Korrosionsschutz von Straßenbrücken durch Feuerverzinkung Peter Lebelt, Institut für Korrosionsschutz Dresden GmbH Dennis Rademacher, Technische Universität Dortmund Fabian Simonsen, Technische Universität Darmstadt Einleitung Stahl ist ein wirtschaftlicher und nachhaltiger Baustoff. Allerdings korrodiert er an der Atmosphäre, im Wasser und im Erdboden und benötigt daher einen fachgerechten Korrosionsschutz. Trotz des Einsatzes geeigneter Korrosionsschutzsysteme werden die volkswirtschaftlichen Schäden durch Korrosion in den meisten Industrieländern auf circa 3-4% des Bruttoinlandsproduktes beziffert [1] [2]. Im deutschen Bundesfernstraßennetz existieren circa 39.000 Brückenbauwerke. Davon sind circa 1.200 Stahl- und Stahlverbundbrücken mit einer Stahloberfläche von mehr als 15 Millionen Quadratmetern [3]. Bisher wird im Stahlbrückenbau der Korrosionsschutz meist mit einem organischen Beschichtungssystem realisiert, das nach circa 25-35 Jahren [4] erneuert werden muss. Brückenbauwerke werden jedoch derzeit für eine Nutzung von 70-110 Jahren ausgelegt [5]. Sinnvoll ist es daher, die Haltbarkeit des Korrosionsschutzes an die Nutzungsdauer des Bauwerks anzupassen. Mit Hilfe neuer Erkenntnisse aus einem abgeschlossenen Forschungsprojekt [6] kann gezeigt werden, dass die Feuerverzinkung als Korrosionsschutzsystem von Stahl- und Verbundbrücken für den gesamten Lebenszyklus von zyklisch beanspruchten Brückenbauwerken genutzt werden kann. Korrosivität der Atmosphäre Die Auswertung von Messergebnissen des Umweltbundesamtes in den Jahren 1990 bis 2012 zeigt eine deutliche Abnahme der Luftverschmutzung [7] (siehe Bild 1). Durch Verringerung der Schadstoffe NO x um 55,9%, SO 2 um 91,9% und NH 3 um 21,8% in der Atmosphäre im Jahr 2012 bezogen auf 100% im Jahr 1990 kann generell von einer Verringerung der korrosiven Belastung an Atmosphäre ausgegangen werden. Dies sollte insbesondere für die durch Deckschichtbildung vor Korrosion geschützten Zinküberzüge zu längeren Korrosionsschutzdauern führen.
Bild 1: Luftschadstoffindex für Deutschland, Quelle: Umweltbundesamt [7] Um die aktuelle Korrosivität an repräsentativen Brückenstandorten in Deutschland zu überprüfen, wurden die Korrosivitätskategorien für örtliche Umgebungsbedingungen (global) plus Mikroklima (lokal) durch Auslagerungsversuche von Standardproben/Wendeln gemäß ISO 9226:1992 neu bestimmt. In Tabelle 1 wurden die ermittelten Korrosivitätskategorien aus dem Jahr 2012 den Daten aus der Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, aus dem Jahr 1983 [8] gegenübergestellt. Für vier der geprüften Standorte war dieser Vergleich möglich. Im Bild 2 ist die Auslagerung am Beispiel der Putlitzbrücke in Berlin dargestellt. Tabelle 1: Ermittelte Korrosivitätskategorien nach dem 1. Auslagerungsjahr [9] Standort A4, Wirtschaftswegbrücke BW142Ü2 über die Autobahn Korrosivität im Jahr 1983 Korrosivität ISO 9223 nach 1. Jahr Veränderung der Korrosivität im Jahr 2012 Keine Daten C4 C5./. Putlitzbrücke in Berlin C4 C2 C3 geringer A7, Hochbrücke Rader-Insel bei Rendsburg A17, Brücke über das Müglitztal bei Heidenau A93, Brücke über den Fluss Inn bei Kufstein C4 C3 C4 geringer Keine Daten C2 C3./. C3 C2 C3 geringer A3, Donaubrücke bei Deggenau C3 C2 geringer Atmosphäre Dresden Wetterstand IKS Dresden GmbH Keine Daten C2 C3./.
Bild 2: Probenauslagerung an einer Brücke in Berlin, ausgelagerte Probekörper in Wendelgeometrie gemäß ISO 9226 Zum Teil können erhebliche Verbesserungen um ein bis zwei Korrosivitätskategorien der rein atmosphärischen Korrosivität im Vergleich zu den Daten aus dem Jahr 1983 festgestellt werden. Zu beachten ist, dass das lokale Mikroklima durch Zusatzbeanspruchungen wie z.b. Salzbelastungen deutlich aggressiver wirken kann als die globale Korrosivität der Atmosphäre. Korrosionsschutzdauer der Feuerverzinkung Das Langzeitverhalten des korrosiven Abtrags von Zinküberzügen an der Atmosphäre kann rechnerisch gemäß DIN EN ISO 9224 [10] anhand der durch die Auslagerungen ermittelten Abtragsraten bestimmt werden. Am Beispiel der Auslagerung an der Putlitzbrücke in Berlin kann dargelegt werden, wie sich die Schutzdauern von Zinküberzügen unter den heute wirkenden atmosphärischen Belastungen im Vergleich zu Messungen aus dem Jahr 1983 entwickelt haben. Werden die aus den Messungen ermittelten Abtragsraten für eine Extrapolation und Prognose der Korrosionsschutzdauer gemäß DIN EN ISO 9224:2012 zugrunde gelegt und mit einer Extrapolation auf Basis der Daten aus dem Jahre 1983 verglichen, wird deutlich, dass die verminderten Schadstoffe in der Atmosphäre zu deutlich längeren Schutzdauern von Zinküberzügen führen (siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Schutzdauerprognose Zinküberzug gemäß DIN EN ISO 9224:2012 am Beispiel Putlitzbrücke in Berlin Zinküberzugsdicke Schutzdauerprognose basierend auf den Daten aus 1983 (C4) Schutzdauerprognose basierend auf den Daten aus 2012 (C3) 80 µm von 34 bis 70 Jahre von 70 bis >100 Jahre 140 µm von 61 bis >100 Jahre >100 Jahre 200 µm von 89 bis >100 Jahre >100 Jahre
Dadurch ergeben sich enorme Einsparpotentiale über den Lebenszyklus einer Konstruktion mit langer Nutzungsdauer, wie z.b. einer Brücke. Durch den Einsatz der Feuerverzinkung können die Wartungs- und Erneuerungsintervalle deutlich verlängert werden bzw. auf eine Erneuerung des Korrosionsschutzsystems kann im Lebenszyklus eines Brückenbauwerkes ggf. komplett verzichtet werden [4] [11]. Feuerverzinkter Stahl unter zyklischer Beanspruchung Um die positiven Eigenschaften der Feuerverzinkung für den Stahl- und Verbundbrückenbau nutzbar zu machen, waren weiterhin Regeln zur Auslegung feuerverzinkter Bauteile gegen Werkstoffermüdung zu erarbeiten. Im Rahmen des abgeschlossenen Forschungsprojektes Feuerverzinken im Stahl und Verbundbrückenbau konnte gezeigt werden, dass die Feuerverzinkung Einfluss auf die zyklische Beanspruchbarkeit von Stahl hat. Dieser Einfluss muss bei der Auslegung von feuerverzinkten Bauwerken berücksichtigt werden. Deshalb wurden Bemessungsregeln für den Nachweis gegen Werkstoffermüdung von ermüdungsbeanspruchten, feuerverzinkten Bauteilen auf Basis des Eurocode 3-1-9 (DIN EN 1993-1-9) erstellt [12]. Ausbesserung am Korrosionsschutzsystem Feuerverzinkung Das Feuerverzinken ist aufgrund der Größe des Zinkbadkessels meist auf Bauteile bis zu einer Länge von ca. 16 m begrenzt. Sind Doppeltauchungen ausgeschlossen oder ist das Schrauben der Bauteile nicht vorgesehen, werden bei größeren Bauteillängen Montageschweißstöße nach der Feuerverzinkung notwendig. Zur Gewährleistung des Korrosionsschutzes an den Montageschweißstößen wurde in Anlehnung an ZTV-ING Teil 4, Abschnitt 3, Pkt. 5.5: Baustellenschweißstöße eine Verfahrensanweisung erarbeitet. Vor dem thermischen Spritzmetallisieren gemäß DIN EN ISO 2063 sind die im Bild 3 schematisch dargestellten Oberflächenvorbereitungen durchzuführen. Zur Komplettierung des Korrosionsschutzsystems ist eine Versiegelung der thermisch gespritzten Schicht auszuführen. Bild 3: Oberflächenvorbereitung von Montageschweißstößen für die Spritzmetallisierung [9] Zusammenfassung Die Untersuchungen zur aktuellen Korrosivität an Brückenstandorten in Deutschland belegen, dass mittels einer Feuerverzinkung der Korrosionsschutz einer Stahl- und Verbundbrücke über
den gesamten Lebenszyklus der Brücke realisiert werden kann. Die Bereitstellung von Anwendungsregeln zur Auslegung und Herstellung feuerverzinkter Bauteile im Rahmen einer Arbeitshilfe zur Anwendung der Feuerverzinkung im Stahl- und Verbundbrückenbau (Bild 4) ermöglicht die direkte Übertragung der Forschungsergebnisse in die Praxis des Stahl- und Verbundbrückenbaus. Die Broschüre Feuerverzinkte Stahl- und Verbundbrücken kann unter >>http://www.feuerverzinken.com/anwendungen/bauen/feuerverzinkte-strassenbruecken/<< kostenlos angefordert werden. Bild 4: Arbeitshilfen zur Anwendung der Feuerverzinkung im Stahl- und Verbundbrückenbau Danksagung Dieser Artikel enthält Forschungsergebnisse aus dem IGF-Vorhaben 351/ZBG der Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.v. (FOSTA) mit Kooperation des Gemeinschaftsausschuss Verzinken e.v. (GAV) und des Deutschen Ausschuss für Stahlbau (DASt). Es wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Den vorgenannten Einrichtungen sei für die Betreuung und Förderung an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Das Forschungsprojekt wurde durch die AiF für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) mit dem Otto von Guericke Preis 2014 ausgezeichnet. Auch dafür sei an dieser Stelle gedankt. Literatur [1] K.-A. V. OETEREN, Korrosionsschutz durch Beschichtungsstoffe - Grundlagen, Verfahren, Anwendungen, München, Carl Hanser Verlag, 1980. [2] Dechema, Weltkorrosionstag am 26. April 2011: Lebensqualität erhöhen, finanzielle Schäden verringern, 13 April 2015. [Online]. Available: http://www.dechema.de/presse/pressemitteilungen/19_2011+weltkorrosionstag+2011.html.
[3] BUNDESMINISTERIUM FÜR VERKEHR UND DIGITALE INFRASTRUKTUR, Systematische Brückenertüchtigung, 13 April 2015. [Online]. Available: http://www.bmvi.de/shareddocs/de/artikel/stb/systematische-brueckenertuechtigung.html. [4] A. Rebel, Beschichtungssysteme für den Korrosionsschutz von Brückenbauwerken im Wirtschaftlichkeitsvergleich, Dresden: Diplomarbeit TU Dresden, 2014. [5] BAST - BUNDESANSTALT FÜR STRAßENWESEN, Richtlinie zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Rahmen von Instandsetzungs- / Erneuerungsmaßnahmen bei Straßenbrücken, RI-WI-BRÜ, 2007. [6] D. Ungermann, D. Rademacher, M. Oechsner, R. Landgrebe, J. Adelmann, F. Simonsen, S. Friedrich und P. Lebelt, Forschung für die Praxis P 835, Feuerverzinken im Stahl- und Verbundbrückenbau IGF-Nr. 351 ZBG, Düsseldorf: Forschungsvereinigung Stahlanwendung e.v., ISBN 978-3-942541-48-0, 2014. [7] Umweltbundesamt, Indikator: Emissionen von Luftschadstoffen, 13 April 2015. [Online]. Available: http://www.umweltbundesamt.de/indikator-emissionen-von-luftschadstoffen. [8] Bundesanstalt für Straßenwesen, Salzablagerungen auf Korrosionsschutzbeschichtungen an Brückenuntersichten, Heft 405, Typo-Druck- & Verlagsgesellschaft mbh, Bonn, 1983. [9] D. Ungermann, D. Rademacher, M. Oechsner, F. Simonsen, S. Friedrich und P. Lebelt, Feuerverzinken im Brückenbau, Teil2: Feuerverzinkung als lebenslanger Korrosionsschutz für den Brückenbau, Stahlbau 84. Jahrg., pp. S.119-123, Februar 2015. [10] DIN EN ISO 9224, Korrosion von Metallen und Legierungen - Korrosivität von Atmosphären - Anhaltswerte für die Korrosivitätskategorien, Berlin: DIN Deutsches Institut für Normung e. V., 2012. [11] D. Wentzek, Wirtschaftlichkeitsvergleich und konstruktive Ausbildung von feuerverzinkten Stahl- Verbundbrücken mittlerer Spannweite, Dortmund: Diplomarbeit Lehrstuhl Stahlbau TU Dortmund, 2013. [12] D. Ungermann, D. Rademacher, M. Oechsner, F. Simonsen, S. Friedrich und P. Lebelt, Feuerverzinken im Brückenbau, Teil1: Zum Einsatz feuerverzinkten Baustahls bei zyklisch beanspruchten Konstruktionen, Stahlbau 84. Jahrg., pp. 2-9, Januar 2015.