Thaler Predigt Das Evangelium Kraft Gottes Römerbrief 1,16-17 von Pfr. Christian Münch gehalten am 10. Januar 2010 in der paritätischen Kirche Thal
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Lesung aus Matthäus 8, 5-13 (aus Zürcher Bibel 2007) 5 Als Jesus nach Kafarnaum kam, trat ein Hauptmann an ihn heran und bat ihn: 6 Herr, mein Knecht liegt gelähmt im Haus und wird von furchtbaren Schmerzen gepeinigt. 7 Und er sagt zu ihm: Ich werde kommen und ihn heilen. 8 Da entgegnete der Hauptmann: Herr, es steht mir nicht zu, dich in mein Haus zu bitten, doch sprich nur ein Wort und mein Knecht wird gesund. 9 Denn auch ich bin einer, für den Befehle gelten, und ich habe Soldaten unter mir. Sage ich zu einem: Geh, so geht er; sage ich zu einem anderen: Komm, so kommt er; und sage ich zu meinem Knecht: Tu das, so tut er es. 10 Als Jesus das hörte, staunte er und sagte zu denen, die ihm folgten: Amen, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich bei niemandem in Israel gefunden. 11 Ich sage euch aber: Viele werden kommen aus Ost und West und sich mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch setzen. 12 Die Söhne des Reichs aber werden in die äusserste Finsternis hinausgeworfen werden; dort wird Heulen und Zähneklappern sein. 13 Und Jesus sagte zum Hauptmann: Geh! Dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und in eben jener Stunde wurde der Knecht gesund. 3
Predigt über Römerbrief 1,16-17 Liebe Gemeinde, als Predigttext lese ich Ihnen zwei Verse aus dem Brief des Apostels Paulus an die Christen in Rom: Ich schäme mich des Evangeliums nicht; es ist eine Kraft Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt, für die Juden zuerst und auch für die Griechen. Gottes Gerechtigkeit nämlich wird in ihm offenbart, aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben steht: Der aus Glauben Gerechte aber wird leben. (Römerbrief 1,16-17; Zürcher Bibel 2007) Dieser Abschnitt ist einer der Vorschläge für eine Predigt in der Zeit nach Weihnachten. Als ich ihn in für die Vorbereitung auf diesen heutigen Gottesdienst gelesen habe, wurde mir auf einmal ganz traurig zumute. Erst wusste ich gar nicht warum. Dann dachte ich, dass ich vielleicht ein Stimmungstief habe oder es am Wetter liege. Aber das war es nicht. Beim zweiten Lesen ging es mir auf: Mich hat traurig gemacht, dass das, wovon Paulus hier schreibt, wir in unserer Zeit so wenig spüren. Ist das Evangelium uns eine Kraft? Macht es die Menschen glücklich? Prägt es unser / ihr Leben? Strahlt es aus den Kirchenmauern, aus den eigenen vier Wänden in die Welt hinaus zu den Menschen, die Gott, die Christus nicht kennen? Ich beobachte und stelle manchmal auch bei mir fest: Wir sind in dieser Zeit überwiegend damit beschäftigt zu fragen, wie unser Leben gelingt wie wir unsere Arbeit erledigen können, unsere Freizeit gestalten, unsere Kinder erziehen und wo wir den Urlaub verbringen. Mir ist bewusst, dass Verallgemeinerungen nicht in eine Predigt gehören. Sie denken vielleicht anders. Doch nach meiner Beobachtung beschäftigen sich die meisten Menschen unserer Zeit, genau wie in andern Zeiten auch, mit Äusserlichkeiten des Lebens. Das ist im Grundsatz nicht einfach schlecht. Es ist sogar wichtig, sich zur täglichen 4
Arbeit Gedanken zu machen. Und ich darf mir Gedanken machen, wo ich gerne im Urlaub hinmöchte. Der Apostel spricht sich auch gar nicht dagegen aus. Aber es wird dann problematisch, wenn es unser Herz gefangen nimmt, diese Fragen zum Lebensinhalt werden. Und es wird dann auch problematisch, wenn wir, weil es nicht opportun ist über Glauben zu reden, uns sogar schämen zum christlichen Glauben zu stehen. Ja, das zweite war es wohl, was mich traurig gemacht hat, als ich diese Verse des Apostels gelesen habe. Die gelesenen Zeilen sind aus dem 1. Kapitel des Römerbriefes. Und der ist so etwas wie eine Antrittsrede des Paulus gegenüber der römischen christlichen Gemeinde. Er wollte sie besuchen und von dort dann auch weiterziehen nach Spanien. Er wollte sie gewinnen, damit sie ihn ideell und finanziell unterstützten. Da sie ihn, den einstigen Verfolger der Christen, nicht persönlich kannten, kann eine gewisse Skepsis ihm gegenüber, seiner Gesinnung wie auch seiner Theologie, durchaus verständlich sein. Und darum beschreibt er, was ihm wichtig ist und wie er das Evangelium versteht. Er beschreibt darum ausführlich, was ihm der Glaube bedeutet. Was bedeutet der Glaube mir? Welchen Stellenwert hat er in meinem Leben? In unserer Zeit fragen viele Menschen vielmehr nach dem Nutzen. Was bringt mir dies oder jenes? Was bringt es mir, wenn ich abstimmen gehe? Was bringt es mir, wenn ich Militärdienst leiste? Was bringt es mir, wenn ich mich freiwillig irgendwo einsetze? Neulich fragte mich ein Konfirmand, warum er in den Gottesdienst soll: Was bringt mir das? Was hätten sie ihm geantwortet? Weil er sonst nicht konfirmiert wird? Oder gibt es auch noch inhaltliche Gründe? 5
Gerade denen, die fragen, was denn dieses Evangelium ihnen bringen könnte - gerade darauf gibt Paulus in diesem kurzen Abschnitt eine interessante Antwort. Er schreibt: Es, das Evangelium, ist eine Kraft Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt. Für viele unserer Zeit ist das Evangelium ein moralisches Buch. Reiche werden schlecht gemacht, Arme auf den Sockel gehoben. Der Mensch wird als Sünder verurteilt und keine gute Tat wird stehen gelassen. Die Ungläubigen werden verdammt und nur die Insider werden gerettet. Solche verzerrten Verkürzungen hört man leider immer wieder, nicht nur am Stammtisch. Doch der Apostel droht gerade hier nicht mit dem Finger auch wenn das auf den ersten Blick so aussehen könnte. Vielmehr betont er, dass es für jeden Gläubigen gut zu wissen ist, dass das Evangelium eine Kraft Gottes ist, insbesondere für den, der glaubt. Evangelium heisst auf Deutsch: Gute Botschaft. Der Begriff hat also eine Bedeutung. Ganz im Gegensatz zu dieser Welt, in der es immer und fast überall heisst: Du bist jemand, wenn du etwas leisten kannst oder wenn du Geld hast. Und wie sieht es dann aus, wenn wir einmal keine Leistung mehr bringen können? Wenn wir kein Geld mehr haben? Was hilft uns dann? Dann gibt es in dieser geldzentrierten Welt nur noch eine schlechte Nachricht: Unbrauchbar, kein Wert mehr. Die behinderten und kranken Menschen, viele Alleinerziehende und Arbeitslose können davon ein Lied singen. Vielleicht fragen wir Menschen in der Regel erst nach Gott, wenn es uns nicht mehr so gut geht oder wenn das Leben sich dem Ende neigt. Dann kommen Fragen auf wie: Warum bin ich denn von Gott und der Welt verlassen? Warum hat Gott das zugelassen? Ist dieser Gott wirklich ein liebender Gott? Oder: Werde ich einst einmal vor Gott bestehen können? 6
Paulus würde vielleicht antworten: Wer bei Gott auf seine Kraft hofft, auf seine Werke und seine guten Taten, der wird auch bei Gott danach bemessen. Wer aber auf die Gnade Christi setzt, wird von Gott diese Gnade erfahren. Darin besteht die Gute Botschaft. Darum ist Gott ein guter Gott. Und das zu wissen ist eine Kraft, eine Kraft Gottes. Bei der zweiten Variante zählt nicht primär meine Leistung vor Gott, sondern das Vertrauen in Gott und dessen Gnade. Sola fides und sola gracia zwei Grundpfeiler des christlichen Glaubens, die Paulus hier an den Anfang seiner Rede, seines Briefes stellt. Wem das in seinem Leben bewusst ist, wird sich des Evangeliums nicht schämen, sondern sein Glück mit andern teilen wollen. Es wird ihm immer wieder helfen positiv zu denken, trotz Not und Schicksal. Und darum schreibt er auch: Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Ich stehe dazu. Es ist für mich wichtig lebenswichtig. Weil sich viele Menschen nicht mehr getrauen, sich zu diesem Evangelium zu bekennen, macht mich immer noch traurig, macht mich dieser Abschnitt immer noch traurig. Ich wünschte, wir würden eine Kultur entwickeln, in der wir ohne Ängste und Scham über Glauben und Werte reden könnten. Ich möchte doch über diesen Glauben reden können, weil das Evangelium, die gute Nachricht von Gottes Liebe und Gnade, doch eine Kraft ist, die hilft, damit unser Leben gelingt. Die Frage was mir das denn bringt oder nützt, kann ich darum durchaus positiv beantworten. Amen. 7