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Transkript:

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Bewerben 2.0 16 Bewerbung mit 140 Buchstaben 19 Recruiter aufgeschlossen für neue Medien

Bewerbung Facebook ist Freizeitvergnügen, Youtube jugendlicher Leichtsinn, Twitter Zeitverschwendung. Unternehmen sehen das anders: Sie nutzen soziale Netzwerke, um sich als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren und bieten dort auch Stellen an. Funktioniert das denn? Von Petra Engelke Anschreiben. Lebenslauf. Zeugnisse. So viele Worte und Zahlen fließen in eine Bewerbung ein, und die sind ja schon eingedampft aus all den Ideen im Kopf. Dann muss noch jede Formulierung passen, die richtige Mischung aus dem Selbstbewusstsein eines Spitzentalents und der Leidenschaft eines Firmenfans rüberkommen, nach Nullachtfuffzehn soll das Ganze auch nicht aussehen. Und jetzt kommt Twitter: 140 Zeichen, mehr geht nicht. Wie, bitteschön, soll man sich denn so bewerben? Magische Zahlen erwecken den Eindruck, man könnte tatsächlich direkt über Twitter einen Job bekommen: UPS hat in den USA seit April 2009 einen Twitter-Kanal. Im Septem- ber 20 sind darüber 142 Bewerbungen eingegangen, sieben Kandidaten arbeiten jetzt bei UPS. Der ambitionierte Mensch kann also schon einmal darüber nachdenken, wie er den klassischen Elevator Pitch die knackige Selbstdarstellung, mit der man den zukünftigen Chef im Aufzug zwischen zwei Stockwerken für sich gewinnt noch einmal verkürzen könnte. Das hilft nämlich, gute Formulierungen zu finden. Aber Bewerbungen werden auch in Zukunft nicht in einem Satz verpackt. Twitter für spezielle Fragen Geht es um einen konkreten Job, dann nutzen potenzielle Bewerber den Twitter-Kanal bislang vor allem, um spezielle Fragen loszuwerden, beobachtet Marc-Stefan Brodbeck, Leiter Recruiting & Talent Service bei der Deutschen Telekom. Sie wollen zum Beispiel wissen, ob ihr Schnitt ausreicht oder ob sie sich selbst dann bewerben sollten, wenn sie nicht alle Anforderungen der Stellenausschreibung erfüllen. In der Regel nutzen die Kandidaten anschließend unsere Jobbörse, um sich von dort aus online zu bewerben, so Brodbeck. 16 I 17 karriereführer hochschulen.11

mit 140 Buchstaben Ob es Twitter, Facebook oder Xing ist: Eine Bewerbung mithilfe von sozialen Netzwerken läuft eben meist über mindestens eine weitere Ecke. Jemand bewirbt sich klassisch, aber auf eine Jobanzeige, die über den Twitter-Kanal gelaufen ist. Jemand schreibt einen Personalverantwortlichen direkt auf Xing an, der leitet das Profil an eine Kollegin in einem anderen Geschäftsbereich weiter, die kontaktiert den Bewerber. So etwas ist mittlerweile völlig normal, sagt Dr. Nico Rose, verantwortlich für Employer Branding bei Bertelsmann. Dabei gilt: Am Ende steht in 99,9 Prozent der Fälle immer noch die klassische Gesprächsrunde vor Ort beim Unternehmen. Ulrike Brand wollte genauer wissen, wie soziale Netzwerke bei der Stellenausschreibung bereits genutzt werden. Während eines Praktikums bei Kienbaum Communications bekam die Psychologiestudentin einen ersten Einblick ins Thema Social Media Recruiting und stellte fest, dass entsprechende Untersuchungen bislang immer nur aus Unternehmenssicht durchgeführt wurden. So nahm sie für ihre Masterarbeit potenzielle Bewerber in Augenschein. Auf die Befragung wurde im Juni 20 unter anderem über die karriere- führer-facebook-seite hingewiesen. Das Ergebnis: 75,4 Prozent der 1155 Teilnehmer kannten Social Media Recruiting schon vor der Befragung. Aber nur ein sehr geringer Prozentsatz (3 %) gab an, diese Art Angebote für die eigenen Bewerbungen bereits genutzt zu haben. Daraus folgert Ulrike Brand: Will ein Unternehmen Social Media erfolgreich für Personalmarketingzwecke nutzen, muss es kommunizieren, welchen Mehrwert ein Bewerber hat, der die entsprechenden Angebote nutzt. Facebook? Aber sicher! Die Ergebnisse dieser Social Media-Studie Private soziale Netzwerke im Personalmarketing und Recruiting Erwartungen der Kandidatenzielgruppen 20 von Kienbaum Communications bestätigen die Annahme von Lisa Behrendt, Bereichsleiterin Online & Interactive und Initiatorin der Studie, dass die Zielgruppe noch nicht so weit sei, wie es Arbeitgeber vermuten. Den wenigsten ist bekannt, dass man beispielsweise auch auf Facebook Informationen über Arbeitgeber findet. Zudem haben die meisten große Angst um ihre Privatsphäre. Absolventen empfiehlt sie daher, sich mit den Sicherheits- und Privatsphäreeinstellungen ihrer Profile zu befas-

sen und auf anzügliche, diskreditierende Äußerungen zu verzichten. Ob Businessnetzwerke wie Xing oder soziale Netzwerke wie Facebook: man sollte sich stets professionell präsentieren. Für Facebook bedeutet dies, privat, aber seriös zu kommunizieren. Schließlich gilt Facebook noch als privates Netzwerk, und so erwartet auch der Arbeitgeber dort einen echten, authentischen Auftritt des Bewerbers im Vergleich zum seriösen Xing-Profil, so Lisa Behrendt. Etikette auch im Netz gefragt Insbesondere große Unternehmen testen derzeit, ob und wie sie Social Media nicht nur zur Selbstdarstellung, sondern auch zur Stellenbesetzung nutzen können. Wir wissen nicht, ob sich Facebook wirklich für die berufliche Ansprache eignet, sagt Dr. Wolfgang Achilles, Geschäftsführer bei Jobware. Wir haben in die Entwicklung unseres Stellenmarktes als Facebook-App investiert, um das Potenzial von Facebook für die Gewinnung von Kandidaten zu messen. Bewerbern rät er, sich vom lässigen Umgangston nicht anstecken zu lassen viele Unternehmen legten seiner Erfahrung nach weiterhin Wert auf Etikette. Wer Social Media für die Karriere nutzen möchte, sollte also im Zweifelsfall siezen, auf ein seriöses Profilfoto achten und einen möglichst ausführlichen Lebenslauf parat halten. Spezielle Businessnetzwerke wie Xing bieten weitere Möglichkeiten: Wichtig sind im Profil nicht zuletzt die Felder Ich suche/biete, sagt Stefan Schmidt-Grell, Director Product Marketing und verantwortlich für das E-Recruiting bei Xing. Neben einem aussagekräftigen Profil sollte das Mitglied auch die Chance nutzen, sich mit Beiträgen in Gruppen zu beteiligen oder an Events teilzunehmen, die von anderen Xing-Mitgliedern über die Plattform veranstaltet werden. Gerade für Jobeinsteiger lohnt es sich, über solche Wege mit wichtigen Vertretern der Branche persönlich ins Gespräch zu kommen. Ulrike Brand war bei der Stellensuche erfolgreich. Seit Oktober 20 arbeitet sie in der Personalentwicklung von Bosch Rexroth ohne dass bei der Bewerbung soziale Netzwerke im Spiel waren. Aber ich nutze soziale Netzwerke durchaus, um in Kontakt zu bleiben mit Kollegen aus früheren Praktika oder Kommilitonen aus dem Studium, sagt sie. Auch Dr. Wolfgang Achilles findet: Es hat noch nie geschadet, die richtigen Leute zu kennen. Allerdings sei es immer selbstverständlich gewesen, Beziehungen vertraulich zu behandeln. Wer sein Netzwerk auf Facebook pflegt, gehe das Risiko ein, dieses Tabu zu brechen: Es wird ersichtlich, wo Beziehungen eine Rolle gespielt haben könnten. Die Vitamin-B-Strategie ist in der Karrierewelt wohlbekannt, und die Reichweite und Schnelligkeit der Social Media eröffnet neue Chancen. Aber Vorsicht: Das Internet vergisst nie. Das sollte man bedenken, bevor man Kontakte und Informationen veröffentlicht. 18 I 19 karriereführer hochschulen.11

Recruiter aufgeschlossen für neue Medien Prof. Dr. Christoph Beck unterrichtet an der University of Applied Sciences Koblenz das Lehrgebiet Human Resource Management. Mit dem Einsatz von Social Media im Personalmarketing und Recruiting beschäftigt er sich seit mehreren Jahren und räumt mit Vorurteilen über Partyfotos und Twitter-Jobs auf. Von Petra Engelke Herr Beck, Sie haben 110 deutsche Wirtschaftsunternehmen hinsichtlich Social Media Marketing und Recruiting untersucht. Was hat Sie bei den Ergebnissen am meisten überrascht? Wir haben untersucht, wie aktiv die Unternehmen auf den unterschiedlichen Social MediaPlattformen sind. Dabei haben wir festgestellt, dass nur 15 Unternehmen einen Aktivitätsindex oberhalb von 25 Prozent haben (mehr dazu im Infokasten auf Seite 20). Das ganze Thema steckt immer noch in den Kinderschuhen. Was fehlt denn noch? Die Mehrheit der Unternehmen macht sich schlau. Sie haben Accounts angelegt, sind also Social Media-interessiert, wissen aber noch nicht so ganz, was sie im Netz machen sollen und wie sie es machen sollen. Was ist umgekehrt für Absolventen das A und O, um mithilfe von Social Media einen Job zu finden? Erst einmal müssen wir die Hürde schaffen, dass Social Media-Plattformen den privaten Bereich verlassen. Bis heute suchen Hochschulabsolventen auf Facebook selten nach Unternehmensprofilen. Mit zunehmendem Engagement der Unternehmen und mit zunehmender Verbreitung wird man sich gegebenenfalls mittels Social Media auch als Bewerber bei Unternehmen positionieren können. Das heißt, eigentlich müsste der Studierende heute schon aktiv nach Unternehmensprofilen auf den Social Media-Plattformen suchen, um ohne den Druck, bald eine Stelle zu brauchen, schon einmal Kontakt zu knüpfen. Eine Zeit lang waren Facebook und StudiVZ mit Blick auf den Beruf höchstens verbunden mit der Angst, dass Personalbeauftragte sich das Profil anschauen könnten. Hat sich daran schon etwas geändert? Ach, das war ja schon immer Quatsch. Es gab dazu einmal eine Studie von einem Ministerium mit einer völlig unrepräsentativen Stichprobe. So etwas nehmen die Medien dann auf

und sagen: Die Personaler schauen sich auf den Social Media-Plattformen deine Partyfotos an. Also, erst einmal gilt es dazu festzuhalten: Ein Personaler hat nicht die Zeit dafür, sich Tausende von Profilen anzuschauen. Ich will nicht sagen, es kommt nicht vor. Natürlich googelt man den einen oder anderen Kandidaten. Aber wenn die fachliche Qualifikation stimmt und auch ansonsten alles passt, würden viele Personaler den Bewerber trotz Partyfotos einladen. Studie: Social Media-Aktivitäten im Personalmarketing und Recruiting Zwischen Juli und September 20 untersuchten Christoph Beck und Gero Hesse 110 Unternehmen. In ihrer embrace-studie betrachten sie deren personalmarketing- und recruitingbezogene Aktivitäten auf acht Social Media-Plattformen: Youtube, Twitter, Kununu, Facebook, Xing, LinkedIn, StudiVZ und SchülerVZ. Sie schauten zunächst an, ob auf den Karrierewebseiten des jeweiligen Unternehmens für Profile in diesen sozialen Netzwerken geworben wird und wie die Unternehmen sich dort engagieren. Dazu nutzten sie quantitative und qualitative Untersuchungsmethoden: Festgehalten wurde beispielsweise nicht nur, ob auf Youtube ein eigener Karrierechannel existiert oder ob es Videos gibt, sondern auch, wie oft diese aufgerufen wurden. Anhand von 85 Kriterien ermittelten sie schließlich einen Aktivitätsindex. Spitzenreiter ist demzufolge die Deutsche Telekom mit einem Aktivitätsindex von 63,33 Prozent. Ihr folgen Bayer (61,73 %) und Daimler (61,25 %). Quelle: www.embrace-info.de Womit macht man sich denn wirklich unmöglich? Sicherlich schädlich sind extreme politische Äußerungen. Oder wenn jemand in seiner sozialen Kommunikation sehr einseitig abfällig kommuniziert, etwa über seine letzten Praktikumsplätze extrem schlecht spricht. Von solchen Bewerbern würden Personaler Abstand nehmen. So lange sich alles im normalen Maß bewegt, geht die Gefahr nicht vom Personaler aus. Wissen Sie, wer das Hauptproblem ist? Jetzt bin ich gespannt. Die unterschätzte Gefahr sind die künftigen Kollegen. Kaum ist der Name der neuen Kollegin bekannt, entwickeln diese große Akribie, im Internet zu recherchieren: Was hat die Frau Müller gemacht? Ah, die gibt Tantra-Kurse! Das ist eine Information, die Kolleginnen und Kollegen absolut prickelnd finden. Wie kommt es, dass Facebook und Twitter als seriös genug gelten für Personalmarketing? Die Umkehrfrage ist ja: Warum sollte es unseriös sein? Nun, manche haben zum Beispiel ein Problem damit, dass man sich dort meistens duzt. Ich denke, viele Mitarbeiter im Personalmarketing und Recruiting sind heute den neuen Medien gegenüber aufgeschlossen. Sie haben dort recht wenig Probleme damit, zu entscheiden, ob sie duzen oder siezen. Das ist ja eine Kulturfrage: Es gibt Unternehmen, da duzt man sich bis zum Vorstand, und es gibt andere, in denen sich im Extremfall die Auszubildenden gegenseitig siezen. Was 20 I 21 karriereführer hochschulen.11

Personalmarketing und Recruiting zu Social Media treibt, ist ganz einfach: dass die Zielgruppen sich dort bewegen. Wann hat es eigentlich angefangen, dass Unternehmen sich so viel Mühe geben, bei Bewerbern gut anzukommen? Ich denke, das läuft zyklisch. Es gab zu jeder Zeit Schwierigkeiten, gute und passende Leute zu finden. Wir haben noch nicht generell einen Fachkräftemangel, sondern er zeichnet sich in bestimmten Tätigkeitsbildern ab, sei es im Ingenieurwesen, in der IT oder im Vertrieb. Trotzdem ist natürlich schon erkennbar, dass immer weniger Jüngere nachkommen, dass die Altersstruktur in den Unternehmen immer schlechter wird. Da sehe ich schon einen Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Wie wirken sich Bewertungsplattformen wie Kununu aus? Wenn ich meine Studierenden frage, was sie von einem Arbeitsplatz erwarten, sagen sie: Work-Life-Balance. Dann kriege ich die Krise und sage: Super, ihr habt noch nie gearbeitet, wollt aber schon die Life-Balance. Das ist schlussendlich der Erfolg der medialen Arbeit rund um das Thema Arbeitgeberattraktivität. Wir leben in einer Welt der Rankings und Bewertungen: Wenn wir uns in New York Hotelbewertungen anschauen und zehn Leute sagen, das Hotel sei ganz gut, dann buchen wir. Genauso nehmen auch in Zukunft Bewertungen der Arbeitgeber einen bestimmten Stellenwert ein. Viele Unternehmen bieten auf ihren Websites Online-Bewerbungen an. Welche anderen Wege können Bewerbungen gehen, wenn man Social Media dazu nutzt? Man muss zwischen der wahren Welt und der medialen Welt unterscheiden. Wie viele Leute wurden denn bis heute über Twitter rekrutiert? Wenn ich das messe, erhalte ich eine so verschwindend geringe Zahl, dass man sich die Frage stellen muss: Lohnt sich das überhaupt? Social Media ist kein Recruitinginstrument, sondern ein Personalmarketinginstrument. Damit mache ich mich bekannt, schaffe Traffic, bin interaktiv mit den Zielgruppen und zeige Möglichkeiten auf. Wenn ich aber die Ergebnisse anschaue, dann ist immer noch das Haupt-Recruitinginstrument für viele Unternehmen das Praktikum. Bekommt man denn ein Praktikum über Social Media? Klar! Facebook ermöglicht beispielweise, Praktikantenstellen oder Veranstaltungshinweise zu verbreiten. Man darf aber nicht vergessen, dass wir uns derzeit nur über eine geringe Zahl an Unternehmen unterhalten, die in Social Media aktiv sind. 22 I 23 karriereführer hochschulen.11