Liebe Gemeinde, Geige spielen

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Transkript:

Eingangsgebet Voller Hoffnung, Gott, gehen wir in diese Tage: Weihnachten ist das Versprechen gelungener Zeit. Voller Zweifel, Gott, blicken wir in die Welt: Mord und Totschlag, Gier und Unglück wir können nicht daran vorbeiblicken. In ihrer Hoffnung, singt Maria ihr Lied, und mit ihr prägen wir uns ein: Was hoch ist, kannst du herunterholen, was niedrig ist, kannst du erhöhen. Was krumm ist, kannst du gerade machen, Berge, die vor uns liegen, kannst du eben machen. Dass wir mit Maria den Glauben an deine Gerechtigkeit nicht aufgeben, dass wir die Hoffnung auf dich nicht fahren lassen, Dass wir über all dem die Liebe nicht vergessen, nicht heute, nicht morgen, an keinem Fest- und Alltag, darum, Gott, bitten wir dich, Und darum, dass alle Welt sich freuen kann. Amen. Wer bin ich, wer soll ich sein? (Predigt über Johannes 1) Liebe Gemeinde, der Predigttext steht im Evangelium nach Johannes, Kapitel 1, 19-23: Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten Priester und Leviten von Jerusalem, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin's nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann?, dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach:»ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jesaja 40,3). Der Herr segne sein Wort an uns allen! Amen! Geige spielen Guten Abend, ich kenne die Stimme am Telefon nicht. Ich bin die Geigenlehrerin ihrer Tochter Paula. Ich wollte mal kurz mit Ihnen reden. Ja, selbstverständlich, gern. Ich bin etwas verdutzt. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, damit Sie dann nicht überrascht sind, dass wir jetzt das Tempo im Unterricht anziehen. Und sie müssen schon mit ihrer Tochter auch üben. Kein Problem, Paula übt meistens gern. Ich habe den Eindruck, dass ihr das Musizieren Spaß macht und sie stolz ist, wenn sie etwas kann.

Aber sie ist eben recht langsam. Und wenn sie dann nicht mehr mithalten kann mit den anderen, macht es ihr keinen Spaß mehr. Also denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe. Auch Paula muss sich anstrengen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Wie alt die Geigenlehrerin ist, weiß ich nicht. Paula jedenfalls ist gerade sieben Jahre alt geworden. Sie braucht etwas Unterstützung in Mathematik, damit sie den Anschluss nicht verpasst. Wir sollen doch bitte etwas Lesen üben mit unserer Tochter, meint die Deutschlehrerin. Und die Geigenlehrerin ruft an, dass es für Paula Zeit wird, mehr zu tun für ihr Instrument. Paula, wer bist du? Paula, wer möchtest du sein? Ein ganz normales Mädchen! Das spielt, das malt, das lacht, das seine Eltern ärgert. Darfst du die sein, die du sein willst? Können deine Eltern dir den Weg ebnen, dass du die wirst, die du bist? Oder machen deine Eltern die aus dir, die andere haben wollen? Paula, wer bist du? Johannes I Du hättest ein ganz anderer sein können. Das war deine Chance. Johannes, was hätten andere darum gegeben, ein Prophet, Elia oder gar Messias genannt zu werden? Das war deine Chance, aus dir und deinem Leben etwas zu machen. Beneidenswerter Johannes, du weißt, wer du bist, du bist, was du bist, aus Überzeugung. Johannes, Wüstenprediger, du hast richtig gewählt. Und was sollen wir tun? Melancholie Er zögert. Ist unschlüssig. Er will seiner Tochter nicht vor den Kopf stoßen. Will es ihr recht machen und anderen recht machen. Will es am Ende allen recht machen sein Leben lang. Ja, Weihnachten in der Familie feiern, ist etwas Schönes. Vielleicht singt man ja sogar gemeinsam. Vielleicht bleibt der Fernseher aus. Vielleicht wird es ein schöner Abend! Eigentlich aber will er nicht mit seiner Tochter und ihrer Familie feiern. Eigentlich will er allein sein. Eigentlich will er dieses erste Weihnachten ohne sie, ohne seine Frau, still verbringen. Eigentlich, ja eigentlich. Es gibt zwei Leben in seinem Leben. Das Leben vor ihrem Tod und das Leben nach ihrem Tod.

Und mit seinem zweiten Leben kommt er noch nicht zurecht, will er auch gar nicht zurechtkommen. Aber er hat das Gefühl, dass er dieses Weihnachten anders feiern muss als die Weihnachten zuvor. Er hat das Gefühl, dass das nicht geht: Mit anderen um den Weihnachtsbaum zu sitzen. Er hat das Gefühl, dass er Zeit braucht, sich an sein zweites Leben zu gewöhnen. Aber ob seine Tochter das verstehen kann? Ob er ehrlich sein kann? Ob er sich traut, so zu sein, wie er sein will, der zu sein, der er gerade ist: Der Traurige, der nicht mit der Familie Weihnachten feiern will? Wer, trauriger Mann, bist du? Wer kann dir helfen, so zu sein, wie du bist? Johannes II Hättest wohl Priester werden können wie dein Vater und ein angesehener Mann. Hättest deinen Eltern einen Grund geben können, stolz auf dich zu sein. Du hast den Kamelmantel gewählt. du hast die Wüste gewählt. du hast dich entschieden, einem anderen den Weg zu bereiten, statt andere zu dir aufsehen zu lassen. Johannes, du hast richtig gewählt. Und was sollen wir tun? Business-Man Er war ein gemachter Mann. Ganz klar. Er war seines Glückes Schmied, er hatte das Eisen geschmiedet, so lange es heiß war und die sich bietenden Gelegenheiten beim Schopf gepackt. Als selbstständiger Unternehmer hatte er ein ansprechendes Anwesen, Hausangestellte kümmerten sich um die Sorgen des Alltags, er hatte sich auch die dicke Haut zugelegt, die man als erfolgreicher Business-Man braucht. Die kleinen Gehässigkeiten, der Neid hie und da, die perlten an ihm ab. Als er aber auf dem Baum saß, und als dann Jesus unter seinem Baum vorbeiging, und als der dann zu ihm sagte: Zachäus, heute will ich bei dir einkehren! Da war alles anders. Wer war er? War er der Business-Man? War er der erfolgreiche, manchmal hartherzige, manchmal knallharte Mann oder war er ein ganz anderer? Wer war er? Ob er in diesem Momenten erkannte, wer er ist? Zachäus wurde jedenfalls in seiner Begegnung mit Jesus klar: Business-Man allein kann, will, darf ich nicht sein.

Johannes III Johannes, Wüstenprediger, du hattest die Wahl - oder hattest du doch keine Wahl? War dir die Überzeugung, wer du bist, so fest, so unerschütterlich, so unausweichlich in dein Herz gelegt, dass du nicht anders konntest, als den Kamelhaarmantel zu tragen, die Buße zu predigen, Jesus den Weg zu bereiten? Und konnte dich nichts, kein Stolz, keine Verlockung, kein Zweifel, keine Angst, von deiner Überzeugung abbringen? Johannes, Wüstenprediger, ich staune über dich. Und was soll ich tun? Bonhoeffer Im Gefängnis, allein, stark und verzweifelt, fasst Dietrich Bonhoeffer Gedanken und Gefühle in einem Gedicht zusammen. Er hat es überschrieben mit den Worten: Wer bin ich? Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle gelassen und heiter und fest wie ein Gutsherr aus seinem Schloß. Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich spräche mit meinen Bewachern frei und freundlich und klar, als hätte ich zu gebieten. Wer bin ich? Sie sagen mir auch, ich trüge die Tage des Unglücks gleichmütig, lächelnd und stolz, wie einer, der Siegen gewohnt ist. Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung, umgetrieben vom Warten auf große Dinge, ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne, müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen, matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen? Wer bin ich? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer? Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling? Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer, das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg? Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott. Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

Wir alle Die Bibel ist ein fantastisches Buch. Sie erzählt von Menschen, die die werden, die sie sein sollen: Zachäus zieht den Business-Man aus, Johannes ist Wegbereiter. Unsere Welt ist voller fantastischer Menschen, von Gott beschenkt mit Talenten, Mut und Kraft. Sich selbst zu finden, ist trotzdem nicht einfach. Können die Eltern Paula helfen, die zu werden, die sie ist und sein will? Kann die Tochter ihrem Vater helfen, zu trauern wie er trauern will? Dein bin ich, o Gott! So schließt Bonhoeffer sein Fragen nach sich selbst ab. Dein bin ich, o Gott! Hat das auch Johannes gelebt und geglaubt? Ja, wir alle gehören Gott. Paula und der trauernde Mann. Zachäus und Dietrich Bonhoeffer. Wir alle gehören Gott. Die Hirten und Maria. Josef und die Könige. Wir alle gehören Gott. Das zu leben, das vorzuleben, das könnte das Geheimnis sein von Dietrich Bonhoeffer und Johannes, dem Wüstenprediger, von allen Wegbereitern und Steine-Wegräumern. Gott schenke uns viel Vertrauen in unsere Gotteskindschaft. Amen. Fürbittengebet Vaterunser Meine Zeit, Gott, Meine Liebe und mein Mut, Gott, Mein Glauben und mein Vertrauen, Gott, Meine Barmherzigkeit, Gott, Habe Geduld mit uns, wenn wir suchen und irren, wenn wir schwanken und wanken, welchen Weg wir gehen sollen. Schenke uns Geduld mit uns, damit wir nicht aufhören zu fragen, damit wir nicht müde werden zu tasten, wer wir sind und sein sollen. Dass wir anderen Wege ebnen, dass wir anderen Hürden zur Seite räumen, dass wir anderen Berge abnehmen können. Denn wir alle sind deine Kinder, das wissen wir gewiss durch Jesus Christus, unseren Bruder.