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1 Seite 1 Dokument 1 von 1 Anspruch auf Beseitigung und Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung besteht im Falle des Vorliegens von unrichtigen Tatsachenbehauptungen und des Vorliegens einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung -- Anspruch auf Beseitigung und Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung im Falle des Vorliegens von unrichtigen Tatsachenbehauptungen und des Vorliegens einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung Gericht: ArbG Köln Datum: Aktenzeichen: 12 Ca 8659/10 Entscheidungsform: Urteil Jurion Fundstelle: JurionRS 2011, Fundstellen: AuR 2011, 222 Rechtsgrundlagen: 1004 BGB Redaktioneller Leitsatz: 1. Ein Arbeitnehmer hat mit Rücksicht auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus Treu und Glauben, aus seinem Persönlichkeitsrecht und aus einem aus 1004 BGB hergeleiteten Rechtsgedanken einen Anspruch auf Beseitigung und Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung, wenn diese unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, oder wenn die Abmahnung nicht ordnungsgemäß formell zustande gekommen ist. Befindet sich die Abmahnung in der Personalakte, so ist sie daraus zu entfernen. Die Darlegungs- und Beweislast zur Rechtfertigung einer Abmahnung trifft im arbeitsgerichtlichen Prozess den Arbeitgeber. Diese Grundsätze sind auch auf eine Gesprächsnotiz anzuwenden, die von einem Arbeitgeber als Abmahnung oder als Vorstufe einer Abmahnung angesehen wird und zur Personalakte genommen wurde. 2. Eine Betriebsvereinbarung, in der nur männliche Piloten verpflichtet werden, eine Cockpit-Mütze in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich zu tragen, während für weibliche Piloten gelten soll, dass eine Cockpit-Mütze getragen werden kann, aber nicht zur vollständigen Uniform gehört, verstößt gegen den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, wonach jede Benachteiligung wegen des Geschlechts zu unterbleiben hat. Ein Arbeitgeber hat bei der Ausübung seines Weisungsrechts nach 106 GeWO das Benachteiligungsverbot zu beachten. Die 7 I AGG und 75 I BetrVG treten dabei als eigenständige Verbotsnorm neben die im Übrigen durch 106 GewO gezogenen Grenzen des Direktionsrechts.
2 Seite 2 Tenor: 3. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des 7 I AGG liegt dann vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wird. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn eine unmittelbare Benachteiligung vorliegt, die nicht aufgrund der 8 bis 10 AGG gerechtfertigt ist oder nicht nach 5 AGG zulässig ist. Die Bestimmung der Unwirksamkeit nach 7 I AGG gilt gem. 7 II AGG auch für Betriebsvereinbarungen, wobei sich dies regelmäßig auch bereits aus 75 BetrVG ergibt. Soweit eine Benachteiligung Beschäftigte belastet, ist die Norm nach 7 II AGG unwirksam. Aber auch 75 I BetrVG verbietet bereits jede unsachliche Differenzierung zum Nachteil einzelner Arbeitnehmer und auch sachfremde Gruppenbildungen. Unsachlich ist eine unterschiedliche Behandlung, die nicht aus vernünftigen und einleuchtenden Gründen erfolgt, wobei insbesondere der mit der Leistung des Arbeitgebers verfolgte Zweck zu berücksichtigen ist. 4. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Verpflichtung zum Tragen von Cockpit-Mützen in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich ist nicht ersichtlich. 1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom erteilte Gesprächsnotiz zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen. 2. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, seine Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereichs zu tragen, solange die Beklagte ausschließlich das männliche Cockpitpersonal zum Tragen der Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich verpflichtet. 3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. 4. Streitwert: ,29 EUR. Tatbestand Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem als Pilot tätig. Der Bruttolohn beträgt monatlich 6.921,43 EUR. Die Beklagte ist eine überregional operierende Fluggesellschaft. Die Betriebsparteien vereinbarten mit Wirkung ab eine Betriebsvereinbarung "Dienstbekleidung" (Blatt 5 ff. der GA). Gem. 4 (2.4) ist für männliche Piloten folgendes vorgesehen: "Die Cockpit-Mütze ist in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich zu tragen". Für weibliche Piloten sieht 4 (1.4) vor: "Die Cockpit-Mütze kann getragen werden, gehört aber nicht zur vollständigen Uniform." Ob die Cockpit-Mütze tatsächlich in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich getragen wird, entscheidet in der Praxis der jeweilige Kommandant des Fluges, dem das Cockpit-Personal zugeteilt ist. Wegen Nichttragens der Cockpit-Mütze am der Kläger wurde deswegen vom Flug abgesetzt - fand am ein Gespräch statt, welches die Beklagte mit Schreiben vom zusammenfasste. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 20 f. der GA verwiesen. Das Schreiben wurde zur Personalakte des Klägers genommen und soll nach Auskunft der Beklagten dort bis zum verbleiben. Der Kläger hält die Anordnung und die Betriebsvereinbarung wegen Verstoßes gegen das Verbot sexueller
3 Seite 3 Diskriminierung für nichtig, da das Tragen der Mütze für weibliche Piloten nicht verpflichtend sei. Die Mütze sei insbesondere keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung. Der Kläger beantragt, 1. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom erteilte Gesprächsnotiz zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen. 2. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, seine Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereichs zu tragen, solange die Beklagte ausschließlich das männliche Cockpitpersonal zum Tragen der Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich verpflichtet. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie weist darauf hin, dass die Cockpit-Mütze Teil der Uniform der männlichen Cockpitbesatzung sei, während die Kopfbedeckung bei weiblichen Cockpitbesatzungsmitgliedern lediglich Accessoire und damit nicht verpflichtend sei. Diese Unterscheidung beruhe nicht auf der unterschiedlichen Wertung der Geschlechter, sondern der klassische Außenauftritt sei historisch gewachsen und setze sich beispielsweise umgekehrt beim Kabinenpersonal fort. Dies entspreche dem Vorstellungsbild der Öffentlichkeit. Zudem könne die Cockpitmütze nicht mit jeder Frisur getragen werden; eine solche Problematik bestehe bei männlichen Piloten nicht. Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Entscheidungsgründe I. Die zulässige Klage ist begründet. 1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rücknahme und Entfernung der Gesprächsnotiz vom a. Die Gesprächsnotiz vom fasst die dem Kläger vorgeworfenen Verhaltensweisen zusammen, weist ihn auf seine arbeitsvertraglichen Pflichten hin und endet mit der Sanktionsandrohung mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen für den Wiederholungsfall. Sie stellt wegen Fehlens einer Kündigungsandrohung zwar keine klassische Abmahnung im Sinne der Rechtsprechung dar und ist damit kündigungsrechtlich ohne entscheidende Bedeutung (so z.b. BAG vom , NZA 1994, 656 [BAG AZR 616/93]), ist aber als Vorstufe einer Abmahnung als Belehrung, Vorhaltung oder Ermahnung zu verstehen. b. Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Arbeitnehmer nach der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, aus Treu und Glauben, aus seinem Persönlichkeitsrecht und aus einem aus 1004 BGB hergeleiteten Rechtsgedanken, der jedermann die Verpflichtung auferlegen soll, Störungen der Rechtstellung Dritter zu unterlassen, einen Anspruch auf Beseitigung und Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung, wenn diese unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, oder die Abmahnung nicht ordnungsgemäß formell zustande gekommen ist (BAG vom , NZA 1993, 883; BAG vom , NZA 1986, 421). Befindet sich die Abmahnung in der
4 Seite 4 Personalakte, so ist sie daraus zu entfernen. Die Darlegungs- und Beweislast zur Rechtfertigung einer Abmahnung trifft im arbeitsgerichtlichen Prozess den Arbeitgeber (BAG vom , NZA 1987, 518). Dieser Grundsätze ist auch auf die streitige Gesprächsnotiz anzuwenden, die von der Beklagten offensichtlich als Abmahnung oder als Vorstufe einer Abmahnung angesehen wird und zur Personalakte genommen wurde. c. Ausgehend von diesen Grundsätzen war die streitgegenständliche Gesprächsnotiz aus der Personalakte zu entfernen. Die Befolgung der in der Betriebsvereinbarung "Dienstbekleidung" vom in 4 (2.4) vorgesehenen Verpflichtung zum Tragen der Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich wird in der Praxis von der Entscheidung des jeweiligen Kommandanten abhängig gemacht. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass der Kommandant im konkreten Fall am von dem ihm eingeräumten Ermessenspielraum ordnungsgemäß Gebrauch gemacht hat. Zweifel an einer sich am Gebot der Gleichbehandlung orientierenden Ausübung des Ermessens bestehen insbesondere deswegen, weil die Parteien im Kammertermin übereinstimmend angegeben haben, dass der als Ersatz für den vom Flug abgesetzten Kläger eingesetzte Pilot eine entsprechende Anweisung des Kommandanten nicht erhalten hatte, da er seine Cockpit-Mütze bereits nicht mitgeführt hatte. Die Gesprächsnotiz ist auch aus einem weiteren Grunde zu entfernen, denn aus ihr ergibt sich nicht eindeutig, was dem Kläger vorgeworfen wird, sondern ihr Inhalt lässt in vielerlei Hinsicht Interpretationsmöglichkeiten offen. So bleibt unklar, ob der Kläger - unabhängig von der jeweils zu treffenden Einzelfallentscheidung des Kommandanten - zum Tragen der Mütze verpflichtet ist, ob der Kläger das Tragen der Mütze von der jeweiligen Einzelfallentscheidung des Kommandanten abhängig zu machen hat oder ob ihm nur vorgeworfen wird, dass er den Kommandanten in eine anschließende Diskussion verstrickt hat. Die Gesprächsnotiz war damit unabhängig von den nachfolgenden Erwägungen zum Feststellungsantrag bereits aus der Personalakte zu entfernen. 2. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Betriebsparteien haben bei der Fassung der Betriebsvereinbarung gegen den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, wonach jede Benachteiligung wegen des Geschlechts zu unterbleiben hat. Der Arbeitgeber hat bei der Ausübung seines Weisungsrechts gem. 106 GeWO das Benachteiligungsverbot zu beachten. 7 Abs. 1 AGG und 75 Abs. 1 BetrVG treten dabei als eigenständige Verbotsnorm neben die im Übrigen durch 106 GewO gezogenen Grenzen des Direktionsrechts. Es kann dahinstehen, ob hierzu die Normen des AGG heranzuziehen sind. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des 7 Abs. 1 AGG liegt dann vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wird. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn eine unmittelbare Benachteiligung vorliegt, die nicht aufgrund der 8 bis 10 AGG gerechtfertigt ist bzw. nicht nach 5 AGG zulässig ist. Die Bestimmung der Unwirksamkeit nach 7 Abs. 1 AGG gilt gem. 7 Abs. 2 AGG auch für Betriebsvereinbarungen, wobei sich dies regelmäßig auch bereits aus 75 BetrVG ergibt. Soweit eine Benachteiligung Beschäftigte belastet, ist die Norm nach 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Aber auch 75 Abs. 1 BetrVG verbietet bereits - insoweit inhaltlich teilweise über den Schutzbereich des AGG hinausgehend, jede unsachliche Differenzierung zum Nachteil einzelner Arbeitnehmer oder sachfremde Gruppenbildungen. Unsachlich ist eine unterschiedliche Behandlung, die nicht aus vernünftigen und einleuchtenden Gründen erfolgt, wobei insbesondere der mit der Leistung des Arbeitgebers verfolgte Zweck zu berücksichtigen ist Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Verpflichtung zum Tragen der
5 Seite 5 Cockpit-Mütze in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereich ist der Kammer nicht in ausreichendem Maße dargelegt. Es war nicht nachvollziehbar, dass die unterschiedliche Normierung der Verpflichtung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt und damit "unverzichtbare Voraussetzung" für die Ausübung der Tätigkeit ist (so z.b. BAG vom AZR 536/08 - als Voraussetzung für 8 Abs. 1 AGG). Allein der Hinweis auf historische Gesichtspunkte - wie die traditionelle Zugehörigkeit der Cockpit-Mütze zur Uniform des männlichen Piloten - und die damit etwaig verbundene Erwartung der Öffentlichkeit von einem bestimmten äußerlichen Auftreten des Cockpit-Personals unter Einschluss der Kopfbedeckung genügte als Rechtfertigung nicht. Es ist bereits fraglich, ob Kundenerwartungen wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen darstellen können (vgl. hierzu Schleusener/Suckow/Voigt, 2. Aufl., 7 Rz. 15). Dies wird man ggf. für die Fälle annehmen können, in denen die Nichtbeachtung einer entsprechenden Kundenerwartungen die Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit in dem Marktsegment auf Dauer gefährdet. Es ist aber weder offensichtlich noch dargelegt, dass das Tragen der Cockpit-Mütze beim männlichen Cockpit-Personal zu einer höheren Akzeptanz bei den (potentiellen) Fluggästen führt. Auch der Hinweis auf die sich etwaig aus den unterschiedlichen Frisuren ergebenden Schwierigkeiten beim Tragen der Cockpit-Mütze, haben die Kammer nicht davon überzeugen können, dass eine unterschiedliche Handhabung bei der Verpflichtung zum Tragen der Cockpit-Mütze erforderlich ist, zumal die Beklagte ihre Argumente selbst dadurch entwertet, dass sie das Tragen der Mütze in das jeweilige Einzelfallermessen des jeweiligen Kommandanten stellt und damit ein Auftreten des (männlichen) Cockpit-Personals ohne Kopfbedeckung durchaus toleriert.. II. Die Kostenentscheidung beruht auf 91 ZPO. Der Streitwert wurde für den Antrag zu 1) mit einem Bruttogehalt und für den Antrag zu 2) mit 2 Bruttogehältern bemessen. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann von Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.... Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.
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