Jahresstatistik Die Zahlenübersichten bilden die Arbeit der BPjM im jeweils zurückliegenden Jahr ab und ermöglichen im Vergleich zwischen einzelnen Jahren bzw. Zeiträumen eine Übersicht über deren Entwicklung. Kein Verfahren ist wie ein anderes und jede Entscheidung der BPjM-Gremien ist das Ergebnis einer gründlichen Einzelfallprüfung. Dennoch gewähren die Daten u.a. Rückschlüsse auf nachhaltige jugendmedienschutzrelevante Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen. Sie verweisen auf die Einflüsse zeitnaher Geschehen (bspw. bei einer Gewalttat wie ein Amoklauf) und spiegeln gesellschaftliche Diskurse wider. Die Veröffentlichung der Jahres-Statistik richtet sich daher an vielfältige Zielgruppen mit unterschiedlichstem Bedarf und Interesse. Dazu gehören antrags- und anregungsberechtigte Stellen, medienpädagogisch Tätige, Wissenschaft und Forschung und nicht zuletzt die BPjM selbst. Mit einer neuen Darstellungsform soll die Jahresstatistik noch zielgenauer die unterschiedlichen Bedürfnisse bedienen. Die rein quantitative Darstellung nach Zahlen zu Verfahren und Objektarten wird erstmalig um den qualitativen Aspekt der Indizierungsgründe erweitert. Der Anschaulichkeit wegen wurde in der Konsequenz auf Angaben verzichtet, denen keine allgemeine Relevanz beigemessen wurde. Das unterstellt nicht, dass es im Einzelfall nicht gleichwohl ein berechtigtes Erkenntnisinteresse an bestimmten Details geben kann, das dann auch seitens der Bundesprüfstelle gerne auf Nachfrage bedient wird. Die Abbildung zu den Indizierungsgründen kann insbesondere für antrags- bzw. anregungsberechtigte Stellen Hinweise darauf geben, welche Themen im zurückliegenden Jahr im Fokus standen, vermag aber auch zu markieren, welche möglicherweise aufgrund ihrer Bedeutung für eine Gefährdung der Entwicklung oder Erziehung von Kindern und Jugendlichen (noch) nicht ausreichend im Indizierungsgeschehen abgebildet sind. 1.268 VERFAHREN im Jahr 2016 519 Anträge Antragsberechtigt sind gemäß 21 Abs. 2 JuSchG: (2) Antragsberechtigt sind das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die obersten Landesjugendbehörden, die zentrale Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz, die Landesjugendämter, die Jugendämter sowie für den Antrag auf Streichung aus der Liste auch die in Absatz genannten Personen. 24 13 2 1 49 Videos/DVDs/ Konsolenspiele/ Bücher/Broschüren/ Schallplatten/CDs Blu-rays Computerspiele/ Zeitschriften...BPJM-Aktuell 1/201 4 464 Anregungen Anregungsberechtigt sind gemäß 21 Abs. 4 JuSchG: (4) Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wird von Amts wegen tätig, wenn eine in Absatz 2 nicht genannte Behörde oder ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe dies anregt und die oder der Vorsitzende der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien die Durchführung des Verfahrens im Interesse des Jugendschutzes für geboten hält. Anregungsberechtigte Behörden sind beispielhaft: Polizeibehörden, Zoll-, Finanz- und Ordnungsämter sowie Schulen. Anregungsberechtigte Träger der freien Jugendhilfe können beispielsweise Bildungs- und Jugendeinrichtungen sein. 105 6 16 131 206 Videos/DVDs/ Konsolenspiele/ Bücher/Broschüren/ Schallplatten/CDs Blu-rays Computerspiele/ Zeitschriften
285 von Amts wegen Erfasst sind hier Folgeindizierungen nach 25 Jahren und Listenstreichungen. 165 28 83 4 5 Videos/DVDs/ Konsolenspiele/ Bücher/Broschüren/ Schallplatten/CDs/ Blu-rays Computerspiele/ Zeitschriften Schallplattenhüllen/ Automatenspiele CD-Cover 1.040 VERFAHRENSABSCHLÜSSE im Jahr 2016 513 Erstindizierungen / Folgeindizierungen / Inhaltsgleichheit / Gerichtsentscheidung Aufnahme in die Liste 6 3 18 82 343 Videos/DVDs/ Konsolenspiele/ Bücher/Broschüren/ Schallplatten/CDs/ Blu-rays Computerspiele/ Zeitschriften MCs 1 Nichtindizierungen 0 0 1 13 3 Bücher CDs 286 Listenstreichungen Listenstreichungen von Amts wegen sowie infolge einer beantragten Listenstreichung (Gebührenfälle). 5 Feststellung gegebener bzw. fehlender Inhaltsgleichheit Gebührenfälle 219 Verfahrenseinstellungen Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung bzw. Fortführung eines Indizierungsverfahrens waren in diesen Fällen nicht (mehr) gegeben. BPJM-Aktuell 1/201... 5
Jahresstatistik INDIZIERUNGSGRÜNDE* im Jahr 2016 138 106 101 Harte Pornografie (Gewalt-, Tier-, Kinder- und Jugendpornografie) Einfache Pornografie NS-Verherrlichung / Propagierung NS-Ideologie Verbreitung Propagandamittel mit Bestrebung Fortsetzung NS Verbreitung Rassismus/Antisemitismus Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 6 59 55 19 13 13 10 9 8 2 (verrohende) Darstellungen von Gewalt Anreizung zu Gewalttätigkeit und Verbrechen Volksverhetzung / Aufruf zu Gewalt gegen Teile der Bevölkerung Holocaust-Leugnung / Auschwitz-Lüge Anreizung zu Rassenhass Menschenwürdeverletzung Diskriminierung bestimmter Personengruppen Posendarstellungen Minderjähriger (unterhalb Kinderpornografie) Verherrlichung/Verharmlosung von Drogen / Alkohol Propagierung / Verharmlosung selbstverletzenden Verhaltens Anleitung zu Straftaten (z.b. Sprengstoffherstellung) Unsittlich Kriegsverherrlichung / -verharmlosung Aufruf zum Dschihad / Verherrlichung des Kampfes gegen Nichtmuslime Sex und Gewalt verknüpfende Darstellungen Gewaltverherrlichung / -verharmlosung Propagierung / Nahelegung Selbstjustiz Befürwortung Inzest / Missbrauch * Datenbasis sind alle im Jahr 2016 im 3er- oder 12er-Gremium erst- und folgeindizierten Objekte. Berücksichtig wurden maximal drei Nennungen pro Objekt....BPJM-Aktuell 1/201 6
BPjM Jahresstatistik 2016 Prüfschwerpunkte und Beispielsfälle AKTUELL Wie die vorangegangene Statistik belegt, waren die Indizierungsgründe bei den Verfahren in 2016 zwar annähernd in ihrer Gesamtheit vertreten, jedoch bei weitem nicht mit einer vergleichbaren Häufigkeit. Die Statistik weist ferner die thematischen Schwerpunkte der Spruchpraxis in 2016 aus. Diese werden nachfolgend mit ergänzenden Hintergrundinformationen aufgegriffen. Ein auffällig großer Anteil der indizierten Medien ist 2016 dem Bereich des politischen Extremismus zuzuordnen. Eine differenzierte Betrachtung der Indizierungsgründe erfolgt in dem nachfolgenden Beitrag Dr. Hajok (S. 8-1). In diesem thematischen Kontext haben die Gremien auch vermehrt die Verwirklichung des Straftatbestandes der Volksverhetzung ( 130 Strafgesetzbuch) und damit das Vorliegen einer schweren Jugendgefährdung angenommen. Die Anstachelung zum Rassenhass oder zur Gewalt bezieht sich gerade in Internetangeboten zunehmend auf die Gruppe der Migrantinnen und Migranten sowie auf geflüchtete Menschen (Bsp: migrantenschreck, in dem der Gebrauch von Waffen zur Abwehr von Zugewanderten nahegelegt wird). Hinsichtlich der im Netz frei zugänglichen Hinrichtungsvideos sind bei den indizierten Angeboten nunmehr unterschiedliche Kontexte zu verzeichnen. Einerseits sind diese in Propagandaseiten radikalislamischer Vereinigungen eingebunden andererseits werden diese aber auch in islam- und muslimfeindlichen Angeboten verwendet und sind hier regelmäßig Bezugspunkt für gezielte Hetze. Auch wenn nach wie vor pornografische Inhalte zahlenmäßig konstant den größten Anteil der Indizierungen ausmachen, können auch diesbezügliche Entwicklungen nachgezeichnet werden. So bezogen sich die in 2016 durchgeführten Verfahren fast ausschließlich auf Internetangebote. Dabei sahen die Gremien erstmals in der überwiegenden Anzahl der Prüffälle Tatbestände so genannter harter Pornografie und hier den Tatbestand so genannter Kinderpornografie als verwirklicht an. Diese Entwicklung ist mit der Reform des Sexualstrafrechts zu erklären. Die Straftatbestände der 184b, 184c StGB wurden im Hinblick auf sexualbezogene Darstellungen Minderjähriger derart neu gefasst, dass nunmehr auch pornographische Schriften erfasst werden, wenn sie die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes bzw. einer jugendlichen Person in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung zum Gegenstand haben. Zudem ist durch die Änderung auch die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes tatbestandsmäßig. Diese Tatbestände werden auch durch virtuelle Darstellungen (z.b. sog. Hentai -Angebote, erotische Comiczeichnungen und -videos in japanischem Stil) verwirklicht, die auch verfahrensgegenständlich waren. Auch bei Folgeindizierungen kommen die Änderungen des Sexualstrafrechts zum Tragen. Mehrere erotische Romane, bei denen nach Ablauf von 25 Jahren qua Gesetz die Indizierungsfolgen entfallen, wurden neu indiziert und, weil die Protagonisten im Kindesalter sind, als kinderpornografisch eingestuft und in der Konsequenz in Teil B der Liste jugendgefährdender Medien eingetragen. Die in den Gremien verhandelten Anträge auf Listenstreichung bezogen sich 2016 fast ausschließlich auf Action- und Horrorfilme, deren Gewaltdarstellungen nach heutigen Maßstäben als nicht mehr jugendgefährdend bewertet wurden, wie bspw. The Evil Dead ( Tanz der Teufel ), dessen allgemeine Beschlagnahme zuvor aufgehoben worden war, weshalb die Bundesprüfstelle überhaupt in der Lage war über die Frage der Jugendgefährdung zu entscheiden. Als Ausnahme zur der Entwicklung, dass die Zahl der Verfahren zu Onlineangeboten stetig steigt, hatte die Bundesprüfstelle im zurückliegenden Jahr über zwei Quartett-Spiele ( Das offizielle Selbstmord-Quartett und Das große Folter-Quartett ) zu befinden. Im Fokus der Bewertung stand die Frage, wie sich die satirische Darstellung von Folter und Suizid im konkreten Fall auf eine mögliche Jugendgefährdung auswirkt. Das Gremium entschied mit BPJM-Aktuell 1/201...
...BPJM-Aktuell 1/201 8 der erforderlichen Mehrheit, dass die Inhalte der geeignet sind, Kinder und Jugendliche im Hinblick auf die im Rahmen des gesellschaftlichen Zusammenlebens gezogenen Grenzen der Rücksichtnahme und der Achtung Anderer zu desensibilisieren und ihre Mitleidsfähigkeit in erheblichem Maße herabzusetzen. Die Spiele erweckten den Eindruck, dass seelisches Leid anderer als Mittel der Belustigung und Unterhaltung dienen kann. Besonders erwähnenswert ist darüber hinaus die im zurückliegenden Jahr zu so genannten Legal Highs entwickelte Spruchpraxis. Bis zum Inkrafttreten des Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (NpSG) im November 2016 handelte es sich dabei um legale Substanzen, da sie nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterfallen. Diese Substanzen werden zum Teil in Form von Alltagsgegenständen (bspw. Kräutermischungen, Badesalze, Lufterfrischer oder Pflanzendünger) auf unterschiedlichen Plattformen im Internet angeboten. Der rechtliche Status der Drogen, die in dem jeweiligen Medium thematisiert werden, spielt im Hinblick auf die Bewertung der Jugendgefährdung nur eine untergeordnete Rolle. Einschlägig war in den diesbezüglichen Verfahren vielmehr der Tatbestand der Drogenverherrlichung bzw. verharmlosung. Dieser ist nach langjähriger Spruchpraxis dann erfüllt, wenn die angeblich positiven Wirkungen des Drogenkonsums auf die Erfahrungswelt von Jugendlichen herausgestellt werden und gleichzeitig die damit verbundenen negativen Folgen, wie z.b. Gesundheitsschäden durch Abhängigkeit, bewusst oder unbewusst ausgeblendet werden. Hinreichend ist bereits die Förderung der bloßen Konsumbereitschaft von Kindern und Jugendlichen. Die Bundesprüfstelle entschied auch über den im Internet verbreiteten Video-Clip CopKKKilla des Rappers Haftbefehl, dessen Inhalt aufgrund der gegen Angehörige der Polizei gerichteten Gewaltaufrufe als indizierungsrelevant eingestuft wurde.