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Transkript:

Thilo Schmidt 1 COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Heuschrecken investieren in Biogas Bauern wehren sich gegen Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern Sendetermin: 16.06.2011, 13.07, Deutschlandradio Kultur Länge: 20 00 Autor: Thilo Schmidt, Redaktion: Heidrun Wimmersberg Manuskript Anmoderationsvorschlag: Bio ist in, Bio ist im Trend. Auch und zum Glück bei der Energieerzeugung. Aber ist wirklich alles Bio, wo es draufsteht? Die Bioenergie ist nicht nur im Trend, sie ist längst auch ein lukratives Geschäft. Solarparks, Windräder und Biogasanlagen sprießen wie Pilze aus dem Boden. Dabei sind gerade die Biogasanlagen umstritten, denn sie benötigen viele energiereiche Pflanzen als Rohstoffe, und das führt oft zu Maismonokulturen. Die wiederum führen zur Bodenerosion und haben verheerende Auswirkungen auf Gewässerqualität und Artenvielfalt. Und deswegen wehren sich Landwirte im mecklenburgischen Steinhausen gegen eine Biogasanlage, die zudem von einem Investor geplant wird, der vielen Einheimischen nicht geheuer ist. Steinhausen, Landkreis Nordwestmecklenburg. Zehn Kilometer von der Hansestadt Wismar entfernt und zehn Kilometer von der Ostsee. Durch den Ort verläuft die Bundesstraße 105 von Wismar nach Rostock - auf der es seit der Eröffnung der Ostseeautobahn wesentlich ruhiger zugeht. Doch die Unruhe ist zurückgekehrt: Ein Investor will im Steinhauser Gewerbegebiet eine Biogasanlage errichten. Müller: Also eine Biogasanlage ist eine Anlage, in der organische Substanz über den Vergärungsprozess in Gas umgewandelt wird,

Thilo Schmidt 2 erklärt Arndt Müller vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Mecklenburg-Vorpommern, und dieses Gas wird dann eben verbrannt und in elektrische Energie umgewandelt. Das ist eine Form der Biogasanlage, es gibt ja mittlerweile auch Biogasanlagen, die direkt Biomethan herstellen, dass dann direkt auch in das Gasnetz eingespeist werden kann. Das ehemaliges Betonwerk im Steinhauser Gewerbegebiet, eine Investitionsruine, eine Altlast der frühen 90er Jahre, war nur kurz in Betrieb und verfällt schon lange vor sich hin. Hier soll sie entstehen, die Biogasanlage mit drei Megawatt Leistung. Das ist gar nichts besonderes, denn das ganze Land wird derzeit mit Biogasanlagen überzogen. Die sind idealerweise klimafreundlich, weil CO2-neutral, und damit ganz im Trend. Und Deutschlands Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg aus der Kernenergie tut sein Übriges. Karsten Pellnitz, Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern Pellnitz: Biogas, und die energetische Nutzung von Biomasse allgemein spielen eine große Rolle, aber es geht grundsätzlich nicht nur um die Energieversorgung von Mecklenburg-Vorpommern, sondern wir müssen einfach wissen, dass der Energiemarkt ein überregionaler, europäischer Markt bei den erneuerbaren Energiequellen ist. Biogas- und Biomasseanlagen hatten 2009 einen Anteil von über 15 Prozent der Stromproduktion in Mecklenburg-Vorpommern, und damit fast ein Drittel der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Also klar, Biogasanlagen sind voll im Trend, und das zu Recht, wir wollen ja den Anteil erneuerbarer Energien an unserer gesamten Energiegewinnung deutlich erhöhen, allerdings muss man einschränken, dass Bio hier in dem Fall so ein bisschen irritierend ist, denn leider müssen wir konstatieren, nach der bisherigen Entwicklung, dass es nicht letztendlich Bio ist, was damit verbunden ist. denn Biogasanlagen brauchen Rohstoffe. Die kommen meistens aus der Landwirtschaft, und die Anlagen werden mit Mais gefüttert, weil Mais die Energiepflanze überhaupt ist. Wenn Mais aber großflächig angebaut wird, sehen Naturschützer rot. Heidrun Teichmann, Bürgermeisterin der Gemeinde Neuburg, zu der Steinhausen gehört, verteidigt die Entscheidung ihrer Gemeindevertreter zugunsten der Biogasanlage. Zu verlockend war die Aussicht, das Gewerbegebiet aus dem Dornröschenschlaf holen zu können. Teichmann: und zum anderen wünschen wir uns natürlich Einnahmen für unsere Gemeindekasse, die wir dringend benötigen, da wir jede Einnahme brauchen, um unseren Haushalt ausgleichen zu können. Das werden wir sicher mit dieser Einnahme auch noch nicht können, aber trotzdem ist es ein Stück da hin, wir haben Grund und Boden verkauft an die Investoren, die dort diese Anlage errichten, und werden aus diesem Verkauf eine Einnahme haben. Und darüber hinaus versprechen wir uns natürlich für die Zukunft Gewerbeeinnahmen, und Grundsteuer, die wir nicht mehr zahlen müssen, sondern von der Firma bezahlt wird.

Thilo Schmidt 3 Als Bürgermeisterin ist Heidrun Teichmann auch Konkursverwalterin. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, wie überall im Nordosten, den Kredit fürs Gewerbegebiet zahlt die Gemeinde heute noch ab und im nächsten Haushalt werden alle freiwilligen Leistungen gestrichen. Und ausgerechnet eines der größten Unternehmen der Gemeinde geht auf die Barrikaden gegen die Biogasanlage: Der Agrarbetrieb Steinhausen, hervorgegangen aus der örtlichen LPG. Brink: Also unser Betrieb hat 1.500 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, wir haben ca 250 Hektar Gründland und demzufolge 1.250 Hektar Ackerfläche, auf dieser Ackerfläche werden zur Zeit angebaut zum einen Raps, Weizen, Gerste, das sind ja die klassischen Marktfrüchte, zusätzlich haben wir noch Futtererbsen im Anbau, dann haben wir Zuckerrüben, dann haben wir zusätzlich Luzerne, das ist ja auch sozusagen die Königin der Ackerfutterpflanzen, dann haben wir als letzte Kultur noch den Silomais im Anbau, der dann auch zu 100 Prozent an die Kühe verfüttert wird. Michael Brink ist Geschäftsführer des Agrarbetriebs. Nach dem Abitur studierte er Agrarwissenschaften im Schleswig-Holsteinischen Rendsburg, bevor er in seinen Heimatort zurückkam. Auch wenn es hier, wo immer noch vieles an den alten LPG-Schick erinnert, nicht so aussieht, wie sich Städter einen Bauernhof vorstellen, tut Brink einiges für eine gewisse Landromantik. Letztes Jahr hat er Kürbisse angebaut und ein Kürbisfest mit Grillwurst und Bier ausgerichtet, außerdem gibt es selbstgemachte Wurst zum Verkauf. Dutzende Schwalben haben sich ihr Nest eingerichtet im Kuhstall des Betriebs. Brink: So also zu Fressen kriegen sie natürlich vom eigenen Hof so viel wie es geht, ne? Also wir haben Gras, Luzerne Mais, füttern eigenes Getreide, ne, im Moment wird noch Soja eingesetzt, und ich möchte ja eigentlichperspektivisch ganz und gar auf dieses Soja verzichten. Ja, das macht ne Kuh auch, ne Brink redet viel von Nachhaltigkeit und Ökologie. Und hat im Prinzip auch nichts gegen Biogas. Aber die hier geplante Anlage mit drei Megawatt will er mit allen Mitteln verhindern. Und dem Betreiber auf keinen Fall Rohstoffe liefern denn die Felder rund um Steinhausen gehören nun mal zu seinem Betrieb. Die Anlage erfordert etwa 2000 Hektar Maisanbau. In der Gemeinde Neuburg gibt es aber nur 3500 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, die Hälfte davon gehört zum Agrarbetrieb Steinhausen.

Thilo Schmidt 4 Brink: Also wenn wir in Steinhausen die Substrate für die Biogasanlage produzieren sollten, dann hätten wir keine Flächen mehr frei für die eigenen Milchkühe, wir hätten kein eigenes Getreide mehr, was wir produzieren könnten, es müsste im Grunde der ganze komplette Betrieb auf Mais umgestellt werden, und alles, was wir hier produzieren würden, würde in die Biogasanlage reingepumpt werden. Dabei würde ihm die Anlage eigentlich volle Auftragsbücher garantieren, und zwar langfristig Brink: Genau so stellt der Investor das ja auch dar, aber wir würden natürlich ein Riesenpfund aus der Hand geben, und das ist unsere Selbstbestimmung. Und ich kann auch nicht erkennen, dass das perspektivisch für das Unternehmen vorteilhaft wäre. Und das beweist ja auch der derzeitige Milchpreis, und die Getreidepreise, das wir gerade in diesem Bereich ne gewaltige Preisentwicklung haben werden, und ich kann an diesen Preisentwicklungen nur teilhaben, wenn ich frei und selbstbestimmt meine Fruchtfolge gestalten kann. Und das kann ich in dem Moment nicht mehr, wo ich zehnjährige oder fünfzehnjährige Lieferverträge mit irgendwelchen Großinvestoren Biogas mache. Der Investor ist die Agri Capital GmbH aus Münster, spezialisiert auf Biogasanlagen, die sie in Deutschland und Europa errichtet. Teichmann: Auf jeden Fall ist Agri Capital ein Unternehmen, dass in Deutschland sehr weit verbreitet ist, schon viele Anlagen erfolgreich gebaut hat, und auch schon über viele Jahre produziert, und von daher bin ich optimistisch, dass das bei uns auch so wird. Die Agri Capital GmbH, deren Geschäftsführer seit 2007 beinahe halbjährlich wechselten, ist eine Tochter der Agri Capital Group S.A. mit Sitz in Luxemburg. Im März gab eine USamerikanische Investmentgesellschaft bekannt, 300 Millionen Euro in Agri Capital investieren zu wollen. Brink: Zu Agri Capital fällt mir ein: Kapitalgesellschaft, Investmentfond, haben kein Interesse an der Region, dass ist eben das klassische Bild dieser Investmentgesellschaften, bzw Kapitalfonds, dass die das Geld aus der Region ziehen, und ihren Anlegern beziehungsweise Geldgebern höchstmögliche Renditen versuchen, zu realisieren. Das zweite, was mir einfällt, sind zweitausend Hektar Monokultur für die nächsten zwanzig Jahre, das dritte, was mir einfällt, ist der Verlust in der Region von mindestens 15 bis 20 Arbeitsplätzen, das vierte, was mir einfällt, wär ne weitere Entvölkerung der Region, das fünfte, was mir einfällt, wär der Verlust von Lebensqualtität, das sechste was mir einfällt, ist Grundwassergefährdung durch Maismonokultur, und ich könnte das jetzt zehn Minuten so weiterführen, das sind die Dinge, die mir in erster Linie zu Agri Capital einfallen. Brink hat nichts gegen Biogasanlagen wenn sie nicht überdimensioniert sind, und wenn die Anlagen der Landschaft dienen. Und nicht umgekehrt. Das hat auch der Bund erkannt. Durch einer Novelle des Energieeinspeisegesetzes, kurz EEG, soll der Maisanteil in Biogasanlagen

Thilo Schmidt 5 begrenzt werden und der NaWaRo -Bonus, mit dem nachwachsende Rohstoffe wie Mais einseitig bevorzugt werden, hätte ausgedient. Brink: Ich hoffe ein wenig auf das neue EEG, dass ja 2012 in Kraft treten wird, dass diese Bonuszahlungen, diese komischen Konzepte, die es da im Moment gibt, dass die abgeschafft werden, und das wirklich der Weg geöffnet wird zu den Anlagen, so wie ich sie mir vorstelle, klassische Hofanlagen, mit nem hohen Anteil an Gülle, Mist und Reststoffen, kein NaWaRo Bonus für Mais oder sonstige Dinge, sondern dass diese Anlagen, die aus meiner Sicht Sinn machen, kleinere Hofanlagen, dass die dann Berücksichtigung finden. Außerdem, sagt Brink, blieben auf diesem Wege die Erträge in der Region. Ein Investor, der von internationalen Finanzströmen abhängig ist, der komme, beute den Boden aus und gehe dann wieder. Das Problem sieht auch die Bürgermeisterin. Teichmann: Ich sehe natürlich auch die Probleme, die eine Industrieanlage bringt, was die Wertschöpfung betrifft, die dann nicht unbedingt immer auf dem Territorium bleibt, ich hab auch lieber Geschäfte mit Leuten, die direkt vor Ort sind, die ich immer wieder fangen kann, oder greifen kann, mit denen ich immer im Gespräch bin, und die uns auch ansonsten unterstützen, und da haben wir mit den Bauern eigentlich gute Erfahrungen gemacht, aber in diesem Falle sind sie einfach zu spät gekommen. Hat man nicht miteinander geredet? Oder aneinander vorbeigeredet? Oder einfach einander nicht verstanden? Der Bauantrag für die Anlage jedenfalls ist gestellt. Aber Agri Capital braucht Rohstoffe, die sie von den Steinhausenern nicht bekommt. Und je weiter die herantransportiert werden müssen, umso unrentabler. Und umso weniger umweltfreundlich. Brink: So siehts im Moment aus, sie versuchen das außerhalb, von Landwirten außerhalb der Gemeinde, also ich krieg immer nur die Mitteilung von meinen Berufskollegen: Agri Capital war dort, hat Angebote gemacht, die indiskutabel waren, und in der Regel sind die Gespräche so verlaufen, dass sie des Hofes verwiesen wurden. Agri Capital ist dagegen zuversichtlich, obwohl das Unternehmen einräumt, dass die Rohstoffabsicherung zunehmend schwieriger wird die Preise für Getreide und Ölfrüchte steigen. Ein Sprecher teilt mit: Nichtsdestotrotz gehen wir davon aus bis zum Jahresende die Rohstoffabsicherung abzuschließen. Gespräche mit potenziellen Lieferanten werden zurzeit geführt. Einige Lieferzusagen liegen uns bereits vor.

Thilo Schmidt 6 Michael Brink steht vor einer Luftbildaufnahme. Darauf markiert sind die Felder, die sein Betrieb bewirtschaftet. Die unterschiedlichen Farben signalisieren unterschiedliche Nutzungen der in Fruchtwechselfolge bewirtschafteten Felder. Brink: Ääh dann ist das jetzt ein Feld, das hat ungefähr 70 Hektar Größe, und auf diesem Feld steht im ersten Jahr Winterraps. Im zweiten Jahr steht Winterweizen, im dritten Jahr steht die Zuckerrübe, und so weiter und so fort. So dass wir hier ganz, ganz viele Früchte im Laufe der Jahre auf diesem Feld stehen haben werden, und würde eine Biogasanlage in dieser Größenordnung entstehen, dann hätten wir im ersten Jahr Mais, im zweiten Jahr Mais (lacht) und so weiter und so fort, und hätten kaum ne Alternative. Neben einer verstärkten Gewässerbelastung und massiver Erosionsgefahr durch Maismonokultur kommt als weiteres, gravierendes Problem die Auswirkung auf die Artenvielfalt hinzu. Müller: Die Ornithologen vermelden eben in den letzten Jahren eine starke Abnahme der Weißstorchpopulation, in Mecklenburg-Vorpommern sind es rund 300 bis 400 Paare, die in den letzten Jahren hier weniger auch zum Bruterfolg kommen, und das wird ganz klar auch auf die Ausdehnung des Maisanbaus zurückgeführt. Und damit geht eben der Verlust des Grünlandes einher, klassischer Lebensraum des Weißstorches, und da muss man sich schon fragen: Was will man hier im Land und wie kann das noch lange so gut gehen. Michael Brink fährt einige seiner Felder mit dem Traktor ab. Ein Stück über die Bundesstraße, dann ins Nachbardorf, vorbei an Grünland, zum Feld, wo gerade die Luzerne stehen, eine Nutzpflanze aus der Familie der Hülsenfrüchte. Brink: Ja, rechts haben wir die Luzerne, das sind 15 Hektar, und die haben wir vor ca 14 Tagen gemäht, Luzerne ist ja ne ganz tolle Frucht, die braucht sozusagen keinen Stickstoffdünger, die hat eine Symbiose mit Knöllchenbakterien, und diese Knöllchenbakterien binden den Luftstickstoff und geben ihn dann sukzessive an die Pflanzen ab. Ist interessant, funktioniert hundertprozentig... Ein Super Futtermittel, die Kühe fressen das richtig gerne und ist irgendwie auch gut für die Umwelt. Ne? Brink sagt, würde er die Biogasanlage beliefern, dann müsste er die Viehhaltung aufgeben. Energiemais macht sich nicht nur auf den Flächen breit, die zur Viehfutterproduktion gebraucht werden, sondern auch auf denen, wo Getreide für die Lebensmittelproduktion angebaut wird. Auch das Problem der Flächenkonkurrenz ist der Bürgermeisterin bekannt.

Thilo Schmidt 7 Teichmann: Ja, die Gefahren, was die Flächen betrifft, die bestehen schon. Aber die bestehen ja generell. Die Gefahr besteht in jedem Falle was das mit Agri Capital zu tun hat, weiß ich nicht. Eigentlich nichts, weil diese Firma kauft selber keine Flächen, sondern sie macht Verträge mit den Bauern, und die Bauern haben die Flächen, oder sie haben sie nicht. Und wenn sie sie nicht haben, können sie sie auch nicht anbieten. Alles hängt eben irgendwie mit allem zusammen. Teichmann: Soweit mir bekannt ist, liegt der Bauantrag jetzt in der Baugenehmigungsbehörde, das ist bei uns der Kreis. Und eigentlich rechnet die Firma noch in diesem Sommer mit der Genehmigung, um dann mit dem Baubeginn starten zu können, sie hatten uns prophezeit 2012 Frühjahr. Als Start der Anlage. Noch wird das Vorhaben von den Genehmigungsbehörden geprüft. Sind alle Auflagen, vor allem hinsichtlich des Immissionsschutzes, erfüllt, hat der Antragsteller ein Recht auf eine Genehmigung. In Steinhausen aber bleibt das Problem der Rohstoffe. Karsten Pellnitz vom Landwirtschaftsministerium: Pellnitz: Biogasanlagen müssen in die Region passen, unabhängig vom Investor. Ich will mal sagen, ein Investor, in Tüddelchen, von außen, der nur über den Standort einer Biogasanlage verfügt, muss also mit den Landwirten der Umgebung Verträge zur Belieferung der Anlage schließen. Wenn das einem Investor nicht gelingt, dann scheitert gegebenenfalls auch eine Biogasanlage. Die Bürgermeisterin, die sich um ihren Gemeindehaushalt und ihr daniederliegendes Gewerbegebiet sorgt, ist optimistisch, dass Agri Capital die benötigten Verträge für ihre Rohstoffe abschließen kann. Dass die Bauern nicht selbst eine Biogasanlage kleiner, feiner, ökologischer errichten, daran seien sie selbst schuld, sagt die Bürgermeisterin. Teichmann: Wir jedenfalls haben sie eingebunden und sie rechtzeitig von unserem Vorhaben unterrichtet, wenn die Absicht bestünde, hätten sie sich damals schon äußern können und sich auch dagegen aussprechen können und sagen können, welche Absichten sie selber hegen, und wir hätten vielleicht eine Lösung gefunden, die für beide Seiten von Vorteil gewesen wäre Landwirt Michael Brink hat bei den Behörden eine Drittbeteiligung an dem laufenden Verfahren eingefordert, da er als direkt angrenzender Landwirt direkt betroffen ist. Und hofft noch, dass die Genehmigung versagt wird. Dann würden die Karten neu gemischt, und es könnte eine andere Anlage entstehen.

Thilo Schmidt 8 Brink: Das könnte auch ne kleinere Anlage leisten, auf jeden Fall. Wenn wir ein gemeinsames Konzept auf die Beine stellen würden, das ist ja noch nicht vom Tisch. Man kann sich ja immer noch an einen Tisch begeben und gemeinsam so ein Projekt drehen. Und das kann auch auf den Flächen der Gemeinde entstehen, im Gewerbegebiet, aber man muss dazu miteinander reden. Vielleicht entsteht in Steinhausen ja doch noch eine Bio-Gas-Anlage, die sich nicht einer Maismonokultur bedient, deren Erträge in der Region bleiben und nicht im internationalen Finanzgeschehen verschwinden und die vor allem eines ist: Deutlich kleiner. Müller: Wir haben ja auch ganz dezidierte andere Aufgaben in der Landschaft zu erledigen, wir müssen nach europäischen Richtlinien den Zustand unserer Gewässer verbessern. Wir müssen ein europäisches Schutzgebiet aufbauen. Und das muss natürlich alles abgestimmt sein mit diesem Anbau der Energiepflanzen. Und so wie der jetzt läuft, wird er im Grunde dazu führen, dass wir erstens den Zustand unserer Gewässer nicht verbessert bekommen, und zweitens, dass wir den Verlust der Artenvielfalt im Grunde weiter vorantreiben. Was die Rohstoffabsicherung angeht, sind wir zuversichtlich, die notwendigen Mengen unter Vertrag zu bekommen sagt der Agri Capital-Sprecher. Die Steinhausener allerdings werden versuchen, das zu verhindern: Wir sagen nein zu Agri Capital steht auf einem der bemalten Bettlaken, die an den Bäumen und Zäunen in Steinhausen hängen.