Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen an einem Beispiel Innovationen im Bereich der Parfümerie vorstellen. Aber keine Angst, es geht nicht um neue Düfte oder Markenerzeugnisse oder gar um Werbung dafür. Es geht um einen Blick hinter die Kulissen. Es geht um den Moschusduft, der für fast jedes Parfüm unentbehrlich ist. Man sagt immer Moschus ist für die Parfümerie vergleichbar mit Zucker im Aromenbereich. Moschus bringt Strahlkraft und andere Riechstoffe zur vollen Entfaltung. Der Parfümeur sagt auch, Moschus trägt die Rezeptur. Moschus wurde schon im Altertum verwendet und gehört seit jeher zu den begehrtesten und wertvollsten Duftstoffen überhaupt. Die erotisierende Wirkung, die ihm nachgesagt wird, stimuliert seine Wirkung bis heute. Wie gewinnt man diesen Duftstoff? Die natürlichen Quellen sind ausschließlich tierischen Ursprungs.
Tierische Duftstoffkomplexe
Die hier gezeigten Tiere kommen als Quelle in Frage. Mit Ausnahme des Pottwals müssen die Tiere getötet werden, um das entsprechende Drüsensekret zu gewinnen. Beim Pottwal ist es anders. Es schwimmen mehr oder weniger große Stücke auf dem Meer, die Fischer als glücklichen Beifang in den Netzen haben. Dabei handelt es sich um krankhafte Ausscheidungsprodukte des Pottwals. Die sind natürlich äußerst selten und dementsprechend auch sehr teuer. Bis ins 19. Jahrhundert war man ausschließlich auf diese tierischen Moschusquellen angewiesen. Ausgerechnet bei der Sprengstoffproduktion von Trinitrotoluol nach Alfred Nobel fand man den charakteristischen moschusähnlichen Duft in den Produktionsanlagen.
Nitromoschus-Körper
Das war ein großer Zufall und ein Glücksfall für die Parfümeure. Denn ab jetzt war der Moschusduft billig zu haben. Doch dieses Glück war trügerisch. Diese schön billigen Moschusmoleküle wiesen ein erhebliches toxisches Potential auf. Der Geruch war dem Moschus aus natürlichen Quellen sehr ähnlich das Molekül war aber ein ganz anderes. Das ist übrigens ein Effekt, der in der Parfümerie gar nicht so selten ist: Unterschiedliche chemische Struktur und trotzdem ein ähnlicher Geruch. Die toxikologischen Bedenken waren bei einigen der sog. Nitromoschus Riechstoffe sogar so stark, dass der im Tierversuch begründete Canzerogenitätsverdacht erhärtet wurde. Die Industrie reagierte und nahm die Produkte vom Markt. Alternativen mussten her um die Lücke zu füllen. Seit längerer Zeit gab es schon eine andere Molekülart, die auch einen Moschusduft aufwies. Das waren die sog. Polycyclen. So genannt wegen der Vielzahl chemischer Ringe, die miteinander verknüpft waren.
Polyzyklische Moschuskörper
Die chemische Herstellung war viel komplizierter und der Preis natürlich auch viel höher. Aber was half es. Man musste in den sauren Apfel beißen, wenn man Moschus im Parfüm haben wollte. Aber auch hier meldeten sich Toxikolgen recht bald zu Wort. Die Substanzen waren zwar nicht toxisch, reicherten sich aber im menschlichen Fettgewebe an und wurden in Kläranlagen nur sehr schwer abgebaut. Was tun in dieser Situation? Speziell in Deutschland entschloss man sich zu einem radikalen Schritt. Es muss haargenau das Molekül nachgebaut werden, wie es im Tierreich vorkommt. Hier hat die Natur seit Jahrtausenden bewiesen, dass es abgebaut werden kann und keine Umweltprobleme verursacht. Es war aber leichter gesagt als getan. Es handelte sich dabei um sog. Makrocyclen, also sehr große einheitliche Kohlenstoffringe. Ihre Herstellung war um einiges komplizierter als alles Vorherige.
Makroyklische Moschuskörper
Die industrielle Beherrschung solcher großen Kohlenstoffringe ist erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts gelungen. Die große technische Herausforderung ist die Synthese in extrem hoher Verdünnung. Um eine Handvoll Produkt zu erzeugen muss man quasi einen ganzen Kesselwagen voll Verdünnungs oder Lösungsmittel einsetzen. Nach der Synthese kann man den Kesselwagen an Lösungsmittel natürlich nicht wegschmeißen. Man muss das Lösungsmittel zurück gewinnen. Das geht nur über eine Verdampfung und anschließende Abkühlung. Jeder kann sich ausmalen, was das kostet, einen ganzen Kesselwagen zu verdampfen und anschließend wieder abzukühlen nur um wenige Kilogramm Wertstoff zu gewinnen. Um das ganze noch bezahlbar zu machen, musste eine Lösung her. Mit einer modifizierten Wärmepumpe gelang es dann letztendlich die hohen Energiekosten soweit zu drücken, dass es noch Spaß macht, Parfüm zu kaufen. Das Prinzip soll nur ganz kurz und schematisch erläutert werden.
Brüden-Verdichter 102 C 98 C
Wenn Sie das nächste Mal Parfüm anwenden, denken Sie daran, wie viel Mühe es macht, gut zu riechen.