnell entwickelnden technischen Observationsmöglichkeiten insoweit Rechnung, als sie zum einen auch für Übersichtsaufnahmen klare Regelungen enthalten und zum anderen besonders auch die Datenverwertung eingehend und versammlungsspezifisch regeln. Besonderer Wert wurde dabei auf die Offenheit und die nachträgliche Überprüfbarkeit des Einsatzes technischer Observationsmittel gelegt, die u.a. durch besondere Pflichten zur Mitteilung an Betroffene und die Versammlungsleitung gewährleistet werden sollen. V. Der Arbeitskreis Versammlungsrecht möchte mit seinem Musterentwurf Anregungen für die Fortentwicklung des Versammlungsrechts als eines für die rechtsstaatliche Demokratie des Grundgesetzes unverzichtbaren Freiheitsrechts geben. 10

Gesetzestext Übersicht 1 Versammlungsfreiheit 2 Begriff der öffentlichen Versammlung 3 Schutzaufgabe und Kooperation 4 Veranstaltung einer Versammlung 5 Versammlungsleitung 6 Befugnisse der Versammlungsleitung 7 Störungsverbot 8 Waffenverbot 9 Anwendbarkeit des Polizeirechts I. Allgemeine Regelungen II. Versammlungen unter freiem Himmel 10 Anzeige 11 Erlaubnisfreiheit 12 Behördliche Ablehnungsrechte 13 Beschränkungen, Verbot, Auflösung 14 Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen 15 Kontrollstellen 16 Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton 17 Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot 18 Militanzverbot 19 Symbolträchtige Orte und Tage 20 Schutz des Landtags 21 Öffentliche Verkehrsflächen in Privateigentum III. Versammlungen in geschlossenen Räumen 22 Einladung 23 Beschränkungen, Verbot, Auflösung 24 Ausschluss von Personen 25 Kontrollstellen 26 Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton IV. Straftaten, Ordnungswidrigkeiten, Einziehung, Kosten, Entschädigung und Schadensersatz 27 Straftaten 28 Ordnungswidrigkeiten 29 Einziehung 30 Kosten 31 Entschädigung und Schadensersatz 32 Einschränkung von Grundrechten V. Schlussbestimmungen 11

Gesetzestext 1 Versammlungsfreiheit I. Allgemeine Regelungen (1) Jede Person hat das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen mit anderen zu versammeln und Versammlungen zu veranstalten. (2) Dieses Recht hat nicht, wer das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes verwirkt hat. 2 Begriff der öffentlichen Versammlung (1) 1 Versammlung im Sinn dieses Gesetzes ist eine örtliche Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. 2 Aufzug ist eine sich fortbewegende Versammlung. (2) Eine Versammlung ist öffentlich, wenn die Teilnahme nicht auf einen individuell bestimmten Personenkreis beschränkt ist oder die Versammlung auf eine Kundgebung an die Öffentlichkeit in ihrem räumlichen Umfeld gerichtet ist. (3) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gilt dieses Gesetz sowohl für öffentliche als auch für nichtöffentliche Versammlungen. 3 Schutzaufgabe und Kooperation (1) Aufgabe der zuständigen Behörde ist es, 1. die Durchführung einer nach Maßgabe dieses Gesetzes zulässigen Versammlung zu unterstützen, 2. ihre Durchführung vor Störungen zu schützen und von der Versammlung oder von Dritten ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. (2) 1 Soweit es nach Art und Umfang der Versammlung erforderlich ist, bietet die zuständige Behörde der Person, die eine öffentliche Versammlung veranstaltet oder der die Leitung übertragen worden ist, rechtzeitig ein Kooperationsgespräch an, um die Gefahrenlage und sonstige Umstände zu erörtern, die für die ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung wesentlich sind. 2 Bestehen Anhaltspunkte für Gefährdungen, die gemäß 13 Abs. 1, 23 Abs. 1 zu einem Verbot oder Beschränkungen führen 12

können, ist Gelegenheit zu geben, durch ergänzende Angaben oder Veränderungen der beabsichtigten Versammlung ein Verbot oder Beschränkungen entbehrlich zu machen. (3) Im Rahmen der Kooperation informiert die zuständige Behörde die Person, die eine öffentliche Versammlung veranstaltet oder der die Leitung übertragen worden ist, vor und während der Versammlung über erhebliche Änderungen der Gefahrenlage, soweit dieses nach Art und Umfang der Versammlung erforderlich ist. 4 Veranstaltung einer Versammlung 1 Wer zu einer Versammlung einlädt oder die Versammlung nach 10 anzeigt oder nach 20 anmeldet, veranstaltet eine Versammlung. 2 In der Einladung zu einer öffentlichen Versammlung ist der Name anzugeben. 5 Versammlungsleitung (1) 1 Wer eine Versammlung veranstaltet, leitet die Versammlung. 2 Veranstalten mehrere Personen eine Versammlung, bestimmen diese die Versammlungsleitung. 3 Veranstaltet eine Vereinigung die Versammlung, so wird sie von der Person geleitet, die für die Vereinigung handlungsbefugt ist. (2) Die Versammlungsleitung ist übertragbar. (3) Gibt es keine Person, die die Versammlung veranstaltet, kann die Versammlung eine Versammlungsleitung bestimmen. (4) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Versammlungsleitung gelten für nichtöffentliche Versammlungen nur, wenn eine Versammlungsleitung bestimmt ist. 6 Befugnisse der Versammlungsleitung (1) 1 Die Versammlungsleitung sorgt für den ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung und wirkt auf deren Friedlichkeit hin. 2 Sie darf die Versammlung jederzeit unterbrechen oder schließen. (2) 1 Die Versammlungsleitung kann sich der Hilfe von Ordnerinnen und Ordnern bedienen. 2 Diese müssen bei Versammlungen unter freiem Himmel durch weiße Armbinden, die nur die Bezeichnung Ordnerin oder Ordner tragen dürfen, kenntlich sein. 3 Die Vorschriften dieses Gesetzes für Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung gelten auch für Ordnerinnen und Ordner. (3) Die zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Versammlung getroffenen Anweisungen der Versammlungsleitung und der Ordnerinnen und Ordner sind zu befolgen. 13

(4) 1 Die Versammlungsleitung darf Personen, welche die Ordnung der Versammlung erheblich stören, aus der Versammlung ausschließen. 2 Wer aus der Versammlung ausgeschlossen wird, hat sich unverzüglich zu entfernen. 7 Störungsverbot Es ist verboten, eine Versammlung mit dem Ziel zu stören, deren Durchführung erheblich zu behindern oder zu vereiteln. 8 Waffenverbot Es ist verboten, 1. Waffen oder 2. sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Herbeiführung erheblicher Schäden an Sachen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, bei Versammlungen oder auf dem Weg zu oder von Versammlungen mit sich zu führen, zu Versammlungen hinzuschaffen oder sie zur Verwendung bei Versammlungen bereitzuhalten oder zu verteilen. 9 Anwendbarkeit des Polizeirechts (1) Soweit das Versammlungsgesetz die Abwehr von Gefahren gegenüber einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht regelt, sind Maßnahmen gegen sie nach dem Landespolizeirecht zulässig, wenn von ihnen nach den zum Zeitpunkt der Maßnahme erkennbaren Umständen vor oder bei der Durchführung der Versammlung oder im Anschluss an sie eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. (2) Für Versammlungen in geschlossenen Räumen gilt Absatz 1 für den Fall, dass von den Teilnehmerinnen oder Teilnehmern eine Gefahr im Sinn von 23 Abs. 1 ausgeht. (3) Maßnahmen vor Beginn der Versammlung, welche die Teilnahme an der Versammlung unterbinden sollen, setzen eine Teilnahmeuntersagung nach 14 oder 24 voraus. 10 Anzeige II. Versammlungen unter freiem Himmel (1) 1 Wer eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel veranstalten will, hat dies der zuständigen Behörde spätestens 48 Stunden vor der Einladung zu der Versammlung anzuzeigen. 2 Veranstalten mehrere Personen eine Versammlung, ist nur eine Anzeige 14

abzugeben. 3 Die Anzeige muss schriftlich, elektronisch oder zur Niederschrift erfolgen. 4 Bei der Berechnung der Frist bleiben Samstage, Sonn- und Feiertage außer Betracht. (2) 1 Die Anzeige muss den geplanten Ablauf der Versammlung nach Ort, Zeit und Thema bezeichnen, bei Aufzügen auch den beabsichtigten Streckenverlauf. 2 Sie muss Namen und Anschrift der anzeigenden Person und der Person, die sie leiten soll, sofern eine solche bestimmt ist, enthalten. 3 Wird die Versammlungsleitung erst später bestimmt, sind Name und Anschrift der vorgesehenen Person der zuständigen Behörde unverzüglich mitzuteilen. 4 Wenn die Versammlungsleitung sich der Hilfe von Ordnerinnen und Ordnern bedient, ist ihr Einsatz unter Angabe der Zahl der dafür voraussichtlich eingesetzten Personen der zuständigen Behörde mitzuteilen. (3) 1 Wenn der Zweck der Versammlung durch eine Einhaltung der Frist nach Absatz 1 Satz 1 gefährdet würde (Eilversammlung), ist die Versammlung spätestens mit der Bekanntgabe bei der zuständigen Behörde oder bei der Polizei anzuzeigen. 2 Die Anzeige kann telefonisch erfolgen. (4) Die Anzeigepflicht entfällt, wenn sich die Versammlung aufgrund eines spontanen Entschlusses augenblicklich bildet (Spontanversammlung). 11 Erlaubnisfreiheit Für eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel sind keine behördlichen Erlaubnisse erforderlich, die sich auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsflächen beziehen. 12 Behördliche Ablehnungsrechte (1) Die zuständige Behörde kann eine zur Leitung einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel vorgesehene Person als ungeeignet ablehnen, wenn deren Einsatz nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet. (2) 1 Wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu besorgen ist, dass von einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, hat die Veranstalterin oder der Veranstalter der Behörde auf deren Aufforderung hin Namen und Adressen der vorgesehenen Ordnerinnen und Ordner mitzuteilen. 2 Die zuständige Behörde kann diese als ungeeignet ablehnen, wenn ihr Einsatz nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet. 15

13 Beschränkungen, Verbot, Auflösung (1) Die zuständige Behörde kann die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel beschränken oder verbieten, die Versammlung nach deren Beginn auch auflösen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. (2) Verbot oder Auflösung setzen voraus, dass Beschränkungen nicht ausreichen. (3) 1 Geht eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit von Dritten aus, sind Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen diese zu richten. 2 Kann dadurch auch unter Heranziehung von landes- oder bundesweit verfügbaren Polizeikräften eine unmittelbare Gefahr nicht abgewehrt werden, dürfen Maßnahmen nach den Absätzen 1 oder 2 auch zulasten der Versammlung ergriffen werden, von der die Gefahr nicht ausgeht. 3 Ein Verbot oder die Auflösung dieser Versammlung setzt Gefahren für Leben oder Gesundheit von Personen oder für Sachgüter von erheblichem Wert voraus. (4) Sollen eine beschränkende Verfügung oder ein Verbot ausgesprochen werden, so sind diese nach Feststellung der Voraussetzungen, die diese Verfügung rechtfertigen, unverzüglich bekannt zu geben. (5) 1 Die Bekanntgabe einer nach Versammlungsbeginn erfolgenden beschränkenden Verfügung oder einer Auflösung muss unter Angabe des Grundes der Maßnahme erfolgen. 2 Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verfügungen nach Satz 1 haben keine aufschiebende Wirkung. (6) 1 Sobald die Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle anwesenden Personen sich unverzüglich zu entfernen. 2 Es ist verboten, anstelle der aufgelösten Versammlung eine Ersatzveranstaltung durchzuführen. 14 Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen (1) Die zuständige Behörde kann einer Person die Teilnahme an oder Anwesenheit in einer Versammlung unter freiem Himmel vor deren Beginn untersagen, wenn von ihr nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. (2) 1 Wer durch sein Verhalten in der Versammlung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet, ohne dass die Versammlungsleitung dies unterbindet, oder wer einer Anordnung nach 17 Abs. 2 oder 18 Abs. 2 zuwider handelt, kann von der zuständigen Behörde ausgeschlossen werden. 2 Wer aus der Versammlung ausgeschlossen wird, hat sich unverzüglich zu entfernen. 16

15 Kontrollstellen (1) 1 Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass Waffen mitgeführt werden oder der Einsatz von Gegenständen im Sinn von 8 Nr. 2, 17 oder 18 die öffentliche Sicherheit bei Durchführung einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel unmittelbar gefährden wird, können auf den Anfahrtswegen zu der Versammlung Kontrollstellen errichtet werden, um Personen und Sachen zu durchsuchen. 2 Die Durchführung der Durchsuchungen richtet sich nach dem Landespolizeirecht. 3 Kontrollstellen sind so einzurichten, dass die Kontrollen zügig durchgeführt werden können. (2) Identitätsfeststellungen sowie weitere polizei- und ordnungsrechtliche oder strafprozessuale Maßnahmen sind nur zulässig, soweit sich an der Kontrollstelle tatsächliche Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Verstoß gegen 8, 17, 18 oder für die Begehung strafbarer Handlungen ergeben. 16 Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton (1) 1 Die zuständige Behörde darf Bild- und Tonaufnahmen sowie entsprechende Aufzeichnungen von einer Person bei oder im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel anfertigen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von der Person bei oder im Zusammenhang mit der Versammlung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, und die Maßnahmen erforderlich sind, um diese Gefahr abzuwehren. 2 Die Aufzeichnungen dürfen auch angefertigt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden. (2) 1 Die zuständige Behörde darf Übersichtsaufnahmen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nur dann anfertigen, wenn dies wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich ist. 2 Übersichtsaufnahmen und aufzeichnungen von öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel dürfen angefertigt werden, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von Versammlungen, von Teilen hiervon oder ihrem Umfeld erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen. 3 Die Identifizierung einer auf den Übersichtsaufnahmen oder - aufzeichnungen abgebildeten Person ist nur zulässig, soweit die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen. (3) 1 Aufnahmen und Aufzeichnungen sind offen vorzunehmen. 2 Die Versammlungsleitung ist unverzüglich über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen und -aufzeichnungen in Kenntnis zu setzen. 3 Verdeckte Bild- und Tonaufnahmen oder entsprechende Aufzeichnungen sind nur zulässig, wenn anderenfalls die körperliche Unversehrtheit der die Aufnahme oder Aufzeichnung durchführenden Personen gefährdet würde. 17

(4) 1 Die von einer Aufzeichnung nach Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 3 betroffene Person ist über die Maßnahme zu unterrichten, sobald ihre Identität bekannt ist und zulässige Verwendungszwecke nicht gefährdet sind. 2 Soweit verdeckte Aufnahmen angefertigt worden sind und keine Mitteilung an die betroffene Person erfolgt, sind der Versammlungsleitung die Gründe für die Anfertigung der verdeckten Aufnahmen mitzuteilen, sobald zulässige Verwendungszwecke nicht gefährdet sind. (5) Die Aufzeichnungen dürfen auch verwendet werden 1. zur Verfolgung von Straftaten in oder im Zusammenhang mit der Versammlung, 2. zur Gefahrenabwehr, wenn von der betroffenen Person in oder im Zusammenhang mit der Versammlung die Gefahr einer Verletzung von Strafgesetzen ausging und zu besorgen ist, dass bei künftigen Versammlungen von dieser Person erneut die Gefahr der Verletzung von Strafgesetzen ausgehen wird, 3. zur befristeten Dokumentation des polizeilichen Handelns, sofern eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten ist, 4. zum Zweck der polizeilichen Aus- oder Fortbildung. (6) 1 Die Aufzeichnungen sind nach Beendigung der Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu vernichten. 2 Dies gilt nicht, soweit sie für die in Absatz 5 aufgeführten Zwecke benötigt werden. 3 Aufzeichnungen, die für die Zwecke des Absatzes 5 verwendet werden, sind ein Jahr nach ihrer Anfertigung zu vernichten, sofern sie nicht Gegenstand eines Rechtsbehelfs oder gerichtlichen Verfahrens sind. (7) Soweit Aufzeichnungen zur polizeilichen Aus- und Fortbildung verwendet werden, ist hierzu eine eigene Fassung herzustellen, die eine Identifizierung der darauf abgebildeten Personen unumkehrbar ausschließt. (8) 1 Die Gründe für die Anfertigung von Bild-, Ton- und Übersichtsaufzeichnungen nach Absatz 1 und 2 und für ihre Verwendung nach Absatz 5 sind zu dokumentieren. 2 Werden von Aufzeichnungen eigene Fassungen nach Absatz 7 hergestellt, sind die Anzahl der hergestellten Fassungen sowie der Ort der Aufbewahrung zu dokumentieren. 17 Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot (1) Es ist verboten, bei oder im Zusammenhang mit einer Versammlung unter freiem Himmel Gegenstände mit sich zu führen, 1. die zur Identitätsverschleierung geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet sind, eine zu Zwecken der Verfolgung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit durchgeführte Feststellung der Identität zu verhindern, oder 18

2. die als Schutzausrüstung geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsgewalt abzuwehren. (2) Die zuständige Behörde trifft zur Durchsetzung des Verbots Anordnungen, in denen die vom Verbot erfassten Gegenstände bezeichnet sind. 18 Militanzverbot (1) Es ist verboten, eine Versammlung unter freiem Himmel zu veranstalten, zu leiten oder an ihr teilzunehmen, wenn diese infolge des äußeren Erscheinungsbildes 1. durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken oder 2. durch ein paramilitärisches Auftreten oder auf vergleichbare Weise Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt. (2) Die zuständige Behörde trifft zur Durchsetzung des Verbots Anordnungen, in denen die vom Verbot erfassten Gegenstände oder Verhaltensweisen bezeichnet sind. 19 Symbolträchtige Orte und Tage (1) 1 Die zuständige Behörde kann die Durchführung einer Versammlung unter freiem Himmel beschränken oder verbieten, die Versammlung nach deren Beginn auch auflösen, wenn 1. die Versammlung an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- oder Willkürherrschaft erinnert, oder an einem Tag stattfindet, der zum Gedenken an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewaltund Willkürherrschaft bestimmt ist, und 2. nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die unmittelbare Gefahr besteht, dass durch die Versammlung die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt und dadurch der öffentliche Friede gestört wird. 2 Die Orte nach Satz 1 und ihre räumliche Abgrenzung werden in der Anlage zu diesem Gesetz bestimmt. 3 Tage nach Satz 1 sind der 27. Januar und der 9. November. (2) Verbot oder Auflösung setzen voraus, dass Beschränkungen nicht ausreichen. 19

20 Schutz des Landtags (1) 1 Zur Gewährleistung der verfassungsmäßigen Funktionen des Landtags wird eine örtliche Schutzzone gebildet. 2 Diese Schutzzone umfasst [ ]. (2) 1 Wer innerhalb der nach Absatz 1 gebildeten Schutzzone eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel veranstalten will, hat dies spätestens 72 Stunden vor der Einladung zu der Versammlung bei der zuständigen Behörde anzumelden. 2 Für die Anmeldung gilt 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 entsprechend. (3) Die zuständige Behörde kann innerhalb der nach Absatz 1 gebildeten Schutzzone eine öffentliche Versammlung im Benehmen mit dem Präsidenten des Landtags beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die unmittelbare Gefahr besteht, dass bei Durchführung der Versammlung die Tätigkeit des Landtags, seiner Organe oder Gremien beeinträchtigt wird. (4) Die zuständige Behörde kann die Versammlung auflösen, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 3 vorliegen oder einer nach Absatz 3 ausgesprochenen Beschränkung zuwidergehandelt wird. (5) Verbot oder Auflösung setzen voraus, dass Beschränkungen nicht ausreichen. 21 Öffentliche Verkehrsflächen in Privateigentum 1 Auf Verkehrsflächen von Grundstücken in Privateigentum, die dem allgemeinen Publikum geöffnet sind, können öffentliche Versammlungen auch ohne die Zustimmung der Eigentümerin oder des Eigentümers durchgeführt werden. 2 Die Eigentümerinnen und Eigentümer sind in die Kooperation nach 3 Abs. 2 einzubeziehen. 3 Sind mehr als zehn Personen betroffen oder sind die Eigentumsverhältnisse nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu ermitteln, kann die Einladung zur Mitwirkung an der Kooperation durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. 22 Einladung III. Versammlungen in geschlossenen Räumen (1) Wer eine öffentliche Versammlung in geschlossenen Räumen veranstaltet, darf in der Einladung bestimmte Personen oder Personenkreise von der Teilnahme ausschließen. (2) Die Leitung einer öffentlichen Versammlung in geschlossenen Räumen darf die Anwesenheit von Vertretern der Medien, die sich als solche durch anerkannten Presseausweis ausgewiesen haben, nicht unterbinden. 20

23 Beschränkungen, Verbot, Auflösung (1) Die zuständige Behörde kann die Durchführung einer Versammlung in geschlossenen Räumen beschränken oder verbieten, die Versammlung nach deren Beginn auch auflösen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen erkennbaren Umständen eine unmittelbare Gefahr 1. eines unfriedlichen Verlaufs der Versammlung, 2. für Leben oder Gesundheit von Personen oder 3. dafür besteht, dass in der Versammlung Äußerungen erfolgen, die ein Verbrechen oder ein von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen darstellen. (2) Verbot oder Auflösung setzen voraus, dass Beschränkungen nicht ausreichen. (3) 1 Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass von einer öffentlichen Versammlung eine Gefahr für die in Absatz 1 genannten Rechtsgüter ausgeht, dürfen Polizeibeamte in der Versammlung anwesend sein. 2 Sie haben sich der Versammlungsleitung zu erkennen zu geben. 2 (4) 1 Geht eine unmittelbare Gefahr für die in Absatz 1 genannten Rechtsgüter von Dritten aus, sind Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen diese zu richten. 2 Kann die Gefahr auch unter Heranziehung von landes- und bundesweit verfügbaren Polizeikräften nicht abgewehrt werden, dürfen Maßnahmen nach den Absätzen 1 oder 2 auch zulasten der Versammlung ergriffen werden, von der die Gefahr nicht ausgeht. (5) Sollen eine beschränkende Verfügung oder ein Verbot ausgesprochen werden, so sind diese nach Feststellung der Voraussetzungen, die diese Verfügung rechtfertigen, unverzüglich bekannt zu geben. (6) 1 Die Bekanntgabe einer nach Versammlungsbeginn ergehenden beschränkenden Verfügung oder einer Auflösung muss unter Angabe des Grundes der Maßnahme erfolgen. 2 Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verfügungen nach Satz 1 haben keine aufschiebende Wirkung. (7) 1 Sobald die Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle anwesenden Personen sich unverzüglich zu entfernen. 2 Es ist verboten, anstelle der aufgelösten Versammlung eine Ersatzversammlung durchzuführen. 24 Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen (1) Die zuständige Behörde kann einer Person die Teilnahme an oder Anwesenheit in einer Versammlung in geschlossenen Räumen vor deren Beginn untersagen, wenn von ihr nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefahr im Sinn von 23 Abs. 1 ausgeht. 21

(2) 1 Wer durch sein Verhalten in der Versammlung eine unmittelbare Gefahr im Sinn von 23 Abs. 1 verursacht, ohne dass die Versammlungsleitung dies unterbindet, kann von der zuständigen Behörde ausgeschlossen werden. 2 Wer aus der Versammlung ausgeschlossen wird, hat sich unverzüglich zu entfernen. 25 Kontrollstellen (1) 1 Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass Waffen mitgeführt werden oder der Einsatz von Gegenständen im Sinn von 8 Nr. 2 bei Durchführung einer öffentlichen Versammlung in geschlossenen Räumen Gefahren gemäß 23 Abs. 1 verursacht, können auf den Anfahrtswegen zu der Versammlung Kontrollstellen errichtet werden, um Personen und Sachen zu durchsuchen. 2 Die Durchführung der Durchsuchungen richtet sich nach dem Polizeirecht. 3 Kontrollstellen sind so einzurichten, dass die Durchsuchungen zügig durchgeführt werden können. (2) Identitätsfeststellungen sowie weitere polizei- und ordnungsrechtliche oder strafprozessuale Maßnahmen sind nur zulässig, soweit sich an der Kontrollstelle tatsächliche Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Verstoß gegen 8 oder für die Begehung strafbarer Handlungen ergeben. 26 Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton (1) 1 Unter den Voraussetzungen des 23 Abs. 1 darf die zuständige Behörde Bild- und Tonaufnahmen sowie entsprechende Aufzeichnungen von einer Person bei oder im Zusammenhang mit einer öffentlichen Versammlung in geschlossenen Räumen anfertigen, wenn die Maßnahmen erforderlich sind, um die Gefahr abzuwehren. 2 Die Aufzeichnungen dürfen auch angefertigt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden. 3 Aufnahmen und Aufzeichnungen sind offen vorzunehmen. (2) Der von einer Aufzeichnung nach Absatz 1 Betroffene ist über die Maßnahme unverzüglich zu unterrichten, soweit seine Identität feststeht und zulässige Verwendungszwecke nicht gefährdet sind. (3) Die Aufzeichnungen dürfen auch verwendet werden 1. zur Verfolgung von Straftaten in oder im Zusammenhang mit der Versammlung, von denen eine Gefahr im Sinn von 23 Abs. 1 ausging, 2. zur Gefahrenabwehr, wenn von der betroffenen Person in oder im Zusammenhang mit der Versammlung eine Gefahr im Sinn von 23 Abs. 1 ausging und zu besorgen ist, dass bei künftigen Versammlungen von dieser Person erneut Gefahren im Sinn von 23 Abs. 1 ausgehen werden. (4) 1 Die Aufzeichnungen sind nach Beendigung der Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu 22

vernichten. 2 Dies gilt nicht, soweit sie für die in Absatz 3 aufgeführten Zwecke benötigt werden. 3 Aufzeichnungen, die für die Zwecke des Absatzes 3 verwendet werden, sind ein Jahr nach ihrer Anfertigung zu vernichten, sofern sie nicht Gegenstand oder Beweismittel eines Rechtsbehelfs oder gerichtlichen Verfahrens sind. (5) Die Gründe für die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen nach Absatz 1 und für ihre Verwendung nach Absatz 3 sind zu dokumentieren. IV. Straftaten, Ordnungswidrigkeiten, Einziehung, Kosten, Entschädigung und Schadensersatz 27 Straftaten (1) Wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen zu verhindern oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) 1 Wer bei Versammlungen Waffen oder Gegenstände entgegen 8 Nr. 2 mit sich führt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 2 Ebenso wird bestraft, wer Waffen oder Gegenstände entgegen 8 Nr. 2 auf dem Weg zu einer Versammlung oder im Anschluss an eine Versammlung mit sich führt, zu der Versammlung hinschafft oder sie zur Verwendung bei ihr bereithält oder verteilt oder wer bewaffnete Ordnerinnen oder Ordner in öffentlichen Versammlungen einsetzt. (3) Wer gegen die Leitung oder die Ordnerinnen oder Ordner einer Versammlung in der rechtmäßigen Ausübung von Ordnungsaufgaben Gewalt anwendet oder damit droht oder diese Personen während der rechtmäßigen Ausübung von Ordnungsaufgaben tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. 28 Ordnungswidrigkeiten (1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel ohne eine gemäß 10 erforderliche Anzeige oder nach einer Anzeige durchführt, in der die Angaben gemäß 10 Abs. 2 nicht oder in wesentlicher Hinsicht unrichtig enthalten sind, 2. der Aufforderung, Namen und Adressen der vorgesehenen Ordnerinnen und Ordner gemäß 12 Abs. 2 Satz 1 mitzuteilen, nicht nachkommt oder von der zuständigen Behörde gemäß 12 Abs. 2 Satz 2 abgelehnte Personen als Ordnerin oder Ordner einsetzt, 23

3. zur Teilnahme an einer Versammlung aufruft, deren Durchführung vollziehbar verboten oder deren Auflösung vollziehbar angeordnet ist, 4. wer trotz einer Anordnung, dies zu unterlassen, die Zufahrtswege zu einer Versammlung oder die für einen Aufzug vorgesehene Strecke blockiert oder die Versammlung auf andere Weise mit dem Ziel stört, deren Durchführung erheblich zu behindern oder zu vereiteln, 5. als veranstaltende oder leitende Person die öffentliche Versammlung unter freiem Himmel wesentlich anders durchführt als in der Anzeige ( 10) angegeben, 6. unter den Voraussetzungen der 13 Abs. 1 und 2, 23 Abs. 1 und 2 erlassenen, vollziehbaren beschränkenden Verfügungen, Verboten oder Auflösungen zuwiderhandelt, 7. gegen Anordnungen zur Durchsetzung des Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbots ( 17) oder des Militanzverbots ( 18) verstößt, 8. vollziehbaren beschränkenden Verfügungen oder Verboten gemäß 19 zuwiderhandelt, 9. ohne dass eine Anmeldung nach 20 Abs. 2 erfolgt ist oder unter Verstoß gegen gemäß 20 Abs. 3 und 5 ergangene vollziehbare beschränkende Verfügungen oder Verbote eine öffentliche Versammlung in einer Schutzzone nach 20 Abs. 1 durchführt oder an ihr teilnimmt, 10. einer im Verfahren des gerichtlichen Eilrechtsschutzes erfolgten Beschränkung der Ausübung des Versammlungsrechts zuwiderhandelt, 11. ungeachtet einer gemäß 14 Abs. 1, 24 Abs. 1 ausgesprochenen Untersagung der Teilnahme an oder Anwesenheit in der Versammlung anwesend ist oder sich nach einem gemäß 14 Abs. 2, 24 Abs. 2 angeordneten Ausschluss aus der Versammlung nicht unverzüglich entfernt, 12. sich trotz einer unter den Voraussetzungen der 13, 23 erfolgten Auflösung einer Versammlung nicht unverzüglich entfernt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro, in den Fällen der Nr. 1 und 4 bis zu eintausendfünfhundert Euro geahndet werden. 29 Einziehung 1 Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach 27 oder eine Ordnungswidrigkeit nach 28 bezieht, können eingezogen werden. 2 74a des Strafgesetzbuches und 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden. 24