Bundeskartellamt Professorentagung Kartellrechtliche Wasserpreiskontrolle durch das Bundeskartellamt

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Transkript:

Bundeskartellamt Professorentagung 2014 Kartellrechtliche Wasserpreiskontrolle durch das Bundeskartellamt 2. Oktober 2014 Annette Bangard Beisitzende 8. Beschlussabteilung

Übersicht 2 Übersicht 2 A) Berliner Wasserpreise 3-5 Preissenkungsverfgg. BKartA v. 4.6.2012 3 Beschluss OLG Düsseldorf v. 24.2.2014 4 Öff.-rechtl. Vergleichsvertrag v. 7.5.2014 5 B) 8. GWB-Novelle 6-8 Flucht in die Gebühr 6-8 C) Kosten (Rechtfertigungsgrund) 9-11 Kapitalkosten: handelsrechtlich / kalkulatorisch 9, 10 OLG Düsseldorf zu Kosten 11 Ausblick 12

A) BWB-Verfahren 3 1.) Beschluss BKartA v. 04.06.2012 BWB muss durchschn. Wasserpreise (netto+abgabenbereinigte Erlöse) von 2012 bis 2015 um ca. 18% absenken Senkungsvolumen: mehr als 60 Mio. jedes Jahr Erlösvorgabe für jedes Jahr, aber Tarifgestaltung frei Sofortige Vollziehbarkeit angeordnet Umsetzung 2013: über Gutschriften für 2012 ab 2014 Preissenkung (+ Gutschrift 2013) Vorbehalt der Anordnung einer Rückerstattung für 2009-2011

A) BWB-Verfahren 4 2.) Beschluss OLG D dorf v. 24.02.2014 Uneingeschränkte Bestätigung der Preissenkungsverfügung aber: Sicherheitszuschlag obligatorisch (hier jedoch = 0) aber: Jahr der Entscheidung (2012) wohl Rückwirkung, so dass insoweit Rechtsgrundlage nur 19 GWB Vorbehalt der Anordnung einer Rückerstattung für die Jahre 2009-2011 rechtmäßig Rechtsbeschwerde BGH: - keine BeschwBegründung - Rücknahme am 9.5.2014

A) BWB-Verfahren 5 3.) Öff.-r. Vergleichsvertrag vom 7.5.2014 BKartA verzichtet auf Anordnung einer Rückerstattung für die Jahre 2009-2011 (gemäß Vorbehalt im Beschl. v. 4.6.12) BWB verpflichtet sich, die Preissenkung über die Verfügung (2012-2015) hinaus zu verlängern, nämlich 2016-2018 Klärung von technischen Fragen der Erlösberechnung Aufschiebende Bedingung: Zustimmung AR (Senat Berlin) + Auflösende Bedingung: bei Flucht in die Gebühr (Verzicht BWB auf Verjährungs-/Verwirkungseinwände; Annahme Zuständigkeit BKartA bis 2018) Anpassungsmöglichkeit bei hohen priv. Rückerstattungen

B) 8. GWB-Novelle und Wasser 6 wie bisher: Allg. Preismissbrauchsaufsicht 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB oder Art. 102 AEUV = Rückerstattung + Senkung für Zukunft wie bisher: Spez. Wasserpreis-Missbrauchsaufsicht 31 Abs. 3 und 4 ivm 31 b Abs. 3, 5 GWB = keine Rückerstattung, aber Beweislastumkehr Kostenkontrolle neu: anzuerkennen sind Kosten, die bei einer rationellen Betriebsführung anfallen neu: 130 Abs. 1 Satz 2 GWB : keine Anwendung von 19, 20, 31 b Abs. 3, 5 auf ö-r Gebühren/Beiträge

B) 8. GWB-Novelle und Wasser 7 Flucht in die Gebühr ( 130 I 2 GWB) einheitliches Muster: Wiesbaden, Wetzlar, Wuppertal Kommune als Wasserversorger zwischengeschaltet bisheriger Wasserversorger (Stadtwerk GmbH) wird Vorlieferant des Wassers Verpächter des Netzes Dienstleister des komm. Eigenbetriebs (Betriebsführung)

B) 8. GWB-Novelle und Wasser 8 Literatur zu Flucht in die Gebühr Säcker: Durchgriff durch Schleier der ö-r Rechtsform auf Inhalt der Wirtschaftstätigkeit geboten (Steuerrecht: USt für Wasser als wirtschaftl. Tätigkeit) Wolf: parallele Anwendung; GWB macht lediglich ergänzende Vorgaben zu komm. Gebührenrecht öff.-rechtl. Literatur (Wolfers/Wollenschläger): Gebührenrecht schließt Kartellrecht aus Frage: Missbrauch des Stadtwerks gegenüber Stadt durch hohe Preise für Wasser, Netzpacht, Dienstleistungen?

C) Kosten als Rechtfertigungsgrund in der Preismissbrauchsaufsicht 9 Kosten in der Wasserpreiskontrolle Vergleichsmarktkonzept: Rechtfertigungsgrund, wenn Zusatz-Kosten auf nicht zu vertretenden Umständen beruhen ( 31 Abs. 3 Nr. 2 es sei denn ) Kostenkontrollkonzept: Anzuerkennen sind die Kosten, die bei einer rationellen Betriebsführung anfallen. 31 IV Nr. 3 zum Vergleich: Kosten in der Anreiz-Regulierung Anreiz zu Senkung Betriebskosten (z.b. Lohnkosten) neutral bei Anlageninvestitionen (Kapitalkosten) EK-Verzinsung auf Neuanlagen höher als auf Altanlagen

10 C) Kosten als Rechtfertigungsgrund in der Preismissbrauchsaufsicht 1.) Betriebskosten (soweit kausal) höherer laufender Aufwand (Lohn, Material, ) + Fremdkapitalkosten (höhere Zinsen, mehr FK) + 2.) Kapitalkosten (Missbrauchspotential) höhere Abschreibungen wg höherer Investitionen höhere Anschaffungs-/Herstellungskosten + Tagesneuwerte/Wiederbeschaffungszeitwerte? höhere Eigenkapitalkosten mehr zugeführtes EK +, im Unternehmen verbliebenes EK + höhere Verzinsung EK, höhere Bewertung Anlagevermögen?

11 C) Kosten als Rechtfertigungsgrund in der Preismissbrauchsaufsicht OLG Düsseldorf v. 24.2.2014 zu Kosten Unternehmen muss darlegen, in welchem Umfang seine Preise durch die (Sonder-)Kosten beeinflusst werden. konkreter Nachweis der Mehrkosten Unterschiede bei Eigen- und Fremdkapitalkosten keine Rechtfertigung im Fall der BWB, da nicht durch abweichende Umstände hervorgerufen. (Sonderkosten Ost berücksichtigt) Rn. 190ff: Höhere kalkulatorische Kosten kein Strukturmerkmal. Finanzierung des Unternehmens ist unternehmensindividueller Umstand. Höhere kalk. Kosten rechtfertigen nur dann höheren Preis, wenn sie nachweislich auf nachteiligen und nicht zurechenbaren strukturellen Umständen beruhen.

Ausblick 12 Wasserpreiskontrolle aus Sicht des BKartA vorzugswürdig: Wettbewerbsaufsicht ( Ausreißer ) keine flächendeckende Regulierung mit Kostenkontrolle Verbesserung der Transparenz bei Wasserpreisen Informationen der Verbände BDEW/VKU (an Mitglieder) Benchmarking-Projekte in den Ländern Kartellbehörden: Trinkwasserpreisvergleiche + SU

Bundeskartellamt Professorentagung 2014 13 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Annette Bangard Beisitzende 8. Beschlussabteilung