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Transkript:

Kanton Zürich Statistisches Amt statistik.info 2012/11 www.statistik.zh.ch Josef Perrez Zuwanderung und Gemeindefinanzen Gemeinden mit hoher Zuwanderung profitieren wenig Zusammenfassung Die vorliegende Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der internationalen Zuwanderung und der finanziellen Situation der Zürcher Gemeinden in der Zeitspanne zwischen 2001 und 2010. Sie analysiert die Entwicklung des Aufwands und des Saldos der Laufenden Rechnung der Zürcher Gemeinden sowie eines breit abgestützten Indikators für die finanzielle Stabilität der Gemeinden. Es zeigt sich, dass sich Gemeinden mit viel und solche mit wenig Zuwanderung nur unwesentlich voneinander unterscheiden. Der Gesamtaufwand hat zugenommen, unabhängig davon, wie hoch die Zuwanderung war. Dasselbe gilt für zwei spezifische Ausgabenposten, den Aufwand für die Sozialhilfe und den Aufwand für die Schule. Im Weiteren werden die Entwicklung des Saldos und jene eines breit abgestützten Indikators für die finanzielle Stabilität untersucht. Auch hier ist kein signifikanter Einfluss der Zuwanderung erkennbar. Hinsichtlich der Attraktivität der Gemeinden für Neuzuzüger aus dem Ausland spielt die zentrale Lage eine Rolle. Dagegen ist der Anteil der Zuwanderer an der Gesamtbevölkerung in finanzstarken wie finanzschwachen Gemeinden ähnlich hoch.

Einleitung In den letzten Jahren haben sich vermehrt hochqualifizierte Personen aus dem Ausland im Kanton Zürich niedergelassen. Diese Entwicklung, die vom Arbeitsmarkt ausgeht (Bucher 2008), ist dort auch direkt sichtbar. Dies zeigt etwa der steigende Anteil ausländischer Erwerbstätiger in bestimmten Branchen. Die Auswirkungen der Zuwanderung auf die öffentlichen Finanzen sind weniger klar erkennbar. Es stellt sich gleichwohl die Frage, ob die Gemeinden finanziell von dieser Entwicklung profitieren. Die vorliegende Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der internationalen Zuwanderung und der finanziellen Situation der Zürcher Gemeinden in der Zeitspanne zwischen 2001 und 2010. Im ersten Teil der Studie wird gezeigt, welche Gemeinden Zuzügerinnen und Zuzüger aus dem Ausland bevorzugen. Dabei erweisen sich sowohl wohlhabende als auch weniger wohlhabende Gemeinden als attraktiv, wenn sie zentrumsnah gelegen sind. Der zweite und zentrale Teil der Studie untersucht, wie sich die internationale Zuwanderung finanziell auf die Zürcher Gemeinden ausgewirkt hat. Zwischen 2001 und 2010 sind besonders viele gut ausgebildete Arbeitskräfte v.a. aus Deutschland und anderen europäischen Ländern sowie den USA in den Kanton Zürich gekommen (Page 2012). Aufgrund des hohen Qualifikationsniveaus dieser Zuwanderer wird im Allgemeinen von einem positiven Effekt auf die öffentlichen Finanzen ausgegangen (Stutz, Gardio 2012). Gleichwohl muss man aber im Auge behalten, dass viele der aus dem Ausland kommenden Personen, die im Kanton Zürich eine Arbeit gefunden haben, nach wie vor wenig qualifizierte Berufe ausüben. Die Frage nach den Folgen der internationalen Zuwanderung, die allzu oft aufgrund von allgemeinen Überlegungen angegangen wird, bleibt darum offen, vor allem, wenn es sich um Bereiche ausserhalb des Arbeitsmarkts handelt. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen liegen bisher kaum empirische Resultate vor. Das wichtigste Resultat der Studie ist die Beobachtung, dass die Entwicklung des Aufwandes der Gemeinden nicht von der internationalen Zuwanderung beeinflusst wurde. Dies trifft zu für den Aufwand insgesamt sowie ebenfalls für einzelne Aufgabenbereiche wie die Sozialhilfe und die Schule. Hinsichtlich des Aufwandes für Sozialhilfe ist zwischen reichen und wenig wohlhabenden Gemeinden zu unterscheiden. Im ersten Fall hat die Zuwanderung eine eher kostendämpfende Wirkung. Bei den am wenigsten wohlhabenden Gemeinden kann eine den Aufwand erhöhende Wirkung der Zuwanderung statistisch nachgewiesen werden. Im Weiteren wird untersucht, ob sich die Zuwanderung auf die Entwicklung des Saldos der Laufenden Rechnung ausgewirkt hat. Dies trifft nicht zu. Auch die langfristige finanzielle Stabilität der Gemeinden wurde zwischen 2001 und 2012 nicht davon beeinflusst, wie viele Personen aus dem Ausland in eine Gemeinde zugezogen sind. Zuwanderer bevorzugen das Zentrum gegenüber der Peripherie Der Kanton Zürich ist seit der Jahrtausendwende schneller gewachsen als zu früheren Zeiten. Das gesteigerte Bevölkerungswachstum kam zu einem grossen Teil dadurch zustande, dass mehr Personen aus dem Ausland zuwanderten. Die internationale Nettozuwanderung also die Differenz zwischen Zu- und Wegzügern aus dem Ausland hat deutlich zugenommen. So machte 1981 ihr Anteil 0.1 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung aus. Bis 2010 stieg er auf 0.7 Prozent an (BFS 2011). Die Studie befasst sich mit dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends, in dem die Zuwanderung in den Kanton Zürich ausserordentlich hoch war. Es handelt sich dabei allerdings nicht um ein spezifisch zürcherisches Phänomen. Auch andere Wirtschaftszentren etwa der Kanton Genf erlebten einen ähnlich starken Anstieg der internationalen Zuwanderung. Diese Zuwanderung wird oft als neu bezeichnet, da viele Personen, die aus beruflichen Gründen in die Schweiz kommen, hochqualifiziert sind (Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich, 2012, MüllerJentsch 2008). Damit unterscheiden sie sich von den klassi- 2

schen Einwanderern im 20. Jahrhundert, die in der Schweiz meist wenig qualifizierte Tätigkeiten in der Landwirtschaft, der Industrie und dem Gastgewerbe ausübten. Grafik 1: Internationale Zuwanderung Zürcher Gemeinden nach Nettozuwanderung (d.h. Zuzüger minus Wegzüger) aus dem Ausland in Prozent ihrer Wohnbevölkerung, 2001-2010 1.89 0.77 0.59 0.48 0.36 0-0.07-7 -8-9 -10 Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Datenquelle: BFS Die Zuwanderung aus dem Ausland verteilt sich ungleichmässig auf die Zürcher Gemeinden. In den meisten Gemeinden war die Nettobilanz in der Zehnjahresperiode 2001 bis 2010 positiv; es wanderten also mehr Personen zu als wegzogen. Der Anteil der internationalen Nettozuzüger an der Wohnbevölkerung lag zwischen -0.7 und 1.9 Prozent, wobei nur gerade zwei Gemeinden einen negativen Wert aufwiesen. In ihnen nahm die ausländische Wohnbevölkerung leicht ab. Wie Grafik 1 illustriert, war die Nettozuwanderung vor allem in den Zentren und zentrumsnahen Gemeinden hoch, nämlich in der Stadt Zürich und ihren Vorortsgemeinden, in den Gemeinden am Ufer des Zürichsees und im Raum Winterthur. Diese Tendenz hat sich gegenüber den 1980er- und 1990er-Jahren verstärkt. Damals gab es noch mehr Gemeinden im Zürcher Oberland mit einer hohen Nettozuwanderung. Diese Veränderung deutet darauf hin, dass sich die Qualifikationsstruktur der Zuwanderung verändert hat, denn grundsätzlich werden in den Zentren besser qualifizierte Tätigkeiten ausgeübt als in abgelegenen Regionen. Die internationale Nettozuwanderung ist nur eine von vier Grössen, die das Bevölkerungswachstum einer Gemeinde beeinflussen. Dieses kann als die Summe von vier Saldi ver- 3

standen werden: dem Geburtenüberschuss sowie dem intrakantonalen, dem interkantonalen und dem internationalen Wanderungssaldo. Die vier Saldi sind wie folgt definiert: Geburtenüberschuss: Anzahl Geburten minus Anzahl Todesfälle Intrakantonaler Wanderungssaldo: Zuzüger aus einer anderen Zürcher Gemeinde minus Wegzüger in eine andere Zürcher Gemeinde Interkantonaler Wanderungssaldo: Zuzüger aus einem anderen Kanton minus Wegzüger in einen anderen Kanton Internationaler Wanderungssaldo: Zuzüger aus dem Ausland minus Wegzüger ins Ausland Grafik 2 illustriert am Beispiel der Stadt Zürich, wie sich das Bevölkerungswachstum zusammensetzt. Dabei sollte man beachten, dass es nicht ausschliesslich um die Zuwanderung von Ausländern geht, wenn wir hier von internationaler Zuwanderung sprechen, da die Zuwanderer die schweizerische Nationalität besitzen können oder auch nicht. Grafik 2: Bevölkerungsentwicklung der Stadt Zürich Geburtenüberschuss sowie intrakantonaler, interkantonaler und internationaler Wanderungssaldo, 2001-2010 Personen Intrakant. Abwanderung Sterbeüberschuss Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Datenquelle: BFS Uns interessiert die internationale Zuwanderung. Sie steht seit einigen Jahren besonders in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Im Zentrum dieser Studie steht die Frage nach ihren Auswirkungen auf die Gemeindefinanzen. Im nächsten Abschnitt wird aber zuerst untersucht, in welchen Gemeinden sie besonders stark ist. Ist das Wohlstandsniveau der Einwohner und Einwohnerinnen entscheidend? Dies könnte vermutet werden aufgrund der Tatsache, dass Personen mit hohem Einkommen tendenziell in Wohngegenden leben, die einen hohen sozialen Status geniessen. Anderseits ist es auch möglich, dass Zuwanderer aus dem Ausland zuerst in eine grössere Stadt ziehen, weil hier der Wohnungsmarkt grösser ist, und dann später eventuell in eine andere Gemeinde im Einzugsgebiet zügeln. Da die beiden Städte Zürich und Winterthur weniger wohlhabend sind als die meisten Gemeinden des Kantons, wäre dann die internationale Zuwanderung in einkommensschwachen Gemeinden besonders stark. Lokales Wohlstandsniveau taugt nicht als Kriterium In der Grafik 1 fällt auf, dass sowohl Gebiete wie die Stadt Zürich, deren Einwohner mehrheitlich ein tiefes Einkommen haben, als auch solche, die wie die Goldküste für das hohe 4

Einkommen ihrer Bewohner bekannt sind, eine hohe internationale Zuwanderung aufweisen. Grafik 2 klassifiziert die Zürcher Gemeinden nach dem Median des steuerbaren Einkommens ihrer Einwohner. Es zeigt sich, dass neben den beiden Städten Zürich und Grafik 3: Median-Einkommen in den Zürcher Gemeinden Median des steuerbaren Einkommens in 1 000 Franken, 2005 70 54.77 51.5 49.3 47.23 44.87 38.4 Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Datenquelle: kantonale Bundessteuerstatistik Winterthur weitere Gemeinden mit eher tiefem Einkommen eine hohe Zuwanderung haben. Dies sind zum einen Vorortsgemeinden von Zürich und Dietikon. Zum andern gibt es aber auch im ländlichen Zürich solche Gemeinden, z.b. Fischenthal und Wald. Auf einen positiven Zusammenhang zwischen dem Einkommen und der internationalen Zuwanderung in eine Gemeinde deuten neben den Goldküstengemeinden die am südlichen Ufer des Zürichsees gelegenen Agglomerationsgemeinden sowie Stallikon und Birmensdorf hin. Über alle Gemeinden betrachtet kann statistisch kein Zusammenhang zwischen dem Medianeinkommen der Gemeinden und der internationalen Nettozuwanderung nachgewiesen werden. Dies illustriert Grafik 4. Auf der horizontalen Achse ist die Zuwanderung pro Einwohner zwischen 2001 und 2010 und auf der vertikalen Achse der Median des 5

Grafik 4: Internationale Zuwanderung und Einkommen Internationale Zuwanderung: Durchschnitt der Nettozuwanderung über die Jahre 2001-2010. Einkommen: Median des steuerbaren Einkommens im Jahr 2005 Medianeinkommen in 1'000 Franken 40 45 50 55 60 65 70 Wiesendangen Uitikon Herrliberg Thalwil Winterthur Kloten Schlieren Zürich Hüttikon 0.0 0.5 1.0 1.5 Internationale Zuwanderung in Prozent Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Datenquelle: kantonale Bundessteuerstatistik und BFS steuerbaren Einkommens aufgetragen 1. Gäbe es eine Tendenz, dass die aus dem Ausland zugewanderten Personen vorwiegend in wohlhabende Gemeinden ziehen, wären die Punkte in der Grafik entlang einer ansteigenden Geraden oder Kurve verteilt. Obwohl das Qualifikationsniveau der Zuwanderer angestiegen ist, trifft dies nicht zu. Die Punkte sind gleichmässig über die Fläche verteilt. Auch ein negativer Zusammenhang zwischen dem Medianeinkommen und der internationalen Zuwanderung kann also ausgeschlossen werden. Die Fläche der Kreise in Grafik 4 entspricht der Zahl der Einwohner. Die Stadt Zürich, deren Bevölkerung etwa einem Drittel des Kantons entspricht, sticht darum besonders ins Auge. Wählt man das Medianeinkommen als Mass für den Wohlstand, so gehört Zürich zum Sextil der ärmsten Gemeinden im Kanton. Gemessen am Durchschnittseinkommen liegt die Stadt Zürich aber immerhin im unteren Mittelfeld. Dies kommt daher, dass Personen mit einem sehr tiefen Einkommen wie auch sehr gut situierte Personen in der Stadt leben. Auch die aus dem Ausland Zugewanderten dürften hinsichtlich ihres Einkommens heterogen sein. Darunter können sich hochbezahlte Personen aus der Finanzbranche wie auch Leute mit 1 Der Korrelationskoeffizient zwischen den beiden Variablen beträgt -0.03 und ist statistisch nicht signifikant. 6

schlechtbezahlten Dienstleistungsjobs und Studierende befinden. Dies ist eine grundsätzliche Problematik in der aktuellen Diskussion über die Einwanderung, die oft einen spezifischen Einwanderungstyp verallgemeinert. Auch auf den ganzen Kanton kann sie sehr unterschiedlicher Natur sein und gegenläufige Effekte auslösen, was bei der Analyse zu berücksichtigen sein wird. Im Folgenden wird untersucht, wie sich die internationale Zuwanderung auf die Finanzlage der Gemeinden auswirkt. Können positive Effekte der neue Zuwanderung (Müller-Jentsch, 2008) auf den Aufwand im Sinn einer Dämpfung und positive Effekte auf die finanzielle Verfassung festgestellt werden? Keine Dämpfung des Aufwands durch Zuwanderung Wie im obigen Abschnitt bezieht sich die folgende Analyse auf die Periode 2001 bis 2010. Die neuen Einwanderer sind nicht nur hoch qualifiziert, sondern dies gilt für Einwanderer generell auch eher jung. Personen mit diesen Eigenschaften haben tendenziell weniger finanzielle Probleme und ein unterdurchschnittliches Risiko, Sozialhilfe beanspruchen zu müssen. Dies sollte sich dämpfend auf den Pro-Kopf-Aufwand für Sozialhilfe in den Gemeinden mit einer hohen internationalen Zuwanderung auswirken. Ist dieser Effekt in den Finanzzahlen erkennbar? Die gleiche Frage stellt sich hinsichtlich der Ausgaben für die Schule. Viele der aus dem Ausland zugewanderten Personen haben noch keine Kinder (Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich, 2012, S.16). Dies sollte die Kosten für das Schulwesen dämpfen. Ist entsprechend dieser Annahme der Pro-Kopf-Aufwand im Bereich der Schule in Gemeinden mit starker internationaler Zuwanderung unterdurchschnittlich gewachsen? Führen solche Effekte zu einer schwächeren Entwicklung des Gesamtaufwandes? Diese Fragen werden zuerst grafisch und dann statistisch untersucht. Aufwand insgesamt und Aufwand für Sozialhilfe Gemeinden mit viel Zuwanderung hatten in den Jahren 2001 bis 2010 einen höheren Gesamtaufwand pro Einwohner als Gemeinden mit wenig Zuwanderung (Grafik 5, links). Noch stärker ist der Unterschied beim Aufwand für die Sozialhilfe 2 (Grafik 5, rechts). Diese Niveauunterschiede sind strukturell bedingt. Aufgrund der laufenden Veränderung gehen sie zurück oder nehmen weiter zu. Wie die Abbildungen verdeutlichen, hat sich der Gesamtaufwand pro Kopf bei den Gemeinden mit einer schwachen und jenen mit einer starken Zuwanderung ähnlich entwickelt (Zunahmen um 1.11 respektive 1.13 Prozent zwischen 2001 und 2010). Beim Aufwand für die Sozialhilfe ist der Unterschied zwar etwas grösser (1.65 respektive 1.75 Prozent), aber immer noch zu klein, als dass auf einen Zusammenhang zwischen internationaler Zuwanderung und Aufwand geschlossen werden könnte. 2 Der Aufwand umfasst die Summe der Aktivpositionen d.h. Kosten sämtlicher Aufgabenbereiche einer Gemeinde. Unter der Sozialhilfe verstehen wir hier den Aufwand der Gemeinden im Aufgabenbereich der Sozialhilfe. Konkret handelt es sich um die Konten der Kategorie 580 nach der funktionalen Gliederung der Gemeinderechnungen. 7

Grafik 5: Aufwand und Sozialhilfe Aufwand und Aufwand für Sozialhilfe, gemessen in 1 000 Franken pro Einwohner, in den 43 Gemeinden mit der schwächsten und den 43 Gemeinden mit der stärksten internationalen Nettozuwanderung Gesamtaufwand Aufwand für Sozialhilfe Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Datenquelle: Gemeindefinanzstatistik (GeFIS) und BFS Das durchschnittliche Qualifikationsniveau der Zuwandernden hat sich in den letzten Jahren zwar erhöht. Zugewanderte Arbeitskräfte spielen in schlecht bezahlten Berufen aber weiterhin eine wichtige Rolle. Es fragt sich somit, ob sich die internationale Zuwanderung v.a. in den wohlhabenden Gemeinden dämpfend auf den Pro-Kopf-Aufwand ausgewirkt hat. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass sich die hochqualifizierten Einwanderer tendenziell in solchen Gemeinden niederlassen 3. Grafik 6 illustriert, wie sich der Aufwand für die Sozialhilfe und die internationale Zuwanderung in vier unterschiedlichen Gruppen von Gemeinden entwickelt haben. Die Gruppen bestehen aus je einem Viertel der Gemeinden und unterscheiden sich hinsichtlich ihres Medianeinkommens. Innerhalb der Gruppe der Gemeinden mit dem tiefsten Medianeinkommen dem Quadrat unten links in der Grafik ist eine positive Korrelation zwischen internationaler Zuwanderung und Pro-Kopf-Aufwand für Sozialhilfe erkennbar. Ein Mass dafür ist die Steigung der blauen Linie. Je höher das Medianeinkommen der Gemeinden einer Gruppe, desto schwächer wird dieser Zusammenhang: Die Korrelation nimmt ab, bis sie in der Gruppe der Gemeinden mit dem höchsten Medianeinkommen im Quadrat oben rechts schliesslich negativ ist. Dies ist ein Indiz dafür, dass sich die internationale Zuwanderung dämpfend auf den Aufwand auswirken kann, wenn die zugewanderten Personen in wohlhabende Gemeinden ziehen. Anders sieht das Bild in einkommensschwachen Gemeinden aus. Hier ist der Pro-Kopf-Aufwand für Sozialhilfe bei den Gemeinden mit einer hohen internationalen Zuwanderung überdurchschnittlich stark angestiegen. 3 Die Stadt Zürich durchkreuzt diese Unterscheidung, da ihre Bevölkerung ein tiefes Medianeinkommen aufweist, aber gleichzeitig eine Gruppe (sehr) gut verdienender Personen in Zürich wohnt und die Stadt für Zuwanderer attraktiv ist. In unserer ungewichteten Analyse ist die Stadt Zürich aber nur einer von 171 Datenpunkten und fällt daher nicht entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil ins Gewicht. 8

Grafik 6: Sozialhilfe-Aufwand und Zuwanderung nach Einkommensklassen 0.0 0.5 1.0 1.5 Medianeinkommen hoch Medianeinkommen sehr hoch 800 Veränderung des Aufwandes für Sozialhilfe pro Kopf 800 600 400 200 Medianeinkommen sehr tief Medianeinkommen tief 600 400 200 0 0 0.0 0.5 1.0 1.5 Internationale Zuwanderung in Prozent Erläuterung In jedem Quadrat ist ein Viertel aller Gemeinden abgetragen. Sie sind nach steigendem Medianeinkommen geordnet. Im Quadrat unten links befinden sich die Gemeinden mit dem tiefsten Medianeinkommen, im Quadrat oben rechts jene mit dem höchsten. Definition der Variablen: Aufwand für Sozialhilfe: Durchschnitt des Pro-Kopf-Aufwandes der Jahre 2009 und 2010 minus Durchschnitt des Pro-Kopf-Aufwandes der Jahre 2003 und 2001. Internationale Zuwanderung: Durchschnitt der Nettozuwanderung in Prozent der Wohnbevölkerung über die Jahre 2001-2010. Einkommen: Median des steuerbaren Einkommens im Jahr 2005 Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Datenquelle: Gemeindefinanzstatistik (GeFIS) und BFS Ob sich die Zusammenhänge, auf welche die Grafik 6 hindeutet, erhärten, kann nur eine statistische Analyse zeigen, die versucht, den isolierten Einfluss der Zuwanderung zu erklären. Dabei werden die folgenden Einflussfaktoren auf den Pro-Kopf-Aufwand der Gemeinden berücksichtigt: Die internationale Zuwanderung im Verhältnis zur Zahl der Einwohner einer Gemeinde Die Grösse, d.h. Zahl der Einwohner einer Gemeinde Das Pro-Kopf-Einkommen einer Gemeinde 9

Die Verschuldung gemessen am Bruttoverschuldungsanteil 4 einer Gemeinde Die Ergebnisse der linearen Regressionen (siehe Anhang, S. 14) bekräftigen das von den Grafiken vermittelte Bild nur teilweise. Ein positiver d.h. kostensteigernder Einfluss der internationalen Zuwanderung auf den Aufwand für Sozialhilfe kann für die weniger wohlhabenden Gemeinden nachgewiesen werden. (Hier steigt die Regressionsgerade in Grafik 6 besonders stark an.) Im Fall der wohlhabenden Gemeinden gibt es aber keine Evidenz für einen dämpfenden Einfluss der Zuwanderung auf die Kosten für die Sozialhilfe. Über alle Gemeinden betrachtet, bleibt ein den Aufwand für Sozialhilfe erhöhender Einfluss bestehen, der auf die Situation in den weniger wohlhabenden Gemeinden zurückzuführen ist. Der Gesamtaufwand wird von der internationalen Zuwanderung dagegen nicht signifikant beeinflusst, unabhängig davon, welche Gruppe von Gemeinden wohlhabende, weniger wohlhabende oder alle zusammen analysiert wird. Offenbar spielen hier weitere Einflussfaktoren eine Rolle, die nicht berücksichtigt wurden. Die Schätzergebnisse deuten darauf hin, dass die vier hier berücksichtigten Faktoren nicht genügen, um eine statistisch gesicherte Aussage zu machen. Aufwand für die Schule Neben dem Einfluss der internationalen Zuwanderung auf den Gesamtaufwand und den Aufwand für Sozialhilfe wurde auch ihr Einfluss auf den Aufwand für die Schule untersucht. Einwanderer sind tendenziell jung und kinderlos. Gemäss einer neuen Studie der Beratungsfirma BASS haben vier von fünf aus dem Ausland zugezogenen Personen im Moment der Übersiedlung in die Schweiz keine Familie (Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich, 2012, S.16). Empirisch lässt sich kein dämpfender Einfluss der internationalen Zuwanderung auf die Entwicklung des Schulaufwandes 5 nachweisen. Dabei muss allerdings auch erwähnt werden, dass der Erklärungsgehalt des Modells sehr klein ist (R² = 0.1) 6. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass sich die internationale Zuwanderung seit der Jahrtausendwende nicht dämpfend auf den Aufwand der Gemeinden ausgewirkt hat. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass trotz dem zunehmenden Anteil hochqualifizierter Einwanderer die traditionelle Einwanderung von weniger gut ausgebildeten Personen weiterhin bedeutend ist. Diese Personen haben ein erhöhtes Risiko, in finanzielle Probleme zu geraten und auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein. Gemeindefinanzen profitieren kaum von Zuwanderung Für die finanzielle Lage einer Gemeinde ist die Entwicklung der Erträge ebenso entscheidend wie jene des Aufwands. Es stellt sich somit die Frage, ob das Gesamtergebnis durch die internationale Zuwanderung nachweisbar beeinflusst wird. Zusätzlich wird in diesem Abschnitt untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen der internationalen Zuwanderung und der finanziellen Stabilität der Zürcher Gemeinden aufgrund der aktuellen Daten ersichtlich ist. Dabei werden zwei Indikatoren für die finanzielle Stabilität der Gemeinden berücksichtigt: ein kurzfristiger und ein langfristiger. Saldo der Laufenden Rechnung Der Saldo der Laufenden Rechnung kann sich relativ rasch verändern. Er ist darum ein kurzfristiger Indikator für die finanzielle Stabilität einer Gemeinde. Grafik 7, links, illustriert, wie sich der Saldo der Laufenden Rechnung in den Zürcher Gemeinden mit einer starken und jenen mit einer schwachen internationalen Zuwanderung zwischen 2001 und 2010 entwickelt hat. Bei beiden Gruppen, die aus je einem Viertel aller Gemeinden bestehen, ist ein zyklisches Muster erkennbar, das um ein Jahr verzögert jenem des Konjunkturzyklus folgt. 4 Bruttoschuld in Prozent des Finanzertrags. 5 Es sind die Konten der Kategorie 210 nach der funktionalen Gliederung der Gemeinderechnungen. 6 Dass die internationale Nettozuwanderung als Variable nicht signifikant ist, ist zumindest ein Hinweis darauf, dass sich die Zuwanderung nicht dämpfend auf den Aufwand für die Schule ausgewirkt hat. 10

Auf die Rechnung der Gemeinden mit einer hohen internationalen Zuwanderung hat sich der Wachstumseinbruch von 2002 besonders stark ausgewirkt. Bei ihnen fällt der Ausschlag nach oben in den wirtschaftlich guten Zeiten dafür etwas stärker aus. Uns interessiert, ob über den ganzen Zyklus betrachtet ein Unterschied zwischen den Gemeinden mit einer hohen und jenen mit einer tiefen Zuwanderung besteht. Dabei werden zwei Kriterien berücksichtigt: die Differenz des Saldos zwischen dem Ende und dem Anfang der zehnjährigen Periode 7 sowie der Mittelwert des Saldos über die gesamte Periode. Differenz Saldo. Der Rückgang des positiven Saldos betrug bei den Gemeinden mit einer schwachen internationalen Zuwanderung 150 Franken pro Kopf, bei jenen mit einer starken Zuwanderung dagegen lediglich 46 Franken pro Kopf. Es gibt also eine gewisse Tendenz, dass sich die Lage in den Gemeinden mit einer schwächeren Zuwanderung weniger stark verschlechtert hat. Die Differenz ist aber zu klein, als dass sie ein stichhaltiger Beleg für einen negativen Einfluss der Zuwanderung auf den Saldo der laufenden Rechnung der Zürcher Gemeinden darstellen würde. Mittelwert Saldo. Gleich verhält es sich, wenn die Mittelwerte des Saldos der Gemeinden mit einer schwachen und starken internationalen Zuwanderung miteinander verglichen werden. Die Differenz beträgt lediglich 24 Franken pro Kopf und Jahr zugunsten der ersten Gruppe. Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass sich die Zuwanderung nicht merklich auf den Saldo der Laufenden Rechnung ausgewirkt hat. Der Befund wird von statistischen Schätzungen gestützt. In Regressionsmodellen ist kein signifikanter Einfluss des Ausmasses internationaler Zuwanderung auf den Saldo der laufenden Rechnung nachweisbar. Grafik 7: Rechnungssaldo und Indikator für finanzielle Stabilität Saldo der Laufenden Rechnung in 1 000 Franken pro Einwohner. Der Wertebereich des Indikators für die finanzielle Stabilität der Gemeinden liegt zwischen -19 und +12. Saldo Laufende Rechnung Indikator für finanzielle Stabilität Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Datenquelle: Gemeindefinanzstatistik (GeFIS) und BFS 7 Der Endwert ist dem Mittelwert der Jahre 2009 und 2010. Der Anfangswert ist der Mittelwert der Jahre 2001 und 2002. 11

Langfristiger Indikator für die Stabilität Ein breiter abgestütztes Mass für die finanzielle Verfassung berücksichtigt ebenfalls die Selbstfinanzierung und Kennzahlen für die Verschuldung. Grafik 7, rechts, zeigt den Verlauf eines solchen Indikators. Er setzt sich aus den folgenden vier Komponenten zusammen: Dem Pro-Kopf-Saldo der Laufenden Rechnung Dem Selbstfinanzierungsanteil Dem Selbstfinanzierungsgrad Dem Bruttoverschuldungsanteil Die vier Komponenten werden standardisiert und zu je einem Viertel gewichtet. Der Indikator kann als Mass für die finanzielle Stabilität einer Gemeinde verstanden werden. Sein Mittelwert über die letzten zwanzig Jahre beträgt Null. Positive Werte stehen für eine gute Finanzlage, negative Werte für eine schlechte. Der breiter abgestützte Indikator für die finanzielle Stabilität zeigt das gleiche Muster wie der Saldo der laufenden Rechnung: (1) Gemeinden mit einer hohen internationalen Zuwanderung verhalten sich zyklischer als solche mit einer tiefen. (2) Unterschiede im Niveau und in der Entwicklung des Indikators zwischen Gemeinden mit einer schwachen und Gemeinden mit einer starken Zuwanderung existieren, sind aber klein. Sie können nicht als Zeichen für einen beobachtbaren Effekt der Zuwanderung interpretiert werden. Auch dieser Befund wird von statistischen Schätzungen bestätigt. Schlussfolgerung Die internationale Zuwanderung in den Kanton Zürich hat sich verändert. Das Qualifikationsniveau der Personen, die hier Arbeit finden, ist angestiegen. Die vorliegende Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der finanziellen Situation der Zürcher Gemeinden und der internationalen Zuwanderung. Zuwanderer aus dem Ausland lassen sich vor allem in zentrumsnahen Gemeinden nieder. Das Wohlstandsniveau der Gemeinden spielt dabei aber keine entscheidende Rolle. Unter den Gemeinden mit einem hohen Anteil an Zuzügern befinden sich ebenso sehr solche mit einem hohen wie auch solche mit einem tiefen Medianeinkommen ihrer Einwohner. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass nur finanzstarke Gemeinden hochqualifizierte Zuzüger anziehen. Im Zentrum unserer Untersuchung steht die Frage nach den Auswirkungen der internationalen Zuwanderung auf die Finanzlage der Gemeinden. Sind positive Effekte in den Gemeinden mit einer überdurchschnittlich starken Zuwanderung erkennbar? Dies ist in der analysierten Periode 2001 bis 2010 nicht der Fall. Verschiedene Hypothesen wurden getestet. Die Resultate ergeben ein konsistentes Bild. So gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Pro-Kopf-Aufwand und der Aufwand für Sozialhilfe pro Kopf in den Gemeinden mit einer hohen Zuwanderung unterdurchschnittlich stark angestiegen sind. Auch der Pro-Kopf-Saldo der Laufenden Rechnung und ein breiter abgestützter Finanzindikator haben sich in diesen Gemeinden nicht besonders günstig entwickelt. Differenziert man nach dem durchschnittlichen Einkommensniveau der Gemeinden, so zeigen sich deutliche Unterschiede, die sich im gesamten Kanton ausgleichen. Ein statistisch signifikanter positiver Effekt bei den wohlhabenden Gemeinden kann aber trotzdem nicht nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die traditionelle Zuwanderung in den Kanton Zürich nach wie vor wichtig ist, auch wenn die Zahl der gut ausgebildeten Zuwanderer in den letzten Jahren angestiegen ist. Die neue Zuwanderung hat gegenwärtig keine positiven, systematischen und messbaren Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Gemeinden. Dies bedeutet aber nicht, dass sich positive Effekte, falls die aktuellen Tendenzen anhalten, in Zukunft nicht zeigen können. Zudem sind die konjunkturelle Entwicklung und der Arbeitsmarkt eng miteinander verflochten, prägen die wirtschaftliche Dynamik der ganzen Region und dadurch indirekt auch die finanzielle Lage der Gemeinden. In dem Sinn 12

stellen unsere Ergebnisse die Zuwanderung auch nicht in Frage, sondern warnen eher vor zu hohen Erwartungen hinsichtlich kurzfristig spürbarer Entlastungen der öffentlichen Finanzen. Literatur Bundesamt für Statistik (BFS), Statistik des jährlichen Bevölkerungsstandes (ESPOP), Neuenburg. Bucher, H., 2008, Personenfreizügigkeit verändert Zuwanderung in den Kanton Zürich, statistik.info 2012/07, Zürich Gaillard, S., und B. Weber, 2012, Zehn Jahre Personenfreizügigkeit mit der EU: Hohe Attraktivität des Schweizer Arbeitsmarktes. Die Volkswirtschaft, Nr. 6., S. 46-50. Müller-Jentsch (Hrsg.), 2008, Die neue Zuwanderung, Avenir Suisse, Zürich Page, R., 2012, Arbeitskräfte im Kanton Zürich immer besser qualifiziert, statistik.info 2012/07, Zürich Perrez, J., 2012, Gute Finanzlage trotz Finanzkrise, statistik.info 2012/03, Zürich Stutz, H. und L. Gardio, 2012, Immigration 2030: Szenarien für die Zürcher Wirtschaft und Gesellschaft, Die Volkswirtschaft, Bern. Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich (Hrsg.), 2012, Zuwanderung im Kanton Zürich, Auswirkungen auf den Arbeits- und Wohnungsmarkt, Zürich Weber, R. und T. Straubhaar, 1996, Immigration and the Public Transfer System: Some Empirical Evidence for Switzerland. CEPR Discussion Paper 943, CEPR, London Weber, R. und T. Straubhaar, 1994, Budget Incidence of Immigration into Switzerland: A Cross-Sectioinal Analysis of the Public Transfer System, Weltwirtschaftliches Archiv 132, S. 330-355. 13

Schätzungen Schätzverfahren: Lineare Regression mit unkorrelierten Residuen konstanter Varianz (Ordinary Lesast Squares) Erklärung des Aufwandes für Sozialhilfe Erklärung des Aufwandes für Sozialhilfe der Gemeinden mit einem sehr tiefen Medianeinkommen 14

Erklärung des Aufwandes für Sozialhilfe der Gemeinden mit einem sehr hohen Medianeinkommen Erklärung des Aufwandes für Schule 15

Erklärung des Gesamtaufwandes Erklärung des Saldos der Laufenden Rechnung 16

Erklärung der finanziellen Stabilität 17

Das Statistische Amt des Kantons Zürich ist das Kompetenzzentrum für Datenanalyse der kantonalen Verwaltung. In unserer Online-Publikationsreihe "statistik.info" analysieren wir für ein breites interessiertes Publikum wesentliche soziale und wirtschaftliche Entwicklungen im Kanton und Wirtschaftsraum Zürich. Unser monatlicher Newsletter "NewsStat" und unser tagesaktueller RSS-Feed informieren Sie über unsere Neuerscheinungen in der Reihe "statistik.info" sowie über die Neuigkeiten in unserem Webangebot. Fragen, Anregungen, Kritik? Verfasser: Josef Perrez Telefon: 043 259 75 58 E-Mail: josef.perrez@statistik.ji.zh.ch Statistisches Amt des Kantons Zürich Schöntalstrasse 5 8090 Zürich Telefon: 043 259 75 00 Fax: 043 259 75 69 E-Mail: datashop@statistik.zh.ch www.statistik.zh.ch 2011 Statistisches Amt des Kantons Zürich, Abdruck mit Quellenangabe erlaubt.