1 Islamlehrertagung Samstag, 11. Februar 2017 (10:30 bis 15:30 Uhr) Moschee in der Schanzenbachstraße 1, 81371 München 4. Die Situation des Islamunterrichts in Bayern aus der Sicht der Lehrerverbände eines: BLLV Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV Sehr geehrter Hr. Oechslen, sehr geehrter Hr. Dr. Tarek, Hr. Dr. Seiser, Hr. Sirt, lieber Amin, sehr geehrte Damen und Herren, vielleicht fragen Sie sich, warum ich als Präsidentin des BLLV hier ein Grußwort spreche. Vielleicht lautet ihre Frage aber auch, weshalb hat ein religiös ungebundener Lehrerverband den Islamunterricht auf der Agenda? Ein Lehrerverband vertritt doch die Interessen aller Lehrkräfte. So möchte man es meinen und so ist es auch. Und er nimmt deswegen auch Stellung zu den jeweiligen Rahmenbedingungen eines Faches und versucht, diese für Lehrer und Schüler für eben die Bildung positiv zu beeinflussen. Damit verbunden sind auch alle Fragen der akademischen Lehrerbildung, Lehrerfortbildung und Lehrerweiterbildung. Hier hat der BLLV in den letzten Jahrzehnten die Durchsetzung vieler Standards erreicht. Wir wollen, dass alle Schülerinnen und Schüler eine umfängliche und qualitativ wertvolle Bildung erhalten. Dazu gehört im Sinne ganzheitlicher Bildung selbstverständlich auch die Religion. Wir wollen, dass alle muslimischen Schülerinnen und Schüler in der Schule Islamunterricht besuchen können.
2 Also ein hochwertiges, staatlich kontrolliertes Angebot in den Schulen. Und nochmals - alle muslimischen Schüler, die dies wollen. Wir geben schulischen Angeboten also klar den Vorzug vor außerschulischen Angeboten. Denn sie sind nicht kontrollierbar. Weder hinsichtlich Inhalt, noch hinsichtlich Qualität. Unsere Aufgabe ist:... weder eine juristische (z.b. zu klären, ob und wie die Konformität mit Art 7,3 GG hergestellt werden kann)... noch eine religiöse (z.b. festlegen zu wollen, was die theologisch richtigen Inhalte wären),... noch eine politisch-legislative (z.b. über Einführung oder Durchführung entscheiden zu können). Unsere Aufgabe ist es in erster Linie Anwalt der Lehrkräfte und Schüler zu sein. Unterricht für Muslima und Muslime soll zur Bildung einer muslimischen Identität in Deutschland und zum Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft verhelfen. Ganz im Sinne unseres Manifest: HALTUNG ZÄHLT. Er darf deshalb weder durch national noch durch religiös einseitige Inhalte verengt werden. Wenn wir die aktuelle Situation des Islamunterrichts in Bayern betrachten, dann erfordert dies 1. einen kurzen Blick in die Geschichte dieses Faches, 2. einen kritischen Blick auf die gegenwärtige Lage, 3. schließlich einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. 1. Ein kurzer Blick in die Geschichte des Islamunterrichts in Bayern Der BLLV setzte sich seit seinem einstimmigen Vorstandsbeschluss von 1999, also vor bald 20 Jahren als einer der ersten überhaupt für einen Islamunterricht an Schulen ein.
3 Unterstützt wurde auch die Einrichtung des IZIR (Interdisziplinäres Zentrum für islamische Religionslehre) an der FAU (Friedrich-Alexander-Universität) Erlangen-Nürnberg, wodurch viele Islamlehrkräfte ausgebildet werden konnten. Mit der Einrichtung des Schulversuchs, beginnend in Erlangen im Schuljahr 2003/4, wurde das Angebot erheblich ausgebaut. Der BLLV hat diesen Modellversuch nachhaltig initiiert und unterstützt. Inzwischen ist der Modellversuch Islamischer Unterricht von ursprünglich 260 auf 400 Schulen ausgeweitet worden. Eine weitere Ausweitung, die wir wollen, wird vor allem durch Schwierigkeiten in der Lehrerversorgung gebremst. Die Kriterien, die der BLLV seit Beginn 1999 für den Islamunterricht formuliert hat, sind nach wir vor ohne Einschränkung gültig und müssen garantiert sein: Er korrespondiert mit Artikel 7 Grundgesetz und den relevanten Artikeln der Verfassung des Freistaates Bayern es unterliegt der deutschen staatlichen Schulaufsicht curricular gründet es auf den vorhandenen Fachlehrplänen für den Schulversuch Islam-unterricht an bayerischen Schulen es wird von qualifizierten Lehrkräften mit staatlicher Lehrbefähigung in deutscher Sprache erteilt; deswegen muss sichergestellt werden, dass die Lehrerlaubnis Musliminnen und Muslimen unterschiedlicher religiöser Prägung gewährt wird die Lehrkräfte für diesen Unterricht werden an Hochschulen im Rahmen eines Lehramtsstudiums ausgebildet, hierfür sind die entsprechenden Kapazitäten an bayerischen Universitäten zu schaffen bzw. zu erweitern sowie Ressourcen für Praktika zu schaffen. Ich will die Gelegenheit nutzen, dem Bayerischen Kultusministerium ausdrücklich für den konstruktiven Dialog zu danken.
4 Vieles konnte vertraulich besprochen werden und gemeinsam auf den Weg gebracht werden. Mein Dank gilt aber auch allen Fraktionen des Bayerischen Landtags, die den Islamunterricht immer wieder nachhaltig unterstützt haben. 2. Ein kritischer Blick auf die gegenwärtige Lage des Islamunterrichts in Bayern Diesen Blick auf vier Ebenen aufzeigen: 1. Der Modellversuch Islamischer Unterricht ist in Bayern zurzeit kein Religionsunterricht, wie ihn das Grundgesetz vorsieht. Dies liegt auch in juristischen Problemen bei der Anerkennung der Verbände als Religionsgemeinschaften beziehungsweise Körperschaften des öffentlichen Rechts begründet. Das Kultusministerium hat, obwohl ihm ein grundgesetzkonformer Ansprechpartner für die Ausgestaltung des Unterrichts und der Lehrpläne fehlt, einen Weg gefunden. 2. Die Einstellungssituation muss sich verbessern. Der Bedarf an Lehrkräften für Islamischen Unterricht wächst in ganz Deutschland ständig erst recht, wenn nun mehr und mehr muslimische Flüchtlingskinder an die Schulen kommen. Gelingt es Bayern nicht, den Islamlehrern nach ihrer Ausbildung eine Anstellung zu bieten, werden sie von anderen Bundesländern abgeworben. Es gibt hier bereits beklagenswerte Fälle. 3. Derzeit werden im Grund- und Mittelschulbereich muslimische Lehrkräfte lediglich von Berater/innen Migration und/oder Fachbetreuer/innen Religion (nicht Islam!) begutachtet und unterstützt. Eine tatsächliche Fachbetreuung bzw. Fachaufsicht, die eine ausgewiesene Expertise in Sachen Islam mitbringt, gibt es nicht. In den Gymnasien und Realschulen gibt es gar keine fachwissenschaftliche bzw. fachdidaktische Begleitung und Supervision. Die Lehrkräfte werden in der heiklen Phase des Aufbaus eines ordentlichen Unterrichtsfaches alleine gelassen.
5 4. Es gibt anscheinend Klärungsbedarf zwischen akademischer islamischer Theologie und den Auffassungen mancher islamischer Verbände. Wir als BLLV wollen und können da nicht entscheiden, was richtig oder falsch ist. Aber wir nehmen erhebliche Differenzen war, die für das Fach und dessen Etablierung an der Schule nicht förderlich sind. Und wir nehmen für uns in Anspruch, sehr genau darauf zu achten, dass nicht Kräfte, womöglich aus dem Ausland gesteuert, Einfluss auf die bayerischen Schulen gewinnen. 3. Ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft des Islamunterrichts in Bayern - ich könnte auch sagen: Forderungen des BLLV im Blick auf den Islamunterricht Der Islamunterricht sollte schnellstmöglich Normalität an allen Schulen und an allen Schularten werden. Das bedeutet auch, dass der Status des Modellversuchs keine Dauerlösung sein kann. Ob die Lösung ausschließlich in der Konformität zu Art. 7, Absatz 3 GG liegen muss, ist eine noch offene Frage. Korrespondieren muss er aber auf alle Fälle. Wer das Wohl der Kinder und Jugendlichen im Blick hat, der will keinem bzw. keiner diese Chance geprägt religiösen Lernens vorenthalten. Neben der bislang einzigen Ausbildungsmöglichkeit für Islamlehrer in Bayern an der Universität Erlangen-Nürnberg fordern wir weiterer, zusätzliche Institute an anderen bayerischen Universitäten. Grundsätzlich bedarf es überall der Einrichtung von Praktikumsstellen und Seminarstellen. Unser Ziel ist und bleibt es, eine breit aufgestellte, qualifizierte und praxisorientierte, akademische Lehrerbildung sicherzustellen. Wir brauchen mindestens eine Koordinationsstelle Islam und Schule in Bayern Sie muss Implementierungsprozesse koordinieren und Lehrkräfte und Schulen und das Ministerium fachlich beraten.
6 Wir brauchen aber auch theologisch-didaktische Expert/innen auf Schulamtsebene, damit die Lehrkräfte mit ihren Fragen und Problemen nicht allein gelassen werden, ebenso im ISB und in der Akademie Dillingen. Islamunterricht darf kein Nischenfach bleiben. Lehrkräfte im Islamunterricht brauchen viel mehr Sicherheit und adäquate Arbeitsbedingungen: z.b. Entlastungsstunden, Wegezeiten, Entfristung von Arbeitsverträgen und Verbeamtungen. Wir vom BLLV sind im Gespräch und bleiben im Gespräch. Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft des Islamunterrichts in Bayern gewinnbringen gestalten. Bleiben wir im Dialog auch wenn es im Detail unterschiedliche Auffassungen gibt. Der BLLV plant für den Herbst ein Fachgespräch zum Islamunterricht. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns dort wieder sehen. Noch erreicht der schulische Islamunterricht nur rund 12 % der muslimischen Schüler. Bis zu einem flächendeckenden Angebot ist es noch ein langer Weg. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ich freue mich auf den Dialog hier und heute mit Ihnen.