Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates über die Anweisung zur Nutzung eines elektronischen Kalenders

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Transkript:

ArbG Nürnberg, Endurteil v. 26.08.2016 12 Ca 978/16 Titel: Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates über die Anweisung zur Nutzung eines elektronischen Kalenders Normenketten: BGB 242, 1004 GewO 106 S. 1 BetrVG 87 Abs. 1 Nr. 6 Leitsatz: Die Anweisung, einen elektronischen Gruppenkalender zu nutzen, ist wegen der digitalen Speicherung der Terminplanung (Daten der Arbeitsleistung) mitbestimmungspflichtig gem. 86 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Rn. 28 31). (red. LS Ulf Kortstock) Schlagworte: Abmahnung, Betriebsvereinbarung, Nutzung, Mitbestimmungsrecht, Betriebsrat, Direktionsrecht, Gruppenkalender, Outlook, technische Einrichtung Rechtsmittelinstanz: LArbG Nürnberg, Endurteil vom 21.02.2017 7 Sa 441/16 Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Datum vom 4.12.2015 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Der Streitwert wird auf 4.094 festgesetzt. 4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen. Tatbestand 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Abmahnung. Der Kläger ist seit dem 5.5.1980 zuletzt als Verkehrsmeister bei der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.094,00 beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählt die Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen, wozu auch die Vereinbarung von Terminen mit internen und externen Stellen gehört. 2 Seit 1.11.2013 gilt bei der Beklagten eine Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Informations- und Kommunikationsanlagen (Bl. 8 ff. d.a.). Diese regelt in Abschnitt I ihren sachlichen und persönlichen Geltungsbereich. In sachlicher Hinsicht lautet die Regelung, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung: 3 1 Sachlicher Geltungsbereich 4 Diese Betriebsvereinbarung enthält grundsätzliche Bestimmungen und Richtlinien zum Umgang mit Infomations- und Kommunikationsanlagen (IuK-Anlagen). IuK-Anlagen im Sinne dieser Regelung sind alle

bei der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft zur Verfügung gestellten Dienste sowie die Endgeräte zu deren Nutzung. 5 Abschnitt II (Grundsätze) lautet auszugsweise, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung: 6 3 Dienstliche Nutzung 7 Die zur Verfügung gestellten IuK-Anlagen sind grundsätzlich für dienstliche Zwecke bestimmt. Dienstlichen Zwecken dienen alle Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für den Arbeitgeber erledigen. Der Arbeitgeber hat dabei Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen. [ ] 8 4 Einwilligung in die Nutzungsbedingungen bei Privatnutzung 9 (1) Die private Nutzung von dienstlich überlassenen IuK-Anlagen ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer eine individuelle Einwilligung in die Nutzungsbedingungen (Nutzungsvereinbarung, vgl. Anlage 1) unterzeichnet. Diese wird in der Personalakte dokumentiert. 10 (2) Die Nutzungsbedingungen sind in den folgenden Abschnitten III und IV geregelt. 11 Die Abschnitte III und IV betreffen die Nutzungsbedingungen für die Privatnutzung sowie Kontrollen durch den Arbeitgeber. Abschnitt V enthält eine salvatorische Klausel sowie Schlussbestimmungen zum Inkrafttreten und zur Beendigung der Betriebsvereinbarung und zu ihrer Fortschreibung sowie einen Verweis auf die Anlagen. 12 Bei der Beklagten wird die Bürosoftware Microsoft Office eingesetzt, die unter anderem die Möglichkeit der Terminverwaltung in einem persönlichen Kalender bietet. Außerdem nutzt die Beklagte die Funktion sog. Gruppenkalender, auf die mehrere Personen Zugriff haben. Im November 2015 richtete die Beklagte einen Gruppenkalender Tram ein. Am 24.11.2015 wies der Gruppenleiter des Klägers die Verkehrsmeister Baumaßnahmen/Sonderverkehre, unter ihnen den Kläger, an, den Gruppenkalender Tram für die Verwaltung der betrieblichen Termine zu nutzen. In einem Gespräch am selben Tag wiederholte der Gruppenleiter diese Aufforderung; der Kläger lehnte dies ab. In einem weiteren Gespräch am 30.11.2015 hielt der Kläger an seiner Ablehnung fest. 13 Mit Schreiben vom 4.12.2015 (Bl. 6 f. d.a.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung, weil er sich entgegen der erteilten Anweisung weigere, geschäftliche Termine in den Funktionskalender Tram einzutragen. Der Kläger sei verpflichtet, Weisungen seiner Führungskraft Folge zu leisten. Mit seiner Arbeitsverweigerung habe er seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. 14 Mit seiner am 24.2.2016 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Abmahnung. Er meint, die Anweisung zur Nutzung des Funktionskalenders verletze den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil nur wenige bestimmte und nicht alle Mitarbeiter der Beklagten dieses System nutzen sollten. Die Einführung des Kalendersystems sei jedenfalls unverhältnismäßig, da er anstehende Termine im Falle der Arbeitsunfähigkeit auch per Fax übermitteln könne; in dringenden betrieblichen Fällen könne die Beklagte die Informationen seines persönlichen Kalenders nach der Betriebsvereinbarung auch ohne sein Einverständnis einsehen.

15 Darüber hinaus vertritt der Kläger die Auffassung, das Kalendersystem sei in rechtswidriger Weise eingeführt worden, da das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht beachtet worden sei. 16 Die Weisung sei daher ebenfalls rechtswidrig, infolgedessen liege der Abmahnung eine falsche rechtliche Bewertung zugrunde. Sie sei deshalb zu widerrufen und aus seiner Personalakte zu entfernen. 17 Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die ihm mit Datum vom 4.12.2015 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen. 18 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 19 Sie nimmt für sich ein legitimes Interesse an der Kenntnis von betrieblichen Terminen des Klägers in Anspruch. Zweck der Maßnahme sei keine Kontrolle des Klägers. Eine Einsichtnahme in den Kalender des Klägers im Verhinderungsfall sei technisch aufwendig und schon deshalb kein gleich geeignetes Mittel. 20 Die Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 verwende einen sehr weiten Begriff der IuK-Anlage. Da die Nutzung der Endgeräte wie Computer und Laptop ohne Software keinen Sinn ergebe, falle zumindest Standard-Bürosoftware, also auch Microsoft Office, unter die Vereinbarung. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers sei auch nicht ersichtlich, zumal die Beklagte unstreitig die Verwendung eines Papierkalenders anordnen könnte. Zudem verwende auch der Betriebsrat einen elektronischen Gruppenkalender. 21 Wegen des weiteren Vortrags der Parteien und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß 46 Abs. 2 ArbGG, 495 Abs. 1, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle der Güteverhandlung vom 22.3.2016 sowie der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 26.8.2016 Bezug genommen. Entscheidungsgründe A. 22 Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß 12, 17 ZPO örtlich zuständig, da die Beklagte ihren Sitz in Nürnberg hat. B. 23 Die zulässige Klage ist begründet. 24 I. Die Kammer versteht den klägerischen Antrag auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung der Personalakte als einheitliches Begehren. Rücknahme und Entfernung sind keine separaten Handlungen; vielmehr verlangt der Kläger die Rücknahme der Abmahnung aufgrund ihrer Rechtswidrigkeit; diese Abmahnung manifestiert sich in der Entfernung.

25 II. Ein solcher Rücknahme- und Entfernungsanspruch steht dem Kläger zu. 26 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Kammer folgt, kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (BAG 27.11.2008-2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842; BAG 22.02.2001-6 AZR 398/99 - EzBAT BAT 11 Nr. 10; BAG 27.11.1985-5 AZR 101/84 - NZA 1986, 227). Bei der Abmahnung handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG 27.11.2008-2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842; BAG 15.07.1992-7 AZR 466/91 - NZA 1993, 220). Eine solche missbilligende Äußerung des Arbeitgebers in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, wenn sie sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, sowie wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (BAG 27.11.2008-2 AZR 675/07 - NZA 2009, 842 m.w.n.). 27 2. Die Abmahnung vom 4.12.2015 beruht auf einer unrichtigen rechtlichen Bewertung. Die Weisung zur Benutzung des Gruppenkalenders ist nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß 106 Satz 1 GewO gedeckt, weil die Einführung des Gruppenkalen-dersystems ohne die erforderliche Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß 87 Abs. 1 Nr. 6 GewO erfolgte. 28 a) Die Nutzung der Gruppenkalenderfunktion bedarf der Mitbestimmung des Betriebsrats. Gemäß 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat dieser mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die technische Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Eine solche Einrichtung stellt auch der Gruppenkalender dar, den der Kläger nach dem Willen der Beklagten verwenden soll. 29 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen und Gefahren durch die Möglichkeit der jederzeitigen Leistungs- und Verhaltenskontrolle aufgrund der Technisierung sowie den damit verbundenen Überwachungsdruck. Die Gefahren der technischen Überwachung liegen vor allem darin begründet, dass praktisch dauernd und ununterbrochen eine große Anzahl von Daten erhoben werden kann. Die technisierte Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten ist darüber hinaus für den Arbeitnehmer in vielen Fällen nicht wahrnehmbar, seine Abwehrreaktionen und -mechanismen gegen eine Überwachung und Kontrolle sind hierdurch ausgeschaltet. Der Arbeitnehmer kann sich der Beobachtung durch technische Geräte, die Informationen ermitteln sollen, praktisch nicht entziehen. Auf technischem Wege ermittelte Informationen werden regelmäßig aufgezeichnet und festgehalten mit der Folge, dass sie stets verfügbar bleiben. All diese Umstände bergen die Gefahr in sich, dass in Persönlichkeitsbereiche des Arbeitnehmers eingedrungen wird, die einer nichttechnischen Überwachung nicht zugänglich sind, und dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird, der er sich nicht entziehen kann (BAG 14.9.1984-1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367). 30

Mit Blick auf diesen Normzweck kommt es nach der zutreffenden h.m. nicht auf eine Kontrollabsicht des Arbeitgebers an. Zur Überwachung bestimmt ist eine technische Einrichtung dann, wenn diese aufgrund des verwendeten Programmes Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst erhebt und aufzeichnet unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die durch die technische Einrichtung erfassten und festgehaltenen Verhaltensund Leistungsdaten auch auswerten oder zu Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will. Das gilt auch, wenn die leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten nicht auf technischem Wege (durch die Einrichtung selbst) gewonnen werden, sondern dem System zum Zwecke der Speicherung und Verarbeitung eingegeben werden müssen (BAG 14.9.1984-1 ABR 23/82 - BAGE 46, 367; BAG 14.11.2006-1 ABR 4/06 - BAGE 120, 146; Löwisch/Kaiser, BetrVG, 6. Aufl. 2010, 87 Rn. 137 m.w.n.). 31 Demnach unterliegt die Einführung und Benutzung des Gruppenkalenders Tram ohne Weiteres der Mitbestimmung des Betriebsrats. Der Kalender ist digital gespeichert und hält Daten zur Arbeitsleistung des Klägers, nämlich seine Terminplanung, dauerhaft fest. Er ermöglicht damit die technische Auswertung dieser Leistungsdaten unabhängig davon, dass die Beklagte erklärt, sie habe an einer Auswertung und Kontrolle kein Interesse. 32 b) Die Betriebspartner haben über die Einführung und Benutzung des Kalenders auch keine mitbestimmte Regelung getroffen. Die Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 erfasst diese Form der Kalendernutzung nicht. 33 aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 12.4.2011-1 AZR 412/09 -BAGE 137, 300; Richardi, BetrVG, 15. Aufl. 2016, 87 Rn. 115 Löwisch/Ka/ser 77 Rn. 31 m.w.n.). 34 bb) Der weite Wortlaut des 3 der Betriebsvereinbarung vom 1.11.2013 erfasst auch die Nutzung eines Gruppenkalenders ( Dienstlichen Zwecken dienen alle Tätigkeiten, die die Arbeitnehmer in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für den Arbeitgeber erledigen. Der Arbeitgeber hat dabei Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen. ). Insoweit verweist die Beklagte mit Recht darauf, dass nach 1 der Betriebsvereinbarung alle bei der Beklagten zur Verfügung gestellten Dienste sowie die Endgeräte zu deren Nutzung der Betriebsvereinbarung unterliegen. 35 cc) Der systematische Gesamtzusammenhang der Vorschriften der Betriebsvereinbarung lässt jedoch erkennen, dass deren Regelungsgegenstand nicht die Verwendung der von der Beklagten eingesetzten Software im Rahmen der Arbeitsleistung, sondern die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine private Nutzung der dienstlichen IuK-Anlagen. So stellt 3 erkennbar lediglich den Grundsatz klar, dass die zur Verfügung gestellten IuK-Anlagen für dienstliche Zwecke bestimmt sind und deshalb grundsätzlich dem Zugriff des Arbeitgebers unterliegen. Alle folgenden Vorschriften ( 4-16) betreffen die private Nutzung der IuK-Anlagen. 36 dd) Eine ausdrückliche Regelung zum Zweck der Betriebsvereinbarung existiert nicht. Die Regelung in 3 legt die Vermutung nahe, dass die Betriebspartner davon ausgegangen sind, dass die dienstliche Nutzung der IuK-Anlagen zulässig ist. Das entbindet sie aber nicht vom Erfordernis, hierzu konkret eine mitbestimmte Regelung zu treffen. Insoweit folgt die Kammer den Einlassungen der Klägervertreterin im Kammertermin am 26.8.2016. Aus einer allgemein gehaltenen Feststellung, dass IuK-Anlagen dienstlichen

Zwecken dienen und der Arbeitgeber dabei Zugriff auf alle relevanten dienstlichen Informationen hat, kann nicht der Rückschluss gezogen werden, der Betriebsrat habe damit der Nutzung jeglicher Software im Betrieb zugestimmt. 37 Auch eine auf die Nutzung von Standard-Bürosoftware begrenzte Zustimmung lässt sich hieraus entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen. Gegen eine derart weite Interpretation der Betriebsvereinbarung sprechen neben dem bereits erörterten Gesamtzusammenhang der Regelung vor allem Bestimmtheitsgründe. Die Abgrenzung, was von der Einigung noch erfasst sein soll und was nicht, würde damit dem Anwender oder den Gerichten überantwortet. Die Betriebspartner hätten dann aber unzulässigerweise den Gegenstand der Betriebsvereinbarung nicht hinreichend bestimmt. 38 c) Technische Kontrolleinrichtungen, über deren Einführung und/oder Benutzung der Betriebsrat entgegen 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht mitbestimmt hat, müssen die Arbeitnehmer nicht bedienen oder verwenden (Fitting 87 Rn. 256; Richardi 87 Rn. 533; D/K/K/W/Klebe 87 Rn. 166; Löwisch/Kaiser 87 Rn. 145). Die fehlende Mitbestimmung des Betriebsrats macht die darauf gerichtete Weisung des Arbeitgebers per se unbillig und damit rechtswidrig (vgl. Staudinger/Rieble 315 Rn. 205 f.). 39 Infolgedessen ist auch die Abmahnung vom 4.12.2015 rechtswidrig, da sie zu Unrecht von der Wirksamkeit der Weisung an den Kläger ausgeht, den Gruppenkalender zu verwenden. 40 d) Auf die Frage der Gleichbehandlung oder der Unverhältnismäßigkeit der Weisung kommt es damit nicht mehr an, obgleich die Kammer die Auffassung des Klägers insoweit nicht teilt und davon ausgeht, dass die Beklagte nicht gehindert wäre, auf der Grundlage einer mitbestimmten Regelung eine entsprechende Anweisung zu erteilen. C. 41 Die Kostenentscheidung beruht auf 46 Abs. 2 ArbGG i.v.m. 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreites zu tragen. D. 42 Die Streitwertfestsetzung beruht auf 61 Abs. 1 ArbGG. Der Streitwert wird gemäß 3 ZPO in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit mit einem Bruttomonatsgehalt des Klägers festgesetzt. E. 43 Es ist kein Grund gegeben, die Berufung gemäß 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen. Die Beklagte kann nach Maßgabe folgender RechtsmittelbelehrungBerufung einlegen.