Änderung der Auftrittswahrscheinlichkeiten von Extremereignissen in modellierten Temperatur- und Niederschlagszeitreihen des 21. Jahrhunderts Katharina Bülow, Daniela Jacob Max-Planck-Institut für Meteorologie, Bundesstrasse 53, 2146 Hamburg E-mail: katharina.buelow@zmaw.de Einleitung Beobachtungen zeigen einen progressiven Erwärmungstrend in Deutschland. Die Eintrittswahrscheinlichkeit von heißen Sommern wie im Jahr 23 ist im Zeitraum von 176 bis 23 um den Faktor 2 gestiegen, wobei dieser Anstieg in den letzten zwei Jahrzehnten beobachtet wurde (Schoenwiese, 24). Werden die jüngsten Extremereignisse, Hitzesommer 23 und Elbe Hochwasser 22, in Zukunft häufiger auftreten (Beniston, 24)? Abbildung 1: Orographie 1 x 1 km horizontale Auflösung Um diese Frage zu untersuchen wurden die Auswirkungen der zunehmenden Treibhausgaskonzentrationen laut der SRES Szenarien A1b, B1, A2 (Houghton et al., 21) auf den hydrologischen Kreislauf in Deutschland für den Zeitraum 195-21 untersucht. Das dreidimensionale hydrostatische regionale Klimamodell REMO (Jacob, 21; Jacob, 27) wird verwendet, um Temperatur- und Niederschlagszeitreihen für Deutschland mit einer horizontalen Auflösung von ~1 km zu 1
berechnen. Mit einer doppelten dynamischen downscaling Methode erhält man mit dem gekoppelten globalen Atmosphären-Ozean Zirkulationsmodell ECHAM5/MPI- OM (Roeckner et al., 23, 24; Marsland et al., 23) mit einer ~2 km horizontal Auflösung Ergebnisse für REMO mit ~5 km horizontaler Auflösung, die wiederum als Antrieb für REMO mit einer horizontalen Auflösung von ~1 km dienen. Die Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Extremereignissen werden mit der Methode der strukturorientierten Zeitreihenzerlegung (Jonas et al., 25; Trömel, 25) berechnet. Dabei werden die Zeitreihen jeder einzelnen Gitterbox durch zeitabhängige Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen beschrieben. 1. Strukturorientierte Zeitreihenzerlegung Die Monatsmittel der simulierten Zeitreihe der Temperatur und des Niederschlags werden untersucht. Die Elemente der Zeitreihen treten mit Wahrscheinlichkeiten auf, die für die Temperatur durch die Gauß Verteilung und für den Niederschlag durch die Gumbel Verteilung beschrieben werden. Diese Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen werden durch zwei Parameter charakterisiert: die Gauß Verteilung durch Mittelwert und Standardabweichung und die Gumbel Verteilung durch den Lageparameter und den Streuparameter. Die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion der Gumbel Verteilung ist linkssteil und im Gegensatz zur Gauß Verteilung nicht symmetrisch. Beide Parameter, die die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion charakterisieren, variieren zeitlich. In diesem Fall nennt man die Zeitreihen instationär. Die Art der zeitlichen Variation wird vorgegeben. Es handelt sich dabei um Trends und saisonale Variationen, die durch Polynome und trigonometrische Funktionen beschrieben werden. Die Größe dieser deterministischen Anteile wird mit der Maximum-Likelihood Methode bestimmt (Trömel et al. 27). Die Methode der schrittweisen Regression wird verwendet, um geeignete Funktionen nach und nach in das Modell aufzunehmen (Storch, 1999). Anschließend werden die deterministischen Anteile aus der Zeitreihe entfernt. Die Residuenreihe wird dann durch eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion mit zwei zeitlich konstanten Parametern beschrieben. Ein Kolmogorov- Smirnov Test gibt Aufschluss darüber, ob die Residuenreihe tatsächlich in guter Näherung Gauß bzw. Gumbel verteilt ist, wie anfangs angenommen wurde (Kolmogorov, 1992). Anschließend wird untersucht, ob Extremereignisse in der Residuenreihe auftreten. 2. Validierung Um die Güte des Modells zu bestimmen, wurden zunächst die Modellergebnisse mit Beobachtungen verglichen. Hierzu wurde das Modell für den Zeitraum 1979 bis 1998 mit Reanalysen angetrieben und seine Ergebnisse wurden mit Stationsdaten des Deutschen Wetterdienstes verglichen. Die Methode der strukturorientierten Zeitreihenanalyse wurde auf die Modelldaten sowie auf die Stationsdaten angewendet. Hierbei wurde für die Temperatur die Gauß Verteilung und für den Niederschlag die Gumbel Verteilung angenommen. Die somit bestimmten beschreibenden Parameter Mittelwert und Standardabweichung (oder Lageparameter und Streuparameter) werden verglichen. Die Modellergebnisse stimmen recht gut mit den Beobachtungen überein. 2
295 4 29 3.5 3 285 K 28 2.5 K 2 1.5 275 1.5 27 Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec REMO Observations REMO Observations Abbildung 2: Dresden (1979-1998): Jahresgang des Mittelwerts der Temperatur (links) und der Standardabweichung der Temperatur (rechts) Der Vergleich der Ergebnisse für die Temperatur ist in Abbildung 2 am Beispiel der Station Dresden dargestellt. Im Sommer wird der Mittelwert der Temperatur um 1 K vom Modell (in blau) überschätzt. Im Winter wird die Standardabweichung der Temperatur vom Modell um.2 K überschätzt. mm/month 8 7 6 5 4 3 2 1 Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Oct Nov Dec a (REMO) a (Observations) b (REMO) b (Observations) Abbildung 3: Magdeburg (1997-1998): Jahresgang des Lageparameters a des Niederschlags und des Streuparameters (b) des Niederschlags Der mittlere Sommerniederschlag wird vom Modell überschätzt. Der Lageparameter liegt für das Modell im Sommer deutlich über dem Lageparameter der Beobachtung, hier am Beispiel Magdeburg in Abbildung 3 dargestellt. 3. Ergebnisse Bei der Untersuchung der monatlichen Temperaturzeitreihen von 195 bis 21, der einzelnen Szenarien A1b, B1 und A2, konnten unterschiedliche Trend Funktionen gefunden werden. Für die Szenarien A1b und A2 steigt der Mittelwert der Temperatur ab 2 exponentiell bis 21 um 5 K an. Für das Szenario B1 steigt der Mittelwert mit 3.5 K geringer. Diese Trendfunktionen für den Mittelwert konnten flächendeckend für ganz Deutschland gefunden werden (Abbildung 4). 3
A1b (µ~t 2 ) B1 (µ~t 2 ) A2 (µ ~ t 2 ) Abbildung 4: Trendfunktionen für die Mittelwerte der verschiedenen SRES Szenarien A1b, B1 und A2 Der Jahresgang des Mittelwerts nimmt von Nordwest nach Südosten zu, bleibt jedoch für den untersuchten Zeitraum relativ konstant, dies gilt für alle untersuchten Szenarien. Die Standardabweichung unterliegt einem Jahresgang mit den maximalen Werten im Winter und den minimalen Werten im Sommer. Bezogen auf die Gauß Verteilung, ist diese breiter im Winter als im Sommer. Die Variabilität der Temperaturen von Dezember bis März ist größer, als die von Juni bis September im Kontrollzeitraum von 196-199. a b Abbildung 5: Temperatur: a. Jahresgang der Standardabweichung, b. Änderung des Jahresganges der Standardabweichung mit ~ t 2 Die herausragenste Funktion bei der Bestimmung der Standardabweichung, war die Änderung des Jahresganges der Standartabweichung ab 27 in Szenario A1b und abgeschwächter in A2 (Abbildung 5). Diese Änderung tritt regional begrenzt in Süddeutschland auf. Das Resultat ist eine Abnahme der Variabilität der Wintertemperaturen und eine Zunahme der Variabilität der Sommertemperaturen und somit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Extreme Sommertemperaturen am Ende der 21. Jahrhunderts stark an (Abbildung 6). 4
Pdf.3.25.2.15.1.5 January A1b A1b January 195 2 25 299 A1b July. -8-6 -4-2 2 4 6 8 1 C Pdf.3.25.2.15.1.5 July A1b 195 2 25 299. 12 14 16 18 2 22 24 26 28 3 32 Abbildung 6: Karlsruhe: Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen der monatlichen Mitteltemperatur für die Jahre 195, 2, 25, 21 des SRES Szenarios A1b Liegen die zwei Parameter µ i und σ i der Gauß Verteilung als Funktion der Zeit vor, wird die ursprüngliche Zeitreihe (Abbildung 7 links) in die Residuenreihe (Abbildung 7 rechts) transformiert. Sie ist stationär, d.h. sie wird durch zeitlich konstante Parameter beschrieben. C 3 25 2 15 C 1 5-5 -1 195 197 199 21 23 25 27 29 6 4 2 C -2-4 -6 195 197 199 21 23 25 27 29 Abbildung 7: Karlsruhe: Originalzeitreihe der monatlichen Mitteltemperatur (links) und Residuenzeitreihe der monatlichen Mitteltemperaturen (rechts) für SRES A1b, mit drei Extremereignissen Die Residuenreihe wird nun dahingehend untersucht, ob Extremereignisse auftreten. Die Extremereignisse treten zum Beispiel in Szenario A1b als 1 kalter Winter, ein warmer August und ein warmer Frühling auf. Die Extremereignisse treten flächendeckend in ganz Deutschland auf. Bei der Untersuchung der monatlichen Niederschlagszeitreihen von 195 bis 21, der einzelnen Szenarien A1b, B1 und A2, konnten nur kleine Änderungen detektiert werden. Bei der Bestimmung des Lage- und Streuparameters der Gumbel Verteilung aus den monatlichen Niederschlagszeitreihen, konnte keine für ganz Deutschland flächendeckende Trend Funktion gefunden werden. Der Jahresgang des Lageparameters ändert sich in allen drei Szenarien. Er ändert sich horizontal und zeitlich auch innerhalb der einzelnen Szenarien etwas unterschiedlich. Dies führt in den Szenarien A1b und A2 zu trockeneren Sommern. Zusätzlich werden nur in Norddeutschland die Winter feuchter. In Abbildung 8 wird der Niederschlag als Gumbel Verteilung am Beispiel der Station Magdeburg dargestellt. 5
pdf.24.2 195 299.16.12.8.4. 5 1 15 2 25 mm/month pdf.24.2.16.12.8.4. 5 1 15 2 25 mm/month 195 299 Abbildung 8: Magdeburg: Gumbel Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion des monatlichen Niederschlags für Szenario A1b. Die Unterschreitungswahrscheinlichkeit des 5% Perzentils wurde für monatliche Niederschlagszeitreihen berechnet. Die deutlichsten Änderungen treten im Szenario A1b auf. Die Unterschreitungswahrscheinlichkeit des 5% Perzentils nimmt im Spätsommer am stärksten zu. Im Winter sind die Änderungen gering. In Norddeutschland (Magdeburg) sind die Änderungen nahezu linear. Jedoch in Süddeutschland (Karlsruhe) beginnen die Änderungen um 2 und steigen im Sommer quadratisch an..2.16 MAGDEBURG.2.16 KARLSRUHE Probability.12.8 Probability.12.8.4.4 195 197 199 21 23 25 27 29 195 197 199 21 23 25 27 29 Mar Aug Sep Dec Mar Aug Sep Dec Abbildung 9: Magdeburg und Karlsruhe zeitliche Entwicklung der Unterschreitungswahrscheinlichkeit des 5% Perzentils des monatlichen Niederschlags für die Monate März, August, September und Dezember. 4. Zusammenfassung Für die monatlichen Temperatur- und Niederschlagszeitreihen von 195 bis 21, der einzelnen Szenarien A1b, B1und A2, konnten die deutlichsten Änderungen in der Temperatur festgestellt werden. Der Mittelwert der Temperatur steigt am stärksten für die Szenarien A1b und A2 ab 2 exponentiell bis 21 um 5 K an. Lokal begrenzt auf Süddeutschland nimmt die Standardabweichung im Sommer ab 27 in Szenario A1b am ausgeprägtesten zu. Der Niederschlag unterliegt starken horizontalen und zeitlichen Schwankungen. Mit der hier angewandten Methode der strukturierten Zeitreihenanalyse lassen sich keine extremen Klimaänderungssignale im Niederschlag feststellen. Es konnte eine leichte Abnahme der Niederschläge im Sommer festgestellt werden. Und in Norddeutschland konnte zusätzlich eine leichte Zunahme der Niederschläge im Winter festgestellt werden. 6
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