Kerstin Schröter. Dipl. Sozialarbeiterin, pädagogische Begleitung der Jungen Eichen

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Transkript:

Partizipation in der Heimerziehung: Ein Erfahrungsbericht über Kinder- und Jugendbeteiligung in Alten Eichen- Perspektiven für Kinder und Jugendliche gemeinnützige GmbH Kerstin Schröter Dipl. Sozialarbeiterin, pädagogische Begleitung der Jungen Eichen Seit dem 01.Januar 2012 müssen freie Jugendhilfeträger dem Bremer Landesjugendamt ein Konzept vorlegen, wie Kinder- und Jugendbeteiligung innerhalb ihres Trägers umgesetzt wird. Somit werden bisherige gesetzliche Regelungen wie sie z.b. schon im Sozialgesetzbuch 8 zu finden sind- ausgebaut und konkretisiert. Neben der (Weiter)entwicklung und konzeptionellen Festschreibung existierender Beteiligungsmöglichkeiten, muss ebenso ein sogenanntes Beschwerdemanagement vorliegen. Dies soll den Kindern und Jugendlichen ermöglichen, sich bei Konflikten mit Mitarbeiter_innen an Vertrauensperson wenden zu können. Die Stiftung Alten Eichen wurde ursprünglich 1596 als Waisenhaus gegründet. Als älteste Sozialeinrichtung Bremens ist sie mit unterschiedlichen Angeboten wie z.b. (teil)stationäre Gruppen, Familienhilfe und Projekt- und sozialer Gruppenarbeit ein fester Bestandteil der Sozialen Arbeit hier in Bremen. Bei uns leben Kinder und Jugendliche in verschiedenen Gruppen- manche nur kurz bis sie wieder ins Familiensystem zurück können. Viele von ihnen leben aber mehrere Jahre in Alten Eichen bis sie alt genug sind, sich z.b. eine eigene Wohnung oder vielleicht eine WG zu suchen. Aus unterschiedlichen Gründen ist es für sie nicht möglich, im Elternhaus aufzuwachsen, da dort z.b. Gewalt oder Vernachlässigung eine Rolle gespielt hat und das Jugendamt zu ihrem Schutz z.b. in Alten Eichen einen neuen Lebensort für sie gefunden hat. Andere wiederum leben aber auch nur die Werktage in unseren Gruppen oder kommen täglich von montags bis freitags zu uns und verbringen den Rest der Zeit in ihrer Familie. Partizipation - nur wie denn nun konkret? 2010 gründete sich der Arbeitskreis (AK) Partizipation in Alten Eichen. Aus jeder Gruppe nimmt seitdem eine pädagogische Fachkraft ( Partizipationsbeauftragte_r ) regelmäßig teil und bringt Absprachen und Inhalte in die eigenen Teams. Die erste Idee des AKs war es in Form eines Fragebogens alle Bewohner_innen nach ihrer Zufriedenheit mit der Beteiligung und Mitbestimmung in Alten Eichen zu befragen. Im Anschluss daran wurde ein trägerübergreifendes Kinderrechteplakat mit den Jugendhilfeträgern St. Petri und der Diakonischen Jugendhilfe Bremen (JuB) entwickelt. Dies hängt nun in allen Gruppen aus. Außerdem wurde erarbeitet, wie sich das Recht auf Beschwerde- auch über die Pädagog_innen- umsetzen lässt, damit alle Kinder und Jugendlichen in Alten Eichen sich bei ihren Nöten und Sorgen, Unterstützung holen können. In Zukunft werden außerdem alle Neuen bei Einzug eine Willkommens- und Informationsbroschüre erhalten. Diese soll sie von Beginn an grundsätzlich über Ihre Rechte, Beteiligungsmöglichkeiten und Beschwerdewege aufklären.

Ein Ergebnis der vorangegangenen Befragung war es außerdem, dass es einige Kinder und Jugendlichen gab- die ein Interesse daran hatten- sich gruppenübergreifend für mehr Mitbestimmung und ihre Interessen zu engagieren. Daraufhin wurde der Bremer Verein Spiellandschaft Stadt beauftragt, um u.a. eine Zukunftswerkstatt mit den Kindern und Jugendlichen durchzuführen und genauere Interessen und Bedarfe festzustellen. Echte Partizipation mit Kindern und Jugendlichen zu leben bedeutet aber auch, dass Pädagog_innen vor Allem wissen, wie es konkret gemacht wird. Dazu haben die Partizipationsbeauftragten vor der Zukunftswerkstatt eine Weiterqualifizierung und Methodenschulung durch den Verein bekommen. Hierbei konnten viele neue Ideen gesammelt werden, wie Kinder und Jugendliche mehr bei uns mitreden können. Im November letzten Jahres hat der Verein- mit unserer Mitwirkung- eine Zukunftswerkstatt mit Teilnehmer_innen aus allen Gruppen durchgeführt. Das ganze Wochenende wurde gelacht, gemeckert, Sorgen und Wünsche mitgeteilt und jede Menge Fantasien entwickelt. Ziemlich schnell wurde an dem Wochenende klar, dass für die Mitwirkenden ihr Lebensort und das soziale Miteinander in Alten Eichen im Fokus stehen. Ihnen ist es wichtig bei Regelungen im Zusammenleben, Auswahl der Mitbewohner_innen und Bezugspädagog_innen, ein Recht auf Privatsphäre und die Gestaltung der Wohn und Gruppenräume Einfluss nehmen zu können. Sie haben außerdem formuliert, was die Pädagog_innen für Eigenschaften mit sich bringen sollten- was sie also auch von uns erwarten und brauchen. Ein weiterer Schwerpunkt, waren persönliche Interessen und das Zusammenarbeiten mit dem Jugendamt und Pädagog_innen. Sie haben beschrieben, dass sie an der sogenannten Hilfeplanung- also welche Ziele miteinander erreicht werden sollenkonkret einbezogen werden möchten. Insbesondere die Jugendlichen möchten Einfluss darauf haben können- wenn z.b. Aussagen im Hilfeplan stehen- mit denen sie nicht einverstanden sind. Letzes Ergebnis war, das die Gruppe sich im regelmäßigen monatlichen Zyklus treffen wollte, um sich gruppen- und projektübergreifend zu vernetzen. Ihr Wunsch war und ist es, gemeinsame Aktionen (z.b. eine Party) auf die Beine zu stellen oder gemeinsame Interessen und Themen miteinander zu verbinden, um sich innerhalb Alten Eichens selbst stärker für ihre Belange einsetzen zu können. Im Zusammenhang damit, forderten sie Rückzugsmöglichkeiten- also einen eigenen Raum für Treffen und gemeinsame Freizeitgestaltung. Hierzu bauten sie zum Ende des Seminars viele kreative Modelle, wie solch ein Raum ihrer Meinung nach aussehen könnte. Um dem gemeinsamen Vorhaben den Startschuss zu geben, sammelten die Kinder und Jugendliche einige Ideen, wie ihre Gruppe heißen könnte und sie einigten sich für die Kinder- und Jugendvertretung auf den Namen Junge Eichen. Junge Eichen - wir bewegen was! Seit Januar mischen die Jungen Eichen nun ordentlich bei uns mit- und das mit steigendem Selbstbewusstsein!

Mein Kollege Bastian Blischke und ich unterstützen sie bei ihren Ideen und begleiten die Gruppe regelmäßig bei ihren Treffen. Wir sorgen außerdem für den Informationsfluss zwischen der Kinder- und Jugendvertretung und den Mitarbeiter_innen in Alten Eichen. Die Gruppe hat ein festes Jahresbudget erhalten. Die Verwendung des Geldes liegt nun in ihrer Hand. Als Startprojekte wurden die Organisation einer eigenen Party für alle Alten Eichen- Bewohner_innen und deren Freunde und die Planung eines eigenen Raums umgesetzt, da sich diese Ideen schnell umsetzen ließen. Die Kinder- und Jugendvertretung hatte in den letzen Monaten hoch engagiert eine Party geplant und zwar mit Allem, was dazu gehört: Vom Flyer, über Abendprogramm bis hin zur Kostenkalulation. Die Raumplanung schreitet voran und nach der Renovierung im Herbst haben die Jungen Eichen endlich ihren eigenen Raum- in dem sie sich ungestört treffen und austauschen können. Die Nutzung und Regeln des Raumes hat die Gruppe schon erarbeitet und miteinander abgestimmt. Ein Teil der Pädagogischen Arbeitskreise wurden ebenso für die Teilnahme und Mitgestaltung durch die Kinder und Jugendlichen geöffnet. In den regelmäßigen Gruppenstunden fließen seitdem verstärkt die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt und Belange der gruppenübergreifenden Kinder- und Jugendvertretung ein. Und wenn dies nicht gut funktioniert und die Kinder und Jugendlichen sich deswegen an uns oder ihre Partizipationsbeauftragten wenden, werden solche Unstimmigkeiten im Arbeitskreis für die Pädagog_innen thematisiert. Auch die Öffentlichkeit hat das Engagement den Jungen Eichen schon in hohem Maße Wertschätzung und Anerkennung entgegenbracht. Neben der Präsentation unserer Gruppe bei der Rathaus- Veranstaltung Wem gehört die Stadt, wurden wir in diesem Jahr vom Deutschen Kinderhilfswerk mit dem 4. Platz von hundert eingereichten Projekten ausgezeichnet. Für diesen Wettbewerb haben die Jungen Eichen ein eigenes Drehbuch geschrieben und einen toll Film mit der finanziellen Unterstützung des Kinderhilfswerkes gedreht. Und nun? Erfolgsgarantie für immer und ewig? Schön wär s, aber sicherlich nicht! Wo gibt es diese Garantie in der pädagogischen Praxis? - Weder bei Partizipation, noch bei anderen Konzepten, Projekten usw.. Die Anspruchshaltung, dass Kinder- und Jugendbeteiligung durchgehend funktioniert und nicht auch mal auf Grenzen stößt, führt nur meines Erachtens schnell dazu, dass pädagogische Absichten einschlafen und die Frustration solche Beteiligungsprozesse unterbricht. In den vielen verschiedenen Zusammenhängen, in denen ich Kinder- und Jugendbeteiligung miterlebt und mitgestaltet habe, musste ich leider einen nicht unerheblichen Teil an Erwachsenen erleben, die sich quasi bestätigt gefühlt haben, wenn Partizipation nicht so funktioniert wie gedacht. Dies trifft bei mir auf Unverständnis und ist für mich eine Frage der grundsätzlichen Haltung. Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen sollten zum Selbstverständnis meiner Arbeit

gehören und nicht als Güte zu verstehen sein, die ich den Heranwachsenden entgegen bringe. Es gehört -wie ich finde- ebenso dazu, auf Grenzen und Scheitern in der Praxis zu stoßen. Dies macht es dann erforderlich auszuwerten, eigene Anteile daran und strukturelle Bedingungen zu reflektieren und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Und diese Fehlerfreundlichkeit gestehe ich vor Allem genauso auch den Kindern und Jugendlichen zu. In gleichem Maße wie ihnen das Recht zuzugestehen ist, dass sie ein Werkzeug von uns an die Hand bekommen müssen wie Beteiligung und Mitsprache umgesetzt werden kann. Einfach nur sagen, jetzt macht mal- hilft ihnen nicht. Auch sie müssen Beteiligungsmöglichkeiten kennen und leben lernen. Wenn die Kinder und Jugendlichen so viel selbst regeln, bin ich dann überflüssig als Pädagog_in? Ich sehe meine Aufgabe und Rolle als Pädagogin in Beteiligungsprozessen nicht darin, eine passive Haltung einzunehmen. Vielmehr muss ich Ihnen mit Hilfe von unterschiedlichen Methoden unter die Arme greifen, bei Bedarf moderieren und Kommunikationsregeln gemeinsam mit ihnen aufstellen. Außerdem ist es wichtig, sie bei Prozessen zu begleiten, um gemeinsame Entscheidungen zu finden, damit ihre Ideen in die Praxis umzusetzen sind. Letztendlich gehört es auch dazu, sie zu unterstützen, zu einer Gruppe zusammen zu wachsen. Und das Alles zusammen bedeutet für mich sowohl Vorbereitung und Flexibilität, als auch im richtigen Moment meine Aufgaben abzugeben oder einen Schritt aus meiner Rolle heraus zu gehen und die Kinder und Jugendlichen diese Positionen einnehmen zu lassen. Teamkultur in Bezug auf Partizipation spielt in den einzelnen Wohngruppen ebenso eine wichtige Rolle, wie auch die Rückendeckung und Motivation durch die Leitung des Trägers. In der Regel treffen unterschiedliche Sozialarbeiter_innen- Generationen in den Teams aufeinander und haben durch Ausbildung/Studium und vielleicht vergangene Tätigkeiten mehr oder weniger Erfahrungen mit Partizipation gemacht. Ich denke, auch hier ist Geduld gefragt, dass die Verbesserung von Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche sich nicht von heute auf morgen umsetzen lassen. Teams sollten zu dem Thema in eine Auseinandersetzung gehen und die Leitung für Fortbildung und Weiterqualifizierung sorgen und Mitarbeiter_innen motivieren. Ich muss mich für Partizipation qualifizieren- sei es durch fachliches Wissen zu dem Thema als auch durch Aneignung von Methoden. Selbstreflektion ist ebenso unerlässlich und zwischendurch mal frustriert sein hört genauso dazu! Es heißt immer so schön, Kinder und Jugendliche brauchen positive und gelungene Partizipationserfahrungen, um sich weiter zu engagieren. Ich würde dies ergänzen durch: Pädagog_innen genauso! Wer erlebt, wie die Heranwachsenden -z.b. in einem Projekt- gemeinsam und mit viel Umsichtigkeit tolle Ergebnisse hervorbringen, wird vielleicht auch mehr Herzblut für Kinder- und Jugendbeteiligung aufbringen können. Mit einzelnen Partizipationsbeauftragten ist es nicht ausschließlich getan. Dennoch sind diese Beauftragten von großer Bedeutung, da sie aus meiner Sicht eine Art Lobby für die Kinder und Jugendlichen bilden. Sie können dafür sorgen, dass (Entscheidungs)Strukturen in Alten Eichen verständlicher und transparenter für die Kinder und Jugendlichen werden. Auch nach 10 Jahren Erfahrungen mit Kinder- und Jugendbeteiligung, gibt es immer noch Fallen, in die ich trete und das ist nicht immer

leicht auszuhalten. Letztendlich bedeutet Partizipation, eine Umverteilung von Machtverhältnissen zwischen Pädagog_innen und den Kindern und Jugendlichen. Und das lässt sich leichter sagen, als umsetzen. Insbesondere wenn der Schutz- und Fürsorgeauftrag, wie z.b. in der Heimerziehung, eine wichtige Rolle in unserer pädagogischen Arbeit spielt. Schutz und Fürsorge in der Heimpädagogik versus Partizipation? Hierzu möchte ich Margarete Udolf- Psychologin in Alten Eichen und tätig in der psychologischen Praxis für Beratung und Traumapädagogik mit Schwerpunkt Kinder und Jugendliche- aus einem Vortrag zitieren: Partizipation ist die Korrekturerfahrung für traumatisierte Kinder und Jugendliche. 1 Sie vertritt dementsprechend die fachliche Ansicht: Misshandelte Kinder und Jugendlichen sind in einer Welt aufgewachsen, die sie nicht einschätzen, nicht beeinflussen und nicht verstehen konnten. Sie wurden wie Objekte behandelt und waren hilflos ausgeliefert. Ihre Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Wünsche wurden nicht beachtet 2 In unserer Arbeit haben wir es mit einem nicht unerheblichen Anteil von Kindern und Jugendlichen zu tun, die aus traumatisierenden Situationen zu uns kommen und solche Erfahrungen und Traumafolgen mitbringen. Das kann sowohl Gewalt oder Vernachlässigung, als auch das Durchleben von plötzlichen Beziehungsabbrüchen sein. Umso mehr sehe ich einen Sinn darin, mit genau diesen Kindern und Jugendlichen ihre eigenen Ressourcen an die Oberfläche zu bringen, sie zu ermutigen diese (wieder) zu entdecken und sich letztendlich als selbstwirksam zu erleben. Ressourcen und Kompetenzen haben sie eine ganze Menge, das zeigt sich in meiner Praxis. Dafür müssen wir uns nur auf eine gemeinsame Spurensuche begeben. Was brauchen die Kinder und Jugendlichen in Alten Eichen, um Beteiligungsmöglichkeiten zu nutzen? Die Gruppe braucht aus meiner Sicht verlässliche Ansprechpartner_innen- sowohl in ihrer (Wohn)gruppe als auch bei der Kinder- und Jugendvertretung. Ihnen und ihren Wünschen und Sorgen gegenüber viel Wertschätzung und Interesse entgegenzubringen ist die Basis. Zu Beginn war viel Zuspruch nötig, dass sie z.b. auch in Diskussionen mit Erwachsenen gehen und ihre Rechte einfordern sollen. Das Beschwerdemanagement muss sich nach und nach etablieren und das sie dies mit ihren Sorgen und Unzufriedenheiten nutzen, ist sicherlich ein längerer Prozess. Aber nach und nach lernen sie zu verstehen, dass sie sich mit ihren Belangen vernetzen können und dass innerhalb Alten Eichens ein Klima in den Teams wächst, dass Partizipation erwünscht ist. 1 http://www.alten-eichen.de/files/vortrag_fachtag_partizipation_udolf.pdf, Seite 18 2 http://www.alten-eichen.de/files/vortrag_fachtag_partizipation_udolf.pdf, Seite 2

Die Informationsbroschüre, die die Bewohner_innen zukünftig erhalten leistet meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag, sie über ihre Möglichkeiten aufzuklären und für sie transparent zu machen, welche Rechte sie haben und wo aber auch Regeln für ein Miteinander und gesetzliche Auflagen existieren, an denen wir auch mit noch so viel Vorhaben nicht vorbeikommen. Als Beispiel fällt mir hierzu das Kinder- und Jugendschutzgesetz ein. Ich denke dies ist wichtig, um auch Grenzen von Beteiligungsprozessen aufzuzeigen und falsche Erwartungen nicht zu sehr wachsen zu lassen. Was sie also auch von uns brauchen ist eine Art Schutz. Schutz im Sinne von zu hohen Erwartungen seitens der Pädagog_innen an die Gruppe. Finanzverwaltung, Satzung, und ähnliche Themen- das sind Ansprüche der Erwachsenen und nicht das, was den Kindern und Jugendlichen bei den Jungen Eichen zu Beginn als wichtig erschien. Mein Eindruck ist, dass in der ersten Zeit vielmehr im Fokus stand, sich als Gruppe zu finden und Kontakte zu knüpfen, Spaß zu haben. Ich denke z.b. durch die Planung der Party sind sie mit Themen wie Kostenkalkulation und Gruppenstrukturen in Berührung gekommen und vielleicht führt es dazu, das in nächster Zeit Strukturierung ein Thema bei den Jungen Eichen wird. Die Themen ergeben sich bisher von allein. Bastian und ich müssen da nicht selten entschleunigen und gemeinsam mit der Gruppe Prioritäten setzen, um auch Überforderung zu vermeiden. Da die Jungen Eichen sich in einer Altersstruktur zwischen 8 und 20 Jahren befinden ist das Thema Überforderung auch bei der großen Altersspanne zu berücksichtigen. Hierzu muss in der praktischen Arbeit mit der Gruppe unbedingt beachtet werden, das für eine 8-Jährige andere Beteiligungsmöglichkeiten braucht, als ein 20-Jähriger. Es gab- entgegen meiner Erwartung- bisher wenig Fluktuation in der Gruppe oder Unmut darüber, dass manchmal Wohngruppen nicht vertreten sind. Die Gruppenstärke bewegt sich in der Regel zwischen 17 und 20 Teilnehmer_innen- Jungen und Mädchen in ausgeglichenem Maße. Die Identifikation mit den Jungen Eichen steigt stetig, das zeigt sich u.a. auch an der wachsenden Verantwortungsübernahme. Was wir als Pädagog_innen letztendlich dazu beitragen, dass die Gruppe bisher zusammenhält, ist sicherlich unser Vertrauen darin, dass sie sehr wohl mit hohem Maß an Verantwortungsbewusstsein und umsichtigen Ideen ihre Interessen umsetzen. Ich hoffe, dass sie dies auch mit viel Spaß, wachsenden Selbstbewusstsein und Ungezwungenheit in Zukunft tun werden!