Aktionswoche Schuldnerberatung 2015 - Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) 1
Überschuldung durch prekäre Beschäftigung Neben Hauptauslöser Arbeitslosigkeit ist die prekäre Beschäftigung ein bedeutsamer Überschuldungsfaktor. Sogenannte atypische Beschäftigungen wie Minijobs, befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit, Leiharbeit, Werkverträge etc. sind oft im Niedriglohnsektor angesiedelt und gehen häufig mit Merkmalen einer prekären Beschäftigung einher. Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung belegt die zunehmende Bedeutung von atypischen Erwerbsformen. Im Jahr 2013 lag der Anteil bei 13,3 Millionen. Laut einer Studie aus diesem Jahr gelten 12 Millionen Menschen als arm. Kurz nach der Einführung der Agenda-Gesetze im Jahr 2006 hatte die Armut zudem um 11 Prozent zugenommen. 2
Überschuldung durch prekäre Beschäftigung Überschuldung trotz Arbeit darf es nicht mehr geben. Im Jahr 2014 hatten rund 39 Prozent aller Beschäftigten Teilzeitarbeit, Leiharbeit oder einen Minijob. Folgen der atypischen Beschäftigungen sind meistens geringe berufliche Perspektiven, die Vorenthaltung grundlegender Arbeitnehmerrechte und die Notwendigkeit zur Ausübung mehrerer Jobs. Auch die Einführung des Mindestlohns in diesem Jahr kann nur ein erster Schritt in die richtige Richtung sein, um sittenwidrige Löhne zu vermeiden. Mit 8,50 Euro wird die im Jahr 2010 definierte Niedriglohnschwelle von 9,15 Euro nicht erreicht. 3
Überschuldung durch prekäre Beschäftigung Schuldnerberatung strebt in ihrer Beratung das Ziel einer zweiten Chance für Ratsuchende an. Doch trotz harter Arbeit ist diese Chance in vielen Fällen zum Scheitern verurteilt. Dabei wird Schuldnerberatung immer häufiger nachgefragt, ohne dass dies mit einem Ausbau der personell-finanziellen Ressourcen einhergeht. Weiterhin werden die Zugänge zur Schuldnerberatung mitunter eingeschränkt. Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) erhebt daher sozial- und arbeitsmarktpolitische Forderungen nach einem Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung, bedarfsgerechte Ausgestaltung von Sozialleistungen, einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns und einem Ausbau der Finanzierung von Schuldnerberatung. 4
Forderungskatalog 1. Anspruch auf Schuldnerberatung für Erwerbstätige im Sozialgesetzbuch festschreiben 2. Sozialleistungen bedarfsgerecht ausgestalten 3. Einmalige Leistungen wieder einführen 4. Schuldner- und Budgetberatung für Ältere zusätzlich finanzieren 5. Höhe des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns regelmäßig überprüfen Berlin, 20.04.2015, AG SBV 5
Forderungen 1. Anspruch auf Schuldnerberatung für Erwerbstätige im Sozialgesetzbuch festschreiben Besonders bei Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen kann Schuldnerberatung verhindern, dass diese noch tiefer in die Schuldenfalle geraten und das bestehende Arbeitsverhältnis gefährdet wird. Kommunen ziehen sich nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts zunehmend aus der Förderung der Schuldnerberatung für Erwerbstätige zurück. Dieser Zustand muss aufgehalten bzw. gestoppt werden. Menschen mit geringem Einkommen brauchen einen individuellen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung. 6
Forderungen 2. Sozialleistungen bedarfsgerecht ausgestalten Trotz Mindestlohn von 8,50 Euro sind viele Ratsuchende sogenannte Aufstocker. Leistungen nach SGB II und XII sind nicht bedarfsdeckend. Gerade der Regelbedarf für Haushaltsstrom muss gesondert ermittelt und zeitnah angepasst werden. Die Pauschalen für Heizenergie sind oft zu niedrig angesetzt. Bei Überschuldung muss die Übernahme der vorprogrammierten Energieschulden als Darlehen oder Zuschuss abgesichert werden. 7
Forderungen 3. Einmalige Leistungen wieder einführen Größere Reparaturen oder Anschaffungen, wie Waschmaschine oder Kühlschrank, kommen meist plötzlich und in der Regel sind Ratsuchende nicht in der Lage, diese Kosten aufzubringen. Die daraus häufig folgende Kreditaufnahme bei Banken oder Darlehensinanspruchnahme bei Jobcentern führen schnell in die Überschuldung, da es bei knappem Budget schwierig ist, Raten zurückzuzahlen. Einmalige Beihilfen sind deshalb wieder einzuführen. 8
Forderungen 4. Schuldner- und Budgetberatung für Ältere zusätzlich finanzieren Durch massenhafte prekäre Beschäftigung, die häufig im Niedriglohnsektor stattfindet, befristete Verträge vorhält und von unterbrochener Erwerbsbiographie gekennzeichnet ist, steigt die Altersarmut. Die Rente reicht nicht, den Lebensunterhalt zu decken. Damit Schuldnerberatung auf die besonderen Belange und Probleme älterer Menschen eingehen kann, braucht es eine stärkere Finanzierung des Beratungsangebots. 9
Forderungen 5. Höhe des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns regelmäßig überprüfen Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn reicht schon jetzt kaum zum Leben und muss in seiner Höhe regelmäßig überprüft und angepasst werden. Die gegenseitige Verstärkung von prekärer Beschäftigung, fehlender Tarifbindung und Niedriglohn muss damit durchbrochen werden. Seine Anwendung muss in der Folge kontrolliert und durchgesetzt werden. 10