Transparenz informellen Lernens in Unternehmen

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Transkript:

Nürnberg, 5. und 6. November 2007 : Theorie und Praxis der Kompetenzfeststellung im Betrieb Transparenz informellen Lernens in Unternehmen Eckart Severing

Der Erwerb beruflicher Kompetenzen Teilnehmerstudien der Lernforschung belegen Bedeutung und Umfang informell erworbener beruflicher Kompetenen. [Livingstone 1999: NALL-Erhebung; Coffield 2000; Baetge, Baethge-Kinski 2004: SoFi/BISS-Erhebung 2001-2004 u.a] Programme vor allem der EU-KOM ( Aktionsprogramm Lebenslanges Lernen seit 2002) stellen informelles Lernen im Lebenslauf in den Vordergrund. [u.a. EU-Kommission 2001, 2005] Die Diskussion zu europäischen Standards der Berufsbildung bezieht sich weitgehend auf Ergebnisse formellen und gleichwertig informellen Lernens. [Positionspapiere der EU-KOM zum EQF und zu ECVET]

Berufliche Kompetenzen in Unternehmen Betriebliche Fachkräfterekrutierung erfolgt im Maße der Ausdifferenzierung und Dynamik der Arbeitsteilung entlang von Kompetenzprofilen statt entlang von Berufsbildern. Kompetenzmessung und -bewertung wird daher zu einer wesentlichen Aufgabe des betrieblichen Personalmanagements. Die Ergebnisse betrieblicher Kompetenzmessung und -bewertung stehen in Deutschland unverbunden neben den Qualifikations- und Kompetenznachweisen des formalen Bildungssystems.

Betriebliche Stellenbesetzung: Reichweite der Allokationsfunktion des Berufsbildungssystems? An- und ungelernte Tätigkeiten Facharbeit Akademische Berufe t Keine Ausbildung Duale Ausbildung Hochschule

Eigenarten der Zertifizierung der formalen beruflichen Ausbildung Enge Verbindung mit spezifischen Bildungsgängen Zertifizierungen beziehen sich auf einen Prüfungskanon, der i.d.r. die Reproduktion von Fachwissen bewertet. Standardisierung sichert Erkennbarkeit und Vergleichbarkeit. Zertifikate der Berufsbildung beanspruchen eine nachhaltige Gültigkeit: Prinzip des Lebensberufs. Zertifikate verschiedener Bereiche des Bildungssystems sind untereinander und zur wesentlichen Teilen der Weiterbildung inkompatibel.

Abschottung im Bildungssystem Flexibilisierung im Beschäftigungssystem An- und ungelernte Tätigkeiten Facharbeit Akademische Berufe Individuelle Erwerbsverläufe Geringere Planbarkeit Häufigere Tätigkeitswechsel t Abschlüsse unterhalb der Berufsschwelle Keine Ausbildung Zusatzqualifik. 2jährige Berufe Bachelor prof.? Duale Ausbildung Master Bachelor Hochschule

Eigenarten von Kompetenzermittlungsverfahren in Unternehmen Keine Standards, geringe Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen. [Erpenbeck, v. Rosenstiel 2003; Erpenbeck 2005] Geringe Aussagekraft außerhalb des Erhebungskontextes. Eingeschränkte Mobilität und Verwertbarkeit jenseits aktueller Arbeitsanforderungen. Hohe Heterogenität und Kurzlebigkeit von Verfahren und Instrumenten. Anwendung i.d.r. eher in großen als kleinen Unternehmen. Unzugänglich für individuelle Nachfrager

Zwischenergebnis Ergebnisse des informellen Lernens werden wenn überhaupt nur in nicht nachhaltig verwertbaren (betrieblichen) Kompetenzmessungen erfasst. Zugleich sind sie für die betriebliche Arbeitsorganisation entscheidend. Zertifikate der formalen beruflichen (Erst-)Ausbildung bilden Ergebnisse informellen Lernens nur unzureichend ab. Zugleich entscheiden sie unbedingt über Chancen in Bildungssystem und bedingt über Chancen im Beschäftigungssystem.

Varianten des Verhältnisses von Nachweisen formalen und informellen Lernens (Laur-Ernst 2001; Frank 2004) Parallelität: Betonung der eigenständigen Qualität informellen Lernens. Identifizierung und Bewertung getrennt vom Bildungssystem. Komplementarität: Feststellung von Übereinstimmungen mit dem Bildungskanon von Bildungsinstitutionen. Keine Vergabe von Abschlüssen. Konvergenz: Informell Erlerntes wird an formalen Qualifikationsstandards (meist der Erstausbildung) gemessen und führt zu gleichwertigen Zertifikaten.

Europäische Entwicklungen Mobilitätsinstrumente der EU-KOM (EQF, ECVET) beziehen sich auf learning outcomes und schließen Ergebnisse informellen Lernens explizit ein. Die Aufwertung der Ergebnisse informellen Lernens ist in mehreren Mitgliedsstaaten Programm. Sie ist regelmäßig mit Reformen im Berufsbildungssystem verbunden. In mehreren Ländern geht es um eine konvergente Ergänzung des traditionellen Zertifizierungssystems. Beteiligung der wesentlichen Akteure der formalen Bildung an der Entwicklung soll breite Akzeptanz sichern und die Ausrichtung von Standards auf den Bedarf einzelner Akteure verhindern.

Mögliche Konsequenzen für die Entwicklung der deutschen Berufsbildung Öffnung der Zertifizierungsangebote des formalen Bildungssystems für Seiteneinsteiger, dadurch bessere Erkennbarkeit und Standardisierung: Erleichterter Zugang zur Externenprüfung der zuständigen Stellen Anrechnung informell erworbener und nachgewiesener Kompetenzen in der wissenschaftlichen Weiterbildung Etablierung und Vermarktung von Transparenzinstrumenten von Lernergebnissen unterhalb der Berufsschwelle Beispiele: EDCL, Sprachenzertifikate Vermarktung bei Lernenden und Arbeitgebern Wirkungen der Reformimpulse der europäischen Berufsbildungspolitik: Bildungspass, ECVET

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Severing.Eckart@f-bb.de http://www.f-bb.de