Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter zum Osterfest am 16. April 2017 im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in München

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Transkript:

1 Predigt des Erzbischofs em. Friedrich Kardinal Wetter zum Osterfest am 16. April 2017 im Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern in München Vor einem Monat wurde die Renovierung des hl. Grabes in der Auferstehungskirche in Jerusalem abgeschlossen. Bei diesen Arbeiten wurde seit 200 Jahren zum ersten Mal die Marmorplatte gehoben, die auf dem Grab lag, in das Jesus nach seiner Kreuzigung gelegt worden war. Die Arbeiter sahen das Grab leer, wie es Maria Magdalena sowie Petrus und der andere Jünger am Ostermorgen gesehen haben. Das Grab ist leer. Aber von ihm geht eine Botschaft aus, die voller Leben ist und in die ganze Welt hinausgehen, ja die Welt verwandeln soll. Der Engel am Grab bringt den stummen Stein zum Sprechen und verkündet Maria Magdalena und den Frauen, die am Ostermorgen den toten Jesus suchen: Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte (Mk 16,6). Der gekreuzigte Jesus ist von den Toten erstanden, aber nicht zurückgekehrt in das Leben, das er vor seinem Tod gelebt hatte. Er ist auferstanden hinein in die Arme des himmlischen Vaters, eingetaucht in die unendliche Fülle des göttlichen Lebens. Das ist freilich eine Wirklichkeit, die unser Vorstellen und Begreifen übersteigt. Gleich am Ostermorgen, beim Grab, darf Maria Magdalena als erste dem Herrn begegnen. Dazu zeigt sich ihr der auferstandene Jesus in einer Gestalt, die sie wahrnehmen konnte. Denn kein Sterblicher kann den Auferstandenen im Lichtglanz seiner göttlichen Herrlichkeit schauen. Jesus ist da; er ist es, aber ganz anders. Zunächst meint sie, es sei der Gärtner. Erst als der Herr sie mit ihrem Namen anspricht, gehen ihr die Augen auf und sie erkennt: Er ist es.

2 Sie hat keine Vision, sondern Jesus begegnet ihr leibhaft, so leibhaft, dass sie ihn umarmen kann. Doch Jesus sagt zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen (Joh 20,17). Das endgültige Miteinander findet nämlich nicht in dieser Welt statt, sondern erst am Ende der Zeit in der Herrlichkeit beim Vater. Jetzt geht es darum, die Botschaft von der Auferstehung hinauszutragen in die ganze Welt. Maria Magdalena darf damit beginnen. Jesus bestellt sie zur Apostolin der Apostel und sendet sie zu seinen Jüngern mit der Botschaft seiner Auferstehung. Die zwölf Apostel wird der Herr dann auch als Zeugen seiner Auferstehung (Apg 1,22) aussenden, dass sie die Osterbotschaft bis an die Grenzen der Erde tragen (Apg 1,8). Denn diese Botschaft ist für alle Menschen bestimmt. Sie hat, wo sie aufgenommen wird, eine verwandelnde Kraft. In ihr wird uns nämlich nicht nur etwas berichtet, in ihr rührt der Auferstandene selbst an unser Herz, um uns neues Leben zu schenken, uns zu neuen Menschen zu formen. Wir sehen dies an den ersten Zeugen, die dem Auferstandenen begegnen durften. Aus der weinenden, verzweifelten Maria Magdalena wird eine frohe Botin des Auferstandenen. Die beiden Emmausjünger, die alle Hoffnung verloren hatten und darum Jerusalem und den Kreis der Jünger verlassen hatten, kehren sofort um, gehen zurück und schließen sich wieder der Jüngergemeinschaft an. Die Apostel waren am Ölberg alle geflohen, ließen sich bei der Kreuzigung nicht sehen und noch am Ostertag versammelten sie sich aus Furcht vor den Juden hinter verschlossenen Türen. Die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn verwandelt sie in neue Menschen. Mutig legen sie Zeugnis für Jesus ab und bezeugen den Auferstandenen mit ihrem Blut. Oder

3 denken wir an Paulus den Verfolger, der durch die Begegnung mit dem Auferstandenen auf der Stelle ein glühender Jünger Jesu wurde. Dem auferstandenen Herrn zu begegnen, ist kein Privileg der ersten Jünger. Wir alle dürfen ihm begegnen. Er ist auch bei uns. Er hat es uns versprochen: Seht, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20). Er ist bei uns und zieht uns an sich. Auch das hat er uns versprochen: Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen (Joh 12,32). Und wo geschieht das? Wenn wir das Evangelium hören, spricht er zu uns und ruft uns zu sich. Und in der hl. Kommunion reicht er uns seinen Leib zur Speise. Das ist sein Leib, derselbe Leib, in dem er am Kreuz für uns starb und in dem er von den Toten erstanden ist. Wir sind dem auferstandenen Herrn so nahe wie die ersten Jünger, wie Maria Magdalena, wie die Emmausjünger und die Apostel. Die Begegnung mit ihm soll auch uns zu neuen Menschen verwandeln. Doch das hängt auch von uns ab, von dem Maß, in dem wir Jesus in uns aufnehmen und uns von ihm erfassen lassen. Es geht also um das Maß unserer Liebe, mit der wir uns dem Herrn öffnen und ihn unser Leben bestimmen lassen. Dann leben wir im Licht des Auferstandenen. In diesem Licht sehen wir mit neuen Augen; wir sehen mehr und sehen tiefer. Die Maßstäbe, nach denen wir leben, werden neu geordnet, und die Perspektive unseres Lebens wird auf unsere Auferstehung mit Christus ausgerichtet. In dem Maß, in dem wir uns vom auferstandenen Herrn erfassen lassen, leben wir anders, verwandelt als neue Menschen. Diese Aufgabe stellt sich uns nicht nur an Ostern, sondern jeden Tag. Seit Christus auferstanden ist, ist jeder Tag für uns Ostern. An jedem Tag können wir dem Auferstandenen begegnen und ihm nahe sein wie Maria Magdalena. Jeden

4 Tag geht Jesus mit uns auf den Straßen unseres Lebens, so wie er am Ostertag mit den beiden Jüngern nach Emmaus gegangen ist. Und jeden Tag bricht er mit uns in der Eucharistie das Brot und reicht uns seinen Leib als Speise wie in der Herberge in Emmaus, auf dass auch uns die Augen aufgehen und wir erkennen: Es ist der Herr. Feiern wir also Ostern nicht nur heute, sondern alle Tage, indem wir jeden Tag dem auferstandenen Herrn begegnen und in seinem Licht als neue Menschen leben. Dieses große Geschenk ist nicht nur uns zugedacht, sondern alle Welt soll von der Auferstehung Christi erfüllt werden. Dazu braucht Jesus Menschen als seine Boten. Angefangen hat dies mit Maria Magdalena. Und so ging es weiter mit den Aposteln, und heute sind wir an der Reihe. Vor seiner Heimkehr zum Vater trug Jesus seinen Jüngern auf, sein Evangelium und darin ihn selbst zu allen Völkern zu tragen bis an die Grenzen der Erde (Mt 28,19). Dieser Auftrag gilt heute uns. In aller Welt soll es Ostern werden. Ein Blick auf unsere Welt zeigt uns, wie weit wir noch davon entfernt sind. Umso wichtiger ist es, dass wir dort, wo wir stehen, als Menschen leben, die dem Auferstandenen begegnet sind und darum anders, als neue, als österliche Menschen leben und so durch unser Zeugnis beitragen zur Verwandlung der Welt. Vollendet wird, was an Ostern im hl. Grab in Jerusalem begonnen hat, erst am Ende der Zeit, wenn der Auferstandene wiederkommt, nicht in verbergender Gestalt wie zu Maria Magdalena, den Emmausjüngern und den Aposteln, sondern unverhüllt im Licht seiner göttlichen Herrlichkeit. Und wenn er offenbar wird, werden auch wir mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit (Kol 3,4). Unser armseliger Leib wird verwandelt werden in die Gestalt seines verherrlichten Leibes (Phil 3,21). Und dies geschieht, indem wir

5 hineingenommen werden in das, was am Ostermorgen im hl. Grab geschah. Wir werden hineingetaucht in die Auferstehung Jesu. Mit dem auferstandenen Herrn dürfen wir dann ewig leben, wo er lebt: am Herzen des Vaters. Amen.