GVB-Politiknewsletter Kurzinformationen für politische Entscheidungsträger 30. Juni 2015 Sehr geehrte Leser, mit dem GVB-Politiknewsletter erhalten Sie die Positionen der bayerischen Genossenschaften zu aktuellen politischen Themen. Themen der Quartalsausgabe: 1. EU-Kapitalmarktunion: Ganzheitlicher Ansatz notwendig. 2. EZB-Kreditdatenbank: Zahlenfriedhof AnaCredit vermeiden. 3. Bessere Rechtsetzung: Agenda der EU-Kommission richtungsweisend. 4. EU-Rechtsetzung: Kompetenzen der Gesetzgeber erhalten. 5. Schattenbanken: Transparenz und wirksame Risikoüberwachung schaffen. 1. EU-Kapitalmarktunion: Ganzheitlicher Ansatz notwendig. Die Schaffung einer Europäischen Kapitalmarktunion sorgt für Diskussionen. Nachdem die EU-Kommission im Februar ein Grünbuch vorgelegt hat, beschäftigt sich derzeit das EU- Parlament intensiv mit den Plänen. Die Parlamentarier bewerten das Projekt grundsätzlich positiv, sehen bei der Ausrichtung der Kapitalmarktunion aber Änderungsbedarf. Der Wirtschaftsausschuss im EU-Parlament fordert einen balancierten Ansatz bei der Kapitalmarktunion. Sinnvoll sei ein Nebeneinander der etablierten Bankfinanzierung und alternativer Finanzierungsformen des Kapitalmarkts. In einem Resolutionsentwurf heben die Parlamentarier die besondere Rolle der Banken für die Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen hervor. Folglich brauche Europa keine Kapitalmarktunion nach USamerikanischem Vorbild. Vielmehr sei ein eigener europäischer Ansatz notwendig. Diese Marschrichtung ist richtig. Denn die Kapitalmarktunion darf nicht zu einem erzwungenen Systemwechsel in der Unternehmensfinanzierung führen. Schließlich passt der Bankkredit am besten zu den Bedürfnissen mittelständischer Unternehmen nicht nur in Deutschland. Vorrangiges Ziel der Kapitalmarktunion ist eine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen in Europa. Dieses Ziel kann nur mit einem ganzheitlichen Politikansatz erreicht 1
werden. Der Fokus der EU-Kommission auf alternative Finanzierungsinstrumente für Unternehmen greift zu kurz. Vielmehr muss die bestehende Finanzmarktregulierung in die Beratungen zur Kapitalmarktunion einbezogen werden. Die vom Wirtschaftsausschuss im EU-Parlament initiierte Bestandsaufnahme der geltenden EU-Finanzmarktregeln sowie die kritische Bewertung ihrer Wirkung für die Ziele der Kapitalmarktunion sind deshalb dringend notwendig. Daran anschließend müssen Inkonsistenzen in der Bankenregulierung möglichst schnell beseitigt und die Zielgenauigkeit der Regeln erhöht werden. Richtungsweisend müssen dabei die Finanzierungsbedürfnisse der Realwirtschaft sein. Insbesondere weitere regulatorische Anforderungen an die Vergabe von Mittelstandskrediten sind deshalb kontraproduktiv. Ein ganzheitlicher Ansatz zur Schaffung einer Kapitalmarktunion kann aber nur gelingen, wenn der Bankkredit als Säule der Unternehmensfinanzierung in Europa bei der Konzeption der Kapitalmarktunion angemessen berücksichtigt wird. Nur dann wird eine Kapitalmarktunion einen Mehrwert für europäische Unternehmen bringen und damit wirtschaftliches Wachstum fördern. 2. EZB-Kreditdatenbank: Zahlenfriedhof AnaCredit vermeiden. Die Europäische Zentralbank plant, eine innerhalb des Euroraums harmonisierte Kreditdatenbank aufzubauen. So sieht sie eine EZB-Verordnung zur Schaffung eines Analytical Credit Datasets (AnaCredit) vor, deren Veröffentlichung bis zum Herbst 2015 erwartet wird. Voraussichtlich ab Ende 2017 müssen die Banken im Euroraum der Aufsicht umfangreiche Datensätze zu Krediten und Kreditrisiken melden. Zunächst sollen Ausleihungen an Firmenkunden und die öffentliche Hand im Fokus stehen, später dann auch weitere Kreditarten, darunter etwa Wohnungsbaukredite an private Haushalte. Ab einer Meldeschwelle von 25.000 Euro werden hierbei Informationen zu rund 150 Kreditmerkmalen zum Beispiel Art des Kredits, Laufzeit, Währung gefordert. Damit würde sich die Zahl der zu meldenden Kreditmerkmale gegenüber heute verdreifachen. Ungeachtet der Meldegrenze sollen die Banken der Aufsicht zudem notleidende Kredite ab einem Volumen von 100 Euro mitteilen. Da jedem Kredit ein bestimmtes Ausfallrisiko zu Grunde liegt, müssten die Banken die entsprechenden Daten praktisch für sämtliche Darlehen vorhalten. Laut Deutscher Bundesbank werden in Deutschland derzeit rund 500.000 Millionenkredite gemeldet. Die von der EZB geplante Meldepflicht würde zu einer deutlichen Erhöhung des Meldeumfangs führen. Die Bundesbank schätzt, dass die Zahl der zu meldenden Kredite bei einer Absenkung der Meldeschwelle auf 25.000 Euro allein in Deutschland auf 50 bis 60 Millionen ansteigen würde. Gleichzeitig käme es in der Übergangsphase zu einer Doppelbelastung der Kreditinstitute durch das in Deutschland bestehende Millionenkreditmeldewesen. Es entstünden riesige Datenberge. Deren Nutzen für die EZB ist nicht nur zweifelhaft. Er steht auch bei Weitem nicht im Verhältnis zum Erhebungsaufwand der Kreditinstitute. Mit AnaCredit droht ein Zahlenfriedhof geschaffen zu werden. Die übermäßige Datenspeicherung geht in erster Linie zulasten der kreditsuchenden 2
Unternehmen und Privatkunden. Denn sie müssten wesentlich mehr Daten als bisher zusammenstellen und an ihre Banken melden. Die EZB denkt sogar darüber nach, den Informationsbedarf bis auf die monatlichen Gehaltsabrechnungen der Kreditnehmer auszudehnen. Ein erheblicher Meldeaufwand und ein gläserner Kreditnehmer wären die Folge. Beides kann jedoch nicht im Interesse von mittelständischen Unternehmen und privaten Kreditnehmern sein. Deshalb muss die EZB den Umfang der geplanten Datenbank einschränken. Dazu gehören erstens Erleichterungen für kleine Kreditinstitute. Denn die Anforderungen des Kreditmeldewesens müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht werden. Zweitens muss die EZB darauf achten, dass die abgefragten Informationen auf den bei den Banken bereits vorhandenen Datengrundlagen aufbauen und die Datenabfragen von den Kreditinstituten automatisiert durchgeführt werden können. Und drittens muss die EZB den Datenschutz und das Recht der Bankkunden auf ein hinreichendes Maß an Privatsphäre respektieren. 3. Bessere Rechtsetzung: Agenda der EU-Kommission richtungsweisend. Die EU-Kommission hat eine Agenda für bessere Rechtsetzung vorgelegt. Damit soll künftig sichergestellt werden, dass nur noch solche Vorschriften auf EU-Ebene beschlossen werden, die praxistauglich sind. Mit ihrer Initiative geht die EU-Kommission in die richtige Richtung. Zu dem vorgeschlagenen Maßnahmenpaket gehören erweiterte Konsultationsverfahren während des Gesetzgebungsprozesses. Stakeholder sollen die Möglichkeit bekommen, während des gesamten Verfahrens Stellungnahmen abzugeben. Ein Ausschuss für Regulierungskontrolle, in dem neben der EU-Kommission auch externe Experten eine Stimme haben, soll zudem die Folgen der geplanten Regulierung abschätzen. Auch das EU-Parlament und der Ministerrat sollen bei Änderungen der Gesetzesvorschläge der EU-Kommission eigene Folgenabschätzungen durchführen und diese einem Gremium von Sachverständigen vorlegen. So sieht es eine von der EU-Kommission ausgearbeitete interinstitutionelle Vereinbarung vor, die bis Ende 2015 mit EU-Parlament und Ministerrat abgestimmt und verabschiedet werden soll. Mit der Vereinbarung soll auch einer Übererfüllung des EU-Rechts durch die Mitgliedsstaaten ( Gold-Plating ) vorgebeugt werden. Unter anderem sollen die nationalen Gesetzgeber verpflichtet werden, die Fälle zu kennzeichnen, in denen sie über die europäischen Vorschriften hinausgehende nationale Regelungen verabschieden. Die Vorschläge der EU-Kommission sind richtungsweisend. Sie sind ein wichtiger Schritt, um die Transparenz der EU-Gesetzgebungsverfahren sowie die Qualität der Rechtsetzung zu erhöhen. Insbesondere die geplanten frühzeitigen Folgenabschätzungen und die umfassenderen Konsultationsmöglichkeiten können helfen, potenzielle Auswirkungen europäischer Gesetze früher einzuschätzen. Ein solches Frühwarnsystem in der EU- Gesetzgebung ist Voraussetzung für eine effiziente und zielgerichtete Rechtsetzung. Aufgabe des Ausschusses für Regulierungskontrolle sollte es vor diesem Hintergrund auch sein, Subsidiaritätsverstöße gegenüber der EU-Kommission frühzeitig geltend zu machen. 3
4. EU-Rechtsetzung: Kompetenzen der Gesetzgeber erhalten. Bei der EU-Rechtsetzung werden Kompetenzen der demokratisch legitimierten Gesetzgeber zunehmend von der EU-Kommission oder nachgelagerten EU-Aufsichtsbehörden (ESAs) übernommen. Die Möglichkeit zur Aufgabenübertragung wurde mit dem Lamfalussy- Verfahren vor Jahren bewusst eingeführt, um die EU-Gesetzgebung zu beschleunigen. Inzwischen ist der Mechanismus jedoch aus dem Ruder gelaufen. Nach der Intention des Lamfalussy-Verfahrens sollen die EU-Aufsichtsbehörden lediglich für die technische Ausgestaltung der EU-Gesetzgebung sorgen. In der Praxis werden zentrale politische Entscheidungen mittlerweile jedoch vielfach im Nachgang des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens mithilfe von Leitlinien der ESAs getroffen. Das Risiko eigenmächtiger Entscheidungen der ESAs nimmt damit zu auch deshalb, weil Interventionsmöglichkeiten der EU-Gesetzgeber an dieser Stelle des Rechtsetzungsprozesses nicht vorgesehen sind. Zwar sind die Leitlinien rechtlich unverbindlich. Es entsteht aber ein Umsetzungsdruck auf die nationalen Aufsichtsbehörden, etwa die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Denn falls diese ESA- Leitlinien nicht befolgt, muss sie dies gegenüber den zuständigen ESAs rechtfertigen. Anlässlich der Umsetzung der EU-Einlagensicherungsrichtlinie im Deutschen Bundestag hat der Finanzausschuss nun ein Verfahren vorgeschlagen, um das eigenmächtige Vorgehen der ESAs einzudämmen. Die BaFin soll die Leitlinie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zur Berechnung der Beiträge der Kreditinstitute an die Sicherungseinrichtungen nur dann anwenden, wenn sie dem Willen des Gesetzgebers nicht widerspricht. Sollte die BaFin die Leitlinie dennoch anwenden, muss sie dies gegenüber dem Finanzausschuss begründen. Dieses Verfahren ist sinnvoll, denn es stärkt die Kontrolle des nationalen Gesetzgebers bei EU-Rechtsetzungsverfahren und erhöht die Transparenz der Entscheidungsprozesse in den Aufsichtsbehörden. Deshalb hat das Verfahren Vorbildcharakter. Es sollte bei der Umsetzung neuer Rechtsetzung der ESAs in Deutschland regelmäßig angewendet werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die wichtigen politischen Entscheidungen wieder vermehrt von den Gesetzgebern, nicht von nachgelagerten Behörden, getroffen und kontrolliert werden. 5. Schattenbanken: Transparenz und wirksame Risikoüberwachung schaffen. Die EZB warnt erneut vor der wachsenden Gefahr von Schattenbanken für die Finanzstabilität. Die Aktivitäten außerhalb des regulären Bankensystems wüchsen rapide weiter, schreibt die Zentralbank in ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht. Damit steige auch das Potenzial systemischer Risiken. Eine adäquate Regulierung der Schattenbankaktivitäten gibt es allerdings weiterhin nicht. Laut Schätzungen der EZB sind die Schattenbankaktivitäten im Euroraum seit 2009 um über 40 Prozent angestiegen auf rund 23,5 Billionen Euro zum Jahresende 2014. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass in Europa bereits jeder vierte Kredit von 4
Schattenbanken vergeben wird. Immer mehr Geschäft wird aus dem regulierten in den kaum beaufsichtigten Schattenbereich verlagert. Die Aufsichtsbehörden, vom internationalen Finanzstabilitätsrat (FSB) über den Europäischen Systemrisikorat (ESRB) bis hin zur deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beobachten das starke Wachstum des Schattenbanksektors seit geraumer Zeit mit Sorge. Neben seiner schieren Größe liegt das Risiko für die Finanzstabilität insbesondere in der mangelnden Transparenz der Schattenbankaktivitäten und damit der fehlenden Möglichkeit für die Aufsichtsbehörden, die Aktivitäten zu überwachen und Gefahren für die Finanzstabilität frühzeitig zu erkennen. Der Appell der Aufseher, auf politischer Ebene die Voraussetzungen für eine wirksame Risikoüberwachung zu schaffen, ist nicht neu. Trotz der seit Langem bekannten Gefahren sind die Fortschritte bei der Regulierung der Schattenbankaktivitäten in Europa aber gering. Zwar werden EU-Parlament und Rat demnächst eine Verordnung zur strengeren Regulierung von Geldmarktfonds verabschieden, die vor allem deren Transparenz erhöhen soll. Zudem ist eine EU-Verordnung zur Meldung von Wertpapierfinanzierungsgeschäften geplant. Eine systematische Erfassung aller Schattenbankaktivitäten in Europa sowie für alle Akteure geltende klare und stimmige Regeln, die sich an dem für Banken geltenden Regelungsrahmen ausrichten, stehen jedoch weiterhin aus. Die Entscheider in Berlin und Brüssel müssen dieser Aufgabe endlich nachkommen, um der wachsenden Bedrohung für die Finanzstabilität zu begegnen. Wussten Sie eigentlich, dass... die Bedeutung des Bankkredits als mit Abstand wichtigste Finanzierungsquelle des deutschen Mittelstands zunimmt? Das hat eine Umfrage der DZ Bank unter 1.500 Unternehmen ergeben. 87,1 Prozent ihres Finanzierungsbedarfs wollen die mittelständischen Unternehmen über Kredite abdecken. Die Kapitalmarktfinanzierung spielt dagegen eine kaum wahrnehmbare Rolle. die EBA laut aktuellem Arbeitsprogramm über 60 Leitlinien in ihren Auftragsbüchern stehen hat? Insgesamt bearbeitet die EBA laut Programm 457 Arbeitsaufträge darunter technische Standards, Berichte und Empfehlungen. Schattenbankgeschäfte im Euroraum mehr als ein Drittel der gesamten Vermögenswerte im Finanzsektor im Euroraum ausmachen? Verantwortlich: Dr. Jürgen Gros Vorstandsstab und Kommunikation Telefon: (089) 28 68 34 02 Genossenschaftsverband Bayern e.v. Telefax: (089) 28 68 34 05 Türkenstraße 22-24, 80333 München E-Mail: jgros@gv-bayern.de Briefadresse: 80327 München Internet: www.gv-bayern.de 5