WALDSCHUTZ INFO 3/2009. Die Stamm- und Triebläuse der Weißtanne

Ähnliche Dokumente
Von Donnerbüschen, Rüsslern, Saurem Regen und Rehen zur Waldschutzsituation der Weißtanne

WALDSCHUTZ INFO 5/2009

BORKENKÄFER. Gefahr in Verzug!!

Außerdem anwesend: Bei Beginn der Sitzung sind von 14 Gemeinderäten 7 anwesend; der Gemeinderat ist somit beschlussfähig.

Waldtracht. Einige Beobachtungen. von Förster Ernst Fankhauser, Eschenbach Text, Fotos ef Fotos R. Ritter E.

1.Ziele der Anpassung an Klimaveränderung 2.Der Wald in Hessen 3. Naturgemäße Waldwirtschaft 4. Beispielhafte waldbauliche Steuerung 5.

Material. 3 Akteure im Simulationsspiel

Mehr Licht im Wald planmäßige und ungeplante Holzentnahmen

Biologie und Lebensweise von Nützlingen im Gemüsebau - Nützlinge erkennen und fördern

Kahle Fichten und vergilbte Thuja

Veränderung der Waldfläche [ha] nach Baumartengruppe und Eigentumsart

Forst. Aktuelle Waldschutzsituation

1 Einleitung Das Holz der Eberesche Eigenschaften und Aussehen des Holzes Verwendung des Holzes...

Geschichte des Waldbaus in Baden Württemberg im 19. und 20. Jahrhundert

Heissi Marronni! Arbeitsblätter

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Gartenakademie. Pilzliche Erkrankungen der. Nadelgehölze

Faktensammlung zur Dritten Bundeswaldinventur (BWI 3) für Mecklenburg-Vorpommern

BÄUMCHEN WECHSELT EUCH!

Forstschutz Fragen. 2. Welche Forstschäden kennen Sie? Witterungsschäden, Pilzschäden, Schäden durch Gras und Unkraut, Abiotisch/ Biotisch

- Heft C1 - Pflanzenzahlen bei der Kulturbegründung im Landeswald M-V; Unterbau und Voranbau; Behandlung kleiner Blößen

Maiszünsler-Entwicklung und deren Bekämpfung in Deutschland. Fachberatung Mais/Sorghum KWS MAIS GMBH

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Lernwerkstatt Leben im Wald. Das komplette Material finden Sie hier:

Schutzwald in Tirol im Spannungsfeld aller Landnutzer

Wald und Forstwirtschaft. in Sachsen

SACHSEN-ANHALT. Veröffentlicht am ,MBl. LSA Nr. 8. FAR Mario Trapp, Infoveranstaltung RL - WUM

Raubbau und naturnahe Waldbewirtschaftung Ein Vergleich

& ) %*#+( %% * ' ),$-#. '$ # +, //$ ' ' ' ' %0 -. % ( #+$1 $$! / 0# ' $ " ' #) % $# !! # ' +!23!4 * ' ($!#' (! " # $ & - 2$ $' % & " $ ' '( +1 * $ 5

Station Titel der Station Materialien Aufgaben fertiggestellt. Stationskarte, Lösungskarte. Stationskarte, Informationskarte, VORANSICHT.

Die Natur in den 4 Jahreszeiten. Julian 2012/13

Unser Insektenhotel. Projekt der Klassen 5a und 6b (AK Jahre) des Förderzentrums zur Lernförderung Johann Heinrich Pestalozzi

S. 1. Fernerkundungsanwendungen Teil B Vorlesung Aktuelle Forstschutzprobleme Sommersemster

Wildeinflussmonitoring im Projektverbund Waldumbau in den mittleren, Hoch- und Kammlagen des Thüringer Waldes Zwischenergebnisse - Ausgangslage

Ergebnisse der Forsteinrichtung im Gemeindewald Bingen

Klimawandel, Baumartenwahl und Wiederbewaldungsstrategie - Chancen und Risiken für den Remscheider Wald -

Die Kirschessigfliege Drosophila suzukii ein neuer Schädling im Obst- und Weinbau. Fotos: Sheila Fitzpatrick, Agricultur and Agri-Food, Canada

Entstehung, Beobachtung, Prognose und Nutzung der Waldtracht

Waldbäume pflanzen das kann doch jeder!?

FEB. Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen. Holzstatistik: Erhebung in forstlichen Erzeugerbetrieben Erhebungseinheiten

Pflanzenschutzmaßnahmen im Grünland soviel wie nötig - so wenig wie möglich

Die Kiefern- oder Forleule (Panolls flammea Schiff.) von H. Bogenschütz, Freiburg

Diagnostik und Forschung im Pflanzenschutzlabor

Sachkunde: Baum-Ratespiel

nec praeteritum tempus umquam revertitur; nec quid sequatur sciri potest!!beobachtungszeitraum: 29. Juli bis 04. August 2015

Waldrallye Haus Dortmund

Bio Versuche In der Natur - Biologisches Gleichgewicht. Versuche im geschützten Anbau Projekt Bauernparadeiser

VORWORT. Wald ist Wert der wächst

Erhaltung forstlicher Genressourcen in Sachsen

Das Rosskastanien-Sterben

Waldbau. waldwirtschaft/09 1

Apfelmehltau. Bearbeitet von: Wolfgang Essig

Katalog der Waldentwicklungstypen. WET 10 - Traubeneiche-Buche/Hainbuche. WET 11 - Stieleiche-Hainbuche

Gefahren durch Epidemien?

Schätzfunktionen der Baumbiomasse und Nährstoffentzug der Hauptbaumarten

Das Ökosystem Wald in seiner ganzen Vielfalt. Grundlagen zum Wald und seiner Bewirtschaftung

Obwohl Österreich sehr dicht besiedelt ist, kommt auf jeden Bundesbürger fast ein halber Hektar Wald.

Integrierte Bekämpfung tierischer. Schaderreger. Gliederung Grundsätzliches zum Integrierten Pflanzenschutz. Schaderreger am Beispiel der Schildläuse

Komplexe Buchenerkrankungen

Anwendung von PSM im Wald

22. Schweizer Phänologie-Tag in Birmensdorf ZH Waldphänologie und waldökologische Beobachtungen

Poa annua und Lösungsansätze zur Bekämpfung

VORANSICHT. Erlebnis Natur Böden und Tiere im Ökosystem Wald. Mit Programmvorschlägen. für eine Waldexkursion. Das Wichtigste auf einen Blick

Baumartenwahl im Gebirge mit Berücksichtigung des Klimawandels. Referent: Dipl.-Ing. Christoph Jasser, Oö. Landesforstdienst

Pflanzenschutz Prüfung mündlich Klasse Fl 5D

Der Eichenprozessionsspinner

Nützliche Insekten im Garten. Referentin: Dr. Sandra Lerche

Vorlage Stichwortzettel (zu S. 92)

Jungwaldpflege. Erfahrungssaustausch, 21. April Dokumentation Pierrafortscha

Pflanzenschutz. Unterlagen zum Vortrag vom Gartenfestival Liebe deine Feinde; denn sie sagen dir deine Fehler.

Pilze und Konsorten: Widersacher der Weißtanne Berthold Metzler

Untersuchungen zum Durchmesserzuwachs an den Wald- und Hauptmessstationen (Praktikumsarbeit FSU Jena, Master-Studiengang Geografie)

Die häufigsten Schädlinge der Zimmerpflanzen

DIE SAMENQUELLEN FÜR FORSTLICHES VERMEHRUNGSGUT IN DER SLOWAKEI

W o r k s h o p P r i m a r s t u f e 3-4

MERKBLÄTTER DER FORSTLICHEN VERSUCHS- UND FORSCHUNGSANSTALT BADEN-WÜRTTEMBERG Nr. 17. Buchenrindennekrose

Ergebnisse der 3. Bundeswaldinventur in der Region Berlin-Brandenburg

Unsere Tanne fest verwurzelt! Referent: Dipl.-Ing. Christoph Jasser, Oö. Landesforstdienst

Baumartenmischung und Produktivität von Waldbeständen

Gutachterliche Stellungnahme

BIO kinderleicht erklärt!

6-10 LEBENSRAUM NÜTZLINGE SACH INFORMATION

Eibenfrüchte als Vogelnahrung. Einleitung. Eibensamen. Samenverbreitung durch Tiere (Zoochorie) von O. SCHMIDT

Laubbäume

Der Orkan Lothar ( ) Zehn Jahre danach

Neue Anforderungen der Gesellschaft an die Forstwirtschaft

Ein Waldinvestment mit regionalem Bezug. rentabel transparent nachhaltig 100 % grün

Rebschutz vor dem Austrieb

Der Große Braune Rüsselkäfer, einer der gefährlichsten Forstschädlinge

Abgesägt- und dann? Überlegungen für eine effektive Gehölzpflege auf Böschungen

Durchforstung. Förster Ing. Johannes Ablinger. Forstliche Ausbildungsstätte Ort / Gmunden

Giganten und Überlebenskünstler Bedeutung und Gefährdung der Weisstanne

Ergebnisse der Forsteinrichtung für im Stadtwald Scheer

Insektizide und Nützlinge

Auswirkungen des KlimawandelsIS

Fragen- Aufgabenkatalog:

Eichenprozessionsspinner

Lernheft 5: Technik im Garten (Strom, Wasser, Brücken) Lernheft 6: Lernheft 7: Der Nutzgarten. Lernheft 8: Der Obstgarten

Waldarbeiter- und Försterpfad

Judith Drews & Lilli Baltzer

Weinbergschnecke. Outdoor-Schneckenbestimmungsbüchlein. Zusammengestellt von Angelika Benninger, 2015

Transkript:

WALDSCHUTZ INFO 3/2009 Die Stamm- und Triebläuse der Weißtanne Die Weißtanne (Abies alba L.) ist mit einer Waldfläche von über 100.000 ha, d.h. mit einem Anteil von ca. 8 % nach der Fichte und der Rotbuche die drittwichtigste Baumart in Baden-Württemberg. Im Rahmen des angestrebten Waldumbaus und den Wiederaufforstungen nach den Sturmereignissen der vergangenen Jahrzehnte hat ihr Flächenanteil durch Voranbauten in labilen Fichtenbeständen, Anbauten auf Freiflächen und eingeleitete Naturverjüngungen in Altbeständen mit Tannen im Vorbestand - insbesondere in den Altersklassen I und II - deutlich zugenommen (BWI II, 2002). In den vergangenen drei Jahren melden die Forstdienststellen eine Zunahme der Schäden durch Tannenläuse in Verjüngungen, Dickungen und Baumhölzern, wobei bei den Verursachern nur nach Tannentriebläusen und stammläusen unterschieden wird. Diese beiden genannten Schaderreger gehören zu den Tannengallenläusen (Adelgidae). Die Adelgidae sind eine Familie der Blattläuse (Aphidoidea) und damit systematisch der Unterordnung der Pflanzenläuse (Stenorrhyncha) zugeordnet. Bedeutung der Stamm- und Triebläuse Der Befall von Stamm- oder Triebläusen kann bei der Weißtanne zu erheblichen Schäden, von Wuchsdeformationen bis hin zum Abster- Abb. 1: Stammbefall durch Dreyfusia spec. (Foto: Haas, FVA). ben von jungen Einzelbäumen und Baumgruppen, führen. Während die einheimischen Arten, die Weißtannenstammlaus (Dreyfusia

piceae RATZ.) und die Europäische Weißtannentrieblaus (Mindarus abietinus KOCH), als relativ ungefährlich eingestuft werden können, gelten die bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeschleppten Arten, die Einbrütige Tannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae ECKST.) und die Zweibrütige Tannentrieblaus (Dreyfusia merkeri EICH- HORN), als gefährlich. Dies gilt in besonderem Maße für den Befall von Jungwüchsen und Dickungen. Biologie der Arten und ihre Unterscheidung anhand von Befallsmerkmalen Die Biologie der Blattläuse ist im Vergleich zu anderen Insektenarten relativ kompliziert, da ihr vollständiger Entwicklungszyklus mehrere Generationen umfasst, die sich geschlechtlich o- der ungeschlechtlich vermehren können und Abb. 2: Dichter Wachswollüberzug auf der deren Tiere sich in ihrem Aussehen und ihrer Tannenrinde (Foto: Haas, FVA). Biologie sehr stark voneinander unterscheiden können. Oft ist der Wechsel zwischen der geschlechtlichen und der ungeschlechtlichen Vermehrung mit einem Wirtspflanzenwechsel verbunden. Dabei erfolgt die geschlechtliche Vermehrung auf dem Haupt-(Primär-)Wirt und die ungeschlechtliche Vermehrung auf dem Neben-(Sekundär- )Wirt. Fehlt eine der Wirtsbaumarten, wie das in Mitteleuropa bei den drei Dreyfusia-Arten der Fall ist, kann der vollständige Entwicklungszyklus nicht durchlaufen werden. Die Läuse vermehren sich dann ausschließlich parthenogenetisch (ungeschlechtlich) an der Nebenwirtsart (Weißtanne und andere Tannenarten) und durchlaufen so einen unvollständigen Zyklus (Anholozyklus). Während die grün gefärbte Europäische Weißtannentrieblaus (Mindarus abietinus KOCH) relativ leicht anhand makroskopischer Unterschiede von den drei Dreyfusia-Arten zu unterscheiden ist, können letztere untereinander im Freiland nicht mit bloßem Auge sicher unterschieden werden. In der forstlichen Praxis muss die notwendige Artdifferenzierung daher anhand der unterschiedlichen Befallsbilder und Entwicklungsabläufe erfolgen. Die folgende Tabelle liefert dazu Details:

Art lateinisch Art deutsch Synonyme Art. lat. Synonym Stammlaus Dreyfusia piceae RATZ. Weißtannenstammlaus Ungefährliche Tannenrindenlaus Mindarus abietinus KOCH Zweibrütige nentrieblaus Weißtannen- Trieblaus Triebläuse Dreyfusia nordmannianae ECKST. Einbrütige Tannentrieblaus Gefährliche Weißtannenlaus Gefährliche Tannenrindenlaus Nüsslinsche Tannjungholzlaus - - Dreyfusia nüsslini C.B Dreyfusia merkeri EICHHORN Tan- Europäische Weißtannentrieblaus Freiburger Tannenlaus Herkunft einheimisch einheimisch eingeschleppt eingeschleppt Bedeutung für die heimische Forstwirt-schaft Befallsort Hauptwirt (Primär-) Nebenwirt (Sekundär-) Vermehrung Ausbreitung Farbe relativ ungefährlich relativ ungefährlich gefährlich Gefährlich Rinde von Trieben und am Stamm fehlt in Mitteleuropa Weißtanne/ andere Tannenarten aktiv über geflügelte Ind. schwarz; weiße Wachswolle Abies alba, A. nordmanniana, A. concolor, A. balsamea, A. sibirica, entfällt nur parthenogenetische Vermehrung, unvollständiger Zyklus (Anholozyklus) monözisch: vollständige Entwicklung auf einer Wirtspflanze = holozyklische Art aktiv über geflügelte Ind. Geflügelte Form grünlich, Abdomen schwarzbraun gebändert, ungeflügelte Form gelbgrün bis grau fehlt in Mitteleuropa (Orient-Fichte) Nordmannstanne, Weißtanne/ andere Tannenarten nur parthenogenetische Vermehrung, unvollständiger Zyklus (Anholozyklus) passiv durch Wind, Abstreifen (Wild, Mensch) ungeflügelte u. geflügelte Läuse schwärzlich; weiße Wachswolle - Di- Jungwüchse, ckungen Jungtriebe Jungwüchse, Dickungen fehlt in Mitteleuropa (Orient-Fichte) Weißtanne/ andere Tannenarten nur parthenogenetische Vermehrung, unvollständiger Zyklus (Anholozyklus) passiv durch Wind, Abstreifen (Wild, Mensch) ungeflügelte u. geflügelte Läuse schwärzlich; weiße Wachswolle

Art lateinisch Stammbefall an älteren Tannen (40-120 j.) Trieb- und Nadelbefall Präventive Waldschutzmaßnahmen Kurative Waldschutzmaßnahmen Bemerkungen Dreyfusia piceae RATZ. Massenbefall: leuchtend weißer Wachswollbelag am Stamm im Frühjahr und Spätsommer/ Herbst Befällt keine Nadeln! keine Maßnahme bekannt keine Bekämpfung; evtl. Entnahme stark befallener Tannen sehr schädlich in Ostkanada an der Balsamtanne Mindarus abietinus KOCH Kein Stammbefall Insbesondere an den Maitrieben, an Jungtannen der 1. und 2. Altersklasse, Nadeln krümmen sich nach oben: unterseitige Wachsstreifen dann außen Dreyfusia nordmannianae ECKST. Massenbefall: leuchtend weißer Wachswollbelag am Stamm nur im Frühjahr (April Juni) Insbesondere an den Maitrieben, an Jungtannen der 1. und 2. Altersklasse, Nadeln krümmen sich nach unten: `Flaschenbürsten Dreyfusia merkeri EICHHORN Massenbefall: leuchtend weißer Wachswollbelag am Stamm im Frühjahr und Spätsommer/ Herbst Insbesondere an den Maitrieben, an Jungtannen der 1. und 2. Altersklasse, Nadeln krümmen sich nach unten: Flaschenbürsten Unterscheidung an der Wachswollausscheidung, s.o. oder im Frühjahr am Verhältnis Nadelsauger/ Geflügelte : Einbrütige T.: mehr Nadelsauger, Zweibrütige T. mehr Geflügelte Bevorzugen besonnte/warme Bereiche an den Wirtspflanzen, bes. Lichtnadeln Vermeidung einer aktiven plötzlichen Freistellung der Tannen (gilt für Verjüngungen, Voranbauten, Pflanzungen auf der Freifläche) Schirmstellungen über Naturverjüngungen und Voranbauten lange aufrecht erhalten keine Bekämpfung Im allgemeinen indifferent, bei starkem Befall Absterben der Maitriebe, die sich erst röten, dann vertrocknen nur Massenvermehrungen müssen bekämpft werden; gefährdet sind Bäume bis 4 m Höhe Mechanisch: nur in den Wintermonaten durch Entnahme, Abtransport und Verbrennen der stark befallenen Bäume Bei starkem Befall Abfall sämtlicher Nadeln im Gipfelbereich und an Seitenästen. Absterben von jungen Tannen, Bildung von Bajonetttrieben

Waldbauliche Behandlung als Prävention Die Populationsdynamik der Läuse wird wesentlich über die individuelle physiologische Konstitution der Wirtspflanze gesteuert, daher können unterschiedlich stark befallene Bäume durchaus benachbart sein. Die Dreyfusia-Triebläuse bevorzugen besonnte und warme Bereiche an den Wirtspflanzen, insbesondere Lichtnadeln bzw. ehemalige Schattnadeln, die nach Freistellung der Wirtspflanze von dieser zu Lichtnadeln umgebaut werden, bieten ihnen physiologisch günstige Bedingungen zur Massenvermehrung. Daher sind nach plötzlichen Freistellungen häufig Massenvermehrungen mit teilweise erheblichen Schäden in der Folge zu beobachten. Abb. 3: Befall durch die einbrütige Tannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae) an frischem Maitrieb. Abb. 4: Klassisches Befallsmerkmal beim Befall durch Dreyfusia-Trieblausarten. Nadeln krümmen sich nach unten. Wachstreifen der Nadelunterseiten sind nicht zu erkennen. Entsprechend dieses grundlegenden Zusammenhangs kann für die waldbauliche Behandlung von Verjüngungsbeständen, Voranbauten und Pflanzungen auf der Freifläche die Bedeutung von Schirmstellungen und die Vermeidung einer aktiven plötzlichen Freistellung der Tannen als präventive Waldschutzmaßnahme zur Verminderung des Befallsdrucks abgeleitet werden. Schirmstellungen über Naturverjüngungen und Voranbauten sollten daher möglichst lange aufrechterhalten werden. Ist der Altholzschirm durch Sturmschäden, Borkenkäferbefall oder andere Schadfaktoren nicht mehr zu halten, bzw. ist dieser aufgrund einer voranschreitenden Holzent-

wertung betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, steigt das Schadensrisiko durch Dreyfusia- Trieblausbefall deutlich an. Die Flächen sollten dann regelmäßig auf den Befall hin beobachtet werden. Bei Tannenverjüngungen auf Freiflächen können ankommende Mischbaumarten, insbesondere die Weichlaubhölzer (Birke, Eberesche, u.a.) aber besonders auch Fichte, Kiefer und Buche, für die notwendige Beschattung sorgen, wenn sie leicht vorwüchsig sind. Dieser Seitenschutz darf im Rahmen von Jungbestandspflegemaßnahmen nicht völlig beseitigt werden, vielmehr sollten sich die Pflegemaßnahmen ausschließlich auf einzelne starke Bedränger der Z-Tannen beschränken. Jedenfalls muss eine Auskesselung der Tannen in Bezug auf die potentielle Gefährdung durch die Dreyfusia-Triebläuse dringend vermieden werden. Bekämpfung In der Regel müssen nur Massenvermehrungen der Dreyfusia-Triebläuse (D. normannianae und D. merkeri), deren Befall von Trieben und Nadeln bei mehrjährigem Befall zu bleibenden, wertvermindernden Schäden an der Stammform bis hin zum Absterben der befallenen Bäume führen, aktiv bekämpft werden. Besonders gefährdet sind Tannen mit einer Baumhöhe bis zu 4 Meter. Der Befall durch Stammläuse bleibt in der Regel ungefährlich, auch wenn sie bei starkem Besatz dem Baum eine große Menge Nährstoffe entziehen. Blattläuse haben eine Reihe von natürlichen Gegenspielern, das sind die Larven von Schwebfliegen, Florfliegen, Schlupfwespen und Marienkäfern, zudem Raupenfliegen, Raubwanzen, Laufkäfer, Weichkäfer, Spinnen und Vögel. Bei der mechanischen Bekämpfung durch Entnahme verlauster Tannen ist darauf zu achten, dass diese ausschließlich in den Wintermonaten erfolgt, wenn die Läuse im Überwinterungsstadium sind. Allerdings führt die Entnahme befallener Bäume auch zur Auflichtung des Restbestandes und erhöht die Befallsbereitschaft der verbleibenden Tannen, insbesondere von bislang schwach befallenen Bäumen. Daher sollten nur stark befallene Bäume entnommen werden, von denen ein hoher Befallsdruck ausgehen kann. Eine Entnahme aller befallenen Bäume in Form eines Regelverfahrens ist bei diesen Schadinsekten daher nicht zielführend. Die chemische Bekämpfung durch den Einsatz von Insektiziden stellt den Ausnahmefall dar. Dies auch deswegen, weil der Einsatz technisch schwierig ist und meist diesem auch naturschutzund/oder wasserschutzrechtliche Einschränkungen im Wege stehen. Somit ist in solchen Fällen auf jeden Fall eine vorausgehende Beratung durch einen Waldschutz-Spezialisten angezeigt.

Sekundärbefall durch den Weißtannenrüssler (Pissodes piceae ILL.) bzw. Pilze Der Weißtannenrüssler kann als Sekundärschädling an Tannen nach vorangegangenem Stammbefall durch die Dreyfusia-Arten schädlich werden, indem er lokal hohe Populationsdichten aufbaut und Stämme zum Absterben bringen kann. Der Befall ist durch Harztröpfchen am Stammfuß und an den Hauptwurzelanläufen leicht erkennbar. Tannen mit auffällig starkem Stammbefall (Wachswolle) durch die Dreyfusia-Arten sollten daher dauerhaft markiert und über den Sommer regelmäßig auf Befall durch den Weißtannenrüssler hin kontrolliert werden. Durch den Rüsselkäfer befallene Bäume müssen eingeschlagen und sofort abgefahren werden, zumindest sollten sie entrindet werden, um einen Anstieg der Populationsdichte und damit den Befallsdruck des Käfers zu vermindern. Pilze können ebenfalls als Sekundärschädlinge auftreten. Nach dem Stammbefall durch die Läuse kann es bei der Tanne zu einer sekundären Besiedlung durch eine Nectria-Art (Nectria fuckeliana) und in dessen Folge zu Rindennekrosen kommen. Auch der Befall durch den Hallimasch, der als Schwächeparasit bekannt ist, kann durch einen vorangegangenen Lausbefall begünstigt werden und zum Absterben der betroffenen Tannen führen. Literatur: NIERHAUS-WUNDERWALD, D. und FORSTER, B. (1999): Zunehmendes Auftreten der Gefährlichen Tannentrieblaus. Wald und Holz 80 (10): S. 50 53. PERNY, B.; CECH, TH.; DONAUBAUER, E. und TOMICZEK, CH. (2002): Krankheiten und Schädlinge in Christbaumkulturen. Bundesamt und Forschungszentrum für Wald, Wien: 194 S. PSCHORN-WALCHER, H. (1960): Der gegenwärtige Stand der Tannenlaus-Frage in forstlicher Sicht. Forstwissenschaftliches Centralblatt 79 (5-6): S.129 139. SCHWERDTFEGER, F. (1981): Die Waldkrankheiten. 4. neubearb. Aufl., Verlag Paul Paray, Hamburg und Berlin: 486 S. Bearbeiter: Dr. H. Schröter & Dr. R. John, FVA Freiburg, Dr. R. Petercord, LWF Freising