Innenentwicklung versus Klimakomfort

Ähnliche Dokumente
Auswirkungen des Klimawandels auf das Stadtklima in Karlsruhe

Anpassung an den Klimawandel als Aufgabe der Stadtplanung

Klimagerechte Stadtentwicklung: Was heißt das Wie funktioniert das? Frank Schlegelmilch BPW baumgart+partner

2. Klima. 2.1 Das Stadtklima

fg_ee Energetische Stadträume Fachkongress TU Graz, 18-Mär-15, Dipl.-Ing. Architekt Christoph Drebes M.Sc.

Klimawandelgerechte Metropole Köln

Mit Frischluft und Grün aktiv im Klimaschutz - Beispiel Stuttgart - Amt für Umweltschutz Stuttgart, Abteilung Stadtklimatologie

Klimawandel in Rheinland-Pfalz Besondere Herausforderungen für Städte

Klimaanpassungskonzept Worms 1. Treffen der Arbeitsgruppe Stadtplanung am 10. Dezember 2015 Impulsvortrag

Freiraumentwicklung, Klimaschutz & Naherholung

Pressekonferenz von Hansestadt Hamburg und Deutschem Wetterdienst (DWD) am 20. November 2015 in Hamburg

Klimawandel in Dresden Signale für die Klimaentwicklung

Umsetzung von Klimaanpassungsstrategien am Beispiel der Grünflächen- und Freiraumplanung

Nachverdichtung und Bestandsentwicklung in Emsdetten

Hitzebelastung in Köln

Abb. 118: Teilplan Entlastungssystem, Ausschnitt M 1:7500

Klimaanalyse der Stadt Gießen

B e g r ü n d u n g. zum Bebauungsplan-Vorentwurf Nr. 05/003 - Westlich Leuchtenberger Kirchweg Vereinfachtes Verfahren gemäß 13 BauGB

Ortsrandentwicklung Nordshausen

Brigitte Kreuzwirth/Pixelio. Stadtentwicklungsplan Klima Berlin KONKRET Klimaanpassung in der Wachsenden Stadt

Projekt KLAS Starkregenvorsorge als Beitrag zur Klimaanpassung in Bremen

Coole Städte Das Zusammenspiel von Energie, Wasser und Grünräumen in einer klimabewussten Stadtentwicklung

KLIMAATLAS REGION STUTTGART

Klimaanpassung durch urbanes Grün in der integrierten Stadtentwicklung Schwammstadt

Klimapressekonferenz des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am 10. März 2015 in Berlin

Auswirkungen des Klimawandels auf Heiz- und Kühlenergiebedarf in Österreich

Andreas Gandorfer, betreut von Dr. Wolfgang Loibl / AIT. Seestadt Aspern Bebauungsstruktur und Mikrokli ma

Hessischer Klimaempfang, 3. Mai Die Klimapolitik des Landes Hessen. Rede der Hessischen Staatsministerin Priska Hinz

Stadtklima - Simulationen und Messungen

Stadtklimatologie & Grün

Die Region Dresden auf dem Weg zum integrierten Klimaanpassungsprogramm - Schlussfolgerungen aus dem Regionalforum

Stadtplanung im Zeichen des Klimawandels Lokale Klimaschutzkonferenz in Offenbach

STADTHAUS P23. Exklusives Wohnen in der Residenzstadt Schwerin

NACHVERDICHTUNG DER BEBAUUNG IM BEREICH ARMIN KNAB STRASSE / KARL RORICH STRASSE

Bewertung von Stadtquartieren

Klimawandelgerechte Metropole Köln

Bebauungsplan M 312 Wilhelmring/Bahnstraße/Bergstraße, 1. Änderung. Entscheidungsbegründung

Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in Hörde Steckbrief Dachbegrünung

Freiraumplanerische Standards - Bodenversiegelung

Bebauungsplan Nr. 897 Fischerfeldstraße/ Lange Straße

Zwischenbilanz. Konzeptskizzen Spreehafen bis Rathaus

ABGRENZUNG UND INHALTE DER SYNOPTISCHEN KLIMATOLOGIE WETTERLAGEN- UND ZIRKULATIONSKLASSIFIKATIONEN

Dichte und Qualität das Beispiel Basel

4. Regionalplanertagung der ARL Impulsstatement: Unterstützung staatlicher Zukunftsvorsorge durch Regionalplanung

Integrative Quartiersentwicklung eine Aufgabe für ressortübergreifendes Handeln

Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung. Landesentwicklung und Regionalplanung

Stadt Freilassing Landkreis Berchtesgadener Land. 25. Änderung des Bebauungsplanes Engerach

Innovations Quartier Friedberger Landstraße / Südlich Wasserpark. Stand:

AACHEN*2030 MASTERPLAN FLÄCHENNUTZUNGSPLAN Perspektiven und Impulse für die räumliche Entwicklung der Stadt

Ansatz zur Objektivierung von Planungshinweisen im Rahmen der Flächennutzungsplanung am Beispiel der Stadtklimauntersuchung Freiburg i. Brsg.

Klimawandel in der Lausitz Anforderungen an Brandenburg

14. Österreichischer Klimatag. Herbert Formayer & Robert Goler

STADTHAUS Am Werder. Exklusives Wohnen in der Residenzstadt Schwerin

Projektskizze GemeinSinnschafftGarten

Urban Heat Islands Strategieplan Wien Die Rolle der Fassadenbegrünung

Klimawandel: Konsequenzen der globalen Herausforderung. Klimaevent 2013, Arbon. Thomas Stocker

Gemeinsam für Kostheim Der Schulhof der Carlo-Mierendorff-Schule

Große Kreisstadt Horb am Neckar - Fachbereich Stadtentwicklung

Klimawandel Klimaschutz: Anforderungen an den Immobiliensektor

Fernerkundung zwischen Forschung und Politikberatung

Mehr als nur Grün: Städter lieben Artenvielfalt

Begründung zur 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 24 Fläche Behrens, Jorkerfelde

Extremwetter erfordert Objektschutz und bauliche Vorsorge

Umweltprüfung im Braunkohlenplanverfahren Umsiedlung. Morschenich

Weil am Rhein Friedlinger Dialog 2. Workshop 24. November 2014, Kesselhaus

Bebauungsplan "Schwachhauser Heerstraße 235" Information des Beirats Schwachhausen. Freie Hansestadt Bremen

Ortsentwicklungs- und Tourismuskonzept der Gemeinde Schönberg Workshop Gewerbe

Klimawandel in NRW und Strategien zur. Dr. Barbara Köllner

Der Arbeitskreis Umwelt des Bürgervereins Zündorf stellt seine Arbeit vor

Stadt Esslingen am Neckar Nachhaltige Stadtentwicklung im Zeichen des Klimawandels

Wohnungsbau-Plangebiet Zündorf II - Aus für die Klimaanlage von Köln?

Binnenentwässerung in Zeiten des Klimawandels: eine besondere Herausforderung für die Unterhaltungsverbände

Stadtklimatische Bestandsaufnahme und Bewertung für das Landschaftsprogramm. Klimaanalyse und Klimawandelszenario 2050

Klimaänderungen Prognosen Unsicherheiten

Projektstudie. Neubau Zentrum Johannes. Weimarstraße 31, Kornwestheim

GRÜNE wollen letztes klimawirksames Kaltluftentstehungsgebiet der Städte Essen und Mülheim bebauen

Stuttgart KARS. hat zum Ziel, Abbildung. über Leitbilder und

Klimaskeptiker - die Wissenschaft vom Klima in der Kritik

Entwicklung des Ländlichen Raums im Freistaat Thüringen. Prof. Dr. Karl-Friedrich Thöne. Strategische Überlegungen zum Politikfeld

Wohnungsbau-Plangebiet Zündorf II - Aus für die Klimaanlage von Köln?

CSR Mehrwert Workshop UMWELT. Nachhaltigkeit durch Dachbegrünung.

Neue Schwerpunkte für die Leitbilder zur Raumentwicklung in Deutschland. Vortrag am in Hannover Rainer Danielzyk

Perspektiven der Freiraumvernetzung in Köln

Bebauungsplan "Im Tal, 2. Änderung"

Werftdreieck Rostock. Arch. DI Michael Frischauf 17. März 2016 Bürgerdialogverfahren Campus-Universität Rostock

Weiterbildungsveranstaltung Arktische Klimaänderung Mo Uhr, Talstr. 35, Hörsaal 1

Regenwasser in der Stadt: Infrastruktur, Bäume und Stadtklima

Klimaanpassung und Klimaschutz Synergien und Konflikte. Stefan Greiving. Stefan Greiving

BAD KISSINGEN BEBAUUNGSPLAN PETER-HENLEIN-STRAßE GEMARKUNG GARITZ. 1. Änderung BEGRÜNDUNG REF. III - 2 AUFGESTELLT:

Physikalische Grundlagen energieeffizienten Bauens. Energieeffizientes Bauen Voraussetzungen, Faktoren, Gedanken. Zur Person

Lehrgang UrbaneR KlimaschutzbeauftragteR

Online-Befragung Was denken Sie vom Klimawandel? der Bürgerinnen und Bürger über das Beteiligungsportal des Landes

Jedem Bottroper sein Grün - Das Gartenlabor

Vorstellung der Ergebnisse des Friedlinger Dialogs

KLIMAATLAS REGION STUTTGART

Kraftwerk Staudinger Stellungnahme der Stadt Alzenau im Raumordnungsverfahren Vortrag im Stadtrat am 29. Januar 2009

Anpassung an den Klimawandel in München Grundlagen und kommunale Umsetzungsstrategie. METTOOLS IX, März 2015, Offenbach

Konversion Hubland WürzburgW vom Abzug zum Einzug. Prof. Dipl. Ing. Baumgart Stadtbaurat, Stadt Würzburg

Temperaturänderungen in der Metropolregion Hamburg

Transkript:

Prof. Kerstin Gothe, KIT Karlsruhe Fachgebiet Regionalplanung und Bauen im ländlichen Raum Untersuchungen in der Region Karlsruhe Conference: The greener, the merrier? Innovative approaches towards city development in France and Germany Paris, 19. 11. 2015

Unterscheidung von drei Ebenen der Klimastrategie in der Stadtentwicklung: Strategie des Schutzes des globalen Klimas (Mitigation), Strategie der Klimaanpassung an die nicht mehr vermeidbaren Folgen des Klimawandels (Adaptation) Energiewende (peak of oil).

Strategische Widersprüche dieser drei Ebenen untereinander: Klimaschutz und Energiewende machen eine hoch verdichtete, kompakte Stadt wünschenswert die Anpassung an den Klimawandel steht zu diesen Zielen zum Teil im Widerspruch: Aus dieser Perspektive sind dicht bebaute Innenstadtviertel problematisch, locker bebaute Einfamilienhaus-Gebiete positiv.

Karlsruhe sommerliche Wärmebelastung Sommerliche Wärmebelastung Vergleich Städte Deutschland 4

1961-1990 Klima im Wandel... ca. 2100 Karlsruhe Kopf, Sebastian; Ha-Duong, Minh; Hallegate, Stephane (2008) Karlsruhe 5

Urbane Strategien zum Klimawandel Untersuchung 2010 bis 2012 im Nachbarschaftsverband Karlsruhe Partner: Nachbarschaftsverband Karlsruhe, Dipl. Ing Heike Dederer geo-net, Peter Trute in Kooperation mit Prof. Dr. G. Gross Leibniz Universität Hannover, Institut für Meteorologie und Klimatologie Institut für Entwerfen von Stadt und Landschaft am KIT

Thema: Wie lassen sich mit stadtplanerischen Maßnahmen die negativen Folgen der Überwärmung ( Urban-Heat - Problematik) vermeiden oder minimieren? Lässt es sich verhindern, dass bei einer Nachverdichtung zusätzliche bioklimatische Problemgebiete entstehen? Welche Effekte haben kleinräumige Maßnahmen auf Quartiersebene?

Arbeitsschritte: Berechnung eines Klima-Zukunftsszenarios für den Zeitraum 2050 und 2090 (geo-net) Entwurf von Alternativen zur Nachverdichtung ausgewählter Stadtquartiere (KIT) Berechnung von Nachverdichtungskonzepten hinsichtlich ihrer kleinräumigen klimaökologischen Auswirkungen auf Quartiersebene (geo-net)

Klimaszenario:Temperaturen um 04.00 morgens im Hochsommer im Nachbarschaftsverband Karlsruhe Abschlussvernstaltung 27.09.2012 9

Zum Vergleich: Baustruktur im Nachbarschaftsverband Karlsruhe Abschlussvernstaltung 27.09.2012 10

Besonders von der Erwärmung betroffene Bereiche Hot-Spots Wärmebelastung 2090-99 Bereiche mit > 50 Tage mit PMV-Wert > 2.5 12

Kriterien zur Auswahl von Vertiefungsgebieten Landschaftstypen/Raumstrukturen o Nördliche Oberrhein Niederung Kraichgau Schwarzwaldrandplatte Klimatypen + Bioklimatisch hoch belastete Bereiche, (Noch) Gut durchlüftete Siedlungskörper Luftaustauschbereiche ++ Baustrukturtypen Hochverdichtete Innenstadtbereiche mit Umnutzungspotenzialen Innenstadtnahe Arrondierungen Dörfliche Strukturen 13

Drei Vertiefungsgebiete 2 3 1 14

Vertiefungsgebiet 1: Ettlingen - Luftbild 15

Vertiefungsgebiet 1: Ettlingen - Klimafunktionskarte sehr hohe, hohe bzw. mittlere Bedeutung für die Kaltluftlieferung, Kaltluftleitbahnen geringe bzw. mäßige bioklimatische Belastung der Siedlungsräume Erhöhte NO2 - Konzentrationen 16

, Entwurfsszenario A 17

Entwurfsszenario B 18

Frischluftversorgung Variante A Variante B Landschaftsgesteuerte Strömungssysteme 19

Entwurfsszenario B Variante A Kalt-/Frischluftversorgung: Variante A günstiger für das Ein- bzw. Durchströmen mit Kalt-/Frischluft! 20

Erkenntnisse Kaltluft aus den nördlichen Hängen von Ettlingen spielen größere Rolle als erwartet. Baukörperstellung beeinflusst das Eindringen der Kaltluft in der Nacht in den Siedlungsraum. Bedeutung der nächtlichen Belüftung über das Flusstal der Alb wurde überschätzt. Großzügiger Bebauungstrichter günstiger als schmale Belüftungsachsen. Am Tag heizen sich schattenlose Wiesenflächen ähnlich auf wie versiegelte Flächen. 21

Vertiefungsgebiet 3: Karlsruhe Ost, Luftbild Schloss KIT Zentrum Oststadt Bestandsquartier Gleisbauhof + Kleingärten Stadtumbaubereich A 5 22

Vertiefungsgebiet 3: Karlsruhe Ost, Klimafunktionskarte mittlere bzw. hohe bioklimatische Belastung der Siedlungsräume, Erhöhte NO2 - Konzentrationen mittlere bzw. hohe Bedeutung für die Kaltluftlieferung Kaltluftleitbahnen 23

Entwurfskriterien - Dichte (Klimaschutz-Ziel) gewerbliche Nutzung, GFZ 3.0 - Anpassungsfähige Raumstrukturen (Klima- Anpassungs-Ziel): Freiräume an Kaltluftströmen bei austauscharmen Wetterlagen ausgerichtet Grünraumstruktur teils schattenspendend (Kühlung am Tag), teils offen, (Luftaustausch- fördernd) 24

2 Varianten städtebaulicher Entwürfe Variante 1: Variante 2: 25

Variante 1 Entsiegelung/ -kernung der Blockinnenbereiche Aufstockung im Blockinneren und am Blockrand Öffnungen für Kaltluftzufuhr von Süden weniger Flächeninanspruchnahme geringe GRZ, höhere Gebäude 26

Variante 2 Ergänzung Blockstruktur stärkere Flächeninanspruchnahme Belassen der Blockinnenbereiche Schaffung grüner Trittsteine/Inseln Schaffung grüner Trittsteine/Inseln 27

Erkenntnisse Kleinräumig große Differenzen der Hitzebelastung Betrachtung der Temperatur / Behaglichkeit im Vordergrund Entsiegelung von Hofflächen / Fassadenbegrünung wirksamer als Pocketparks Die Entsiegelung großer versiegelter Flächen hat große positive Effekte, sofern bei der Bebauung Grünflächen entstehen. Die Bebauung grüner Kleingarten-Gebiete lässt dort die Wärmebelastung auf das oststadt-typische Niveau ansteigen. Schattenspendende Bäume wirken tagsüber kühlend, nachts können sie den Luftaustausch behindern. 28

Die Ergebnisse haben Eingang gefunden in den städtebaulichen Rahmenplan Klimaanpassung der Stadt Karlsruhe 29

Merci pour votre attention 30