Positionspapier 01. Februar 2015 Vermeidung von PVC

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Transkript:

Positionspapier 01. Februar 2015 Vermeidung von PVC

ÖkoKauf Wien Programmleitung Programmleiter: Dipl.-Ing. Thomas Mosor Magistratsabteilung 22, Dresdner Straße 45, A-1200 Wien Telefon: +43 1 4000 73516 E-Mail: thomas.mosor@wien.gv.at www.oekokauf.wien.at Unter Mitwirkung von: Magistratsabteilung 22, Magistratsabteilung 39, Wiener Krankenanstaltenverbund, Wiener Umweltanwaltschaft Impressum: Herausgeber: Magistrat der Stadt Wien, Programm für umweltgerechte Leistungen ÖkoKauf Wien, 1082 Wien, Rathaus, www.oekokauf.wien.at

Positionspapier des ÖkoKauf Wien zur Vermeidung von PVC (01.02.2015) Dieses Positionspapier zeigt die grundsätzliche Problematik und die möglichen negativen Auswirkungen für die Umwelt und die Gesundheit auf, die mit der Produktion, Verwendung und Entsorgung von chlororganischen Materialien wie PVC bestehen. Im Sinne des Vorsorgeprinzips, nach dem Belastungen bzw. Schäden für die Umwelt bzw. die menschliche Gesundheit vorbeugend vermieden oder weitestgehend verringert werden sollen, hält ÖkoKauf Wien daher weiterhin, grundsätzlich an der Vermeidungsstrategie von chlororganischen Produkten wie PVC fest. Dabei wird dieser überwiegend materialbezogene Ansatz immer auch in einer produktspezifischen Sichtweise überprüft. Für ÖkoKauf Wien bedeutet das, die Vermeidung von chlororganischen Substanzen auf Produktebene zu betrachten und möglichst in den einzelnen, die konkreten Produkte betreffenden ÖkoKauf Wien Kriterienkatalogen umzusetzen. Im Einzelfall, kann sich bei einer ökologischen Gesamtbetrachtung auf Produktebene, unter Berücksichtigung aller relevanter umweltbezogener Parameter, ein nachvollziehbares, begründetes Abweichen von diesem Positionspapier ergeben. Hintergrund: Die Stadt Wien nimmt schon seit vielen Jahren einen kritischen Standpunkt zur Beschaffung und Verwendung von Produkten und Verpackungen aus PVC ein. Zusätzlich wurde im Jahr 2005 von ÖkoKauf Wien gemeinsam mit ExpertInnen ein Positionspapier erstellt, welches den Stand der Diskussion zu chlororganischen Verbindungen, im speziellen PVC zusammenfasst und bewertet. Die Schlussfolgerung war, weiterhin auf die Beschaffung von PVC-Produkten zu verzichten. 2008 wurde im Auftrag von ÖkoKauf Wien und dem Wiener Krankenanstaltenverbund die Studie PVC 2008: Fakten, Trends, Bewertung beauftragt, in welcher die umweltrelevante Problematik chlororganischer Verbindungen in einer gesamtheitlichen Betrachtung aktualisiert zusammenfassend dargestellt wurde. Sie dokumentiert die auch heute noch von PVC und anderen chlororganischen Substanzen hervorgerufenen Umwelt- und Gesundheitsbelastungen. Im Folgenden sind einige der wesentlichsten Argumente dieser Studie angeführt, die Grundlage für die Beibehaltung der Vermeidungsstrategie von PVC-Produkten im Rahmen der ökologischen Beschaffung der Stadt Wien darstellen. 1

PVC ist der zentrale Baustein der Chlorchemie. Obwohl sich die Umweltstandards bei der PVC-Produktion in den letzten Jahren vor allem in Europa verbessert haben, gibt es weltweit noch viele veraltete Anlagen, in denen PVC nach besonders umweltbelastenden Verfahrenstechnologien hergestellt wird. Beispielsweise nutzen, trotz der bekannten Gefährdungen durch Quecksilber, Chlorproduzenten sowohl in Europa als auch in den USA immer noch die Amalgamtechnologie, ein Quecksilberverfahren, bei dem bei der Elektrolyse Elektroden aus flüssigem Quecksilber eingesetzt werden. Ein angepeilter Ausstieg aus diesem Verfahren bis zum Jahr 2010 wurde auf 2020 verschoben. Aber auch danach würden aus derzeitiger Sicht immer noch die ökologischen Nachteile überwiegen, die mit dem Werkstoff PVC verbunden sind. PVC enthält je nach Art des Produktes eine Vielzahl von Zusatzstoffen, wie Weichmacher, Pigmente und Stabilisatoren, die zu Gesundheitsproblemen führen können. Cadmium als Stabilisator wurde bereits verboten und die PVC-Industrie ist derzeit um einen Ausstieg aus den Bleistabilisatoren bemüht. Da es allerdings kein gesetzlich verankertes Herstellungs-, Inverkehrsetzungs- und Importverbot gibt, können auch weiterhin bleihaltige Produkte etwa aus Asien in die EU importiert werden. Aber auch einige der Ersatzprodukte für die Bleistabilisatoren z.b. Organozinnverbindungen sind aus ökologischer Sicht kritisch zu bewerten. Ebenfalls problematisch ist der Einsatz blei- und chromathaltiger Pigmente. Seitens der PVC-Industrie gibt es derzeit keine Aussagen darüber, ob es Überlegungen gibt, deren Verwendung zu reduzieren oder zu vermeiden. Eine der größten Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen für den Anwender gehen von den vor allem im Weich-PVC enthaltenen Weichmachern wie z.b. DEHP (Diethylhexylphthalat) aus. Sie gehören zur Gruppe der Phtalate, und können hormonell und reproduktionstoxisch wirken. Da Weichmacher nicht chemisch gebunden sind, diffundieren sie kontinuierlich in die Raumluft und werden in Innenraumluft und Staubanalysen regelmäßig in relevanten Konzentrationen nachgewiesen. Die chemische Industrie ersetzt seit einigen Jahren DEHP teilweise durch andere Phthalate, vor allem DIDP (Diisodecylphthalat) und DINP (Diisononylphthalat), die zwar nicht als gefährliche Stoffe eingestuft sind, aber im Verdacht stehen, sich in hohem Maße in Organismen anzureichern und auch im Boden und in Sedimenten lange verfügbar bleiben. Die hohen Einsatzmengen für Weich-PVC und die Strukturähnlichkeiten zu DEHP lassen eine starke Ausbreitung in der Umwelt erwarten. Daher bestehen neben DEHP auch für DIDP und DINP in der EU Verbote für die Verwendung in Kosmetika, Babyartikeln und Kinderspielzeug, das in den Mund 2

genommen wird. Auf Grund dieser Weichmacherproblematik sind daher auch im Sinne des Vorsorgeprinzips Produkte aus Weich-PVC prinzipiell nicht zu verwenden. Im Brandfall können PVC-haltige Materialien einen wesentlich ungünstigeren Brandverlauf als Alternativprodukte aufweisen. Sie verursachen eine hohe Rauchgasdichte, hohe Brandtemperaturen und die Bildung von persistenten, hoch toxischen Substanzen wie Dioxin. Darüber hinaus stellt ein Chlorideintrag in die Bausubstanz ein massives Korrosionsproblem dar. Das Recycling von PVC-Produkten, wie Fenster, Rohre, etc. funktioniert nur in eingeschränktem Umfang und ist auch nicht immer sinnvoll, weil dann die umweltbelastenden Zusatzstoffe des alten PVC-Materials zu neuen Produkten dazu gemischt werden und es so zu einer weiteren Verteilung bei der Herstellung neuer PVC-Produkte kommt. Auch die Abfallproblematik bleibt weiter bestehen, da ausgediente PVC-Produkte unkontrolliert und ohne ausreichende Dioxinfilterung in, aber auch außerhalb Abfallbehandlungsanlagen verbrannt oder deponiert werden. 3