Stellungnahme des Deutschen Hebammenverband e. V. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrs. 17/13062):

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Transkript:

Stellungnahme des Deutschen Hebammenverband e. V. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrs. 17/13062): Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt Deutscher Hebammenverband, Gartenstraße 26, 76133 Karlsruhe www.hebammenverband.de Seite 1 von 9

Der Deutsche Hebammenverband Der Deutsche Hebammenverband e.v. (DHV) ist ein Bundesverband und setzt sich aus 16 Landesverbänden zusammen. Mit derzeit 17.820 1 Mitgliedern ist der DHV der größte Hebammenberufsverband in Deutschland und vertritt die Interessen aller Hebammen. In ihm sind angestellte und freiberufliche Hebammen, Lehrerinnen für Hebammenwesen, Hebammenwissenschaftlerinnen, Familienhebammen, Hebammen geleitete Einrichtungen sowie Hebammenschülerinnen und Studierende vertreten. Der Gedanke des Gesetzentwurfs Um die Zahl der in Deutschland jährlich ausgesetzten oder getöteten Kinder zu reduzieren, sollte durch die Installation der Babyklappen und der Möglichkeit der anonymen Geburt ein Schutzmechanismus geschaffen werden. Diesem einen rechtlichen Rahmen zu geben und damit den helfenden Professionen gesetzliche Sicherheit zu geben, sowie das Angebot flächendeckend zur Verfügung zu stellen, ist Ziel des Gesetzes. Bedacht ist dabei die Regelung der nötigen Verfahren der vertraulichen Geburt in der Klinik und die nachfolgenden Möglichkeiten des Kindes, damit im Anschluss an die Adoption das Recht des Kindes auf Wissen um die leibliche Herkunft, gesichert wird. Gleichzeitig soll nicht nur die leibliche Mutter in ihrer Anonymität geschützt werden, sondern auch deren Gesundheit im Zusammenhang mit der betroffenen Schwangerschaft und Geburt. Das gesellschaftliche Problem der Inakzeptanz soll mit aufklärenden Maßnahmen begegnet werden. Zweifelsohne ist diese gesetzliche Regelung wichtig, um der staatlichen Verantwortung für Frauen in dieser Konfliktsituation, wie auch den betroffenen Kindern und Vätern, gerecht zu werden. Auch der rechtliche Schutz der helfenden Professionen muss von gesetzgeberischer Seite geschaffen werden. Deshalb unterstützt und begrüßt DHV grundsätzlich das Vorhaben des Gesetzgebers, die vertrauliche Geburt in Deutschland verbindlich zu regeln und unter Abwägung der Rechte von Mutter, Kind und Vater der Schwangeren eine medizinisch betreute Geburt zu ermöglichen und den Geburtshelfern damit rechtliche Sicherheit zu geben. Die Orientierung an dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für zulässig erachteten französischen Verfahren erscheint dabei als eine - an internationalen Vorgaben gemessene - überzeugende Vorgehensweise, um den widerstreitenden Rechten des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, der Mutter auf Wahrung der Anonymität und dem Vater auf Kenntnis seiner Vaterschaft und weiterer involvierter Personen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. 1 Stand: 31. Oktober 2012 Seite 2 von 9

Insbesondere begrüßt der Deutsche Hebammenverband die Berücksichtigung der außerklinischen Geburt und der Hausgeburt sowie den weitergehenden Leistungen von Hebammen im jetzigen Gesetzentwurf. Durch die Einführung der Möglichkeit der vertraulich durchgeführten Hausgeburt wird insbesondere das Recht der Frauen auf freie Wahl des Geburtsortes gestärkt, als auch für die Hebammen in solchen Fällen ein rechtlich sicherer Handlungsrahmen geschaffen. Dennoch sieht der Deutsche Hebammenverband in einigen Punkten Änderungsbedarf, um der Komplexität des Problems gerecht zu werden und um alle denkbaren Konstellationen, die diesem Konflikt zu Grunde liegen, gerecht werden zu können. Die Arbeit der freiberuflichen Hebamme im Kontext dieser Problematik Hebammen sind in der Bevölkerung für Ihr intensives Bemühen um die Frauen und Kindergesundheit akzeptiert. Sie arbeiten autonom und sind deshalb vielfach die erste und einzige Anlaufstelle der Frauen, die die Anonymität bei der Geburt wahren wollen. Sie sind verlässliche Partnerinnen der Frauen und unterstützen diese bei der Geburt, unabhängig von deren sozialem Status. Sie stärken die Frauen und schützen somit die Gesundheit der Kinder. Sie gelten insbesondere für die Bevölkerungsgruppe, die Anonymität wünscht als integere und kompetente Berufsgruppe zur Unterstützung in diesem rechtlichen, wie ethischen Konfliktfeld. Hebammen gehen mit dieser Thematik für gewöhnlich nicht an die Öffentlichkeit und so wundert es nicht, dass die Befragung der freiberuflich und ambulant tätigen Hebammen in der 2012 von Seiten des Deutschen Jugendinstituts veröffentlichten Studie 2 keine Beachtung fand. Hebammen begleiten die betroffenen Frauen ambulant im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorgen, unterstützen diese Frauen im Rahmen der Hausgeburtshilfe und im Wochenbett. Sie organisieren die Hilfe unterstützender Berufsgruppen, wie beispielsweise Laborärzte. Es ist nicht verwunderlich, dass ein Teil der betroffenen Frauen häufig den Wunsch hat, ihr Kind zu Hause zu gebären, wenn sie die öffentliche Aufmerksamkeit scheuen. Denn nirgends ist Anonymität so sehr gewahrt, wie im häuslichen Umfeld mit der fachlichen Unterstützung durch die Hebamme, die in diesem Setting einzige Mitwissende ist. Der DHV begrüßt daher, dass die Hebammen, die sich dieser Konfliktsituation stellen, im jetzigen Gesetzentwurf Beachtung finden und auch von dem geplanten gesetzlichen Schutz grundsätzlich umfasst sein sollen. 2 2011 Deutsches Jugendinstitut e. V. Projekt Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland Fallzahlen, Angebote, Kontexte Seite 3 von 9

Der gesetzliche Schutz der Frau in ihrem Wunsch nach Mutterschaft- Akzeptanz des Wunsches zur Nichtabgabe des Kindes Kritisch steht der DHV jedoch der grundsätzlichen Annahme des Gesetzentwurfes gegenüber, eine vertrauliche Geburt müsste zwangsläufig zur Abgabe des Kindes führen. Es existieren durchaus unzählige Fälle, in denen Schwangere zwar anonym gebären wollen, aber dennoch willens und in der Lage sind, die elterliche Sorge für das Kind zu übernehmen. Die Unterstellung, dass Frauen die eine anonyme Geburt wünschen, generell nicht willens wären, die Verantwortung der Mutterschaft zu übernehmen, oder gar in der Lage wären, das Kind auszusetzen oder zu töten, greift zu kurz und nimmt nur Bezug auf eine Minderheit der Frauen in dieser Situation. Gleichzeitig widerspricht dies der in Abschnitt A formulierten Intention des Gesetzes. Hier wird beschrieben: Schwangere Frauen, die Angst vor einer Entbindung bei gleichzeitiger Preisgabe ihres Namens haben, brauchen bessere Hilfen, damit sie ihr Kind medizinisch versorgt in einer Klinik zur Welt bringen und sich überall in Deutschland für ein Leben mit dem Kind entscheiden können. Die Entscheidung für ein Leben mit dem Kind darf nicht an die Aufgabe der Anonymität gekoppelt werden, denn mit dieser Vorgabe, wird ein Großteil der Frauen weiterhin den medizinischen Versorgungsangeboten misstrauen und diese nicht in Anspruch nehmen. Insbesondere das mit der Einführung des 1674 a BGB gesetzlich angeordnete Ruhen der elterlichen Sorge der Mutter im Anschluss an eine vertrauliche Geburt, ohne die Voraussetzung, dass die Mutter ihr Kind auch tatsächlich abgeben will, erscheint mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 des Grundgesetzes nicht ohne weiteres vereinbar. Der Rückschluss, dass eine Schwangere, die ihre Anonymität bei der Geburt ihres Kindes wahren möchte, zwingend nicht in der Lage ist, die elterliche Sorge auszuüben, erscheint dem DHV verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Bleibt das Problem der großen Anzahl Frauen, die zwar anonym gebären wollen, jedoch die mütterliche Sorge behalten möchten, nicht gelöst, so werden diese Frauen nicht geschützt und die betroffenen Kinder unweigerlich in die Illegalität gedrängt. Der Schutz dieser Kinder wird weiterhin nicht erreicht werden können. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf keine Informationspflicht gegenüber der Mutter vor dem endgültigen Adoptionsbeschluss vor; dies mag zwar einer gewissen Praktikabilität des Verfahrens geschuldet sein, da regelmäßig der Aufenthaltsort der Mutter nicht bekannt ist. Allerdings wird der leiblichen Mutter auf diese Weise eine letzte Möglichkeit genommen, vor der Adoption ihres Kindes die endgültige Aufgabe ihrer mütterlichen Rechte zu überdenken. Insgesamt berücksichtigt der derzeitige Gesetzentwurf hinsichtlich des Verfahrens der Kindesabgabe nicht die üblichen Fristen und Auflagen einer "normalen" Adoption, die dem Schutz der Rechte der Eltern als auch dem Wohle des Kindes dienen sollen. Seite 4 von 9

Aus Sicht des DHV erscheint es fraglich, ob ein solches Verfahren die Rechte der Mutter ausreichend berücksichtigt. Schutz der Hebamme, die im häuslichen Umfeld arbeitet Der Deutsche Hebammenverband steht der Berücksichtigung der vertraulichen Hausgeburt im jetzigen Gesetzesentwurfs grundsätzlich positiv gegenüber. Die Fälle der Hausgeburt, mit dem Wunsch Mutter die Anonymität zu wahren, bringen indes eigene Schwierigkeiten mit sich, die in den Regelungen bisher keine Berücksichtigung gefunden haben. Die Hebammen sehen sich oftmals mit der schwierigen Situation konfrontiert, dass Schwangere ohne Preisgabe ihrer Identität ihr Kind in einer privaten Wohnung zur Welt bringen möchte, da sie das Aufsuchen einer geburtshilflichen Einrichtung scheuen und insbesondere ihr Kind behalten wollen. Solange die vertrauliche Geburt zwingend an eine Abgabe des Kindes gekoppelt ist und das Angebot der anonyme Geburt gleichzeitig bestehen bleibt, werden jedoch die Frauen, die ihr Kind behalten wollen, noch immer bevorzugt anonym im häuslichen Umfeld gebären wollen. Sofern die anonyme Geburt also möglich, aber ungeregelt bleibt, stehen die Hebammen, sofern sie die Frauen nicht umstimmen können, noch immer häufig vor der folgenschweren Entscheidung, die Frau wissentlich ihr Kind ohne medizinische Hilfe gebären zu lassen oder sich im weiterhin rechtsleeren Raum der anonymen Entbindung im häuslichen Rahmen zu bewegen. Insbesondere die Kostenlast, die bei solch einer Geburt bei der Hebamme verbleibt, sowie die Verwicklungen mit dem Personenstandsgesetz erfordern auch in diesem Bereich der Geburtshilfe das Eingreifen des Gesetzgebers, um so seinen Schutzpflichten gegenüber den Hebammen umfassend nachzukommen. Die Regelungen im Gesetzentwurf begründen indes für die vertrauliche Geburt im häuslichen Umfeld noch ein weiteres, gewichtiges Problem, dessen Ursache im neuen 1674 a BGB liegt. Sofern sich eine Schwangere für eine vertrauliche Hausgeburt im Sinne des Gesetzes entscheidet, entsteht für die die Hausgeburt begleitende Hebamme das Problem, dass die elterliche Sorge nach dem neuen 1674 a BGB sofort nach der Entbindung ruht. Damit steht bei der derzeitigen Formulierung der Mutter nicht mehr das Recht zu, ihr Kind zu behalten, da mit dem Ruhen der elterlichen Sorge auch ihr Recht auf Aufenthaltsbestimmung des Kindes ruht. Die Hebamme wird es aber nicht verantworten dürfen, das Neugeborenen seiner Mutter und damit laut des Gesetzentwurfes einer Person zu belassen, der die elterliche Sorge nicht mehr zusteht. Infolgedessen hätte die Hebamme nach der Entbindung im häuslichen Rahmen dafür Sorge zu tragen hat, das das Neugeborene unverzüglich - von der Mutter weg - in die Obhut einer berechtigten Person Seite 5 von 9

gelangt. Letztendlich müsste damit entweder eine solche zuständige Person vor Ort sein, was sich im Rahmen der Vertraulichkeit der Hausgeburt nur schwer umsetzen lassen wird, oder die Hebamme wird das Kind im Anschluss an die Geburt sogleich mitnehmen müssen, um es der zuständigen Stelle zu übergeben. Es erscheint daher zum einen fraglich, wie bei der Kindesübergabe an die zuständige Stelle insgesamt verfahren werden soll. Zum anderen bestehen Bedenken, wie sich die Hebamme zu verhalten hat, wenn die Mutter ihr Kind im Anschluss an die Geburt doch nicht hergeben möchte. Der vorliegende Gesetzentwurf geht weder auf diese Situation besonders ein, noch kann er die Hebammen vor den mit dem weiter bestehenden Angebot der anonymen Hausgeburt verbundenen Folgen schützen. Im derzeitigen Gesetzentwurf wird aus Sicht des DHV daher die für Hebammen häufige Situation, der anonymen als auch der vertraulichen Hausgeburt daher nicht ausreichend berücksichtigt. Behebung des Datenmangels durch Erhebung der relevanten Zahlen Es ist nicht nur unsicher, wie viele Kinder tatsächlich nach der Geburt getötet werden, sondern auch, ob durch die Schaffung der Babyklappen und die vertrauliche Kindsabgabe, diese Zahl verringert werden konnte. Dies liegt nicht nur an der Möglichkeit, dass solche Fälle erst gar nicht bekannt werden, sondern auch daran, dass Kindstötungen statistisch nicht als solche erfasst werden. Dies zu verändern muss parallel zu jeglicher gesetzlichen Regelung stattfinden, denn das Ergebnis aller gesetzgeberischen Bemühungen lässt sich nur durch eine fundierte Datenlage überprüfen. Es ist also nötig, dass die Kriminalstatistik Kindstötungen inklusive der Information über das Alter der Kinder ausweist. Allein die standesamtliche Erfassung der anonym statt gefundenen Geburten wird keine planungsrelevante Aussage zu lassen können. Maßnahmen zur Entstigmatisierung der betroffenen Frauen Keine gesetzliche Maßnahme kann großflächig greifen, wenn nicht die notwendigen Begleitmaßnahmen getroffen werden, die die betroffenen Frauen aus der gesellschaftlichen Stigmatisierung führen. Insbesondere für Frauen in biographischen Konfliktsituationen bedeutet Mutterschaft die Gefahr einer besonders schwerwiegenden Stigmatisierung, denn sie können dem Seite 6 von 9

gängigen Familienmodell wenig bis gar nicht entsprechen. Die Offenheit der Bevölkerung für diese Problematik und der Wille zur vorurteilsfreien Hilfe ist Bedingung für ein Gelingen aller Bemühungen um den Schutz der betroffenen Kinder. Hier hat der Gesetzentwurf seiner besonderen Verantwortung gerecht zu werden. So muss neben den geplanten Aufklärungsmaßnahmen auch die Intention des Gesetzentwurfes vorurteilsfrei sein, und allen betroffenen Frauen, die Hilfe zukommen zu lassen, die sie für sich zur Lösung des Konfliktes benötigen. Zum Gesetzentwurf im Detail Der DHV schlägt daher folgende Änderungen des Gesetzentwurfes vor: Artikel 6- Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches 1. Zu Nr. 1 Einfügung des 1674 a In Satz 1 des 1674 a sollte um folgenden Halbsatz ergänzt werden: "Die elterliche Sorge... ruht, sofern die Mutter sich für die Abgabe ihres Kindes entschieden hat." Begründung In der jetzigen Fassung des 1674 a entsteht der Eindruck, das Gesetz gehe von der Annahme aus, eine Schwangere, die anonym gebären wolle, sei grundsätzlich nicht fähig und willens, die elterliche Sorge für Ihr Kind auszuüben. Sofern die anonym Gebärende sich für eine Kindesabgabe entscheidet, vermag die Annahme, sie sei nicht willens oder in der Lage die elterliche Sorge für Ihr Kind auszuüben zwar durchaus verhältnismäßig. Eine solche Annahme kann aber nicht pauschal für alle Schwangeren getroffen werden, die ihr Kind unter Wahrung der persönlichen Anonymität zur Welt bringen möchten. Problematisch erscheint dieses gesetzlich angeordnete Ruhen der elterlichen Sorgen im Anschluss an eine vertrauliche Geburt daher insbesondere in dem Fall, in dem die Mutter ihr Kind behalten möchte. Ihr würde das Recht, ihr Kind zu behalten, bei der derzeitigen Formulierung schlicht nicht zustehen, da mit dem Ruhen der elterlichen Sorge auch ihr Recht auf Aufenthaltsbestimmung des Kindes ruht. Hierdurch käme es aber zu einem staatlichen Kindesentzug gegen den Willen der Frau. Damit ein solcher Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte elterliche Sorge gerechtfertigt ist, müssen aber ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Eltern ihrer elterlichen Sorge nicht ausreichend nachkommen können. Der schlichte Wunsch der Gebärenden nach Wahrung ihrer Anonymität wird einen solch schwerwiegenden, staatlichen Eingriff wohl nicht rechtfertigen können. Die generelle Annahme, eine Frau, die vertraulich gebären möchte, sei nicht fähig die elterliche Sorge auszuüben, erscheint vielmehr mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 des Grundgesetzes nur schwer vereinbar. Seite 7 von 9

Die Klarstellung, dass das gesetzlich angeordnete Ruhen nur für den Fall der Kindesabgabe greift, ist daher zwingend notwendig. Zur Wahrung der verhältnismäßigen Einschränkung der mütterlichen Sorge kann es auch nicht reichen, wenn die elterliche Sorge mit Bekanntgabe der Identität wieder auflebt. Der Mutter muss es auch ohne Angabe der Identität möglich sein, ihr Kind zumindest im unmittelbaren Anschluss an die Geburt in Sorge zu nehmen. Sofern eine Mutter also den ausdrücklichen Willen bekundet, ohne Preisgabe ihrer Identität zu gebären und ihr Kind anschließend zu behalten, so sollte dies gesetzlich Berücksichtigung finden. Dies gilt sowohl für die Definition der vertraulichen Geburt im Schwangerenkonfliktgesetz (siehe sogleich) als auch für die familienrechtlichen Normen. Insbesondere im Hinblick auf vertraulichen Geburten im häuslichen Rahmen unter Inanspruchnahme von Hebammenhilfe sollte diese Klarstellung eingefügt werden, um den Geburtshelfern auch bei dieser Fallgestaltung Handlungssicherheit zu geben. Denn speziell bei diesen Fallgestaltungen wollen die anonym Gebärenden in der Regel ihre Kinder nicht abgeben. Bei der jetzigen Fassung des 1674 a ließe die Hebamme aber das Kind sodann bei der Mutter, der aufgrund des Gesetzes die elterliche Sorge nicht zusteht oder müsste es der Gebärenden im Anschluss an die Geburt entziehen um es in staatliche Obhut zu übergeben. Artikel 7 - Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes Zu Nr. 2 Änderung des 2 Die in dem neuen 2 Abs. 4 niedergelegte Definition der vertraulichen Geburt koppelt den Wunsch nach Wahrung der Anonymität der Schwangeren an eine Abgabe des Kindes im Anschluss an die Geburt. Eine Alternative sieht das Gesetz nicht vor. Dabei werden die Fälle nicht berücksichtigt, bei denen eine Schwangere zwar ohne Nennung ihrer Identität und mit professioneller Hilfe gebären möchte, anschließend aber ihr Kind behalten möchte. Die Normierung auch dieses Unterfalles der anonymen Geburt wäre deshalb sinnvoll, weil eine solche Fallgestaltung insbesondere bei anonymen Geburten im häuslichen Rahmen die Mehrheit der Fälle ausmacht. Fazit Der Deutsche Hebammen steht der Zielsetzung des Gesetzesentwurfs eine echte Alternative zu den derzeitigen Angeboten der anonymen Geburt und der Babyklappen zu schaffen grundsätzlich positiv gegenüber. Die Ursachen des Wunsches der Frauen, ihre Kinder anonym zu gebären sind vielschichtig. Auch der sozioökonomische Hintergrund der betroffenen Frauen ist sehr verschieden. Umso dringlicher ist es, im neuen Gesetz möglichst alle denkbaren Lebensumstände zu berücksichtigen, so dass eine umfassende Unterstützung für die betroffenen Frauen und damit ein möglichst lückenloses Sicherheitsnetz für die in diese Lebensumstände Seite 8 von 9

hineingeborenen Kinder entsteht. Der Blick allein auf den Wunsch der betroffenen Frauen das Kind zur Adoption frei zu geben, greift dabei aber schlicht zu kurz. Zudem bringt die Situation einer vertraulichen Hausgeburt eigene Schwierigkeiten für die begleitende Hebamme mit sich, die bisher keine ausreichende Berücksichtigung gefunden haben. Die Situation der freiberuflich ambulant arbeitenden Hebammen in den Regelungsmechanismen nicht ausreichend einzubeziehen, bedeutet indes einen unzureichenden Schutz genau jener Berufsgruppe, die wahrscheinlich am häufigsten mit dieser Konfliktsituation konfrontiert ist, insbesondere auch deshalb, weil sie die von den Frauen insofern anerkannteste Berufsgruppe darstellt. Die nötigen Änderungen sind oben beschrieben und sollen an dieser Stelle nur in Form von Stichpunkten zusammengefasst werden. Im Gesetzentwurf fehlen folgende Regelungen: Hinreichende Regelungen zum Verfahren der vertraulichen Hausgeburtinsbesondere im Hinblick auf den neuen 1674 a BGB Der gesetzliche Schutz der Frau in ihrem Wunsch nach Mutterschaft - Akzeptanz des Wunsches zur Nichtabgabe des Kindes Behebung des Datenmangels durch Erhebung der relevanten Zahlen Maßnahmen zur Entstigmatisierung der betroffenen Frauen Nur bei Beachtung dieser Punkte, kann das Gesetz alle betroffenen Professionen durch gesetzliche Klarheit unterstützen und allen betroffenen Frauen und damit allen Kindern, die nötige medizinische Versorgung gewährt werden. Karlsruhe, den 06.05.2013 Martina Klenk Katharina Jeschke Präsidentin DHV e. V. Beirätin für den freiberuflichen Bereich DHV e. V. Mail: jeschke@hebammenverband.de Fachlich unterstützt durch die Kanzlei hirschmüller::rechtsanwälte, Hannover Seite 9 von 9