Der Tod und die Medizin
Daniel Schäfer ist Arzt, Medizinhistoriker und Professor am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität zu Köln. Schon früh begeisterten ihn sowohl Life Sciences als auch Geisteswissenschaften, deshalb studierte er Medizin und Germanistik. Eine kreative Verbindung fand sich schließlich in der Medizingeschichte, über die er seit 1995 an der Universität zu Köln lehrt und forscht. Literarische Neigungen zum Vergänglichen offenbaren bereits seine beiden Dissertationen zum Tod im Spätmittelalter (Germanische Philologie) und zum historischen Kaiserschnitt an der toten Frau (Humanmedizin). Auch die Habilitation über den ärztlichen Blick auf das Alter in der Frühen Neuzeit thematisiert die letzte Lebensphase. Seit einiger Zeit arbeitet Schäfer zu medizinischen Todeskonzepten, zur Geschichte des Gesundheitsbegriffs und über Entwürfe eines guten Alter(n)s in Geschichte und Gegenwart.
Daniel Schäfer Der Tod und die Medizin Kurze Geschichte einer Annäherung
Daniel Schäfer Institut für Geschichte und Ethik der Medizin Universität zu Köln Deutschland ISBN 978-3-662-45206-6 DOI 10.1007/978-3-662-45207-3 ISBN 978-3-662-45207-3 (ebook) Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Spektrum Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz- Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Planung: Frank Wigger Einbandabbildung: deblik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Spektrum ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-spektrum.de
Vorwort Seit das Schreiben erfunden wurde, gibt es Literatur über das Sterben. Auch die Geschichte des Todes ist (nicht erst seit Philippe Ariès) ein gut erkundetes Terrain der Kulturund Mentalitätshistorie, der Archäologie, der Demografie und vieler anderer Wissenschaftsdisziplinen. Längst haben Medizingeschichte und Medizinethik den Tod entdeckt, vielleicht zuerst bei der Untersuchung spektakulärer Seuchen und der vermeintlich gruseligen Anatomie. Inzwischen füllen die Analysen zu Sterbehilfe, Palliativmedizin und Organtransplantation ganze Bibliotheken. Doch wesentlich seltener wird über den beruflichen Umgang des Arztes 1 mit Sterbenden oder gar seine theoretische Auseinandersetzung mit Sterben und Tod reflektiert. Und schließlich finden sich verständlich angesichts der Komplexität der einzelnen Themen kaum fach- oder epochenübergreifende Darstellungen. Nur gelegentlich stellen Publikationen Bezüge zwischen den einzelnen Bereichen her, in denen 1 Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren Ärzte fast immer Männer, aber demnächst gibt es in Deutschland mehr Ärztinnen als Ärzte. Selbstverständlich behandel(t)en sie auch Patientinnen oder hatten mit Sterbenden (Frauen) zu tun. Deshalb sind in diesem Buch mit Ärzten, Patienten und weiteren sozialen Gruppen selbstverständlich beide Geschlechter gemeint, sofern dies der historischen Realität entspricht.
VI Der Tod und die Medizin Medizin und Tod einander begegnen, und fast nie weisen sie auf Bindeglieder zwischen Geschichte und Gegenwart dieser Begegnungen hin. Was hat die erste Herzverpflanzung mit der medizinischen Todesfeststellung zu tun, was der Wunsch nach Sterbehilfe mit der Medikalisierung des Ablebens im westlichen Kulturkreis und was die Erfindung des Reihengrabes mit der zeitgleichen Abnahme der Kindersterblichkeit? Dieses Buch will keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse im engeren Sinne vermitteln; vielmehr will es einem breiten Publikum neue Überblicke bieten. Es soll Lust machen zum (Wieder-)Entdecken der vielfältigen Bezüge, die zwischen Heilkunde und Lebensende im jeweiligen zeithistorischen Kontext bestanden und bestehen. Als Zeitrahmen werden dabei die vergangenen drei Jahrtausende aufgespannt; der kulturelle Fokus richtet sich auf das Abendland. In fünf Kapiteln sowie einigen Exkursen soll mit vielen unterhaltsamen Beispielen ein breites medizinund kulturhistorisches Panorama vor Augen geführt und stets auch die Brücke zur Gegenwart geschlagen werden wodurch sich manche aktuelle Positionen und Probleme erklären. Die Darstellung beginnt mit der etwas trockenen Frage nach einer Definition und Deskription des Todes konnten Mediziner dazu eigene Antworten jenseits von Philosophie und Theologie entwickeln? Die weiteren Kapitel orientieren sich dann stärker an der medizinischen Praxis: Wie wurde und wird der bevorstehende Tod erkannt, wie der eingetretene festgestellt, und was davon war zu welcher Zeit wichtiger? Henker oder Helfer, machtlose Sterbliche oder erbitterte Kämpfer gegen den Tod welche Rollen nehmen die Heiler angesichts der letzten Dinge ein?
Vorwort VII Wie haben sich Ursachen und Umstände des Sterbens verändert, und wie gehen Ärzte mit Sterbenden um: mit ihnen leidend, sie meidend oder gar als Versuchsobjekte missbrauchend? Und schließlich: Was bedeutet die Leiche für den Mediziner: Entsorgungsproblem, Studierobjekt oder gar Organbank? Am Ende soll ein knappes Resümee, gewissermaßen als roter Faden des ganzen Buches, die zwei großen Verbindungslinien zwischen den vielen verschiedenen Themen verdeutlichen: einerseits die fortwährende Distanz zwischen Heilkunde und Tod, die nur auf den ersten Blick erstaunlich ist, und andererseits eine vorsichtige Annäherung der beiden ungleichen Partner über die Jahrhunderte. Tod und Medizin es ist auch für den Autor erstaunlich, wie groß die Berührungs- und Reibungsflächen zwischen diesen beiden Antagonisten waren und sind und welche produktiven, aber auch destruktiven Energien aus diesem Spannungsverhältnis entstehen können. Er dankt dem Verlag Springer Spektrum für die Bereitschaft, ein Buch über ein so breites Thema zu wagen und seine Entstehung sorgfältig zu begleiten. Und er wünscht seinen Leserinnen und Lesern eine dementsprechend unerschrockene, aber auch spannende Lektüre.
Inhalt 1 Was ist der Tod?... 1 2 Den Tod erkennen den Tod vermeiden... 53 3 Ärztliches Image im Umgang mit dem Tod... 95 4 Woran, wie und wo wir sterben... 149 5 Nach dem Tod: Umgangsweisen mit der Leiche... 191 6 Medicine meets death ein Resümee... 229 Index... 235