Rekursionen (Teschl/Teschl 8.1-8.2) Eine Rekursion kter Ordnung für k N ist eine Folge x 1, x 2, x 3,... deniert durch eine Rekursionsvorschrift x n = f n (x n 1,..., x n k ) für n > k, d. h. jedes Folgenglied wird aus seinen k Vorgängern berechnet. Dazu müssen k Startwerte x 1, x 2,..., x k vorgegeben werden. Von einer autonomen Rekursion spricht man, wenn die Rekursionsvorschrift unabhängig von n ist, also x n = f (x n 1,..., x n k ). Eine Iteration ist eine autonome Rekursion erster Ordnung x n+1 = f (x n ). rekursion.pdf, Seite 1
Beispiele Durch x n+1 = 2x n ist eine Iteration deniert. Mit dem Startwert x 0 = 1 erhält man die Folge x 1 = 2, x 2 = 2 2 = 4, x 3 = 8,..., x n = 2 n ). Die Iterationsvorschrift x n+1 = (x 1 2 n + 2xn mit dem Startwert x 0 = 1 ergibt eine Folge (x n ), die gegen 2 konvergiert. Mit den Startwerten x 0 = x 1 = 1 und der Rekursionsvorschrift x n = x n 1 + x n 2 für n 2 bzw. x n+1 = x n + x n 1 für n 1. erhält man die Folge der FibonacciZahlen 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89,..., bei der jedes Folgenglied die Summe seiner zwei Vorgänger ist. Es handelt sich um eine autonome Rekursion 2. Ordnung. rekursion.pdf, Seite 2
Weitere Beispiele für Rekursionen das HornerSchema y n+1 = y n x + a n ist eine Rekursion 1. Ordnung. Da in jedem Rekursionsschritt ein Koezient a n des zugrunde liegenden Polynoms eingeht, handelt es sich um eine nichtautonome Rekursion. a n+1 = n (a n a n 1 ) mit den Startwerten a 0 = 0 und a 1 = 1 deniert eine nichtautonome Rekursion 2. Ordnung, die die Folge 0, 1, a 2 = 1 (a 1 a 0 ) = 1, a 3 = 2 (a 2 a 1 ) = 0, a 4 = 3 (a 3 a 2 ) = 3, a 5 = 12, a 6 = 45,... liefert. Durch a n+1 = 2n 2 a n mit dem Startwert a 0 = 0 ist eine nichtautonome Rekursion 1. Ordnung deniert. Man erhält die Folge a 0 = 0, a 1 = 2 0 2 a 0 = 0, a 2 = 2 1 2 a 1 = 2, a 3 = 6,... rekursion.pdf, Seite 3
Zum letzten Beispiel Die Rekursion a n+1 = 2n 2 a n mit dem Startwert a 0 = 0 hat die Lösung (= Darstellung durch einen geschlossenen Ausdruck) a n = n 2 n. Dies kann durch vollständige Induktion bewiesen werden: Induktionsanfang: Es ist a 0 = 0 = 0 2 0. Induktionsschritt: Mit der Rekursionsformel folgt a n+1 = 2n 2 a n = 2n 2 (n 2 n) = n 2 + n = n 2 + 2n + 1 n 1 = (n + 1) 2 (n + 1), womit die Behauptung bewiesen ist. Bei der 2. Gleichheit wurde die Induktionsvoraussetzung benutzt. Damit kann a n direkt angegeben werden, ohne alle Zwischenwerte berechnen zu müssen, z. B. a 1000 = 999.000. rekursion.pdf, Seite 4
Beispiel Verzinsung und Tilgung eines Darlehens Ist x n der Kontostand zu Beginn des n-ten Jahres, z n der Zinssatz und t n die Tilgung, so berechnet sich der Kontostand zum Jahresende (= Beginn des nächsten Jahres) durch x n+1 = (1 + z n ) x n t n ((1 + z n ) x n ist das verzinste Kapital, von dem die Tilgung t n abgeht) Dies deniert eine autonome Rekursion, falls Zinsen und Tilgung konstant sind, d. h. z n = z und t n = t für alle n, und ansonsten eine nichtautonome Rekursion. rekursion.pdf, Seite 5
Beispiel Logistisches Wachstumsmodell Man betrachtet die Iteration x n+1 = c x n (1 x n ) = f c (x n ) mit einem beliebigen Startwert x 0 [0; 1], wobei c ein fest gewählter Parameter ist mit 0 < c 4. rekursion.pdf, Seite 6
Logistisches Modell für verschiedene c rekursion.pdf, Seite 7
Chaos im Fall c = 4 rekursion.pdf, Seite 8
Verhalten des logistischen Modells für n Ist 0 c 4 und x 0 [0; 1], so ist x n [0; 1] für alle n 0. Bei (bis auf wenige Ausnahmen wie x 0 = 0) beliebiger Wahl des Startwertes x 0 [0; 1] gilt lim n x n = 0, falls c 1, lim n x n = 1 1, falls 1 < c 3, c kompliziertes Verhalten, falls c > 3: für c zwischen 3 und 3, 4 springt x n zwischen zwei Werten hin und her (nach einer Einschwingphase), für gröÿere c wird das Verhalten noch komplizierter ( chaotisches Verhalten für c = 4). rekursion.pdf, Seite 9
Bifurkationsdiagramm der logistischen Abbildung rekursion.pdf, Seite 10
Erstellen eines Bifurkationsdiagramms c0=2.8; c1=4.0; deltac=0.001; x0=0.3; n1=1000; n2=3000; for (c=c0; c<=c1; c+=deltac) { x=x0; for (i=0; i<n1; i++) x=c*x*(1-x); for (i=n1; i<n2; i++) { x=c*x*(1-x); print(c,x) // (*) } } (*) Einzeichnen des Punktes (c, x) in ein geeignetes Koordinatensystem (c [c0, c1], x [0, 1]) rekursion.pdf, Seite 11
Lineare Rekursionen haben eine einfache Rekursionsformel und sind oft lösbar, d. h. sie erlauben eine Darstellung durch einen geschlossenen Ausdruck der Form x n = g(n). Wir betrachten lineare Rekursionen 1. und 2. Ordnung mit konstanten Koezienten: x n+1 = ax n + c n lineare Rekursion 1. Ordnung, x n+1 = ax n + bx n 1 + c n lineare Rekursion 2. Ordnung. Dabei sind die Koezienten a, b R Konstanten und (c n ) eine (vorgegebene) Folge. Ist c n = 0 für alle n, so heiÿt die Rekursion homogen, Ist c n = c für alle n mit einer Konstanten c R, so ist die Rekursion autonom, Ist die Folge (c n ) nicht kostant, so handelt es sich um eine inhomogene, nichtautonome Rekursion. rekursion.pdf, Seite 12
Beispiele x n+1 = 2x n deniert eine homogene (und autonome) lineare Rekursion 1. Ordnung. Mit vollständiger Induktion lässt sich (leicht) zeigen, dass gilt x n = 2 n x 0. = 2x n + 1 deniert eine inhomogene autonome lineare Rekursion 1. Ordnung. Mit dem Startwert x 0 = 0 erhält man x 1 = 1, x 2 = 3, x 3 = 7,... Allgemein gilt x n = 2 n 1 (Beweis mit vollständiger Induktion oder mit der im Folgenden behandelten Lösungsformel). x n+1 = 2x n + n deniert eine inhomogene nichtautonome lineare Rekursion 1. Ordnung. Mit dem Startwert x 0 = 0 erhält man x 1 = 0, x 2 = 1, x 3 = 4, x 4 = 11,... Hier hat (x n ) die geschlossene Darstellung x n = 2 n n 1. x n+1 rekursion.pdf, Seite 13
Bemerkung Bei einer Rekursion 1. Ordnung muss immer ein Startwert x 0 (oder alternativ x m für ein m Z) vorgegeben werden, damit die Werte für alle x n (mit n m) eindeutig festgelegt sind. Bei einer Rekursion 2. Ordnung müssen entsprechen zwei Startwerte x 0 und x 1 (bzw. x m 1 und x m ) vorgegeben werden. Weitere Beispiele x n+1 = x n + x n 1 deniert eine lineare homogene Rekursion 2. Ordnung. x n+1 = x n + 2x n 1 ist ebenfalls eine lineare homogene Rekursion 2. Ordnung. Mit den Startwerten x 0 = 2 und x 1 = 1 erhält man die Lösung x n = 2 n + ( 1) n für alle n N. = x n + 2x n 1 + 4 deniert eine inhomogene autonome Rekursion 2. Ordnung. x n+1 rekursion.pdf, Seite 14
Homogene Rekursionen 1. Ordnung Für die Rekursion x n+1 = a x n ist x 1 = a x 0, x 2 = a x 1 = a 2 x 0, x 3 = a x 2 = a 3 x 0,... Damit hat x n die geschlossene Form (Lösung der Rekursion) x n = a n x 0 für alle n N bzw. allgemeiner x n = a n m x m für beliebige m, n N. Beispiele Mit x 0 = 1 und x n+1 = 2x n gilt x n = 2 n für alle n 0. Bei einem Startkapital x 0 = 1000 (Euro) und einer Verzinsung von 1% betrachtet man die Rekursion x n+1 = 1, 01 x n. Nach 10 Jahren beträgt das Kapital somit 1, 01 10 x 0 = 1104, 62, nach 1000 Jahren x 1000 = 1, 01 1000 1000 = 20.959.155, 64. rekursion.pdf, Seite 15
Allgemeine und spezielle Lösung Die allgemeine Lösung eine Rekursion ist die Gesamtheit aller Folgen (x n ), die die Rekursionsgleichung erfüllen, unabhängig vom Anfangswert. Bei einer konkreten Folge, die die Rekursionsgleichung erfüllt, spricht man von einer speziellen Lösung. Beispiel Die allgemeine Lösung der Rekursion x n+1 = 2x n hat die Form x n = β 2 n mit einer frei wählbaren Konstante β R. Spezielle Lösungen sind z. B. die Folgen (x n ) = (0), (x n ) = (2 n ), (x n ) = ( 2 n ) und (x n ) = (2 n+1 ) = (2 2 n ). rekursion.pdf, Seite 16
Autonome inhomogene Rekursionen 1. Ordnung x n+1 = a x n + c für n 0 bzw. x n = a x n 1 + c für n 1 Setzt man die Rekursionsformel in sich selbst ein, so erhält man x n = a x n 1 + c = a (a x n 2 + c) + c = a 2 x n 2 + (a + 1) c = a 2 (a x n 3 + c) + (a + 1) c = a 3 x n 3 + (a 2 + a + 1) c... = a n x 0 + (a n 1 + a n 2 +... + a + 1) c = a n x 0 + 1 an 1 a c (falls a 1) Dabei wurde benutzt: n 1 ak = 1 an für a R \ {1} und n N k=0 1 a (geometrische Summe, Beweis durch vollständige Induktion) rekursion.pdf, Seite 17
Beispiel 1 Gegeben sei die Rekursion x n+1 = 2x n + 1 mit x 0 = 1. Durch Einsetzen in die Rekursionsformel erhält man: x 1 = 2 1 + 1 = 3, x 2 = 2 3 + 1 = 7, x 3 = 2 7 + 1 = 15, x 4 = 2 15 + 1 = 31,... Die Formel für den geschlossenen Ausdruck liefert (mit a = 2, c = 1 und x 0 = 1) x n = a n x 0 + 1 an c = 1 a 2n 1+ 1 2n 1 = 2n +2 n 1 = 2 n+1 1 1 2 für alle n N. rekursion.pdf, Seite 18
Beispiel 2 Ein Kredit in Höhe von 10.000 Euro mit einem jährlichen Zinssatz von 5 % wird in Jahresraten von 1000 Euro abbezahlt. Ist x n der Schuldenstand nach n Jahren (in Euro), so gilt x 0 = 10.000 sowie x n+1 mit a = 1, 05 und c = 1000. = 1, 05 x n 1000 = a x n + c Die Lösungsformel liefert x n = 1, 05 n 1 1, 05n 10000 1 1, 05 1000 = 1, 05 n 10000 (1, 05 n 1) 20 1000 = 20000 1, 05 n 10000. rekursion.pdf, Seite 19
Fortsetzung Beispiel 2 Zum Beispiel ist x 1 = 9500, x 2 = 8975,..., x 10 = 3711, 05,..., und x 14 = 200, 68. Um zu berechnen, nach wie vielen Jahren der Kredit abbezahlt ist, ist das kleinste n mit x n 0 zu bestimmen: x n = 20000 1, 05 n 10000 0 1, 05 n 10000 20000 1, 05 n 2 n log 1,05 2 = ln 2 ln 1,05 14, 2. Also ist der Kredit nach 15 Jahren abbezahlt. Es ist x 15 = 20000 1, 05 15 10000 = 789, 28 rekursion.pdf, Seite 20
Stationäre Lösungen Gegeben sei die Rekursion x n+1 = a x n + c = f (x n ) mit a 1. Mit x = c 1 a ist f (x) = x, d. h. x ist Fixpunkt von f. Damit ist x stationäre Lösung der Rekursion d. h. beim Anfangswert x 0 = x folgt x n = x für alle n. Bei einem anderen Anfangswert x 0 ist nach der Lösungsformel x n = a n x 0 + 1 an c = 1 a an (x ) 0 c 1 a + c 1 a = x + a n (x 0 x) bzw. allgemeiner x n = x + a n m (x m x) für n, m N. Im Fall a < 1 folgt lim n x n = x bei einem beliebigen Startwert x 0. Ist a > 1, so ist lim n x n = falls x 0 x. rekursion.pdf, Seite 21
Beispiele Die Rekursion x n+1 = 1x n + 2 hat die stationäre Lösung 3 x = 2 = 2 = 3 2 = 3. 1 1 2/3 2 3 Für einen gegebenen Startwert x 0 R ist damit x n = 3 + ( 1 n 3) (x0 3) Lösung der Rekursion. Insbesondere erhält man für x 0 = 3 die stationäre Lösung x n = 3 für alle n. Für beliebiges x 0 gilt ( 1 n lim n x n = 3 + (x 0 3) lim n 3) = 3. Die Rekursion x n+1 = 2x n 3 hat die stationäre Lösung x = 3 = 3. 1 2 Bei einem beliebigen Startwert x 0 ist x n = 3 + 2 n (x 0 3). Im Fall x 0 > 3 strebt (x n ) damit gegen für n, im Fall x 0 < 3 strebt (x n ) gegen. Hier ist x = 3 ein instabiler Fixpunkt der Iteration. rekursion.pdf, Seite 22
Bemerkung Bei einer allgemeinen (nicht notwendig linearen) Iteration (= autonome Rekursion 1. Ordnung) der Form x n+1 = f (x n ) ist x ist genau dann stationäre Lösung, wenn x Fixpunkt von f ist, also x = f (x). Beispiel Die Iteration x n+1 = c x n (1 x n ) hat die Fixpunkte 0 und 1 1. c Man kann zeigen, dass im Fall 0 < c 1 gilt lim n x n = 0 bei einem beliebigen Startwert x 0 [0; 1]. Im Fall c > 1 wird der Fixpunkt 0 instabil. Für 1 < c 3 und einen beliebigen Startwert x 0 (0; 1) ist lim n x n = 1 1 c. Im Fall c > 3 wird auch dieser Fixpunkt instabil. rekursion.pdf, Seite 23
Struktur der Lösung einer linearen Rekursion Mit β = x 0 x hat die inhomogene Rekursion x n+1 = a x n + c die allgemeine Lösung x n = x + β a n. Diese setzt sich zusammen aus der speziellen Lösung x und der allgemeinen Lösung x n = β a n der entsprechenden homogenen Rekursion x n+1 = a x n. Im Beispiel x n+1 = 2x n 3 ist x = 3 und x n = β 2 n die allgemeine Lösung der homogegen Rekursion x n+1 = 2 x n. Dies ist ein allgemeines Prinzip: Die allgemeine Lösung einer inhomogenen linearen Rekursion ist die Summe aus einer speziellen Lösung (die im nichtautonomen Fall jedoch nicht stationär ist) und der allgemeinen Lösung der entsprechenden homogenen Rekursion mit c n = 0. rekursion.pdf, Seite 24
Beispiel (nichtautonome lineare Rekursion) Die Rekursion x n+1 = 2x n + n hat die spezielle Lösung x n = n 1. Diese erhält man mit dem Startwert x 0 = 1 (Beweis durch vollständige Induktion). Für die allgemeine Lösung folgt damit x n = n 1 + β 2 n. Der Wert des Parameters β R wird durch die Anfangsbedingung x 0 festgelegt: Ist z. B. x 0 = 0, so folgt durch einsetzen 0 = x 0 = 0 1 + β 2 0 = 1 + β β = 1, also x n = n 1 + 2 n für alle n. rekursion.pdf, Seite 25
Homogene lineare Rekursionen 2. Ordnung mit konstanten Koezienten haben die allgemeine Form x n+1 = a x n + b x n 1 bzw. x n = a x n 1 + b x n 2 mit Konstanten a, b R. Man macht den Lösungsansatz: x n = λ n. Es folgt λ n+1 = aλ n + bλ n 1 λ 2 aλ b = 0 (charakteristische Gleichung) Hat die Gleichung zwei Lösungen λ 1 und λ 2, so lautet die allgemeine Lösung der Rekursion x n = r λ n 1 + s λ n 2 für alle n N mit Parametern r, s R, welche durch die Anfangsbedingungen für x 0 und x 1 bestimmt werden können. rekursion.pdf, Seite 26
Beispiel x n+1 = 2x n + 3x n 1 mit x 0 = x 1 = 2. Die charakteristische Gleichung lautet λ 2 2λ 3 = 0 und hat die Lösungen λ 1 = 3 und λ 2 = 1. Die allgemeine Lösung der Rekursion lautet somit x n = r 3 n + s ( 1) n. Die Parameter r, s R werden nun durch die Anfangsbedingung für n = 0 und n = 1 bestimmt: Es muss gelten r + s = 2 (Gleichung für n = 0) und 3r s = 2 (Gleichung für n = 1). Es folgt r = s = 1, also x n = 3 n + ( 1) n für alle n N. rekursion.pdf, Seite 27
Bemerkung Die Lösungsformel setzt voraus, dass die charakteristische Gleichung λ 2 aλ b = 0 zwei reelle Lösungen λ = a ± a 2 a2 + b hat, also + b > 0 ist. 2 4 4 Für den Fall a2 + b 0 lassen sich ebenfalls Lösungsformeln 4 herleiten (siehe Teschl/Teschl, Satz 8.18): Ist a2 + b = 0, so hat die charakteristische Gleichung nur 4 eine Lösung λ = a. 2 In diesem Fall hat die Rekursion die allgemeine Lösung x n = (r + s n) λ n mit Parametern r, s R, die mit Hilfe der Anfangswerte zu bestimmen sind. Ist a2 + b < 0, so lässt sich die allgemeine Lösung der 4 Rekursion mit Hilfe von komplexen Lösungen der charakteristischen Gleichung bestimmen. In diesem Fall lässt sich die allgemeine reelle Lösung mit Hilfe der Sinus und CosinusFunktion angeben. rekursion.pdf, Seite 28
Beispiel Die Rekursion x n+1 = 2x n x n 1 hat die charakteristische Gleichung λ 2 + 2λ + 1 = 0 mit λ = 1 als einziger Lösung. Es folgt x n = (r + s n) ( 1) n. Sind die Anfangswerte x 0 = 0 und x 1 = 1 gegeben, so muss gelten r = 0 und (r + s) = 1 s = 1. Also ist x n = n ( 1) n+1. Bei den Anfangswerten y 0 = 1 und y 1 = 0 folgt r = 1 und (r + s) = 0 s = 1, also y n = (1 n) ( 1) n. Für beliebige p und q R ist( ) z n = q x n + p y n = ( 1) n p (p + q) n Lösung der Rekursion zu den Anfangswerten z 0 = p und z 1 = q. rekursion.pdf, Seite 29
Weitere Bemerkungen Bei der Herleitung der Lösungsformel und im letzten Beispiel wurde das Superpositionsprinzip benutzt: Sind x n und y n Lösungen einer homogenen linearen Rekursion x n+1 = ax n + bx n 1, so auch z n = x n + y n, denn z n+1 = x n+1 + y n+1 = a x n + b x n 1 + a y n + b y n 1 = a (x n + y n ) + b (x n 1 + y n 1 ) = a z n + b z n 1 Analog zeigt man, dass auch r x n und s y n für Konstanten r, s R Lösungen sind. Die Lösungsformeln lassen sich verallgemeinern auf homogene lineare Rekursionen höherer Ordnung. Dabei gilt: Die allgemeine Lösung einer linearen Rekursion nter Ordnung enthält n frei wählbare Parameter. rekursion.pdf, Seite 30
Beispiel FibonacciFolge x n+1 = 1 x n + 1 x n 1 x n+1 gibt die Anzahl aller möglichen Bitfolgen der Länge n an, die keine zwei aufeinander folgende Einsen enthalten. Begründung: Eine solche Bitfolge sei zulässig. Dann besteht eine zulässige Bitfolge der Länge n entweder aus (1) einer zulässigen Bitfolge der Länge n 1 plus einer 0 am Ende (Typ 1), oder (2) aus einer zulässigen Bitfolge der Länge n 2 plus 01 am Ende (Typ 2). Ist x n+1 die Anzahl der zulässigen Bitfolgen der Länge n, so gibt es x n Bitfolgen vom Typ 1 und x n 1 Bitfolgen vom Typ 2, es gilt also x n+1 = x n + x n 1. Durch Abzählen erhält man Startwerte x 2 = 2 und x 3 = 3, was den Folgengliedern x 2 und x 3 der (originalen) FibonacciFolge mit den Startwerten x 0 = x 1 = 1 entspricht. rekursion.pdf, Seite 31
FibonacciFolge mit a = b = 1 und x 0 = x 1 = 1 Die charakteristische Gleichung λ 2 λ 1 = 0 hat die Lösungen λ 1 = 1+ 5 1, 618 und λ 2 = 1 5 = 1 2 2 λ 1 = 1 λ 1 0, 618 Damit hat die Rekursion x n+1 = x n + x n 1 die allgemeine Lösung ( 1 + ) n ( 5 1 ) n 5 x n = r + s. 2 2 Die Koezienten r und s müssen mit Hilfe der Anfangsbedingungen bestimmt werden: r 1 + 5 2 + s 1 5 2 r + s = 1 (Gleichung für x 0 ), = 1 (Gleichung für x 1 ) rekursion.pdf, Seite 32
Explizite Darstellung der FibonacciZahlen Es folgt r = 5+1 2 5 0, 72 und s = 1 r = 5 1 2 5 0, 27. Für die FibonacciZahlen gilt somit (nach kurzer Zwischenrechnung) ( x n = 1 1 + ) n+1 ( 5 1 ) n+1 5. 5 2 2 Dieser Ausdruck liefert tatsächlich für jedes n N eine natürliche Zahl als Ergebnis. rekursion.pdf, Seite 33
Inhomogene Rekursionen x n+1 = a x n + b x n 1 + c n Zur Bestimmung der allgemeinen Lösung betrachtet man zunächst die zugehörige homogene Rekursion x n+1 = a x n + b x n 1, deren Lösung sich über die vorher behandelten Lösungsformeln bestimmen lässt. Ist x n Lösung der homogenen Rekursion und y n Lösung der inhomogenen Rekursion, so gilt mit z n = x n + y n z n+1 = x n+1 + y n+1 = a x n + b x n 1 + a y n + b y n 1 + c n = a (x n + y n ) + b (x n 1 + y n 1 ) + c n = a z n + b z n 1 + c n, d. h. z n ist Lösung der inhomogenen Rekursion. Die allgemeine Lösung der inhomogenen Rekursion setzt sich somit zusammen aus der allgemeinen Lösung der zugehörigen homogenen Rekursion mit und einer speziellen Lösung der inhomogenen Rekursion. rekursion.pdf, Seite 34
Spezialfall inhomogen, autonom Die Rekursion x n+1 = a x n + b x n 1 + c hat (falls a + b 1) eine spezielle stationäre Lösung der Form x n = x, wobei x der Gleichung x = a x + b x + c x = c 1 a b genügt. Hat die charakteristische Gleichung λ 2 aλ b = 0 der homogenen Rekursion zwei Lösungen λ 1 und λ 2, so lautet die allgemeine Lösung der inhomogenen Rekursion somit mit Parametern r, s R. x n = r λ n 1 + s λ n 2 + c 1 a b rekursion.pdf, Seite 35
Beispiel Die Rekursion x n+1 = 2x n + 3x n 1 4 hat die stationäre Lösung x = 4 = 1. 1 2 3 Die charakteristische Gleichung der zugehörigen homogenen Rekursion x n+1 = 2x n + 3x n 1 ist λ 2 2λ 3 = 0 λ = 1 ± 1 + 3 = 1 ± 2 mit den Lösungen λ 1 = 1 und λ 2 = 2. Die allgemeine Lösung der inhomogenen Rekursion ist somit x n = r λ n 1 + s λ n 2 + x = r 3 n + s ( 1) n + 1 mit frei wählbaren Parametern r, s R. Diese Lösung setzt sich zusammen aus der allgemeinen Lösung r 3 n + s ( 1) n der homogenen Rekursion und der stationären Lösung x = 4 1 2 3 = 1. rekursion.pdf, Seite 36
Lösung bei gegebenen Anfangswerten Bei gegebenen Anfangswerten x 0 und x 1 liefert die allgemeine Lösung für n = 0 und n = 1 zwei Gleichungen, mit denen r und s bestimmt werden können. Ist beispielsweise x 0 = x 1 = 0, so folgt durch Einsetzen: 0 = x 0 = r 3 0 + s ( 1) 0 + 1 = r + s + 1 s = r 1 sowie 0 = x 1 = r 3 1 +s ( 1) 1 +1 = 3r s+1 = 3r+r + 1+1 = 4r +2 Im vorletzten Schritt wurde die obere Gleichung in die untere eingesetzt. Aus der unteren Gleichung folgt 4r = 2 r = 1. Dies in die obere Gleichung eingesetzt 2 liefert s = r 1 = 1. 2 Die Lösung der Rekursion mit den gegebenen Anfanswerten ist somit x n = 1 2 3n 1 2 ( 1)n + 1 für alle n N. rekursion.pdf, Seite 37