Keine Angst, ich werde Sie nicht mit einem einsilbigen Grusswort langweilen.

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Transkript:

Eröffnung Biennale Bern 2010 Foyer Stadttheater Bern 10. September 2010, 18.00 Uhr Sehr geehrte Damen und Herren, Wut Mut Gut. Keine Angst, ich werde Sie nicht mit einem einsilbigen Grusswort langweilen. Aber: Immer diese Reden und Ansprachen von Politikern. Vielleicht sind Sie etwas ermattet. Deshalb liefere ich Ihnen eine kurze und griffige Zusammenfassung meiner Rede gleich am Anfang: Wut Mut Gut. Seite 1/9

Wut: Die Biennale Bern setzt sich intensiv mit dem Thema auseinander. Theater, bildende Kunst, Oper, Tanz, Film, Performance, Musik und Literatur spüren mit ihren jeweiligen Stilmitteln der Wut nach. Das braucht Mut. Denn seien wir ehrlich: Es gibt sicher angenehmere, gefälligere Themen, um sich damit auseinanderzusetzen. Aber ist es eben nicht auch eine Aufgabe der Kunst, sich solcher ernsten sprich unangenehmen Themen anzunehmen? Dort hinzuschauen, wo wir eigentlich lieber wegsehen würden, dort, wo es weh tut, wo es ungemütlich wird? Selbstverständlich! Seite 2/9

Und es ist deshalb nur konsequent, wenn diese mutige künstlerische Auseinandersetzung durch den Kanton und andere Institutionen der öffentlichen Hand oder gemeinnütziger Art unterstützt wird. Denn es dürfte eher schwierig sein, einen Sponsor aus der Privatwirtschaft, z.b. einen Grossverteiler zu überzeugen, sich mit dem Thema Wut auseinanderzusetzen. Für Einkaufstaschen, Zuckerbriefchen und Kaffeerahmdeckeli eignet sich wohl ein gewisser Coiffeurmeister und Stadtoriginal wohl besser... Ob mit oder ohne Kaffeerahmdeckeli: Kunst braucht direkte Kommunikation, sie braucht Vermittlung. Mit grosser Freude stelle ich fest, dass das auch das Kuratorium der Biennale so sieht. Die meisten Veranstaltungen werden moderiert und eingeführt. Es gibt Workshops und Symposien, Seite 3/9

Mittagsführungen und Stadtrundgänge. Das Foyer des Stadttheaters als Festivalzentrum wird zur Begegnungsstätte, zum Ort des Austauschs über das Gesehene, das Gehörte, das Erlebte. Gerade bei in Anführungszeichen schwierigen und anspruchsvollen Themen ist es besonders wichtig, dass die Kunst den Dialog nicht nur pflegt, sondern sucht. Dass sie nicht nur verstanden werden will, sondern dass sie sich auch im weitesten Sinne verständlich gibt. Dieses Jahr bietet die Biennale erstmals auch ein Programm für Kinder und Jugendliche an. Eine fantastische Idee nimmt sie doch die Kinder und Jugendliche, die von Natur aus neugierig und wissensdurstig sind, als Kunstinteressierte wahr und ernst. Damit erschliesst sich die Biennale hoffentlich ein neues Publikum. Seite 4/9

Kulturvermittlung ist mir persönlich besonders wichtig. Ich gebe zu, ein etwas schwieriger Zeitpunkt für dieses Thema heute nachdem der Grosse Rat gerade das Projekt Bildung und Kultur des Regierungsrats zur Verkleinerung zurückgewiesen hat und nachdem im gleichen Grossen Rat gerade eine Motion zur massiven Reduktion von Kunst am Bau gutgeheissen wurde. Manchmal frage ich mich, wieso es Kulturanliegen in der Politik oft so schwer haben. Seit meinem Amtsantritt als Erziehungsdirektor erlebe ich immer wieder Schwierigkeiten mit Kulturdossiers. Sicher muss die Kultur und ihre Institutionen hier auch bei sich selber suchen: Wie können wir mehr Vertrauen für die Kulturinstitutionen schaffen? Wie bringen wir unsere Anliegen besser in die Öffentlichkeit ein? Wo gibt es Verbesserungsbedarf in unserer Arbeit? Seite 5/9

Zugleich hat es aber vielleicht auch mit dem schwierigen Themen zu tun, mit denen sich die Kultur eben auseinandersetzt. Stichwort Mut. Stichwort Wut. Vielleicht auch, weil uns die Kultur eben sehen hilft. Der belgische Maler Bram van Velde hat einmal über seine Arbeit gesagt: Je cherche à voir, alors que tout, dans ce monde, nous empêche de voir. Ein wunderbares Zitat. Kunst als Hilfe zum Sehen, hinter die Dinge sehen, nicht auf ihre Oberfläche sehen. Dinge zu sehen, die auf den ersten Blick nicht sicht- und messbar sind. In der Wirtschaft und in der Politik gilt heute immer mehr der Wahn des Messbaren. Alles muss gemessen werden. Indikatoren müssen her, der Mehrwert einer Tätigkeit muss beziffert werden. Ein Kollege Erziehungsdirektor eines anderen Kantons hat mir einmal gesagt: Wir müssen beziffern und beweisen können, welchen Mehrwert die Volksschule bringt. Seite 6/9

Es war gut gemeint, zur Unterstützung der Bildungsausgaben. Aber eigentlich unglaublich, dass man in der heutigen Welt den Mehrwert der Schule be- und nachweisen muss. Dass die Beschulung unserer Kinder einen Mehrwert schafft, ist doch ganz einfach offensichtlich und muss meines Erachtens nicht noch aufwändig nachgewiesen werden. Dass man die Schule ständig auch verbessern muss, ist dann wieder eine andere Frage. Albert Einstein sagte einmal: Nicht alles was zählt, kann gezählt werden kann, und nicht alles was gezählt werden kann, zählt. Genau hier hilft uns die Kultur. Sehen. Nicht messen. Vielleicht hat die Politik manchmal Angst, genau vor diesem Sehen??? Wie auch immer Gut, dass es Kunst und Kultur gibt. Seite 7/9

Gut: Es ist schön zu sehen, dass sich die Biennale von Ausgabe zu Ausgabe weiterentwickelt. Was ist das Erfolgsgeheimnis dafür? Ich vermute, dass ein Teil des Erfolgs in der Vernetzung, im Austausch der beteiligten dreizehn Organisationen liegt. Die verschiedenen Kultursparten lernen voneinander, sie inspirieren sich gegenseitig. Das ist hervorragend für das Programm. Durch die Zusammenarbeit lernen sie sich aber auch besser kennen und ihre jeweiligen Bedürfnisse, Realitäten und Beweggründe verstehen. Das baut Berührungsängste und Hemmschwellen im kulturpolitischen Alltag ab. Es geht nicht um Abgrenzung und Konkurrenz, sondern um den Austausch und die Konzentration der Kräfte. Gemeinsam mehr erreichen die Biennale ist der beste Beweis dafür! Seite 8/9

Ich danke allen Beteiligten vor und hinter den Kulissen von ganzem Herzen für ihren Einsatz, ihr Engagement und Ihren Mut zur Wut. Ich freue mich sehr auf die abwechslungsreichen und spannenden Tage und Nächte, die vor uns liegen. Herzlichen Dank und viel Vergnügen an der Biennale 2010! Seite 9/9