Klimafit durch Schädlingskontrolle: Forstlicher Pflanzenschutz im Globalen Wandel Gernot Hoch, Jasmin Putz & Hannes Krehan Institut für Waldschutz BFW Praxistag Jänner 2017 Wien, Ossiach, Ort, Innsbruck
Malvenwanze Oxycarenus lavaterae Photo: Connell, BFW Möglichkeit zur Etablierung durch wärmere Winter Rasche Verbreitung durch Pflanzenmaterial wahrscheinlich Photo: Hoch, BFW
Prognostizierte Klimaänderungen neue Herausforderungen für den Forstschutz direkte Auswirkung höherer Temperaturen auf Insekten u.a. Schadorganismen veränderte Wechselbeziehungen zwischen Bäumen und Schadorganismen höhere Anfälligkeit von Bäumen am Rande ihres potentiellen Verbreitungsgebietes veränderte Voraussetzungen für das Auftreten und die Etablierung nicht-heimischer Schadorganismen Schädlingskontrolle ist eine wichtige Voraussetzung für einen klimafitten Wald
Einschleppung bzw. Einwanderung invasiver Arten im Globalen Wandel Natürliche Ausbreitung von Schadorganismen: folgen passendem Klima Eingeschleppte Schadorganismen, die bisher bei uns nicht überlebt hätten (Klima), können sich etablieren Intensivierung des globalen Handels, ungenügende phytosanitäre Kontrollmaßnahmen Einschleppung und Etablierung invasiver Schadorganismen
Wirkung der Temperatur auf Insekten Letale Temperaturgrenzen: obere und v.a. untere Grenze (Überleben im Winter) Stoffwechsel und Entwicklungsgeschwindigkeit Aktivitätsgrenzwerte Konsequenzen Arealverschiebungen bzw. ausweitungen mehrere Generationen pro Jahr höherer Befallsdruck Verschiebungen in der Phänologie Synchronisation mit Wirt
Buchdrucker Ips typographus Angepasst an unsere Winter profitiert nicht durch höhere Wintertemperaturen Der letaler Gefrierpunkt von Buchdruckern (Käferstadium) liegt im August und Oktober bei ca. -6 C. In den Wintermonaten sinkt der Gefrierpunkt deutlich auf -18 C im November und auf -21 C im Jänner (Netherer 2003)
Temperatursumme und Tagesgrad-Konzept TG = Tmax + Tmin 2 ENP Entwicklung ist temperaturabhängig Wärmesumme K = TG Im linearen Bereich der Temperaturabhängigkeit der Entwicklung TG Tagesgrade T Temperatur ENP Entwicklungsnullpunkt Bsp. Buchdrucker ENP = 8,3 C K gesamt = 557 TG bei const. 20 C : TG/d = 11,7 Dauer: 557 / 11,7 = 47,6 d
Entwicklungsdauer [Tage] Buchdrucker Ips typographus 90 60 Ei-Puppe Gesamt ENP 47,6 30 28,6 mehrere Generationen pro Jahr möglich 0 5 10 15 20 25 30 35 Temperatur [ C] Entwicklung des Buchdruckers (nach Wermelinger & Seifert 1998, Baier et al. 2007)
Arealausweitung des Pinien-Prozessionsspinners Thaumetopoea pityocampa Larven sind den Winter hindurch aktiv Sind moderat gefriertolerant, kumulierte Kälteeinwirkung schädlich Photo: Krehan, BFW Hoch et al. (2009)
Photo: Hoch Photo: Krehan, BFW T NACHT (Luft) > 0 C Aktivität möglich + T TAG (Nest) > 9 C = nötig für Fraßaktivierung Raupen fressen Battisti et al. (2005)
Die Expansion des Befallsgebietes nach Norden in Frankreich hängt mit höheren Wintertemperaturen zusammen. In den letzten Jahrzehnten nahm die Zahl der Wintertage, an denen die Larven fressen können, zu (Robinet et al. 2007). Zusätzlich unterstützt wurde die Expansion durch Pflanzentransporte, mit denen Stadien des Prozessionsspinners in neue Gebiete gelangten (Robinet et al. 2012).
Wechselwirkungen mit dem Wirtsbaum Höhere Evapotranspiration bei höheren Temperaturen Wahrscheinlich mehr kurze aber starke Niederschlagsereignisse Trockenstress kann Anfälligkeit für Schadorganismen beeinflussen Verschiebungen in der Phänologie mögliche Effekte auf Synchronität Wirtsbaum-Parasit
Metaanalyse: Schäden durch Insekten und Pathogene bei Trockenstress (Jactel et al. 2012) Die Wirkung von Trockenstress des Wirtsbäume hatte auf unterschiedliche Fraßgilden unterschiedliche Wirkung. Sekundärschädlinge an verholzten Organen (z.b. Borkenkäfer) profitieren vom Wasserstress d = + 0,65 Effektgröße von Wasserstresslevel abhängig
Synchronität Blattaustrieb Raupenschlupf: Bsp. Frostspanner Photos: J. Connell, BFW
2013 (Mitte März bis Mitte April kalt): Schlupf 17.4., Austrieb ca. 15.4 2014 (März und April wärmer): Schlupf 20.3., Austrieb 20.3.-15.4. spät früh 29.04.2014 Photos: J. Connell, BFW J. Connells Schlussfolgerung 2014: The early tree got the worm!
Gefahr durch Pflanzenimporte Citrus-Bockkäfer Anoplophora chinensis (CLB) in Österreich noch nicht vorhanden Esskastanien-Gallwespe Zahlreiche Pilzkrankheiten (Problem: Symptome oft erst später sichtbar) Menschliche Unterstützung für Ausbreitung über große Distanzen danach lokale aktive oder passive Ausbreitung Photo: Krehan, BFW
Japanische Esskastanien-Gallwespe Dryocosmus kuriphilus Jahr Abb: Putz, BFW Photo: Hoch, BFW Erstauftreten von D. kuriphilus in Europa lt. EPPO- Datenbank (https://gd.eppo.int/taxon/drycku)
Gefahr durch Verpackungsholz Anzahl der Beanstandungen wegen Schädlingsbefalls steigt: 2013: 8,4 %; 2016: 19,6 % in AT
Verpackungsholzproblematik (China EU) Bockkäfer, holzbrütende Ambrosia-Käfer Kein einheitlicher Kontrollstandard in den EU- Mitgliedstaten Kontrollen an den Eintrittsstellen (Häfen) offensichtlich ineffektiv Firmen lassen ihre Sendungen -wenn möglichnicht mehr in Österreich vom BFW kontrollieren Asiatischer Laubholzbockkäfer Anoplophora glabripennis
Was tun? Maßnahmen zur Verhinderung von Einschleppungen bzw. Früherkennung und rasche Reaktion Beachtung von Veränderungen: neue Befallsmuster, neu auftretende Schadorganismen Melden! Forstschutz muss im klimafitten Wald ein wichtige Stelle einnehmen: z.b. Borkenkäfer
Borkenkäfermonitoring Onlineinformation auf http://bfw.ac.at bzw www.borkenkaefer.at Fangzahlen Entwicklungsmodell PHENIPS
Was tun? Diversität im Wald Schwierigere Bedingungen für spezialisierte Schadorganismen Förderung natürlicher Gegenspieler Versicherung bei Schädigung einer Baumart (aber Vorsicht bei Generalisierungen )
Danke fürs Zuhören Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft Austria, 1131 Wien Seckendorff-Gudent-Weg 8 Tel.: +43 1 878 38-0 direktion@bfw.gv.at http://www.bfw.ac.at