VON DER KAPELLE INS RESTAURANT, VON DER KRIEGSRUINE IN FUGGERSCHE VERANTWORTUNG.

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Transkript:

VON DER KAPELLE INS RESTAURANT, VON DER KRIEGSRUINE IN FUGGERSCHE VERANTWORTUNG. DIE GESCHICHTE EINER GOTISCHEN GEWÖLBERIPPE.»Fugger im Archiv. Die Fundstücke-Geschichten.«ist eine jährliche Veranstaltung im Rahmen des Fugger Forum. Historiker präsentieren dabei Gegenstände, die im Fuggerarchiv aufbewahrt werden und erzählen die oft erstaunlichen Geschichten hinter den Fundstücken.

Gewölberippe, Fundstück aus dem Fuggerarchiv Abb.: Fuggersche Stiftungen Bauzeichnung vom Einbau in das Administrationsgebäude, Steinmetz: Martin Schuster Abb.: Fuggerarchiv

VON DER KAPELLE INS RESTAURANT, VON DER KRIEGSRUINE IN FUGGERSCHE VERANTWORTUNG. DIE GESCHICHTE EINER GOTISCHEN GEWÖLBERIPPE. Eines der schwersten Fundstücke im Fuggerarchiv ist eine originale gotische Gewölberippe. Sie stammt aus der Augsburger Leonhardskapelle, die im späten Mittelalter dem Augsburger Domkapitel gehörte. Die Kapelle stand an der Ecke Weißmalergasse und Judengasse, heute Karolinenstraße und Karlstraße. Der Bau der Leonhardskapelle geht möglicherweise auf die Familie Ilsung zurück, die in den benachbarten Häusern wohnte. Von ihnen kaufte im Jahr 1422 die Familie Welser das Gebäudeensemble. Damals stand die Kapelle fast ebenerdig und von außen eher unscheinbar zwischen den Wohn- und Geschäftsbauten. Sie war nur an dem Glockenturm zu erkennen, der sich zusammen mit dem Wohnhaus des Kaplans gleich neben der Kapelle befand. Im Jahr 1503 erlaubten Dekan und Domkapitel dem Anton Welser größere Umbaumaßnahmen an der Kapelle. Der Chor wurde erhöht und erweitert und im Dach wurden zwei Fenster eingebaut. Die größte Veränderung war der Einbau einer Empore mit Verbindung zum Haus der Welser, doch ohne direkte Verbindung in die Kapelle. Diese unterlag weiter dem Domkapitel. Sie diente als Ort für Gottesdienste und Predigten, bis die Reformation sich auch in Augsburg durchsetzte. Nachdem der evangelische Rat die Herrschaft in Augsburg übernommen hatte, wurden in den 1530er Jahren viele katholische Klöster, Kirchen und Kapellen geschlossen. Das traf auch die Leonhardskapelle. Eine Zeitlang war unklar, wem die Kapelle samt Glockenturm und dem Haus des Kaplans nun gehörte der Stadt oder dem Domkapitel. 1538 erfolgte der Verkauf von Turm und Haus des Kaplans an Bartholomäus Welser, der 1539 und 1540 einen groß angelegten Umbau vornahm und auch den Teil oberhalb des Gewölbes der Kapelle in sein Wohnhaus integrierte. Zeitgleich baute die Stadt an der Kapelle, die als Gotteshaus daraufhin nicht mehr zu erkennen war. Irgendwann zwischen 1548 und 1553 ging schließlich auch die ehemalige Kapelle in den Besitz des Welser über. Über die weitere Nutzung im 16. Jahrhundert ist nichts bekannt. 1615 schließlich wurde der gesamte Häuserkomplex von den Welsern an den Eisenhändler Elias Lotter verkauft. Weitere Besitzer folgten: die Liegenschaft ging 1650 an Johann Koch von Gailenbach und 1788 an Sebastian Andreas Balthasar von Hößlin. 1895 bezog der Seifenfabrikant Johann Freyinger die Gebäude und ab 1904 war dort der Sitz des»central-bazar und Magazin für Haus- und Küchengeräte«von Simon Einstoss.

Im Jahr 1913 schließlich beherbergte die ehemalige Kapelle ein vornehmes Lokal. Das Restaurant St. Leonhard zählte zu den besten Adressen vor Ort. Bis zum 25. Februar 1944. Denn in der Augsburger Bombennacht blieb auch dieses Gebäude nicht verschont. Ein Großteil war zerstört, viele der gotischen Gewölbeelemente lagen zertrümmert am Boden oder waren verrußt durch das Feuer, das nach den Bomben gewütet hatte. In diesen Tagen zogen Räumkommandos durch die Stadt und rissen alles ab, was nicht mehr erhaltenswert aussah oder einsturzgefährdet war. Die Leonhardskapelle blieb zunächst aber als Ruine erhalten. Die Stadt versuchte, sie durch verschiedene Maßnahmen zu retten und ihr als Sehenswürdigkeit eine Zukunft zu geben. Dieses Vorhaben misslang. Erst 1958 tat sich wieder etwas. Die Ruine wurde abgebrochen sorgfältig und planmäßig. Zunächst lagerten die einzelnen Stücke in der Dominikanerkirche. Im Jahr 1960 bat die Stadt schließlich das Seniorat der Familie Fugger und die Fuggerschen Stiftungen, die Originalteile ebenso wie den Höchstetter-Erker in ihren künftigen Neubau aufzunehmen. Denn deren Planung sah bereits vor, Teile aus den zerstörten Fuggerhäusern der Annastraße zu integrieren. Aus kultureller Verantwortung und mit dem Gedanken, dass auf diese Weise wertvolle historische Architekturen von drei herausragenden Familien der Augsburger Geschichte vereint würden, stimmte das Seniorat dem Ansuchen zu. 1962-1963 fanden die meisten Bauelemente der ehemaligen Leonhardskapelle ein neues Zuhause als Bestandteil der jetzigen Leonhardskapelle in der Fuggerei. Für einige Teile wie die vorliegende Gewölberippe war bei der Rekonstruktion leider kein Platz mehr. Trotzdem hat sie als originales Zeugnis einer spannenden Geschichte zu guter Letzt eine perfekte Heimat gefunden: das Fuggerarchiv in Dillingen. AUTOR Claudia Gutstein M. A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fürstlich und Gräflich Fuggersches Familien- und Stiftungsarchiv BEI RÜCKFRAGEN Astrid Gabler Leitung Kommunikation gabler@fugger.de T +49.8 21. 31 98 81-25

Innenraum der zerstörten Leonhardskapelle, 1944 Abb.: Sammlung Franz Häußler Ausschnitt aus: Wolfgang Kilian, Stadtplan der Stadt Augsburg, 1626 Abb.: Fuggerarchiv

Restaurant St. Leonhard von innen, Postkarte von 1929 Abb.: Fuggerarchiv