Begrüßungsworte Nationalfeiertag der Verfassung vom 3. Mai 1791 der Republik Polen 5. Mai 2015, 18.00 Uhr, Restaurant des Landtags Verehrter Herr Generalkonsul Jan Sobczak, Exzellenzen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Thomas Geisel, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste! I. Es lohnt sich, anständig zu sein. Mit diesem schlichten und vielleicht gerade deshalb so tiefsinnigen Wort des großen polnischen Versöhners, der gestern beigesetzt worden ist - von Wladyslaw Bartoszewski - begrüße ich Sie alle sehr herzlich anlässlich des Polnischen Nationalfeiertages der Verfassung vom 3. Mai 1791, den wir heute hier im Landtag Nordrhein-Westfalen begehen und auch feiern wollen. Die Nationalhymnen boten dazu den würdigen Auftakt.
2 Mein herzlicher Dank gilt den beiden Musikern Isabella Goleczka und Matthias Müller ebenso wie den Mädchen und Jungen des deutsch-polnischen Kinderchores Zornicka aus Bottrop für ihre schönen Lieder. II. Ja es lohnt sich anständig zu sein. Nach dieser Maxime mit hohem moralischem Anspruch hat Wladyslaw Bartoszewski gelebt. Wir Deutsche haben ihm unendlich viel zu verdanken. Er, der ehemalige Auschwitz-Häftling, Widerständler gegen die Nazis und Freund der Juden war einer der Wegbereiter der deutschpolnischen Aussöhnung, die über so lange Zeit kaum möglich schien. Deshalb ist die Würdigung des Polnischen Nationalfeiertages hier im Landtag für mich auch mehr als nur eine freundliche Geste, sondern vielmehr Ausdruck der Freude und Dankbarkeit gegenüber unseren polnischen Freunden. Verehrter, lieber Herr Generalkonsul Jan Sobczak, gern möchte ich Sie einen Freund des Landtags nennen - so oft, wie wir uns hier schon begegnet sind. Gerne bin ich Ihrem Vorschlag zu dieser gemeinsamen Veranstaltung im Rahmen eines Festes von Polen und Nordrhein- Westfalen gefolgt und freue mich über die große Beteiligung insbesondere seitens der polnischen Familie in Nordrhein- Westfalen, die ich von Herzen willkommen heiße.
3 Mit Freude begrüße ich unter uns auch die vielen Mitglieder des Konsularkorps Nordrhein-Westfalen, die heute gerne ihrem polnischen Kollegen die Ehre erweisen. Natürlich sind zahlreiche Mitglieder der Parlamentariergruppe NRW- Polen des Landtags anwesend - mit Werner Jostmeier und Josef Neumann an der Spitze. Darüber freue ich mich ebenso wie über die Teilnahme der kommunalen Familie mit dem Oberbürgermeister der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Thomas Geisel vorneweg. Ihnen allen danke ich für Ihr Kommen. III. Verehrte Gäste, in diesen Tagen gedenken viele Völker dieser Welt des 70. Jahrestages des Kriegsendes vom 8. Mai 1945. Jedes Volk hat dabei seine eigenen Gefühle. Der 8. Mai ist für uns Deutsche vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten - in einem Krieg, der von Deutschland entfesselt wurde und der mit 60 Millionen Toten endete. Dieser Tag hat uns alle befreit vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der 8. Mai 1945 war das Ende eines Irrwegs deutscher Geschichte und zugleich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft - die Rückkehr Deutschlands zur Menschlichkeit.
4 Polen und Deutsche haben eine Geschichte, die länger währt, als die Jahre von Krieg und Völkermord. Sie ist auch voller Beispiele der Gemeinsamkeit: Gnesen war vor über 1000 Jahren ein früher Ausdruck der Idee einer europäischen Friedensordnung zwischen verschiedenen Reichen und Nationen - ein Vorbild für die heutige europäische Einheit. Die Liebe zu einer freien Heimat haben die Polen mit der ersten modernen Verfassung Europas von 1791 im Sinne der Aufklärung ausgedrückt. Dies haben die frühen Demokraten in Deutschland stets bewundert. Dafür steht z.b. das Hambacher Fest von 1832, als die weiß-rote neben der schwarz-rot-goldenen Fahne vorangetragen wurde. Dafür steht aber auch die Bewunderung der Deutschen für den Mut und die Entschlossenheit der Solidarnosc. Die Sympathien führten zu einer großen Welle der Hilfsbereitschaft in Deutschland, als das Freiheitsstreben von Millionen Polinnen und Polen mit dem Kriegsrecht beantwortet wurde. Diese neue Freiheitsbewegung, die in Danzig ihren Ausgang nahm, hat zum Fall des Eisernen Vorhangs wesentlich beigetragen. Sie hat uns Deutschen die staatliche Einheit möglich gemacht. Daran möchte ich heute dankbar erinnern.
5 Wir alle werden uns dessen aber immer erinnern, dass die lange Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen ihren schrecklichen Tiefpunkt fand, als allein in Polen während der deutschen Besatzung mehrere Millionen Menschen ums Leben kamen. IV. Polen und Deutsche leben heute als gute Nachbarn in Frieden und Freiheit in einem vereinten Europa. Der Weg dorthin war weit. Noch vor wenigen Jahrzehnten schien es unvorstellbar, dass Deutsche und Polen je wieder zusammenkommen. Das offizielle Verhältnis zwischen Polen und der Bundesrepublik war über lange Jahre von weitgehender Sprachlosigkeit bestimmt. Es waren wenige Menschen, die auch in schwierigen Zeiten den Dialog zwischen unseren Völkern am Leben gehalten haben: Namen wie Mazowiecki und natürlich Bartoszewski fallen mir dazu ein, aber auch Beitz und Grass. Der Warschauer Vertrag von 1970 hat die Beziehungen beider Staaten auf eine neue Grundlage gestellt - geschichtsbewusst und zugleich der Zukunft zugewandt.
6 Die politische, die wirtschaftliche und die geistig-kulturelle Rückkehr Polens nach Europa mit dem geeinten Deutschland als freundschaftlich verbundenem Nachbarn, wie Johannes Rau es einmal beschrieb, ist in der Tat eines der schönsten Ereignisse in der neueren europäischen Geschichte. Polen wurde zum Ferment des Zusammenwachsens der beiden Hälften Europas. Ein größeres Kompliment, verehrter, lieber Herr Generalkonsul, kann man Ihrem Land und seinen Menschen gar nicht machen. V. In den letzten Jahren ist vieles erreicht worden. Die Fakten sind eindrucksvoll: - Seit Gründung des deutsch-polnischen Jugendwerkes 1991 haben über zwei Millionen deutscher und polnischer Jugendlicher an den Programmen teilgenommen. - Deutschland ist längst der wichtigste Handelspartner Polens. - Der kulturelle und geistige Austausch zwischen den beiden Ländern blüht. Seit 1990 gibt es Goethe-Institute in Warschau und Krakau, Polen unterhält Kulturinstitute in Berlin, Leipzig und natürlich in Düsseldorf.
7 - Hinzu kommen die vielen Partnerschaften von Städten, Schulen und Universitäten. Doch die Möglichkeiten unserer partnerschaftlichen Zusammenarbeit sind noch lange nicht ausgeschöpft. Das gilt auch für die so gut funktionierende Partnerschaft zwischen NRW und Schlesien. Nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser werden könnte. Deshalb ist die Intensivierung der Kontakte auch auf Parlaments- wie auf Regierungsebene für beide Seiten nur von Vorteil. Ich hoffe sehr, dass der Landtag Nordrhein-Westfalen und die Parlamentariergruppe NRW-Polen mit ihren Bemühungen zum Ausbau der Beziehungen beitragen können. VI. Verehrte Gäste, ganz im Sinne von Wladyslaw Bartoszewski sage ich: Es lohnt sich, anständig zu sein. Zum Anstand unter Freunden gehören: Vertrauen und Verlässlichkeit. Beides ist vorhanden. Und so gehen Polen und Deutsche Seite an Seite - und wir gestalten unsere gemeinsame Zukunft. Herzlichen Dank.
8