Predigt zu 1 Timotheus 4,4+5 (Erntedank, 7.10.2012) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn. Drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt, und hoffet auf ihn. Liebe Gemeinde, das Schöne und Wertvolle an Kirchenliedern ist, egal ob alt oder modern, dass sie uns Worte leihen, um unsern Glauben auszudrücken. Lieder, die wir kennen, können uns helfen, unseren Glauben in Worte zu fassen. Und damit selbst eine größere Klarheit und eine festere Gewissheit zu bekommen über das, worauf unser Leben aufbaut. Lieder machen unseren Glauben und unser Leben reicher. Auch dann, wenn ein Lied einmal mehr sagt, als wir selbst zu sagen gewagt hätten. Zum Beispiel: Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn. Singen kann man das gut. Vor allem an Erntedank. Aber nachsprechen, einmal durchbuchstabieren, was das eigentlich heißt auch dann, wenn nicht Erntedank ist, auch dann, wenn die Kirche nicht so wunderschön 1
bunt geschmückt ist: Alle - gute - Gabe - kommt her von Gott -, dem Herrn. Können wir das mit derselben Selbstverständlichkeit sagen wie wir es singen? Wir könnten es ausprobieren und diesen Vers einmal eine Woche lang jeden Morgen beim Aufstehen oder vor dem Mittagessen beten. Als täglichen Lobvers, denn ich glaube nicht, dass wir es mit dem täglichen Lob Gottes übertreiben. Ich jedenfalls nicht, obwohl ich weiß und immer wieder erlebe: Loben befreit, weil es den Blick weitet und frei macht für Gottes Größe und seine Möglichkeiten. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn. So wie viele Lieder aus unserem Gesangbuch lehnt sich dieser Refrain ganz dicht an an ein Bibelwort, und zwar an den Predigttext für heute morgen aus dem 1. Timotheusbrief. Und den möchte ich nun vorlesen. 4 Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; 5 denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. (Gebet) Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn. 2
Was ist überhaupt gut? Wenn wir uns umsehen in unserer Welt, wie viel Gutes entdecken wir dann? Springt uns das sofort ins Auge? Oder brauchen wir eine Lupe, um irgendetwas zu entdecken, von dem wir ohne Abstriche sagen können: Das ist gut! Es ist ja doch so, dass wir es gewohnt sind, an allem etwas auszusetzen oder dass wir an Dingen rum mäkeln, für die wir ganz bestimmt dankbar sein können. Wenn ihr Kinder morgens aufsteht an einem ganz normalen Schultag, und ihr kommt an den Frühstückstisch und dann ist eure Lieblingsmarmelade leer, oder der Kaba ist ein bisschen zu warm oder zu kalt dann kommt ganz schnell mal schlechte Stimmung auf. Aber habt ihr schon mal überlegt, wie toll das ist, dass da jemand ist, der euch das Frühstück richtet, mit dem ihr zusammen frühstücken dürft. Und wenn es dann in den Kindergarten oder in die Schule geht natürlich denkt man da manchmal: Mensch, muss das heute wieder sein. Zuhause spielen wär doch auch ganz nett. Aber habt ihr schon mal überlegt, dass es ganz viele Kinder gibt, die sehr gerne mit euch tauschen würden, weil sie gar nicht die Möglichkeit haben, zur Schule oder in einen Kindergarten zu gehen? 3
Aber wisst ihr was? Wir Erwachsene sind da gar nicht besser. Wir sehen auch immer zuerst das, was uns nicht passt, das worüber wir meckern können. Über unseren Arbeitsplatz oder die Kollegen, die sich so furchtbar benehmen. Dabei gibt es nicht viele Orte, an denen wir uns eher vorstellen können zu arbeiten. Oder wir regen uns über unsere Eltern auf oder unsere Schwiegereltern oder sogar unsere Kinder. Wie kommt das, dass Eltern so oft fixiert sind auf das, was ihre Kinder ihrer Meinung nach nicht so gut können? Auf das, was ihnen ihrer Meinung nach fehlt? Wollen wir Maschinen? Wollen wir Roboter? Oder nicht einfach Kinder, die Fehler machen, die Stärken und Schwächen haben, unverwechselbar sind und gerade dadurch unendlich liebenswert. Egal, ob unsere Kinder 2 oder 20 oder 50 sind als Eltern haben wir so viel Grund, dankbar zu sein für unsere Kinder. Also sollen sie es auch spüren, indem wir sie annehmen bedingungslos. Und wer weiß, ob wir mit den Macken unsere Kinder den vermeintlichen und den tatsächlichen nicht mehr zu tun haben, als wir denken. Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut. Das war ja schon das Qualitätsurteil ganz am Anfang bei der Schöp- 4
fung im ersten Kapitel der Bibel: Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte und siehe, es war sehr gut! Erst als der Ungehorsam der Menschen dazukam: die Lieblosigkeit, der Eigensinn, die Gier erst da wurde aus der ganz und gar guten Schöpfung die von der Sünde gezeichnete Schöpfung. Und trotzdem gilt nach wie vor: Gott gibt uns so viel Gutes. Aber schon immer war es so, dass Menschen die guten gaben Gottes schlecht machen wollten. Auch zu der Zeit, als unser Predigttext vom Apostel Paulus geschrieben wurde: Der warnt nämlich direkt vor unseren beiden Predigttextverse vor Menschen, die sich Christen nennen, aber umherziehen und behaupten, dass man dieses nicht darf und jenes nicht: Nicht mehr heiraten! Nicht mehr bestimmte Speisen essen! Frommer Selbstverzicht aus schlechtem Gewissen... Heuchelei! sagt Paulus. Scheinfrömmigkeit. Nein, was gut ist, dürfen wir genießen dankbar gegenüber Gott, der es uns gibt und gönnt. Aber das gibt s auch heute noch. Christen, die sagen: Man darf dies nicht, man darf das nicht: Nicht rauchen, zum Beispiel. Sicher, Rauchen schadet der Gesundheit 5
das wissen wir alle. Aber daraus ein göttliches Gebot zu machen nach dem Motto: Ein Christ tut das nicht! Ein Christ darf das nicht! So wird Christsein völlig verdreht und verkehrt dargestellt. Ein Christ lebt aus der Gnade in Jesus Christus. Ein Christ lebt in Freiheit vor gesetzlichen Vorschriften. Ein Christ lebt in Dankbarkeit gegenüber seinem Schöpfer. Mit Danksagung empfangen so sagt es Paulus im Predigttext. Dankbarkeit heißt, dass ich weiß, woher all das Gute kommt. Nicht wie der reiche Kornbauer in der Geschichte vorhin, der alles nur sich selbst zugeschrieben hat, sondern: Gott beschenkt mich, deshalb bin ich ihm dankbar und nehme aus seiner Hand. Und genau das meint der zweite Vers des Predigttextes:... denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. Heilig ist alles das, was eine Beziehung hat zu Gott: ein Ort, ein Gegenstand vor allem aber: Wir Menschen können heilig sein nicht weil andere uns heilig sprechen, sondern weil wir zu Gott in einer Beziehung stehen. 6
Wenn Paulus einen Brief an eine Gemeinde geschrieben hat, dann hat er geschrieben: Der Apostel Paulus schreibt an die Heiligen in Korinth oder in Ephesus... Heilig durch die Beziehung zu Gott. Das geht, weil Jesus Christus die Brücke gebaut hat zwischen Gott und uns. Wer ihn kennt, der kennt Gott. Er ist es, der uns heiligt. Er lädt uns ein: Kommt her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch neues Leben schenken. Und: Niemand kommt zu Gott, dem Vater, außer durch mich. Und was heißt das ganz konkret? So wie es der Predigttext sagt:... geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet. Gottes Wort das ist sein Reden zu uns: durch die Heilige Schrift, durch ein gutes Gespräch oder ein gutes Wort, durch die Schönheit der Schöpfung. Und Gebet das ist unser Reden mit ihm, als Dank, als Bitte, als Lob, als Klage in keiner Situation ist Beten unangebracht. Gottes Wort und Gebet sind die Stützen einer intensiven, andauernden Kommunikation zwischen unserem Schöpfer und uns. So wird die Beziehung zu Gott lebendig. Und so bleibt diese Beziehung lebendig. 7
Denn dafür gibt uns Gott all die guten Gaben, dafür hat er uns geschaffen damit wir unser Leben aus seiner Hand dankbar annehmen und an seiner Hand durchs Leben gehen, mit seinem Wort als Leitschnur, mit dem Gebet als ständige Gesprächsmöglichkeit mit ihm. Und so ein Gebet könnte zum Beispiel lauten: Alle gute Gabe kommt her von Gott, dem Herrn. Oder auch: Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Lebens Lust. Ich sing und mach auf Erden kund, was mir von dir bewusst. Was sind wir doch? Was haben wir auf dieser ganzen Erd, das uns, o Vater, nicht von dir allein gegeben werd. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. G: Amen. 8