P O Ë Z I E U I T N O O R D W E S T s c h i l d e r i j e n o b j e c t e n f o t o s L I L O I R I O N
P O Ë Z I E U I T N O O R D W E S T L I L O I R I O N SCHILDERIJEN OBJECTEN FOTO S
Die Ambivalenz meines poetischen Nordwestens Die ausgesuchten Assemblagen sind angefertigt aus einzelnen Fundstücken, die auch zu betrachten sind als Relikte. Diese bilden eine Basis für einen Teil meines Werkes. Sie haben eine direkte Verbindung mit meinen Zeichnungen, Malereien und Photos. Die Arbeitsituation im Atelier wird in erster Instantie während des Malens und Zeichnens unbewusst durch gewisse Formen von Aussen beeinflusst. In zweiter Instantie sind die observierten Formen aus meiner Umgebung festgelegt durch Photographie. Gefühlsmässig hab ich das Bedürfnis die Arbeiten, die ich gemacht habe zu überdenken, zu gruppieren, zu versammeln und einzuteilen. Indem ich vom Atelier in Groningen Abstand genommen habe, ist eine Periode abgeschlossen. Mit dem Reinigen und Klären meiner Gedanken über meine Arbeit ist diese Phase mit dem Titel Poesie aus Nordwest festgelegt in diesem Buch.
Text zu den Arbeiten Alles begann mit einem alten Schwedenofen. Er hatte vier Türchen, hinter denen das Feuer brannte. Die Oberfläche des geschlossenen Ofens und die Vorstellung der Dreidimensionalität des Raumes hinter den Türchen bilden eine räumliche Ambivalenz und suggerieren eine Welt hinter den Öffnungen. Diese Innenwelt ist erfüllt von Mythen verschiedener Kulturen, der Urkraft der Natur als Element und der Formensprache der Motive. Später kommen die Schweizer Berge hinzu, Reisen nach Nord- und Südamerika und der Horizont der holländischen Landschaft. Auch Formen der Schiffs- und Hafenwelt sind Quellen der Inspiration. Dazu kommen persönliche Fundstücke und Relikte sowie Abfallmaterialien: Glas, Pelz Holz, Metall oder Karton. Ein besonderer Schuhkarton und eine Himbeerschachtel aus Pappe vom Markt. Die meisten Arbeiten von Lilo Irion entstehen durch die Bewegung aus der inneren Welt in eine äussere und umgekehrt. So bekommen Fundstücke eine Bedeutung, weil sie ein innerliches Bild reflektieren, Gefühle wiederum materialisieren sich in Formen der äusseren Welt. Es scheint, als verbänden Irions Arbeiten das Alltägliche mit dem Magischen.
Im Laufe der letzten 20 Jahre sind Zeichnungen, Bilder, Objekte, Installationen und Fotografien entstanden. Intuitiv und auf spielerische Weise, durch Zeichnen, Malen, Kleben, Reissen und Übermalen. Durch Zusammenfügen und Wegnehmen bringt die Künstlerin neue Welten ans Licht. Für ihre Zeichnungen und Bilder meistens Mischtechniken bevorzugt sie einen gebrauchten Untergrund, der den Aufbau der verschiedenen Schichten deutlich sichtbar macht. Auch Handschrift und Haut sind wichtige Elemente ihrer Arbeiten. Sie stellen einen Bezug her zu Raum und Zeit, zu Geschichte, Rätsel und Traum. Andere Werke scheinen nicht von Künstlerhand gemacht, sondern aus sich selbst entstanden. Sie haben sich von ihrem Schöpfer losgelöst und begegnen dem Betrachter mit ihrer eigenen Welt und Geschichte. In einer Serie bemalter Raumtücher sind Architekturformen das Thema: Räume und Fenster. Später kehrt das Motiv in Irions kleinen bemalten Schachteln und ihren dreidimensionalen Bildern wieder, die ebenfalls Innen und Aussen erlebbar machen. Irions Objekte und Assemblagen haben eine direktere Aussage als ihre Bilder. Objets trouvés, Dinge, die etwas waren und etwas sind. Wo Duchamp seine Objekte, Fahr-
rad oder Flaschenständer, zeigen lässt, was sie waren, bearbeitet Irion ihre Objekte und macht sie zu Bewohnern ihrer eigenen Welt. Die Magie von Irions Arbeiten wird durch eine besondere Farb- und Formgebung unterstrichen: Immer wieder greift sie auf die Farbe der Erde, auf Silber, Gold, Bronze, verschiedene Blautöne und Türkis zurück. Die Formensprache wird dominiert von Kubus, Ellipse, Kreis, Spirale sowie dem Muster von Kronen oder Wellen. Die Idee des Magischen wird durch Titel wie Schwert, Totem, Feuer oder Freya verstärkt, da sie auf eine Welt der Urkraft und der Rituale verweisen. Die letzten Arbeiten zeigen eine neue Entwicklung. Sie nehmen nicht mehr Bezug auf Riten, sondern sind eine Art poetische Alltagsobjekte. Sie treten mit ihrer persönlichen Geschichte in unsere Welt und zeugen gleichzeitig von ihrer eigenen. So eröffnet sich dem Betrachter in Irions Objekten, Bildern und Zeichnungen eine neue, fremde Welt. Ihre Werke rufen Erinnerungen an Bekanntes wach und lassen gleichzeitig die Ahnung des Unbekannten aufkommen, vielleicht die unterbewussten Bilderwelt des Betrachters. Und gerade im Zusammenspiel von Offensichtlichem und geheimnisvoll Verborgenem liegen Bedeutung und Poesie von Lilo Irions Werk.
Zum Schluss soll hier noch die Himbeerdose etwas näher betrachtet werden. In ihr konserviert sich eine unterbewusste Faszination für die Urform des Hauses. Die Künstlerin befreit die Dose von ihrer ursprünglichen Funktion und gibt ihr durch ihre Optik eine neue Bedeutung. Mit ultramarinen Pigmenten bemalt, an der Wand des Ateliers befestigt wie ein kleines blaues Häuschen, offen und Innen und Aussen zugleich, wird sie Zeugin einer eigenen Welt. An der gegenüberliegenden Wand des Ateliers befindet sich ein anderes Häuschen, der hölzerne Flaschenzug, dessen Form bedeutungsvoll mit der alltäglichen Verpackung korrespondiert. Janet Meester
Colofon Fotografie: Sven Versteegh, Lilo Irion, Henk Wijnen Tekst: Janet Meester, Henk Wijnen Vertaling: Annette Luisier Vormgeving: Lilo Irion Opmaak: Trienko Krohne, Ekkers & Paauw