TEILWEISE ALKOHOLREDUZIERUNG VON WEIN ERFAHRUNGEN FÜR DIE PRAXIS Dr. Matthias Schmitt Institut für Oenologie Zentrum für Weinforschung & Verfahrenstechnik der Getränke EINLEITUNG Scholten et al. 2013 30.08.2017 2 1
EINLEITUNG 4,3 4,2 4,1 13 Gesamtsäure und ph 4 3,9 3,8 3,7 3,6 3,5 3,4 3,3 12,5 12 11,5 Degré alcoolique moyen Gesamtsäure* ph Alkohol Lineare Alkohol Lineare Gesamtsäure Lineare ph 3,2 3,1 3 11 * Gesamtsäure g/l in H 2SO 4 nicht als Weinsäure Jahrgänge Evolution der Weinmatrix:Durchschnittswerte an Gesamtsäure, ph Wert und Alkoholgehalt der Weinanalysen aus Languedoc-Roussillon seit 1984. Quelle: Laboratoire DUBERNET. 1 millions d hl/an. Nach Escudier 2009 30.08.2017 3 METHODEN ZUR ALKOHOLREDUZIERUNG 1. Weinbau: Erziehungssysteme, Laubwandmanagement 2. Mikrobiologie: Hefen mit geringerer Alkoholausbeute, Glucoseoxidase (GOX), Veratmung des Zuckers/Alkohols 3. Oenologie: Zuckerreduzierung durch Membrankopplung, Destillation unter Vakuum, Membranverfahren 30.08.2017 4 2
EINLEITUNG Intensität Alkohol % vol. Alkohol erhöht Wärmeempfinden Körper Süße Alkoholgehalt in % vol. Alkohol reduziert Fruchtigkeit Aromaintensität Säure Bitterkeit Salzigkeit Nach Yu et al. 2008 30.08.2017 5 EINLEITUNG Rechtliche Grundlagen EU VO 606/2009 EU VO 144/2013 2% vol. 20% des Alkoholgehaltes Zucker-Reduzierung durch Membran-Kopplung zugelassen (EU VO 144/2013) ohne Einschränkung Wie sind die Produkte zu kennzeichnen die unter 8,5% vol. bzw. um mehr als den zulässigen Umfang im Alkoholgehalt reduziert wurden? 3
EINLEITUNG Alkoholfreier Wein und schäumendes Getränk aus alkoholfreiem Wein: Weniger als 0,5 % v/v (4 g/l) vorhandener Alkohol Alkoholreduzierter Wein und schäumendes Getränk aus alkoholreduziertem Wein: Mehr als 0,5 % v/v (4 g/l) und weniger als 4,0 % v/v (32 g/l) Verkehrsbezeichnung alkoholfreier Wein, alkoholreduzierter Wein schäumendes Getränk aus alkoholfreiem Wein schäumendes Getränk aus alkoholreduziertem Wein Entalkoholisierter Wein und alkoholfreier Sekt sind unzulässig ( 47 WeinVo, 3, 10a LMKV; 1 LKV, 9 ZZulV, 20 FPVo) Christmann Schnittstelle zwischen Wein- und Lebensmittelrecht Ausnahme für die o.g. Bezeichnungen 30.08.2017 7 EINLEITUNG Zutatenverzeichnis und Angaben von Zusatzstoffen (z.b. Sorbinsäure, Schweflige Säure) Mindesthaltbarkeitsdatum Alkoholgehalt Los-Angabe Nennfüllmenge Christmann 30.08.2017 8 4
EINLEITUNG Durch die Abtrennung von Alkohol werden Steuern fällig: 1507 erste Steuer auf Branntwein in Deutschland (Nordhausen) 1660 erste Steuer auf Branntwein in England Branntweinsteuer in Deutschland: 13,03 /l Alkohol Nach schriftlicher Auskunft der Finanzdirektion Südwest sind auch die Membranverfahren zur teilweisen Alkoholreduzierung Dauerbrenngeräte. Diese sind nach dem 116 (Brennereiordnung) verschlusssicher einzurichten, wobei nach 109 (Brennereiordnung) durch das jeweilige Hauptzollamt Ausnahmen erlassen werden können. In solchen Fällen können besondere Aufsichtsmaßnahmen erlassen werden. Wie eine solche besondere Aufsichtsmaßnahme aussieht und welche Kosten dabei für den jeweiligen Betrieb anfallen, gilt im Einzelnen zu prüfen. 30.08.2017 9 EINLEITUNG Der Alkoholgehalt ist weltweit eine obligatorische Angabe auf dem Weinetikett Aber die Toleranzen für den angegebenen Alkoholgehalt unterscheiden sich teilweise: EU, SA: 0,5% vol. Canada, China :1,0% vol. AUS, NZ, US (<14%vol.): 1,5% vol. 30.08.2017 10 5
PHYSIKALISCHE METHODEN Rebsorten: Müller Thurgau, Weißburgunder, Riesling, Regent, Blauer Spätburgunder 3 bzw. 4 Rebsorten pro Jahrgang 30.08.2017 11 DESTILLATIVE VERFAHREN VAKUUMREKTIFIKATION 30.08.2017 12 6
DESTILLATIVE VERFAHREN SPINNING CONE COLUMN 30.08.2017 13 DESTILLATIVE VERFAHREN Hohe Verluste freie SO 2 (- 58%/97%/71%) Entalkoholisierung verursacht mikrobiologische Anfälligkeit Flüchtige Säure? Zügiger Rückverschnitt! Zügige sterile Abfüllung!! Petrischalen: Müller Thurgau alkoholfrei ein Tag nach Behandlung(Rüdesheim/Rhein) 30.08.2017 14 7
MEMBRANVERFAHREN OSMOTISCHE DESTILLATION Membrankontaktoren können vielseitig eingesetzt werden: Gasmanagement (O 2, N 2, CO 2 ) - Wein / Gas Alkoholreduzierung- Wein / Wasser Emrich 2016 30.08.2017 15 MEMBRANVERFAHREN UMKEHROSMOSE UND WEITERES VERFARHEN 30.08.2017 16 8
MEMBRANVERFAHREN Membranverfahren sind i.d.r. kleine, mobile Anlagen, die den Alkoholgehalt um ca. 4% vol. reduzieren können. Soll der Alkoholgehalt um mehr als 4% vol. reduziert werden, so sind destillative Verfahren zu bevorzugen. Umkehrosmose allein, kann den Alkoholgehalt NICHT reduzieren - im Gegenteil, die Weine werden aufkonzentriert! 30.08.2017 17 REDUZIERUNG DES ZUCKERS DURCH MEMBRANKOPPLUNG 30.08.2017 18 9
ERGEBNISSE ANALYTIK Keine signifikante Veränderung der Extraktstoffe durch die teilweise Alkoholreduzierung mittels physikalischer Verfahren im Wein (vgl. Liguori et al. 2010, Motta S. 2013) pro 1% vol. Alkoholkonzentrierung ca. 1,1% Aufkonzentrierung (vgl. Cottereau 2009) Findet die Vakuumdestillation zur Alkoholreduzierung bei gleichen Parametern statt wie die Mostkonzentrierung, so gehen aber sehr hohe Mengen an Wasser verloren (vgl. Motta 2012) (bis 20% Mengenverlust bei Mostkonzentrierung legal) Neben Alkohol werden auch alle flüchtigen Komponenten je nach Flüchtigkeit entfernt Verlust an Alkohol und SO 2 Gefahr der mikrobiologischen Kontamination Bislang besteht kein Analyseverfahren, das die teilweise Alkoholreduzierung bzw. deren Grad nachweisen kann 30.08.2017 19 ERGEBNISSE SENSORIK Die Alkoholreduzierung um 2% vol. konnte nicht signifikant in Wiederholung von der unbehandelten Kontrolle unterschieden werden (n=39) Auch die 3 AFC Tests erbrachten keine deutlichere Unterscheidung gegenüber den Dreieckstests Der Vergleich der behandelten Varianten (-2% vol./-4% vol.) erbrachte ebenfalls keine klare signifikante Unterscheidung (vgl. Urbano et al. 2007, Diban et al. 2008, Lisanti et al. 2012, Meillon 2010, Bes 2009 und Bes et al. 2010) Wurde der Alkoholgehalt um 4% vol. reduziert, so war die Prüferpräferenz meist sehr ausgeglichen zwischen den Proben. Alkoholreduzierung im hohen Maßstab erlaubt eine Produktdifferenzierung 30.08.2017 20 10
ERGEBNISSE / SENSORIK 30.08.2017 21 SWEET SPOT 8 Ranking Test Riesling 7 6 5 4 3 2 1 0 12,1 12,6 13,1 13,6 14,1 14,6 15,1 n=3x14 Kein Sweet Spot ersichtlich Sweet Spot Theorie erscheint zweifelhaft 22 11
LEICHTWEINE Was genau sind Leichtweine? 30.08.2017 23 LEICHTWEINE? Die Markbedeutung ist nicht 100% klar Auf der einen Seite werden die Chancen und Absatzkanäle ersichtlich Restriktive Maßnahmen zur Vorbeugung von Alkoholmißbrauch und einer steigenden Nachfrage von Konsumenten nach leichteren Weinen lassen Produzenten, Lieferanten und Händler reagieren. (Wine Intelligence 2014) Auf der anderen Seite erscheinen Weine mit mehr Alkohol vermeintlich wertiger beim Kunden und erziehlen höhere Preise (Hoffmann & Szlonoki 2008) 30.08.2017 24 12
LEICHTWEINE 30.08.2017 25 LEICHTWEINE 30.08.2017 26 13
VERBRAUCHSSTEUER Deutschland, Österreich, Italien, Luxemburg, Portugal, und Spanien haben einen Steuersatz von 0% Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Niederlande und Schweden erheben eine Weinsteuer die teils an den Alkoholgehalt der Weine gekoppelt ist Daraus ergeben sich je nach Land Marktnischen Alko in Finnland (>4,7% vol.) 30.08.2017 27 30.08.2017 28 14
30.08.2017 29 AUSBLICK Ist die Alkoholuntergrenze von 8,5% vol. noch sinnvoll? Wie sollen die Produkte unter 8,5% vol. gesetzlich definiert werden? Welche Stoffe können den sensorischen Eindruck von Alkohol substituieren? Analyseverfahren müssen fortlaufend mit dem technischen Fortschritt überprüft und neu evaluiert werden Bundesmonopolgesetz und die strikten Regelungen bzgl. der Branntweinerzeugung noch zeitgemäß? 30.08.2017 30 15
ERSTE VERSUCHE ZU LEICHTWEINE 2015 Erste Versuche mit einfachen Grundweinen Frage: Ab welchem Grad der Alkoholreduzierung erkennt man den Unterschied? Wie präsentieren sich die unterschiedenen Proben zur Kontrolle? Wie kann die Qualität der behandelten Weine gesteigert werden? Test Answers Answers Signif. Taken Right (Risk) 1 Cuvée 8%/ Cuvée 6% 23 10 0,2064 2 Cuvée 4% / Cuvée 6% 23 11 0,1069 3 Cuvée 8%/ Cuvée 4% 23 20 <0.0001*** 4 Riesling 8% / 6% 23 10 0,2064 5 Riesling 4% / 6% 23 11 0,1069 6 Riesling 8%/ 4% 23 7 0,69 7 Dornfelder 8% / 6% 23 12 0,0480* 8 Dornfelder 4% /6% 23 8 0,5193 9 Dornfelder 8%/ 4% 23 20 <0.0001*** 30.08.2017 31 ERGEBNISSE VERSUCHE 2015 Weißwein Cuvée Frucht 5 4 3 2 1 0 Bitterkeit 1 2 3 4 5 Körper/Fülle 8% vol. 4% vol. Süße Säure n=12 32 16
ERGEBNISSE VERSUCHE 2015 Riesling Frucht 5 4 3 2 1 0 Bitterkeit 1 2 3 4 5 Körper/Fülle 8% vol. 4% vol. Süße Säure n=12 33 ERGEBNISSE VERSUCHE 2015 Dornfelder Frucht* 5 4 3 2 1 0 Bitterkeit 1 2 3 4 5 Körper/Fülle** 8% vol. 4% vol. Süße** Säure n=12 34 17
ERGEBNISSE VERSUCHE 2015 Die Sortenwahl ist wichtig Besonders Weine die durch ein vielfältiges Aroma geprägt sind verkraften den Eingriff besser (Riesling, Spätburgunder...) Körper/Fülle macht einen signifikanten Unterschied Wie können wir Körper und Fülle substituieren? CO 2 Restsüße Tannin Hefelager 30.08.2017 35 FAZIT Besonders die Alkoholpolitik kann einen Boom für Leichtweine erzeugen Aber auch der anlaßbezogene Konsum erzeugen eine steigende Nachfrage nach Produkten mit weniger Alkohol Wenn Weine mit weniger Alkohol erzeugt werden, dann aber deutlich weniger, da 2% vol. nicht von der Kontrolle unterschieden werden Bei einer deutlichen Alkoholreduzierung ist die Prüferpräferenz geteilt, woraus sich deutliche Marktanteile ableiten lassen Die Produktqualität und die Produktsicherheit sollen im Fokus stehen! Gefahr die Preise nach unten zu drehen!? 30.08.2017 36 18
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT Reh Kendermann 30.08.2017 37 19