Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin und Brandenburg Früh und sicher handeln - Qualifizierung: Multiplikator/-in Kinderschutz Zertifikatslehrgang: 4802/16 Facharbeit: Partizipation in der Kindertagesstätte im Kontext Kinderschutz Name: Eva Schneider
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Rechtliche Grundlagen 1 3. Die Macht der Fachkraft 2 4. Vorraussetzungen strukturell verankerter Partizipation 4 4.1. Reflexionsfähigkeit der Pädagogischen Fachkraft 4 4.2. Gewährleistung einer wertschätzenden Interaktion 5 4.3. Verbindlicher Umgang mit Grenzverletzungen 5 4.4. Sicherung der kindlichen Beschwerde- und Beteiligungsrechte 6 5. Meine Rolle als Multiplikator 7
1. Einleitung Immer stärker tritt Partizipation in Kindertagesstätten in den Fokus der kindlichen Entwicklung. Resilienz und Selbstwirksamkeit sind in den pädagogischen Diskussionen bedeutsame Aspekte und prägen das gesamte weitere Leben eines Menschen. Partizipation der Kinder an ihrer sie betreffenden Lebenswelt, ermöglicht die Erfahrung und Entwicklung von Prozessen, die beide Faktoren begünstigen. Durch die Anerkennung der Rechte der Kinder und die Möglichkeiten der Beteiligung und Beschwerde eröffnen sich zusätzliche Handlungsoptionen, die ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung einer eigen- und sozialverantwortlichen Persönlichkeit sind. Niemand wird bestreiten, dass Menschen, die Ihre Rechte kennen und nutzen können, eher in der Lage sind wahrzunehmen, dass ihr Gegenüber eine persönliche Grenze überschritten oder auch verletzt hat. Kinder, die sich an ihren eigenen Situationen beteiligen und erfahren, dass ihre Bedürfnisse, Interessen und Beschwerden ernst genommen werden, geraten weniger in Hilflosigkeit und seltener in Ohnmachtsgefühle. Sie können gestärkter in die Zukunft gehen und ihr Handeln ist nicht mehr nur abhängig von den Gegebenheiten die vorhanden sind, sondern sie können selbst und aktiv ihr eigenes Leben mitgestalten und ihre Situationen eventuell verändern. Bei der Erarbeitung des Themas leiteten mich insbesondere die Gedanken: Was hat Partizipation von Kindern in der Kindertagesstätte mit Kinderschutz zu tun? und Welche wichtigen Faktoren innerhalb der Kindertagesstätte begünstigen den präventiven Charakter, der schließlich für die Entwicklung eines Kindes bedeutsam sein kann?. 2. Rechtliche Grundlagen Eine bedeutsame Entwicklung im Umgang mit Kinderschutz erbrachte das, seit 2012 in Kraft getretenen, Bundeskinderschutzgesetz. Es regelt den umfassenden, aktiven Kinderschutz in Deutschland und wird von den beiden Säulen Prävention und Intervention zu gleichen Teilen getragen. Sicher scheint Intervention ein unabdingbares Mittel zum Schutz des Kindes zu sein, dennoch ergeben sich viele Chancen, gerade in der Prävention, für alle Beteiligten. 1 von 10
So entstehen auch für die Kindertagesstätten, insbesondere durch SGB VIII, neue und verbindliche Aufträge. Neben 8a SGB VIII, der den Handlungsablauf bei einer Kindeswohlgefährdung definiert, macht 45 SGB VIII die Betriebserlaubnis einer Einrichtung inzwischen von einer konzeptionell verankerten Struktur zur Partizipation und Beschwerde der Kinder in eigener Belange, abhängig. Laut 45 SGB VIII (2) sind geeignete Verfahren und Qualitätsstandards zur Beteiligung und Beschwerde entwickelt, implementiert und finden ihre Anwendung. Dies dient u.a. dem besonderen Schutz von Kindern in Institutionen. Die Kinderrechtskonvention beschreibt in ihrem Artikel 12 explizit die Beteiligung und Mitsprache der Kinder. Die Vertragsstaaten sichern hier zu, dass Kinder sich ihre eigenen Meinungen bilden dürfen, dass sie diese äußern dürfen und dass sie entsprechend ihres Alters und ihrer Entwicklung berücksichtigt werden sollen. Deutschland ist Vertragsstaat und mit der Rücknahme einiger Vorbehalte im Jahre 2010, gelten die Bestimmungen der UN-KRK für alle hier lebenden Kinder. So beschreiben die relevanten rechtlichen Vorgaben, dass die Sicherung der Kinderrechte, die Mitsprache und Beteiligung, sowie die Möglichkeiten der Beschwerde von Kindern wichtige Aspekte eines wirksamen Kinderschutzes sind. Die Umsetzung der Rechte des Kindes ist ein wesentlicher Bestandteil guter pädagogischer Qualität. 3. Die Macht der Fachkraft Die wohl wichtigste Grundlage für die Arbeit mit Kindern, ist die Gestaltung der pädagogischen Beziehung. Eine vertrauensvolle Beziehungsebene schafft einen sicheren und angstfreien Raum, in dem Freude, aber auch Ängste und Nöte offen empfunden und geäußert werden dürfen. Viele Beziehungen sind durch ein ungleiches Machtverhältnis geprägt. Besonders deutlich wird dies zwischen Erwachsenen und Kindern. So sind doch die Erwachsenen in der Regel stärker, erfahrungsreicher, unabhängiger und vieles mehr. 2 von 10
Rüdiger Hansen und Raingard Knauer 1 beschreiben vier Machtkonstrukte, die in der Beziehung zwischen Kindern und Pädagogen eine wesentliche Rolle spielen und das Ungleichgewicht im Machtverhältnis deutlich machen. So können die Erwachsenen innerhalb ihrer Handlungs- und Gestaltungsmacht ihre materielle und soziale Umwelt aktiv verändern. Die Pädagogen bestimmen den Tagesablauf, die Aktivitäten oder Regeln, die in der Einrichtung erlebt werden sollen. Durch ihre Verfügungsmacht haben sie den Zugriff auf Ressourcen und entscheiden auch über deren Nutzung. Sie erlauben und verwehren den Zugang zu den unterschiedlichsten Dingen. Das können ein Spielzeug, eine Aktivität, aber auch z.b. emotionale Zuwendung sein. Die Definitions- und Deutungsmacht ermöglicht es dem Erwachsenen, Kinder zu beeinflussen, sie mit ihren eigenen Meinungsbildern, Ansichten und Wertvorstellungen zu dominieren. Schließlich entscheidet der Erwachsene, was gut und schlecht ist oder was richtig und falsch ist. Unzählige Male, werden im Kita-Alltag die Aussagen und Ausdrucksformen von Kindern kommentiert und bewertet. Zudem verfügen die Erwachsenen über eine Art Mobilisierungsmacht mit der sie Kinder leicht dazu bringen können, die erwünschten Anliegen und Bedürfnisse zu erfüllen und den Ideen Erwachsener zu folgen. In der Pädagogenwelt ist Macht nicht gerade positiv besetzt. Machtstrukturen und Machthandlungen finden wenig Raum in der Reflexion der eigenen pädagogischen Arbeit und in der Arbeit mit den Kollegen untereinander. Pädagogisches Handeln wird meist nur aus dem Blickwinkel der Fürsorge und Zuneigung betrachtet und nicht aus Sicht der Macht. Für einen verantwortlichen Umgang mit Macht ist es jedoch wichtig, dass die pädagogischen Fachkräfte sich ihrer eigenen Macht, in ihren Möglichkeiten und Befugnissen bewußt sind. Hinzu kommt, dass jeder Pädagoge seine ganz eigene machtgeprägte Persönlichkeit mit sich bringt. Auch sie übt einen Einfluss auf seine pädagogischen Handlungen aus. 1 Rüdiger Hansen, Raingard Knauer, Das Praxisbuch: Mitentscheiden und Mithandeln in der Kita, 2016 3 von 10
Macht ist im pädagogischen Kontext immer vorhanden. Gibt man ihr allerdings eine angemessene Struktur und baut Hierarchien ab, lässt sie sich durchaus positiv gestalten. Zudem brauchen Kinder einen mächtigen Erwachsenen, weil sie von ihm die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse erwarten dürfen. Insbesondere, wenn sie krank sind, in eine gefährliche Situation geraten könnten oder sich in anderen, auch drohenden, Krisensituationen befinden, können starke Erwachsenen eine elementare Unterstützung sein. 4. Vorraussetzungen strukturell verankerter Partizipation Viele Kinder verbringen einen großen Teil ihres Tages in einer Kindertagesstätte. Oft erleben sie hier zum ersten Mal, wie eine Gemeinschaft außerhalb ihrer Familienstruktur funktioniert. Partizipation muss strukturell verankert werden, damit sie nicht von dem Engagement und der Willkür der jeweiligen Fachkraft abhängig ist. Sie zeigt sich nicht nur in der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, sondern auch in der entsprechenden pädagogischen Haltung zum Kind und den strukturellen Bedingungen der Einrichtung. Um die eigenen Rechte der Kinder in die Kindertagesstätte zu implementieren, müssen sich die Pädagogen damit auseinandersetzen, was sie Kindern zutrauen und wobei sie bereit sind, Kinder zu beteiligen. Partizipation liegt in der Verantwortung des Erwachsenen. Sie ist ein Prozess, der erlernt werden muss und fordert den Erwachsenen heraus, einen Teil seiner Macht abzugeben. 4.1. Reflexionsfähigkeit der Pädagogischen Fachkraft Unerlässlich für eine gelingende Partizipation ist die Reflexionsfähigkeit des Pädagogen. Nicht nur der Alltag, die Pädagogik, die Machtverhältnisse, sondern auch die eigenen Wertvorstellungen, die Erfahrungen aus der eigenen Sozialisation und Biografie müssen reflektiert werden. Um Verhalten, Situationen oder Handlungen zu verstehen, sie neu zu ordnen und zu ändern, macht es Sinn, das Geschehene immer wieder zu betrachten und auszuwerten. 4 von 10
Die Reflexionsfähigkeit zählt zu den professionellen Kernkompetenzen einer pädagogischen Fachkraft. Sich selbst und das eigene Handeln reflektieren zu können, Situationen aus der Außenperspektive zu betrachten ermöglicht zusätzliche Sichtweisen, die wiederum zu neuen Erkenntnissen führen können. Um Situationen, Strukturen, Verhaltensmuster und Lebenswelten differenzierter zu erfassen und zu verstehen ist es wichtig, unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen. 4.2. Gewährleistung einer wertschätzenden Interaktion Die wertschätzende Interaktion ist im Allgemeinen aber auch in schwierigen, konfliktreichen Situationen nicht zu unterschätzen. Sie ist sozusagen der Nährboden für die Entwicklung und Förderung eines verlässlichen Austausches gegenseitiger Interessen und Bedürfnisse. Ein Pädagoge, der interessiert zuhört und fragt, der die Worte anerkennend wählt, sich dem Gegenüber zuwendet und auf Augenhöhe geht, der geduldig, deutlich und ruhig spricht, dessen Mimik neugierig und anteilnehmend, die Stimmung des Anderen aufgreifend wirkt, wird eher Momente erleben, die von Offenheit, Vertrauen und Respekt geprägt sind. Viele Gesprächssituationen im Kita-Alltag bestehen eher aus nicht-dialogischen Interaktionen, wie reinen Informationen oder direkten Anweisungen. Eine wertschätzende Interaktion setzt jedoch den gleichberechtigten Dialog voraus. Kinder, die sich wahrgenommen und in ihren Situationen anerkannt fühlen, haben weniger Hemmungen ihre Bedürfnisse zu zeigen und zu formulieren. Sie sind eher bereit sich zu beschweren oder die Dinge zu hinterfragen. 4.3. Verbindlicher Umgang mit Grenzverletzungen Immer wieder erlebt man als Pädagoge in der alltäglichen Arbeit Situationen, in denen das eigene Verhalten oder das eines Kollegen als grenzwertig beobachtet wird. Oft bleibt ein ungutes Gefühl zurück. Irgendwie scheint nicht klar, was da eigentlich passiert ist. Ein verbindlicher Umgang mit Grenzverletzungen zeichnet sich durch eine Auseinandersetzung mit diesen Situationen aus. Es ist wichtig sie zu erkennen und zu benennen. Das gilt auch bei 5 von 10
kleineren Überschreitungen. Bleiben sie unkommentiert entsteht der Eindruck, dieses Verhalten sei in Ordnung und wird gebilligt. Um einen, für Fachkräfte verbindlichen Umgang zu schaffen, sind die Einrichtungskultur und das Klima im Team von zentraler Bedeutung. Dort, wo Kritik geäußert werden darf und eine Form der Fehlerfreundlichkeit gelebt wird, kann auch transparent und konstruktiv gehandelt werden. Orientiert sich eine Kindertagesstätte in ihren institutionellen Strukturen und in der pädagogischen Haltung ihrer Fachkräfte an den Kinderrechten, schafft dies unweigerlich Verbindlichkeit. 4.4. Sicherung der kindlichen Beschwerde- und Beteiligungsrechte Beschwerde- und Beteiligungsmöglichkeiten müssen immer aktiv gestaltet werden. Man kann nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass Kinder sich von selbst einbringen. Gerade unter Berücksichtigung des ungleichen Machtverhältnisses innerhalb der Beziehung zwischen Pädagoge und Kind, wird deutlich, dass Kinder oft Hilfestellungen in der Formulierung ihrer Bedürfnisse und Anliegen brauchen. Erst die Sicherheit, dass ihre Meinung, ihre Mitwirkung und Äußerung für die jeweilige Situation von Nöten ist, wird sie auch weiterhin diese Kompetenzen nutzen lassen. Beschwerde- und Beteiligungsmöglichkeiten sollten auch immer den Entwicklungsstand, die Persönlichkeit und das Alter der Kinder berücksichtigen. So ist z.b. das Weinen eines kleinen Kindes beim Wickeln erst ein Mal eine Beschwerde. Und wenn die kleine Kathrin sagt, dass ihre Erzieherin, die Anja, so oft schreit, dann ist das ebenso eine Beschwerde. So gilt es, die Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten eines Kindes von Beginn an wahrzunehmen und zu berücksichtigen um schließlich damit umzugehen. Um die Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten der Kinder zu sichern, ist es notwendig, dass sich der Träger, die Struktur der Einrichtung und die pädagogische Haltung der Fachkräfte an den Kinderrechten orientieren. Die Möglichkeiten der Kinder sollten für alle Beteiligten transparent und verbindlich sein. So können sie z.b. in der Konzeption oder in Kinderverfassungen geregelt werden. Die Möglichkeiten der Kinder, sich in den Prozess einzubinden sind vielfältig. Durch die Wahrnehmung und das Eingehen auf die Bedürfnisse und Botschaften des Kindes, durch die Gestaltung partizipativ angelegter Pflege- und 6 von 10
Erziehungssituationen und durch das Respektieren der kindeigenen Entscheidungen, lässt sich schon bei den Jüngsten eine Basis in Bezug auf Beschwerde und Beteiligung schaffen. Im Elementarbereich sind es u.a. Gesprächsrunden, Kinderbesprechungen oder Kinderkonferenzen. Auch Abstimmungsverfahren über eine Aktivität oder den Kauf neuer Spielsachen sind geeignete Methoden, um Kindern das Wort zu geben. Da sich die einzelnen Kindertagesstätten in ihren gegebenen Strukturen stark unterscheiden, ist es wichtig, mit allen Beteiligten und für alle Beteiligten, geeignete und verbindliche Verfahren zu entwickeln und transparent zu formulieren. 5. Meine Rolle als Multiplikator In erster Linie, sehe ich meine Aufgabe als Multiplikator darin, mein Fachwissen zum Thema Kinderschutz in möglichst viele Richtungen zu streuen. Die besonderen Kompetenzen, die ich innerhalb der Fortbildung erlernt habe, möchte ich unterstützend in die Kindertagesstätte einbringen. Ich arbeite in einer Kita des Studentenwerkes Berlin mit 180 Kindern im Alter von drei Monaten bis sechs Jahren. Das Haus teilt sich in Krippen- und altersgemischte Bereiche. Mein direktes Tätigkeitsfeld ist ein offener altersgemischter Bereich mit 60 Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren. Wir haben Bezugsgruppen und ein Bezugserziehersystem, die Räumlichkeiten sind allerdings bestimmten Funktionen zugeordnet. Unser Team besteht aus acht Erziehern, die unterschiedliche pädagogische Schwerpunkte und Kompetenzen in den Bereich, in die Kindertagesstätte und in den Träger tragen. Der Träger unterstützt kitatübergreifende Prozesse und arbeitet mit den Pädagogen, in verschiedenen Gremien, stetig an der Entwicklung der pädagogischen Standards. Wichtig ist, dass wir keinen Einzugsbereich haben. Die Kinder kommen aus ganz Berlin und weniger als zehn Prozent kommen aus der näheren Umgebung. Kinderschutz hat bei uns noch keinen Platz gefunden. Der Träger hat sich nicht deutlich positioniert, es gibt keinen eigenen Qualitätsstandard Kinderschutz, in den einzelnen Konzeptionen der Einrichtungen wird nicht konkret und explizit darauf eingegangen und die pädagogischen Fachkräfte sind unsicher bei Gefährdungseinschätzungen. 7 von 10
Wenn man sucht, findet man in den Formulierungen zur pädagogischen Haltung und im Bild des Kindes einige Kinderrechte wieder. Sucht man weiter, findet man den Ordner, mit dem Handlungsleitfaden, dem Flussdiagramm, der Einschätzung und den wichtigen Adressen. Das macht deutlich, wie wenig wir uns mit Kinderschutz auseinandersetzen. Auch wenn wir in unseren Einrichtungen selten Gefährdungssituationen erleben, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt und die Kinder bei uns ausreichend geschützt sind. Der Träger hat die einzelnen Einrichtungen angehalten, bis zum Ende des Jahres 2017 Kita- Verfassungen zu entwickeln. Für mich ist das eine ausgezeichnete Situation, meine neu erworbenen Kompetenzen einzubringen. Hier bietet sich mir die Möglichkeit Schwerpunkte zu setzen, die den Schutz und das Wohl des Kindes und die Kinderrechte in den Vordergrund stellen. Da die pädagogischen Haltungen und Handlungen durch eine Kita-Verfassung transparent und verbindlich gemacht werden, ergibt sich auch für die Kollegen untereinander eine größere Handlungssicherheit im Umgang mit dem Thema. Wird in der Verfassung festgehalten, das kein Kind beim Essen, etwas probieren muss, dann wird die Situation nicht mehr nur von der Willkür der jeweiligen Fachkraft bestimmt, sondern die Vorgaben der Verfassung regeln die Situation. Sind die Rechte transparent und allen Beteiligten bekannt, wird es Kollegen, Eltern und Kindern leichter fallen, Verhaltensweisen anzusprechen und zu hinterfragen. In den letzten Wochen ist mir aufgefallen, dass viele Kollegen nur wenig Informationen zur Beratung von Eltern haben. Sie schicken zum Kinderarzt, zum Logopäden, zum Ergotherapeuten und auch Mal zu Erziehungsberatung. Sie können aber nur wenig über Angebote für Eltern in besonderen Lebenssituationen informieren. Das macht sie unsicher mit den Eltern in den Dialog zu treten. Es wäre hilfreich, wenn wir Eltern schon sehr früh über niedrigschwellige Angebote informieren könnten. Die Angebote sollten Eltern themenbezogen informieren, ihre momentanen Lebenssituationen ansprechen, ihnen Austausch und das Knüpfen von sozialen Beziehungen ermöglichen und sie sollten vielfältig sein. Da wir kein natürliches soziales Netzwerk, wie z.b. einen Kiez haben, ist es umso wichtiger, von innen nach außen zu treten und sich ein eigenes unterstützendes System aufzubauen. Auch die Pädagogen und Teams brauchen wesentlich mehr Informationen zur eigenen Beratung bezüglich der Themen Kinderschutz und Kindeswohlgefährdungen. Oft fühlen sie sich allein gelassen und wenig gestützt, wenn Situationen sich zuspitzen und ein Handeln 8 von 10
erfordern. Fachwissen, Beratung und Weiterbildung vermindern die Unsicherheiten der Fachkräfte im Kinderschutz. Ich habe mich bereits mit einer Kollegin auf den Weg gemacht, den Ist-Stand unserer Strukturen zu überschauen. Mein Vorhaben wird sein, den alten Ordner mit neuem Leben zu füllen und ihn so ansprechend zu gestalten, das er im Alltag der Kollegen eine gern gesehene Informationsplattform wird. Neben den Handlungsleitlinien sollen hier die unterschiedlichsten Informationen zum Thema Kinderschutz zu finden sein. Vor Allem werden es Fortbildungsangebote, Tipps zu Fachliteratur und Kinderbüchern, Informationen zu den verschiedenen Formen von Kindeswohlgefährdungen, Beratungsangebote für Eltern und Pädagogen, Materialien zur Gesprächsführung usw. sein. Nach der Fertigstellung, werde ich den Ordner in den einzelnen Teamsitzungen der Einrichtung vorstellen und auch meine eigene Funktion als Multiplikator für Kinderschutz vermitteln. Mir liegt viel daran, dass die Teams mich als Gesprächspartner, Begleiter und Berater in schwierigen Situationen wahrnehmen und nutzen. Ich möchte sensibilisieren, Ängste nehmen und Sicherheit bringen. Da meine Ausgangssituation, als Multiplikator noch so frisch ist und meine Beteiligungsmöglichkeiten zu den Themen Kinderrechte und Kinderschutz innerhalb des Trägers erwünscht sind, eröffnet sich mir ein riesiges Aufgabenfeld. Für mich selbst bedeutet das, dass ich mich nicht verirre und zu viele Dinge auf einmal angehe. Die erste Zeit werde ich mich damit beschäftigen, das Thema Kinderschutz in den Alltag zu etablieren und Strukturen zu schaffen, die es gerade den Kindern ermöglichen, ihre Rechte wahrzunehmen und zu nutzen. Die Auseinandersetzung mit meinem Facharbeitsthema hat mir gezeigt, dass eine aktive und gelebte Partizipationskultur, Kinder enorm bei der Ausbildung schutzrelevanter Kompetenzen unterstützen kann. Das Lernen in kommunikativen und kooperativen Prozessen, das Erleben von Selbstwirksamkeit und gehört werden machen Kinder stark und lassen sie Fähigkeiten zu konstruktiven Konfliktbewältigungen entwickeln. Meine konkrete Planung, das Thema zu öffnen, beginnt mit den Kollegen im Team. Es ist notwendig eine gemeinsame Haltung zu finden, die von allen getragen und gelebt werden kann. Mit meinen Kollegen habe ich vereinbaren können, dass jede vierte Teamsitzung im Monat, unter der Überschrift Partizipation steht. Meine Aufgabe wird sein, die Sitzungen vorzubereiten, zu moderieren, zusammenzufassen und miteinander zu verbinden. In der ersten Sitzung möchte ich die Kollegen mit den gesetzlichen Vorgaben, in Bezug auf Kinderschutz und Partizipation, vertraut machen. Im Vordergrund steht, auf das Thema einzustimmen und in die Diskussion zu treten. Zur Unterstützung, werden wir ein 9 von 10
gemeinsames Brainstorming zu den jeweiligen Begriffen Beteiligung, Beschwerde und Menschenrechte/Kinderrechte erarbeiten. Allein durch den gemeinsamen Austausch, meines recht vielfältigen und unterschiedlichen Teams, erwarte ich doch so einige Aha-Erlebnisse, die zum Nachdenken anregen werden. Sicher werden sich einige Ängste und Unsicherheiten offenbaren. Auch mit den Vokabeln Normen- und Wertevermittlung rechne ich. Jeder sollte frei äußern können, was er denkt und wo er z.b. seine Grenze sieht. Vertrauen und Offenheit fördern ein reflexives Verhalten der Pädagogen untereinander. Hier kommt die wertschätzende Interaktion zum tragen. Durch meine Erfahrungen kann ich mit gutem Beispiel, gerade in der Moderation, vorangehen und unterstützen. Nachbereitend werde ich die wichtigsten Aspekte/ Gemeinsamkeiten zusammentragen und auswerten, um sie für den Einstieg in der zweiten Sitzung zu nutzen. Ziel ist es, eine kleine Sammlung von Themen oder auch Schwerpunkten zu erarbeiten, die erst mal gleichwertig nebeneinander stehen dürfen, ohne gewertet zu werden. Sie sollen ja schließlich zur Diskussionsgrundlage werden. Für mich steht die zweite Sitzung unter dem Motto Beteiligungsmöglichkeiten der Kinder ein unserer Einrichtung. Tatsächlich muss ich erst abwarten, wie sich die Bedürfnisse in der ersten Sitzung entwickeln, um entsprechend zu handeln. Grundsätzlich ist es mir ein Anliegen, begreifbar zu machen, dass Kinder, so wie Erwachsene, ganz eigene Persönlichkeiten, mit ganz eigenen Bedürfnissen und Hintergründen sind. Sie haben ein Recht sich an ihrer Entwicklung zu beteiligen, wie es sonst, jeder Erwachsene selbstverständlich für sich in Anspruch nimmt. Beteiligung macht handlungsfähig und resillient und sie fördert die Kommunikation und die Kooperation in einem sozialen Gefüge. Fähigkeiten, die davor schützen, in Opfer- oder Tätersituationen zu geraten. Eine Kindertagesstätte kann die Entwicklung solcher Kompetenzen erheblich unterstützen, indem sie Rahmenbedingungen schafft, in denen Kinder ihre Rechte geachtet und vertreten sehen, sie ihre Selbstwirksamkeit erleben können und die Möglichkeit der Beschwerde, gerade in eigener Belange, haben. 10 von 10