Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und ihre Bedeutung für Gehörlose 1

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Transkript:

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und ihre Bedeutung für Gehörose 1 48 DZ 84 10 V o n u r i c h h a s e u n d u d o s c h o m a c h e r Die Einordnung der UN-Konvention in die rechtiche Systematik unseres Staates steht zu Beginn des Beitrags. Weche Auswirkungen hat die UN-Konvention auf bereits bestehende soziarechtiche Regeungen? Gibt es neben einer Leitbidfunktion konkrete rechtiche Anpassungserfordernisse? Lassen sich neue Ansprüche verwirkichen? Im zweiten Tei werden die Inhate der Konvention betrachtet. Den Schwerpunkt biden hier die Begriffe Inkusion, Barrierefreiheit und Bidung. Weche konkreten Regeungen enthät die UN-Konvention, die sich auf Beange von gehörosen und hörgeschädigten Menschen beziehen? Weche Aussagen werden zur Gebärdensprache getroffen? 1. Grundsätziches 1.1. Fakten, Daten Das Übereinkommen (Konvention) über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist eine kassische Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN). Eine Menschenrechtskonvention ist ein vökerrechticher Vertrag. Die Vertragspartner, aso die unterzeichnenden Staaten, verpfichten sich in diesem Vertrag, die Menschenrechte im eigenen Staat und untereinander anzuerkennen. Wenn dann vom Ausand Menschenrechtsveretzungen aufgedeckt und angeprangert werden, ist dies keine Einmischung in innere Angeegenheiten mehr. Die erste UN-Menschenrechtskonvention wurde 1948 verabschiedet (vg. Schubert & Kein 2006): Im Jahr 1948 wurden von der UN in 29 Artiken die unveräußerichen Rechte (und Pfichten) aer Menschen zusammengefasst. Es handet sich um die erste Agemeine Erkärung der Menschenrechte der UN. Grund hierfür waren die Menschenrechtsveretzungen vor und während des Zweiten Wetkriegs. Die Erkärung hat hohe moraische, aber keine vökerrechtiche Verbindichkeit. Nach 1948 wurden keine neuen Menschenrechtserkärungen erstet, seit 1976 sind aber mehrere internationae Pakte über wirtschaftiche, soziae und kuturee Rechte as vökerrechtiche Verträge in Kraft. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK) wurde von der Bundesregierung im Dezember 2008 ratifiziert und ist am 26. März 2009 in Kraft getreten. Damit haben sich Bund und Länder (nach Artike 4 der UN-Konvention) verpfichtet, die Vorgaben der Konvention zu reaisieren. Dies sind: die Menschenrechte von Menschen mit Behinderung sicherzusteen; Benachteiigungen von Menschen mit Behinderung zu verhindern und geeignete Gesetzgebungs-, Verwatungs- und sonstige Maßnahmen zu treffen. Erstmaig werden in einem internationaen vökerrechtichen Vertrag die Menschenrechte aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung in den Bick genommen und konkrete Handungserfordernisse für die Behindertenpoitik formuiert. In früheren internationaen Dokumenten der UN stand der Themenbereich Behinderung unter dem Schwerpunkt der öffentichen Fürsorge. Auch internationa wurde in den einzenen Staaten Behinderung mit dem medizinischen Mode erkärt, nach dem eine Behinderung as ein individuees Defizit begriffen wurde. Das ist jetzt in der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen anders. 1 Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag, gehaten am 30. Oktober 2009 auf der Mitgiederversammung der Geseschaft für Gebärdensprache und Kommunikation Gehöroser e. V. (GGKG) in Leipzig. Gedankt wird Henning Großkreutz, Institut für Soziarecht der Universität Kie, der diesen Aufsatz Korrektur geesen hat.

p o i t i k Behinderung wird hier erkärt as normaer Bestandtei menschichen Lebens und menschicher Geseschaft (vom Defizit-Ansatz zum Diversity -Ansatz); geseschaftiche Konstruktion: Geseschaftiche Strukturen wirken ausgrenzend und diskriminierend. Dadurch entstehen soziae Probemagen; mögiche kuturee Bereicherung: So wird z. B. die Kommunikation in Gebärdensprache nicht as Notbehef, sondern as kuturee Errungenschaft verstanden. Es geht aso nicht mehr um die soziae Fürsorge und Rehabiitation von Menschen mit Behinderung, sondern um ihre geichberechtigte, sebstbestimmte Teihabe im Sinne von Inkusion (s. o.). Im internationaen Zusammenhang kann aso durchaus von einem Paradigmenwechse gesprochen werden. 1.2. Einordnung in die rechtiche Systematik As vökerrechticher Vertrag ist die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung geichrangig mit einem Bundesgesetz. Daraus ergibt sich die Verpfichtung zur Umsetzung der Leitideen der UN-Konvention. Wesenticher Baustein ist dabei die Verwirkichung des Disabiity Mainstreaming im Regierungs- und Verwatungshanden. Das bedeutet, dass die Beange von Menschen mit Behinderung as Querschnittsaufgabe bei aen Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren zu beachten sind. Jede Maßnahme muss auf die Auswirkungen auf Menschen mit Behinderung geprüft werden. In Artike 4 Abs. 3, Artike 33 Abs. 3 und Artike 34 Abs. 3 der UN-Konvention ist darüber hinaus festgeegt, dass Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen bei dem gesamten Umsetzungs- und Überwachungsprozess intensiv beratend und aktiv einzubeziehen sind. 1.3. Position der Bundesregierung Die Bundesregierung der vergangenen Legisaturperiode war der Meinung, dass die derzeitige deutsche Rechtsage [ ] den Anforderungen des Übereinkommens entspricht (Demmer 2009). Begründet wurde dies mit dem Paradigmenwechse in der deutschen Behindertenpoitik der jüngeren Vergangenheit. Es wurden viee neue Gesetze erstet, die Sebstbestimmung und Teihabe verwirkichen soten. (Hintergrund für diese Begründung war, dass die Interessenverbände von Industrie und Arbeitgebern ansonsten Druck gegen die Ratifikation der UN-Konvention ausgeübt hätten. Sie befürchteten eine Ausweitung der Antidiskriminierungsgesetzgebung.) Etwa in den 80er Jahren begannen in Deutschand die Aktivitäten der Verbände der Menschen mit Behinderung zur Eineitung eines Paradigmenwechses in der Behindertenpoitik. Sie forderten eine neue Sichtweise. Menschen mit Behinderung soten nicht änger as Gegenstand der Fürsorge gesehen und behandet werden. Sie woten as geichberechtigte Subjekte anerkannt werden mit denseben Menschenrechten wie ae anderen. In der Behindertenpoitik ist dieser Wechse in der Sichtweise zum ersten Ma 1994 umgesetzt worden. Damas wurde in das Grundgesetz (die Verfassung) der Satz: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiigt werden (Art. 3 Abs. 3 GG) aufgenommen. In den darauffogenden Jahren entstanden dann neue Gesetze, die diesen Wechse der Sichtweise fortsetzten: Im Jahr 2001 trat das Soziagesetzbuch IX (SGB IX) in Kraft. Dieses Gesetzbuch enthät Regeungen, die Sebstbestimmung und geichberechtigte Teihabe der Menschen mit Behinderung am Leben in der Geseschaft fördern. Außerdem geht es um Vermeidung von Benachteiigungen. Das Bundesgeichsteungsgesetz (BGG) trat 2002 in Kraft und bezieht sich auf die Regeungen im Bund. Darüber hinaus wurden in 16 Bundesändern in den fogenden Jahren Landesgeichsteungsgesetze (LBGG) erarbeitet. Zie dieser Gesetze war und ist, die Benachteiigungen von Menschen mit Behinderung zu beseitigen und zu verhindern, geichwertige Lebensbedingungen und Chancengeichheit herzusteen und ein sebstbestimmtes Leben zu ermögichen. Schießich kam im Jahr 2006 noch das Agemeine Geichbehandungsgesetz (AGG) hinzu. Nach unserer Ansicht entspricht die Rechtsage in Deutschand zwar insgesamt weitgehend den Erfordernissen der UN-Konvention, jedoch manget es an der Umsetzung an der Basis. Die neue schwarz-gebe Bundesregierung hat sich nun im Koaitionsvertrag darauf verständigt, dass poitische Entscheidungen, die Menschen mit Behinderungen direkt oder indirekt betreffen, [ ] sich an den Inhaten der UN-Konvention über die DZ 84 10 49

50 DZ 84 10 Rechte der Menschen mit Behinderungen messen assen [müssen] (Koaitionsvertrag, Zeie 3778 ff.). Daher so ein Aktionspan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen entwicket werden. 1.4. Leitbid oder tatsächich auch Anspruch? Die UN-Konvention enthät keine neuen Speziarechte für Menschen mit Behinderung. Stattdessen hift sie bei der Durchsetzung der Menschenrechte aus der Sicht von Menschen mit Behinderung. Die Leitidee der UN-Konvention ist geichzeitig ein Auftrag an die Vertragsstaaten, die geichberechtigte und sebstbestimmte Teihabe in aen Lebensbereichen zu ermögichen. Die Vertragsstaaten müssen dafür ihre gesetzichen Regeungen überprüfen und diese mögicherweise inhatich und institutione anpassen. Damit hat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen konkreten Einfuss auf das Regierungs- und Verwatungshanden eines Staates. Obwoh Menschen mit Behinderung keine neuen Speziarechte bekommen haben, hat die UN-Konvention deshab wesentich mehr Bedeutung as ein Leitbid. Auch der deutsche Staat und ae Bundesänder sind dadurch aufgefordert, Teihabe und Barrierefreiheit weiterzuentwicken. 2. Speziees Weche konkreten Regeungen (Vereinbarungen) enthät die UN-Konvention, die sich auf die Beange von gehörosen und auch hörgeschädigten Menschen beziehen? Weche Aussagen werden zur Gebärdensprache getroffen? Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, muss man sich die einzenen Regeungen genauer anschauen. 2.1. Inkusion Zie der UN-Konvention ist, die geichberechtigte und sebstbestimmte Teihabe von Menschen mit Behinderung in aen Lebensbereichen zu gewähreisten. Diese sebstverständiche, sebstbestimmte und geichberechtigte Teihabe von Menschen mit Behinderung an aen geseschaftichen Bereichen wird as Inkusion bezeichnet. Der UN-Konvention iegt aso die Inkusion von Menschen mit Behinderung as Leitorientierung für poitisches und geseschaftiches Handen zugrunde. Inkusion umsetzen heißt, Veränderungen von Hatungen, Denkweisen und Handungen in einem geseschaftichen System herbeizuführen, damit Menschen mit Behinderung wahrgenommen, anerkannt und sebstverständich akzeptiert werden. Wichtig ist dabei für Menschen mit Behinderung insbesondere die Stärkung der Sebstkompetenz, Sebstvertretung, Sebstbestimmung, Autonomie ( Empowerment ) und Partizipation. Veränderungen der Hatung assen sich jedoch weder überstüpen noch in einem festgeegten Zeitrahmen eredigen. Veränderungen hin zu einer inkusiven Geseschaft voziehen sich in keinen Schritten. Wir müssen berücksichtigen, dass wir in einem geseschaftichen System eben, das nach wie vor Minderheiten auskammert bzw. aussondert. Bei der Umsetzung von Inkusion müssen deshab wichtige Fragen bearbeitet werden: Wie kommt es zu sochem Aussonderungsverhaten vieer Menschen? Weche Ängste stecken dahinter? Weche Ursache haben diese Ängste? Weche Mögichkeiten haben wir, um soche Ängste abzubauen? Es ist wichtig, dass Menschen mit Behinderung von Anfang an an der Umsetzung von Inkusion beteiigt sind. Deshab ist es positiv, dass die UN- Konvention in Artike 4 Abs. 3, Artike 33 Abs. 3 und Artike 34 Abs. 3 festegt, dass Menschen mit Behinderung und ihre Organisationen an dem gesamten Umsetzungs- und Überwachungsprozess intensiv beratend und aktiv einzubeziehen sind (s. o.). 2.2. Artike 2 In Artike 2 der UN-Konvention ist die Anerkennung der Gebärdensprachen as eigenständige Sprachen festgeschrieben. Dort heißt es: Im Sinne dieses Übereinkommens [ ] schießt Sprache gesprochene Sprachen sowie Gebärdensprachen und andere nicht gesprochene Sprachen ein (vg. Art. 2 Begriffsbestimmungen BRK). 2.3. Art. 9 der UN-Konvention: Barrierefreiheit Für eine geichberechtigte und sebstbestimmte Teihabe am Leben in der Geseschaft ist Barrierefreiheit von zentraer Bedeutung. In der UN-Konvention werden in Artike 9 Aussagen zur Barrierefreiheit getroffen. Der Begriff ist hier erweitert um die Zugängichkeit. Die Vertragsstaaten sind verpfichtet, Maßnahmen zu treffen mit dem Zie, für Menschen mit Behinderungen den geichbe-

p o i t i k rechtigten Zugang zur physischen Umwet, zu Transportmitten, Information und Kommunika tion, einschießich Informations- und Kommunikationstechnoogien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentichkeit in städtischen und ändichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestet werden, zu gewähreisten (vg. Art. 9 Abs. 1 BRK). Spezie für gehörose und hörgeschädigte Menschen findet sich in Artike 9 Absatz 2e die Regeung, dass die Vertragsstaaten außerdem geeignete Maßnahmen treffen, um professionee Gebärdensprachdometscher und -dometscherinnen zur Verfügung zu steen mit dem Zie, den Zugang zu Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentichkeit offenstehen, zu ereichtern (vg. Art. 9 Abs. 2e). 2.4. Artike 21: Recht der freien Meinungsäußerung, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen Der Artike 21 verpfichtet die Vertragsstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderung das Recht der freien Meinungsäußerung, der Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen zu gewähreisten. Für gehörose und hörgeschädigte Menschen bedeutet dies, dass im Umgang mit Behörden die Verwendung von Gebärdensprache ermögicht werden muss. Darüber hinaus muss gewähreistet werden, dass Gebärdensprache anerkannt und gefördert wird. Besonders ist in diesem Artike die Forderung, Maßnahmen zur Zugängichkeit von Informationen zu treffen. So soen die Vertragsstaaten z. B. private Rechtsträger, die Dienste für die Agemeinheit anbieten (einschießich durch das Internet) dringend dazu auffordern, Informationen und Diensteistungen in Formaten zur Verfügung zu steen, die für Menschen mit Behinderung zugängich sind. Dies git auch für die Massenmedien. Diese Regeung ist wichtig für die Forderung nach mehr Untertiteungen bzw. Dometschereinbendungen. Diese Vorschrift betrifft neben anderen Medien auch erstmas besonders private Anbieter, z. B. die privaten Fernsehsender. 2.5. Artike 24: Bidung In Artike 24 der UN-Konvention wird erstmas auf internationaer Ebene anerkannt, dass Menschen mit Behinderung ein umfassendes Recht auf inkusive Bidung haben. Der Artike 24 fordert von den Vertragsstaaten die Gewähreistung eines inkusiven Bidungssystems auf aen Ebenen. Gemeint sind hier sowoh der Eementarbereich, die agemeinbidenden Schuen, as auch die agemeine Hochschubidung, die Berufsausbidung sowie die Erwachsenenbidung. Für gehörose und hörgeschädigte Menschen bedeutet dies, dass die Verwendung der Gebärdensprache zur Vermittung von Bidung sichergestet werden muss. Darüber hinaus fordert der Artike 24 Abs. 3b von den Vertragsstaaten Maßnahmen, die das Erernen von Gebärdensprache und die Förderung der sprachichen Identität Gehöroser ereichtern. Weiterhin soen die Vertragsstaaten Maßnahmen zur Einsteung von Lehrkräften ergreifen, einschießich socher mit Behinderung, die in Gebärdensprache oder Braieschrift ausgebidet sind. Diese Regeung ist zweifach bedeutsam, wei Lehrkräfte mit Behinderung erstens bei der Einsteung nach unserer Erfahrung häufig Hemmnissen begegnen und sie zweitens durch die besondere Ausrichtung an dieser Stee einen Statusgewinn ereben können, der ihnen den Umgang mit der eigenen Behinderung ereichtert. 2.6. Artike 30: Teihabe am kutureen Leben sowie an Erhoung, Freizeit und Sport In Artike 30 Abs. 1b reget die UN- Konvention u. a. den Zugang zu Fernsehprogrammen. Die Vertragsstaaten müssen sichersteen, dass Menschen mit Behinderung Fernsehprogramme in zugängichen Formaten nutzen können. Diese Regeung hat für gehörose und hörgeschädigte Menschen zentrae Bedeutung zu deren Forderung, Untertiteung bzw. Dometschereinbendung bei Fernsehprogrammen auszuweiten. Bei der Neuverhandung der Rundfunkstaatsverträge auf Länderebene ergibt sich hier die Mögichkeit, konkrete Forderungen nach mehr Untertiteung bzw. Dometschereinbendung aus der UN-Konvention abzueiten. Dies git geichermaßen für Artike 21. Bedeutsam ist ebenfas, dass in Artike 30 Abs. 4 der UN-Konvention der Anspruch auf Anerkennung und Unterstützung von Gebärdensprache und Gehörosenkutur festgeschrieben ist. Dies ist in einem internationaen vökerrechtichen Vertrag einmaig und hebt den Status der Gehörosenkutur und Gebärdensprache in besonderer Weise. DZ 84 10 51

52 DZ 84 10 3. Ausbick: Was müssen wir tun? 3.1. Auftrag an den Staat: Aktionspan entwicken Die UN-Konvention hat as vökerrechticher Vertrag die geiche Bedeutung wie ein Bundesgesetz. Wie schon erwähnt, ergeben sich aus der UN-Konvention keine individueen Ansprüche für Menschen mit Behinderung. Die Regeungen richten sich an den Staat, in Deutschand aso an den Bund und die Länder. Wesenticher Punkt ist dabei die Forderung an Poitik und Verwatung, die Menschenrechte der Menschen mit Behinderung einzuhaten und damit eine geichberechtigte und sebstbestimmte Teihabe in aen Lebensbereichen zu ermögichen. In Artike 4 der UN-Konvention wird dieser Auftrag an den Staat jedoch abgeschwächt. Nach Absatz 2 sind die Staaten nämich nur verpfichtet, im Rahmen der verfügbaren Mitte Maßnahmen zu treffen, die wirtschaftichen, soziaen und kutureen Rechte nach und nach vo zu verwirkichen. Diese Regeung ist so zu verstehen, dass die Staaten die Aufgabe haben, einen Pan zu ersteen, der den Menschen mit Behinderung die voe Verwirkichung ihrer bürgerichen Rechte (wirtschaftiche, soziae und kuturee) zumindest schrittweise ermögicht. 3.2. Beteiigung der Verbände am Monitoring einfordern Menschen mit Behinderung und ihre Organisationen müssen an dem gesamten Umsetzungs- und Überwachungsprozess der UN-Konvention intensiv beratend und aktiv einbezogen werden (Art. 4 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3). Wenn im Sinne der Umsetzung der UN-Konvention aso neue Rechtsvorschriften erstet werden oder neue poitische Konzepte hierzu erarbeitet werden, müssen Menschen mit Behinderung und ihre Organisationen in beratender Funktion einbezogen und um ihre Meinung gefragt werden. Das git genauso auch für das Monitoring der einzenen Maßnahmen und Initiativen. Es ist wichtig, dass die Verbände der Menschen mit Behinderung von Poitik und Verwatung ihre Beteiigung an diesen Prozessen einfordern. Dazu gehört auch, dass sich die Verbände mit diesen kompizierten Rechtsgebieten und Poitikfedern auskennen müssen, damit sie mit den Vertretern von Poitik und Verwatung auf Augenhöhe diskutieren können. Das ist für viee Verbände eine schwere Aufgabe. Auch hier müssen im Sinne der UN-Konvention Beteiigungsverfahren gewäht werden, die es Menschen mit Behinderung ermögichen, sich entsprechend einzubringen. Dieser Bereich wird in Zukunft auch für die Fachverbände der gehörosen und hörgeschädigten Menschen ein wichtiges Handungsfed sein. Literatur Demmer, Urike (2009): Die unverdünnte Höe. In: DER SPIEGEL 2 vom 5. 1. 2009. http://www. s p i e g e. d e / s p i e g e / p r i n t / d-63344762.htm (3. 2. 2010). Koaitionsvertrag: Wachstum. Bidung. Zusammenhat. Koaitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. Beschossen und unterzeichnet am 26. Oktober 2009. http:// www.cdu.de/porta2009/29145. htm (15. 1. 2010). Schubert, Kaus & Martina Kein (2006): Das Poitikexikon. 4., aktua. Auf. Bonn: Dietz. UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakutativprotoko vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen); Bundesgesetzbatt Jahrgang 2008 Tei II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008. http://www2. institut-fuer-menschenrechte.de/ webcom/show_page.php/_c-556/_ nr-9/i.htm (15. 1. 2010) [Die Schattenübersetzung der UN-Konvention von NETZWERK ARTIKEL 3 e. V. findet sich ebenfas unter der zuvor angegeben URL]. i Dr. Urich Hase, Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung des Landes Scheswig-Hostein und Vorsitzender der Deutschen Geseschaft der Hörgeschädigten Sebsthife und Fachverbände e. V. Udo Schomacher, Mitarbeiter des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung. E-Mai: LB@andtag.tsh.de