Hiermit stelle ich gegen die Justizvollzugsanstalt Nürnberg Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß 109 StVollzG. Ich beantrage

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Transkript:

Nürnberg den 8. März 2016 Abs.: Z An die Strafvollstreckungskammer am LG Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg Hiermit stelle ich gegen die Justizvollzugsanstalt Nürnberg Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß 109 StVollzG. Ich beantrage 1. die Entscheidung der JVA-Nürnberg [Antragsgegnerin] über die Zur- Habe-Nahme eines einer Briefsendung beigelegten Flugblattes der Partei Der Dritte Weg an meinen in der JVA-Nürnberg inhaftierten Korrespondenzpartner aufzuheben. 2. die Antragsgegnerin zu verpflichten das Flugblatt Herrn auszuhändigen. 3. den Streifwert auf nicht über 300 festzusetzen. 4. die Verfahrenskosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Mitte Februar 2016 schickte ich einen Brief an meinen in der JVA-Nürnberg inhaftierten Korrespondenzpartner Herrn. Diesem legte ich ein Flugblatt der beim Bundeswahlleiter eingetragenen und zugelassenen Partei Der III. Weg bei. Mit Schreiben vom 22.02.2016 welches mir am 29.02.2016 zuging erklärte mir Herr dass ihm das Flugblatt ohne Angabe von Gründen aus dem Brief genommen und zur Habe gegeben wurde. Bei dem Flugblatt handelt es sich um Informationsmaterial einer legalen und zugelassenen Partei. Gefangene haben grundsätzlich das Recht informationen von Parteien zu empfangen um sich entsprechend ihrer Möglichkeiten am grundgesetzlich gesicherten demokratischen Geschehen zu beteiligen. Bitte bestätigen Sie mir ein Eingang dieses Schreibens und informieren Sie mich über den weiteren Verlauf des Verfahrens. Mit freundlichen Grüßen

Nürnberg den 20. April 2016 Abs.: Z An die Strafvollstreckungskammer am LG Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg Aktenzeichen II StVK 181/16 Stellungnahme Nachfolgend die Stellungnahme des Antragsstellers auf die Stellungnahme der JVA- Nürnberg vom 5.04.2016. Die Beschwerde des Antragsstellers ist begründet. Bei dem Flugblatt handelt es sich um politisches Informationsmaterial, es steht ferner in dem vom Grundgesetz geschützen Recht auf freie Meinungsäußerung, ist kein Paket i. S. d. 33 StVollzG und auch weitere - eventuell von der JVA nachgeschobene - Begründungen wie zum Beispiel eine Gefährdung des Vollzugsziels oder der Sicherheit und Ordnung der Anstalt greifen nicht. I. Informationsmaterial einer Partei Bei dem streitgegenständlichen Flugblatt der Partei Der Dritte Weg handelt es sich um Material einer politischen Partei. Diese ist beim Bundeswahlleiter eingetragen, zugelassen und beteiligt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten am politischen Geschehen in der Bundesrepublik Deutschland (z. B. Teilnahme an der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz). Die Partei ist vom Bundesverfassungsgericht auch bisher nicht für verfassungswidrig erklärt worden (vgl. Art. 21 Abs. 2 GG). Grundsätzlich haben Strafgefangene als Staatsbürger das Recht Informationsmaterial nicht verbotener politischer Parteien zu beziehen und zur Kenntnis zu nehmen (vgl.: Teilbeschluss des LG Berlin 541 StVK(Vollz) 113/06). Hinsichtlich dieser Einschätzung des Berliner Landgerichts ist das Flugblatt als politisches Informationsmaterial dem Gefangenen auszuhändigen. Eine direkte Bezugnahme im Anschreiben ist hier nicht erforderlich (unabhängig davon erfolgt eine Bezugnahme im Weiteren Sinne im Anschreiben vom 8.2.2016). Seite 1 von 4

II. Grundgesetzlich geschützes Recht auf freie Meinungsäußerung Des Weiteren wird der Antragssteller durch die Verfügung der JVA Nürnberg vom 19.02.2016 auch beschwert, da hierdurch in seine geschützte Rechtssphäre eingegriffen wird. Dies ergibt sich zwar nicht aus 28 Abs. 1 StVollzG, wonach nur dem Gefangenen und nicht einem Dritten (Schwind/Böhm, Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, 1999, 28 Rn.2; Calliess/Müller-Dietz Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, 28, Rn. 1; Arloth Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, 28 Rn. 4 m. w. N.) das Recht auf einen unbeschränkten Schriftwechsel zusteht, jedoch ist durch die Verfügung der JVA vom 19.02.2016 das Grundrecht des Antragsstellers auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) betroffen (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 21.09.2007 3 Ws 499/07 R). Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Das Grundgesetz schützt die Meinungsfreiheit sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen als auch im Interesse des demokratischen Prozesses für den sie konstitutive Bedeutung hat. Das vom Antragssteller übersandte Flugblatt dient der politischen Information und Willensbildung. Es handelt sich deshalb um die Äußerung von Meinungen im Sinne des Grundgesetzes. Die Verfügung der JVA vom 19.02.2016 verletzt das Grundrecht des Antragsstellers auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird vom Grundgesetz nicht schranklos gewährleistet. Es findet seine Schranke u. a. in den allgemeinen Gesetzen (Art. 5 Abs. 2 GG), zu denen auch die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes gehören, soweit sie die Meinungsfreiheit einschränken. Diese allgemeinen Gesetze müssen jedoch ihrerseits der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts Rechnung tragen. Sie sind deshalb so auszulegen und anzuwenden, dass die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und konstitutive Voraussetzungen des freiheitlichen demokratischen Staates zur Geltung kommen (BVerfGE 7, 198, 208, 209; 93, 266, 290; NStZ 2005, 286, 287 st. Rspr.). Allgemeine Gesetze in diesem Sinne sind 31 StVollzG, der das Anhalten ein- und ausgehender Schreiben regelt, und 33 StVollzG, der das Recht des Gefangenen auf Empfang von Paketen einschränkt. III. Bezugnahme in Anschreiben auf die Beilage Wie die Antragsgegnerin korrekt aufführt, ist die Abgrenzung, ob eine Postsendung als Schriftwechsel i. S. d. 28 StVollzG oder als Paket i. S. d. 33 StVollzG zu behandeln ist, nicht die von der Post nach deren Verwaltungsvorschrift zu treffende Zuordnung, sondern allein der konkrete Inhalt der Postsendung. Maßgeblich ist, ob der betreffende Gegenstand dem schriftlichen Gedankenaustausch dient (KG NStZ- Seite 2 von 4

RR 2007, 125, OLG Karlsruhe NStZ-RR 2002, 315,316; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.5.1996, Ws 424/96;). Ein solcher schriftlicher Gedankenaustausch ist hier entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin zwischen dem Anschreiben des Antragsstellers an den Strafgefangenen und dem als Anlage beigefügten Flugblatt gegeben. Im vorliegenden Fall hat der Antragssteller in seiner Funktion als Stützpunktleiter der Partei Der Dritte Weg dem Strafgefangenen politisches Informationsmaterial zugesandt und in seinem Anschreiben über die Tätigkeiten dieser Partei berichtet. Somit ist ein nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützter, auf Information und Meinungsbildung fußender Kommunikationszusammenhang gegeben. Dies wird nicht dadurch infrage gestellt, dass das Flugblatt als solches, isoliert betrachtet, keinen schriftlichen Gedankenaustausch selbst darstellt. Auf eine solche isolierte Betrachtungsweise kommt es nämlich nach geltender Rechtssprechung des OLG München nicht entscheidend an (vgl. OLG München, Beschluss vom 22.07.2002 3 Ws 466/06R). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die betreffenden Schriftstücke zu dem in dem weitergeleiteten Anschreiben des Antragsstellers geführten Gedankenaustausch hier den Aktivitäten der Partei Der Dritte Weg und den politischen Zielen dieser gehören oder nicht; nicht erforderlich ist hingegen, dass das weitergeleitete Anschreiben eine Bezugnahme auf das beigefügte Flugblatt enthält, also ein Gedankenaustausch über dieses selbst stattgefunden haben muss (OLG München a. a. O. in Bezugnahme auf einem Schreiben beigefügte Kopien). Nur diese weite Sichtweise wird dem Recht des Strafgefangenen auf unbeschränkten Schriftwechsel ( 28 Abs. 1 StVollzG) als wesentlicher Gesichtspunkt des Angleichungsgrundsatzes ( 3 Abs. 1 StVollzG) gerecht und berücksichtigt seine und des Absenders Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1, 10, 2 Abs. 1 GG. Demnach ist das Flugblatt nicht als Paket i. S. d. 33 StVollzG, sondern als überwachungsfähiger Schriftwechsel nach 28, 29, 31 StVollzG zu behandeln. Das Anhalten eines Schreibens auf Grund der in 31 Abs. 1 Ziff. 1-6 StVollzG abschließend aufgeführten Möglichkeiten erfordert eine Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde, bei der die wertsetzende Bedeutung der Grundrechte des Gefangenen und seines Korrespondenzpartner sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind. IV. Keine Gefährdung des Vollzugsziels Im vorliegenden Fall wäre allein ein Anhalten des Flugblattes nach 31 Abs. 1 Ziff. 1 Alt 2 StVollzG wegen Gefährdung des Vollzugsziels oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt in Betracht gekommen. Insoweit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nicht schon bei jeder denkbaren Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen oder des Ordnungsgefüges der Anstalt vorliegt, sondern konkrete Anhaltspunkte von einigem Gewicht erfordert, wenn nicht die Gefährdung durch einen allgemeinen Erfahrungssatz begründet ist (OLG Nürnberg NStZ 1982, 399; Arloth a. a. O. 31 Rn. 3). Seite 3 von 4

Beides kann in dem vorliegenden Fall jedoch nicht bejaht werden. Hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Vollzugsziels sei auf folgendendes hingewiesen: Ziel des Vollzugs ist die Verhinderung künftiger Straftaten des Strafgefangenen 2 StVollzG. Das Haben und Äußern sogenannter rechtsextremer, ggf. auch ausländerfeindlicher Meinungen ist für sich genommen keine Straftat. Es gibt auf den Boden der freiheitlich demokratischen Ordnung des Grundgesetzes keine allgemeine Verpflichtung des Staatsbürgers zur Verfassungstreue (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 9.11.1992, 8 R 88/91, Juris Rn. 38). Eine solche besteht u. a. für Angehörige des Öffentlichen Dienstes, namentlich Beamte ( 4 Abs. 1 Nr. 2 BRRG) und Soldaten ( 8 SG), ferner für politische Parteien wie dem Dritten Weg (Art. 21 Abs. 2 GG) und Hochschullehrer (Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG). Für den Einzelnen verboten ist nur der aggressive Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung (Art. 18 GG), was beim Besitz eines Flugblattes eher fern liegt. (vgl. o. g. Beschluss des LG Berlin). Ebenso ist die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht durch den Besitz eines legalen Flugblattes gefährdet. Mithin ist es nicht Aufgabe des Strafvollzuges Gefangene politisch umzuerziehen. Sie sind vielmehr (lediglich) zu befähigen, künftig die Strafrechtsordnung zu respektieren, wozu insbesondere gehören, ihre Ziele ohne Gewalt zu verfolgen und ihre Meinung unter Respektierung des Achtungsanspruchs anderer zu verbreiten. V. Aus diesen Gründen wird beantragt dem Antrag des Unterzeichners stattzugeben, die Verfügung der JVA-Nürnberg vom 19.02.2016 aufzuheben, dem Strafgefangenen das Flugblatt auszuhändigen und die Verfahrenskosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Ferner wird die fragwürdige Praxis der JVA-Nürnberg angemahnt sämtliche Schreiben des Antragsstellers zu kopieren. Hiermit wird in unzulässiger Art und Weise in die Persönlichkeitsrechte des Antragsstellers eingegriffen. Bitte bestätigen Sie mir ein Eingang dieses Schreibens und informieren Sie mich über den weiteren Verlauf des Verfahrens. Mit freundlichen Grüßen Seite 4 von 4