Der Fall Séralini. Autorin. Dr. Martha Mertens ist Sprecherin des Arbeitskreis Gentechnik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

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Transkript:

Der Fall Séralini Studien, die die angebliche Sicherheit von gentechnisch veränderten Organismen und Pestiziden in Frage stellen, werden massiv attackiert. Das zeigt der Fall eines französischen Biologen. Gilles-Eric Séralini, Professor für Molekularbiologie an der Universität Caen (Normandie, Frankreich), beschäftigt sich seit Längerem mit der Sicherheit von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und den gesundheitlichen Auswirkungen von Pestiziden. Mehrere Jahre gehörte er auch Kommissionen der französischen Regierung an, die sich mit den Auswirkungen von GVO befassten. Die Unabhängigkeit der Wissenschaft ist ihm wichtig - insbesondere von den wirtschaftlichen Interessen von Firmen, die neue, unter Umständen risikobehaftete, Produkte möglichst rasch auf den Markt bringen wollen. Gilles-Eric Séralini, Professor für Molekularbiologie an der Universität Caen (Normandie, Frankreich), beschäftigt sich seit Längerem mit der Sicherheit von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und den gesundheitlichen Auswirkungen von Pestiziden. Autorin Dr. Martha Mertens ist Sprecherin des Arbeitskreis Gentechnik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Mehrere Jahre gehörte er auch Kommissionen der französischen Regierung an, die sich mit den Auswirkungen von GVO befassten. Die Unabhängigkeit der Wissenschaft ist ihm wichtig - insbesondere von den wirtschaftlichen Interessen von Firmen, die neue, unter Umständen risikobehaftete, Produkte möglichst rasch auf den Markt bringen wollen. Foto: courtesy criigen.org Mit Kollegen hat er in den letzten Jahren zahlreiche, von Experten begutachtete ( peer-reviewed ) Arbeiten in Fachzeitschriften veröffentlicht, die mögliche gesundheitliche Risiken von GVO und Pestiziden unter die Lupe nahmen, z. B. des Spritzmittels Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat, einem Herbizid des USamerikanischen Konzerns Monsanto.[1] Wesentliche Schlussfolgerungen seiner Arbeiten waren: die derzeitigen Methoden der Risikobewertung von GVO und Pestiziden sind nicht ausreichend Tierversuche (meist werden Ratten mit Gentechnik-Pflanzen gefüttert) sind oft zu kurz, um Schäden realistisch beurteilen zu können 1

Foto: Prac SCHULE UND GENTECHNIK. FALLBEISPIEL: Der Fall Séralini 2 es gibt Studien, die Hinweise auf schädliche Wirkungen von GVO und Pestiziden liefern die Industrie muss ihre Studien vollständig veröffentlichen, damit andere Wissenschaftler sie überprüfen können Foto: courtesy gmoseralini.org Fütterungsstudie erregt internationales Aufsehen Im September 2012 erschien in der Zeitschrift Food and Chemical Toxicology (FCT) eine neue Arbeit von Séralini.[2] Er hatte Ratten zwei Jahre lang mit gentechnisch verändertem Mais (Glyphosat-resistenter NK603-Mais von Monsanto) gefüttert, andere nahmen das Spritzmittel Roundup mit dem Trinkwasser auf. Séralini und seine Kollegen beobachteten, dass die weiblichen Ratten deutlich häufiger und früher starben und früher Tumore entwickelten als die Tiere, die keinen Gentechnik-Mais zu fressen bekamen. Auch bei den männlichen Versuchstieren zeigten sich häufiger und früher Tumore, zudem wurde ihre Leber geschädigt. Bei Ratten beider Geschlechter kamen Nierenschäden hinzu. Die Vermutung der französischen Biologen: das in den Mais eingebaute Fremdgen bringt den Stoffwechsel der Tiere durcheinander eventuell in Kombination mit Roundup. Die Studie erregte große öffentliche Aufmerksamkeit, in vielen Zeitungen und im Fernsehen wurde darüber berichtet, im Internet heiß diskutiert. Von verschiedenen Seiten wurde Séralini heftig angegriffen, auch von Wissenschaftlern, die selbst Gentechnik-Pflanzen entwickeln, und natürlich von Monsanto, um dessen Mais und Spritzmittel es ja ging. Allein in der Zeitschrift FCT erschienen über 15 Kommentare, die meisten waren negativ.[3] Die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) reihte sich in den Kreis der Kritiker ein und behauptete, Séralini hätte handwerkliche Fehler gemacht. Das Fazit der Behörde: der Gentechnik-Mais NK603 und das Herbizid Glyphosat gelten weiter als sicher. [4] Auch das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hielt die Schlussfolgerungen Séralinis für nicht gerechtfertigt.[5] Andere Wissenschaftler wunderten sich hingegen über die Kritik aus den Behörden. Schließlich akzeptierten diese sonst Fütterungsstudien, die nicht zwei Jahre lang liefen wie bei Séralini sondern nur drei Monate. Das sei aber viel zu kurz, um Gesundheitsprobleme bei den Ratten festzustellen, die normalerweise viel länger leben. Die Tiere würden also getötet, bevor Auswirkungen ihres Futters auf ihren Körper beobachtet werden können. Séralini und seine Kollegen reagierten mit einer detaillierten Erklärung ihrer Arbeit.

3 Wissenschaftliche Qualität der Studie: Kontroverse Debatte Séralinis Kritiker argumentierten unter anderem, die Anzahl der Versuchstiere sei zu gering und lasse Aussagen zu krebserzeugenden Wirkungen nicht zu, der verwendete Rattenstamm sei für derartige Studien nicht geeignet und entwickle generell häufig Tumore und die Statistiken seien nicht aussagekräftig, weil zu wenig Tiere herangezogen worden seien. Zudem seien derart auffällige Ergebnisse in früheren Versuchen mit GVO und Glyphosat nicht beobachtet worden. Séralini erwiderte im Herbst 2012 In der Studie ging es eigentlich gar nicht um Krebs, sondern um Langzeitfolgen des Gentechnik-Futters und des Herbizids. Deshalb war es gerechtfertigt und entsprach den gängigen Standards, zehn Tiere pro Geschlecht und Dosierung zu verwenden. Der Rattenstamm ( Sprague-Dawley ) wird in zahlreichen Studien verwendet. Auch Monsanto hatte in der 90-Tage-Studie, mit der der Konzern die Sicherheit des NK603-Mais begründen ließ, diesen Stamm eingesetzt. Allerdings hat Monsanto die Rohdaten der Studie nicht veröffentlicht. Es wurden die modernsten statistischen Methoden angewandt, um die bei 200 Ratten gemessenen 50 biochemischen Parameter zu analysieren. So konnten deutliche Abweichungen mit 99%iger statistischer Sicherheit erkannt werden. Dies ist die erste Langzeitstudie, in der Säugetiere einer stark verdünnten (deutlich unter offiziellen Sicherheitswerten liegenden) Roundup-Formulierung ausgesetzt wurden. Im Gegensatz zu bisherigen Studien wurde dabei nicht nur der reine Wirkstoff (Glyphosat), sondern auch die chemischen, ebenfalls giftigen Hilfsmittel, die das verkaufsfertige Produkt (Roundup) Doppelte Standards bei wissenschaftlichen Arbeiten? Angesichts der brisanten Ergebnisse der Studie ging die Debatte auch nach den Äußerungen von Séralini weiter. Kritiker und Unterstützer meldeten sich in wissenschaftlichen Medien weiter zu Wort. Weit über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie doppelte Standards bei der Beurteilung von Studien zur Sicherheit von GVO anprangerten.

Foto: Prac SCHULE UND GENTECHNIK. FALLBEISPIEL: Der Fall Séralini 4 Sie wiesen auf frühere Fälle hin, in denen Wissenschaftler, die Studien zu Risiken von Gentechnik-Pflanzen veröffentlicht hatten, unter massiven Druck (bis hin zur persönlichen Beleidigung) der Industrie, Wissenschaftsmedien und Kollegen aus dem Biotechbereich geraten waren. [6] Die Unterzeichner des Briefs beklagten außerdem, dass GVO wegen gesetzlicher Vorgaben nur wenigen Studien unterzogen werden müssten, die zudem aufgrund ihres Designs nicht geeignet seien, negative Effekte zu erkennen. Zudem würden sie von Unternehmen oder in deren Auftrag durchgeführt. Von einer industrie-unabhängigen Risikoforschung könne daher nicht die Rede sein. Ein Vergleich der Séralini-Studie mit anderen GVO-Fütterungsstudien an Ratten zeigte, dass vielfach mit doppeltem Maß gemessen wird: kommen die Fütterungsstudien zu dem Schluss, es bestehe kein Risiko, werden sie vom Großteil der Wissenschaftsgemeinde und den Behörden akzeptiert; finden sie jedoch mit vergleichbaren Methoden - Hinweise auf gesundheitliche Risiken, werden sie als wissenschaftlich unzureichend zurückgewiesen.[7] Fachzeitschrift zieht Séralini-Studie zurück Im Herbst 2013, über ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung, zog das Fachjournal Food and Chemical Toxicology die Séralini-Arbeit zurück ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Allerdings räumte Chefredakteur A. Wallace Hayes gleichzeitig ein, es gebe keinen Beweis für Betrug oder absichtliche Verdrehung der Daten. Die Ergebnisse seien zwar nicht falsch, aber auch nicht schlüssig.[8] Besonders brisant: erst im Februar (gut ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung der Séralini-Studie) hatte die Zeitschrift Richard E. Goodman als Associate Editor für den Bereich Biotechnologie engagiert. Goodman hatte jahrelang für Monsanto [9] gearbeitet und war Autor für ILSI (International Life Sciences Institute), ein von der Gentechnikindustrie gefördertes Institut.[10] Er kritisierte die Séralini-Studie und deren eventuellen Einfluss auf den internationalen Handel und das Vertrauen der Verbraucher in GVO.[11] Der Rückruf der Studie zog erneut ein starkes Medienecho nach sich. Viele Wissenschaftler wandten sich an FCT ein Teil begrüßte den Rückruf, ein anderer kritisierte ihn heftig.[12] Die Kritiker verwiesen darauf, dass Elsevier, der Verlag, in dem das Journal erscheint, sich zur Einhaltung gewisser Standards [13] bekannt habe: Foto: courtesy GMOSeralini

5 demnach soll eine wissenschaftliche Arbeit nur dann zurückgezogen werden, wenn Daten vorsätzlich gefälscht oder schwerwiegende Fehler bei der Auswertung gemacht wurden; fehlende Schlüssigkeit hingegen ist kein Grund für einen Rückruf. Séralini betonte, viele wissenschaftliche Arbeiten enthielten Ergebnisse, die nicht immer in allen Punkten schlüssig seien; daher bedürfe es weiterer Studien, um schrittweise zu schlüssigeren Ergebnissen zu kommen. Die Arbeit wird neu publiziert Im Juni 2014 erschien die so heftig kritisierte Séralini-Studie erneut, diesmal in der Zeitschrift Environmental Sciences Europe. [14] Damit kann auch die wissenschaftliche Debatte weiter gehen. Séralini kündigte zudem weitere Untersuchungen zu Gentechnik- Pflanzen und Pestiziden an. Vor allem sind gründliche Langzeitversuche nötig, um potenzielle Gefahren für die Fortpflanzung und nachfolgende Generationen zu erkennen. Séralini forderte, bei der Beurteilung von Arbeiten dürften keine doppelten Standards abhängig von den Ergebnissen - angelegt werden und Wissenschaftler müssten verpflichtet werden, Interessenskonflikte (z. B. Verbindungen zur Industrie) offen zu legen. [15] Der Verein ENSSER, ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, die sich für soziale und ökologische Verantwortung und eine unabhängige Risikoforschung einsetzen, begrüßte die Wiederveröffentlichung. Wissenschaftlicher Fortschritt sei nur möglich, wenn die Arbeiten transparent stattfänden, Forschungsergebnisse einem fairen und kritischen peer-review- Verfahren unterworfen und anschließend veröffentlicht würden, damit die wissenschaftliche Öffentlichkeit darüber diskutieren kann. [16] Zensur dürfe in der Wissenschaft des 21. Jahrhunderts keinen Platz haben. Eine Folge der Debatte über Séralinis Studie: die EU gab weitere Untersuchungen zu Gentechnik-Mais in Auftrag. Die von ihr mit mehreren Millionen Euro finanzierten Studien laufen noch. 2015 soll außerdem eine groß angelegte Studie russischer und europäischer Wissenschaftler beginnen, die 25 Millionen Dollar kosten soll. Auch künftig wird also über Forschung gestritten werden. Da Gentechnik-Unternehmen und leider auch Teile der Wissenschaft und Politik kritische Untersuchungen zu GVO und Pestiziden als hinderlich erachten und ablehnen, müssen Industrie-unabhängige Wissenschaftler und die Öffentlichkeit derartige Studien beharrlich einfordern. Vor allem müssen sie durchgeführt werden, bevor die umstrittenen Produkte auf den Acker, in die Futtertröge von Tieren oder auf die Teller der VerbraucherInnen gelangen. Kritische Wissenschaft European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENS- SER): Das Europäische Netzwerk kritischer Wissenschaftler ensser.org Testbiotech: Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie testbiotech.de

6 Quellen 1 Gesammelte Publikationen von Prof. Gilles-Eric Séralini bit.ly/29l8kvy 2 Séralini-Studie: Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize. Deutsch: Langzeit-Toxizität des Herbizids Roundup und von Roundup-tolerantem gentechnisch verändertem Mais bit.ly/29ktdjx 3 Gesammelte Kommentare zur Séralini-Studie bit.ly/29n5hhy 4 Stellungnahme der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) zur Séralini-Studie bit.ly/29gteig 5 Stellungnahme des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) zur Séralini-Studie bit.ly/29v9m99 6 Offener Brief von über 100 Wissenschaftlern bit.ly/29sqji3 7 Vergleichsstudie H. Meyer & A. Hilbeck, A. :. Rat feeding studies with genetically modified maize - a comparative evaluation of applied methods and risk assessment standards. Environ Sci Eur 2013, pp. 25-33. 8 Brief von Hayes an Séralini, 19.11.2013, bit.ly/29m2sfp; Pressemitteilung des Verlags Elsevier, 10.12.2013, bit.ly/29idibq 9 Kurzbiografie Goodman bit.ly/29f5t5p 10 Publikationsliste des International Life Science Instiutes (ILSI) 11 G.E. Séralini et al. (2014b). Conflicts of interests, confidentiality and censorship in health risk assessment: the example of an herbicide and a GMO. Env. Sciences Europe26 (2014), p. 13. 12 Reaktionen auf Rückruf der Studie bei Food and Chemical Toxicology bit.ly/29g745b 13 Elsevier bei publicationethics.org bit.ly/29k41fj 14 G.E. Séralini et al.: Republished study: long-term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize. Env. Sciences Europe 26 (2014), p. 14. 15 G.E. Séralini et al.: Conflicts of interests, confidentiality and censorship in health risk assessment: the example of an herbicide and a GMO. Env. Sciences Europe 26 (2014), p.13, in: G.E. Séralini et al.: Conclusiveness of toxicity data and double standards. Food Chem Toxicol 69 (2014), pp. 357-359. 16 Pressemitteilung von ENSSER zur Neu-Publikation der Séralini-Studie bit.ly/29fgxh9