Das Mikrophon und der Körper (The Microphone and the Body)

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Transkript:

Das Mikrophon und der Körper (The Microphone and the Body) Martin Schneider Georg Neumann GmbH, schneidm@neumann.com Kurzfassung Mikrophone für Instrumentalaufnahme werden auf bestmögliche Richtcharakteristik hin optimiert. Sie stehen häufig frei, ohne nahe Objekte, die das Schallfeld relevant stören. Sprach- und Gesangsmikrophone hingegen befinden sich in unmittelbarer Nähe von Kopf und Körper. Das Schallfeld wird durch Beugung und Reflexionen am "Störobjekt" verändert. Frequenzgang und Richteigenschaften des Mikrophons in diesem gestörten Schallfeld entsprechen nicht mehr den Eigenschaften des Mikrophons im freien Schallfeld. Entsprechend verändern sich das Übersprechen anderer Instrumente sowie die Rückkopplungsgrenzen von Beschallungsanlagen oder Bühnenmonitoren. Die Auswirkung des "Störobjekts Mensch" auf das Signal werden durch Messungen und Aufnahmen veranschaulicht. Wie wählen wir Gesangsmikrofone für die Bühne aus? Wie beschreiben oder messen wir deren Klang? Was sind die entscheidenden Kriterien für die Mikrophonauswahl? Neben den mechanisch-konstruktiven Parametern (geringe Körperschallempfindlichkeit, hohe Popfestigkeit, angenehme Gestaltung des Korpus) sind die entscheidenden akustischen Parameter der Klang des Gesangs, hohe Aussteuerbarkeit und Rückkopplungsfestigkeit. Hohe Aussteuerbarkeit, d.h. verzerrungsfreie Übertragung auch bei hohen Schalldrücken, sollte heute bei Mikrophonen einer gewissen Güte als gegeben angenommen werden können. Dynamische Mikrophone können auch Schalldrücke über 150 db SPL ohne nennenswerte Verzerrungen übertragen; Schaltungen von Kondensatormikrophonen für die Bühne erzeugen erst ab 140 150 db SPL beginnende Verzerrungen. Der Klang eines Bühnenmikrophons kann nicht nur empirisch bestimmt werden, d.h. durch Besingen und Abhören über eine gute Verstärkungsanlage. Er kann und sollte auch aus den Meßdaten entsprechend der Mikrophonnorm IEC 60268-4 abgelesen werden; der übliche Freifeld-Frequenzgang eignet sich dazu weniger, da er meist bei Meßabständen von 1m oder mit ebenen Wellen in theoretisch unendlicher Entfernung von einer Schallquelle bestimmt wird. Der Nahbesprechungs-Frequenzgang hingegen, gemessen mit einem künstlichen Mund (Abb.1) als Signalquelle in wenigen Zentimetern Abstand, beschreibt in guter Näherung die Verhältnisse bei einem realen Sänger. Zusätzliche Kurven über den frontalen Bereich, z.b. bis 45 oder 90, geben Auskunft über die Gleichförmigkeit des Klangs bei seitlicher Besprechung. Die letztendliche Entscheidung hängt dann noch davon ab, ob es ein persönliches Mikrophon sein soll, das auf einen einzelnen Sänger und dessen klangliche Eigenheiten abgestimmt sein darf, oder ob ein allgemeines Mikrophon benötigt wird, wie z.b. Mikrophone im Verleih, die für eine größtmögliche Vielfalt von Stimmen befriedigende Ergebnisse liefern müssen. 1

Abb. 1: Künstlicher Mund Abb.2 zeigt winkelabhängige Freifeld- und Nahbesprechungs-Frequenzgänge eines Bühnengesangsmikrophons mit weitgehend neutralem Klang. Der Nahbesprechungs-Frequenzgang zeigt eine gewünschte Anhebung der Bässe; in den Höhen sorgt eine leichte Anhebung für mehr Präsenz. Beides zusammen vermittelt eine höhere empfundene Lautheit des Signals. Abb. 2: Gesangsmikrophon (Superniere): Freifeld-Frequenzgang (Messabstand 1m) und Nahbesprechungs-Frequenzgang (10cm) Rückkopplungsfestigkeit hingegen ist kein Parameter, der auf einfache Art und Weise bestimmt werden kann. Rückkopplungen entstehen, wenn in der Kette Mikrophon Verstärker Beschallungs-/Monitor-Lautsprecher Raum Mikrophon eine Schleifenverstärkung v 0dB vorliegt, die dafür sorgt, daß ein Signal durch diese Schleife immer weiter verstärkt wird, bis das charakteristische Pfeifen auftritt. Die Schleifenverstärkung hängt von einer Vielzahl von Parametern ab, z.b. Verstärkung, Abstand und Positionierung Lautsprecher/Mikrophon, Frequenzgang und Richtcharakteristik von Lautsprecher und Mikrophon, sowie den Eigenschaften des Raums mit seinen Reflexionsflächen. Das Mikrophon ist nur ein Glied dieser Schleife und kann seine Aufgabe nur im Rahmen des physikalisch Möglichen 2

erfüllen, niemals aber ein Allheilmittel für stark rückkopplungsanfällige Beschallungsanlagen sein. Für die Rückkopplungsfestigkeit ist der Freifeld-Frequenzgang relevant, da der Abstand Lautsprecher/Mikrophon meist 1m sein wird. Bühnenmikrophone für Beschallung sind fast immer gerichtete Typen, mit einer Richtcharakteristik im Bereich Niere/Superniere/Hyperniere. Bühnengesangsmikrophone sollten, um weitgehend einsetzbar zu sein, über alle Schalleinfallswinkel gleichmäßige, parallele Freifeld- Frequenzgänge aufzeigen, anders gesagt, möglichst frequenzunabhängige Richtcharakteristik besitzen (Abb. 2 oben). Markante Überhöhungen führen zu verstärkter Rückkopplungsanfälligkeit in diesen Frequenzbereichen. Die Gleichmäßigkeit der Frequenzgänge läßt sich am besten mittels einer Kurvenschar über diverse Beschallungswinkel darstellen. Polardiagramme, meist im Oktavabstand dargestellt, bieten oft keine genügende Frequenzauflösung. Der gelegentlich dargestellte Diffusfeld-Frequenzgang, d.h. der Frequenzgang des Mikrophons gemittelt über alle Einfallswinkel, gibt einen generellen Eindruck über die Gleichförmigkeit der frequenzabhängigen Richtwirkung. Durch die Mittelung über alle Winkel können aber lokale Frequenz- oder Winkelabhängigkeiten verwischt werden. Das gleiche gilt für Bündelungsfaktor- und maß, die die Richtwirkung auf Ein-Zahl-Werte in Abhängigkeit von der Frequenz zusammenfassen. Das Bündelungsmaß für ideale Richtcharakteristiken beträgt Г Niere = 4,7dB, Г Superniere = 5,7dB, Г Hyperniere = 6dB. Die selben Anforderungen an ein Bühnenmikrophon, d.h. möglichst gleichmäßige, parallele Freifeld-Frequenzgänge, ergeben sich auch bei Betrachtung von Sekundär-Schallquellen, d.h. anderen Schallquellen als dem eigentlichen Gesang, die durch das Mikrophon aufgenommen werden. Dieser Störschall kann z.b. von anderen Sängern, Instrumenten, aber auch Monitor- und Beschallungsanlagen herrühren. Er sollte durch die Richtwirkung des Mikrophons bestmöglich unterdrückt werden; das unvermeidliche verbleibende Übersprechen (engl.: spill ) möglichst frequenzunabhängig sein. Dies gilt insbesondere bei In-Ear- Monitoring, da hierbei die Signale der Sekundär-Schallquellen stärker wahrgenommen werden als über Bühnenmonitore oder die Beschallungslautsprecher. Aus den bekannten Eigenschaften der verschiedenen Richtcharakteristiken und den obigen Überlegungen kann man die häufig erwähnten Empfehlungen ableiten: 1. bei Einsatz eines Bühnenmonitors genau hinter dem Mikrophon (180 aus Mikrophonsicht) verwende man Mikrophone mit Nierencharakteristik, mit ihrer maximalen Auslöschung bei 180 ; 2. bei Positionierung hinten/seitlich verwende man eine Super- oder Hyperniere, mit maximaler Auslöschung bei 120 bzw. 135. Berücksichtigt man zusätzlich, daß auch störende Schallquellen aus seitlichen Richtungen auftreten, empfehlen sich Super- und Hyperniere, mit ihren relativen Dämpfungswerten von - 8.6-12dB. Wird hingegen der gesamte Halbraum hinter dem Mikrophon als störend betrachtet, bietet die Superniere die größte Unterdrückung der Signale aus dem hinteren Halbraum im Vergleich zum vorderen Halbraum. Wird das Mikrophon nicht statisch montiert, sondern in der Hand gehalten und bewegt, ändern sich relativer Abstand und Einfallsrichtung des Störschalls andauernd; auch hier könnte eine statistische Betrachtung die Verwendung einer Superniere nahelegen. All diese Betrachtungen beziehen aber einen relevanten akustischen Störfaktor nicht mit ein: den Kopf und Körper des Sängers, wenn er vor dem Mikrophon steht. Diese stellen für Schall 3

mit mittleren bis hohen Frequenzen ein relevantes Hindernis dar. Reflexion und Beugung führen zu Verformung der Frequenzgänge und Richtcharakteristiken des Mikrophons in Bezug auf entfernte Schallquellen ( Störschall ). Die relativen Druckveränderungen auf der Oberfläche einer schallharten Kugel, als Näherung des Kopfes, sind in Abb. 3 dargestellt: Druckverdopplung zu hohen Frequenzen auf der Vorderseite; Abschattung zur Seite; Anstieg wiederum bei 180 [1]. Dieser Effekt wird seit den 1950ern auch als Gestaltungsmittel bei der Konstruktion von Studiomikrophonen mit Kugelcharakteristik verwendet [2]. Abb. 3: Druckanstieg auf der Oberfläche einer Kugel Ein Gesangsmikrophon wird allerdings selten Teil der Kugeloberfläche sein, sondern in einem gewissen Abstand vom Mund besungen werden. Dies bedeutet, daß direkter und reflektierter Schall sich überlagern. Das Schallfeld um eine reflektierende Kugel herum ist in Abb. 4 dargestellt [3]. Abb. 4: Schallfeld um eine Kugel in Kopfgröße bei 600 Hz bzw. 1800Hz [3] Die Komplexität der Schallfelder in Abb. 4 läßt schon erahnen, daß es keine einfache, allgemeingültige Lösung gibt: die Schallfelder bei 600 und 1800 Hz unterscheiden sich relevant; die Druckverhältnisse ändern sich abhängig von der Entfernung von der Kugel. Zur weiteren Untersuchung dieses Effekts wurden Messungen im reflexionsarmen Raum durchgeführt (Abb. 5). 4

Abb. 5: Meßaufbau im reflexionsarmen Raum, mit Kunstkopf als Störkörper Abb. 6a zeigt die Frequenzgänge eines Mikrophons mit Kugelcharakteristik, mit einem menschlichen Körper als Störfaktor vor dem Mikrophon, Abb. 6b mit einem Kunstkopfmikrophon. Die Übereinstimmung ist ausreichend, um im weiteren nur den Kunstkopf als Störfaktor zu verwenden. Abb. 6a: Mikrophon (Kugelcharakteristik) mit Mensch als Störkörper Abb. 6b: Mikrophon (Kugelcharakteristik) mit Kunstkopfmikrophon als Störkörper 5

Der Einfluß auf typische Gesangsmikrophone in seiner extremsten Auswirkung, d.h. mit Lippenkontakt zu dem Kunstkopf, ist in Abb. 7 dargestellt: die Frequenzgänge verformen sich deutlich; die Nierencharakteristik des Mikrophons in Abb. 7a verformt sich zu einer breiten Niere; die Superniere in Abb. 7b wird zu einer Niere, zumindest im tieffrequenten Bereich; das Mikrophon in Abb. 7c mit seiner gemischten, frequenzabhängigen Charakteristik wird zu einer Niere. Abb. 7a: Gesangsmikrophon (Niere) ohne / mit Kopf vor dem Mikrophon Abb. 7b: Gesangsmikrophon (Superniere) ohne / mit Kopf vor dem Mikrophon 6

Abb. 7c: Gesangsmikrophon (Niere/Hyperniere) ohne / mit Kopf vor dem Mikrophon Der Einfluß von Kopf und Körper ist bisher nur selten in der Literatur betrachtet worden [4,5,6]. Auch die obigen ersten Untersuchungen lassen noch keine abschließenden Betrachtungen zu. Es bleiben weitere Variablen wie geöffneter/geschlossener Mund unberücksichtigt. Einige Feststellungen können aber gemacht werden: Der Kopf und Körper der Sänger beeinflußen den Schalleinfall entfernter Schallquellen und damit auch das Rückkopplungsverhalten des Mikrophons. Der Einfluß nimmt mit geringerem Abstand zum Mund und mit höheren Frequenzen zu. Im tief-/mittelfrequenten Bereich wird die Richtwirkung des Mikrophons reduziert. im mittel-/hochfrequenten Bereich wird die Empfindlichkeit für Störschall aus bestimmten Richtungen erhöht; die Richtwirkung ändert sich um 180. Es lassen sich aber bisher empirische Betrachtungen quantifizieren, wie z.b. die Situation mit einem Schlagzeug direkt hinter dem Sänger. Der Sänger schattet insbesondere die hochfrequenten Anteile (Becken) des Schlagzeugs ab. Tritt der Sänger vom Mikrophon weg, erhöht sich der hochfrequente Anteil des Schlagzeugs im Gesangsmikrophon um ca. 14 db. Außerdem zeigt sich, daß im Zweifel insgesamt stärker richtende Gesangsmikrophone (Super-/Hyperniere) zu bevorzugen sind, da sie in den verschiedensten Situationen, d.h. mit/ohne Sänger, bei diversen Abständen zum Mikrophon, etc. eine stärkere Richtwirkung beibehalten. Zur messtechnischen Beschreibung eines Gesangsmikrophons für die Bühne sind somit folgende Informationen hilfreich: Nahbesprechungs-Frequenzgang, für den Klang des Sängers / der Sängerin, Freifeld-Frequenzgang, für den Klang entfernter Schallquellen und das Rückkopplungsverhalten, in Abwesenheit des Sängers / der Sängerin, Freifeld-Frequenzgang mit Kopf/Körper, für den Klang entfernter Schallquellen und das Rückkopplungsverhalten, in Anwesenheit des Sängers / der Sängerin. 7

Literatur [1] Ballantine S (1932) Technique of microphone calibration, Acoust. Soc. Am. J. 3:319-360 [2] Schneider M (2001) Omnis & spheres - revisited, preprint no. 5338, 110th AES Conv., Amsterdam [3] Stenzel H, Brosze O (1958) Leitfaden zur Berechnung von Schallvorgängen, Springer, Berlin [4] Brixen EB (1996) Spectral degradation of speech captured by miniature microphones mounted on persons head and chest, preprint no. 4284, 100th AES Conv., Copenhagen [5] Schulein RB (1970) Development of a versatile professional unidirectional microphone, J. Audio Eng. Soc. 18:44-50 [6] Schneider M (2006) The effect of the singer s head on vocalist microphones, preprint, 120th AES Conv., Paris 8