EINSATZ DER BUNDESWEHR IN AFGHANISTAN

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Transkript:

THEMA AFGHANISTAN EINSATZ DER BUNDESWEHR IN AFGHANISTAN FRAGEN UND ANTWORTEN

Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan Warum ist die Bundeswehr in Afghanistan? Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist in Deutschlands Interesse. Er dient unserer Sicherheit, denn die Sicherheit und Stabilität Afghanistans wirken sich unmittelbar auf uns aus. Nur der Einsatz internationaler Truppen verhindert, dass Afghanistan erneut zu einem gescheiterten Staat und zum Rückzugs-, Ausbildungs-, Planungs- und Operationsraum für international agierende Terroristen der Al Qaida wird, die auch uns bedrohen können. Die Soldaten der Bundeswehr verdienen für ihren gefährlichen Einsatz in Afghanistan unsere Anerkennung und Unterstützung. Wir dürfen nie vergessen, warum der Bundeswehreinsatz in Afghanistan noch unter Bundeskanzler Schröder begonnen wurde und warum er bis heute fortgesetzt wird: Das von den Taliban und Al Qaida beherrschte Afghanistan war die Brutstätte des Terrors vom 11. September 2001. Dem 11. September 2001 folgten weitere verheerende Anschläge auch in Europa, in Madrid und London. Auch Deutschland ist im Visier der Terroristen. Die Pläne der sogenannten Sauerland- Gruppe, die Anschläge in Deutschland geplant hatte, wurden glücklicherweise vereitelt. Sie hätten verheerende Folgen haben können. Die Ausbildung dieser Attentäter erfolgte in Afghanistan. Deshalb sollte niemand die Ursachen verwechseln: Der Afghanistan-Einsatz ist unsere Reaktion auf den Terror. Gibt es auch humanitäre Gründe für den Einsatz? Ja, es gibt auch entwicklungspolitische und humanitäre Gründe für eine Fortführung des Einsatzes. Die Gefahr einer Rückkehr der Taliban an die Macht ist noch nicht gebannt. Unter den Taliban wurden Frauen ihrer Rechte vollständig beraubt und brutal unterdrückt. Mädchen durften keine Schule besuchen und keine Ausbildung machen. Musik, Tanz vieles war bei Androhung grausamster körperlicher Strafen verboten. Es gab Massenhinrichtungen im Fußballstadion von Kabul. Trotz der Opfer, die der Konflikt nach wie vor fordert, hat sich die Menschenrechtslage deutlich verbessert.

2 Der Einsatz ist zudem die Voraussetzung für weitere politische und wirtschaftliche Fortschritte. Ohne Sicherheit keine Entwicklung, ohne Entwicklung keine Sicherheit. Diese Erkenntnis kommt im Ansatz der vernetzten Sicherheit zum Ausdruck, der die militärischen und polizeilichen Anstrengungen für die Sicherheit mit den zivilen Wiederaufbauanstrengungen verknüpft. Es ist ein Erfolg des beharrlichen Engagements der Bundesregierung, dass nunmehr alle unsere Partner diesen Ansatz mittragen. Was tun wir für den zivilen Wiederaufbau? Es ist noch viel zu tun, aber es wurde auch schon viel erreicht: Nach dem Sturz der Taliban konnten fast fünf Millionen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Seit Jahren gibt es in Afghanistan ein hohes Wirtschaftswachstum (z.b. in 2009: mehr als 15 Prozent). Mittlerweile können lokale Unternehmen mehr und mehr Waren und Dienstleistungen für den Wiederaufbau bereitstellen. Die Bundesregierung plant eine Entwicklungsoffensive mit einem Schwerpunkt im deutschen Verantwortungsbereich, also im Norden Afghanistans. Damit wollen wir ganz konkrete Ziele erreichen, zum Beispiel für drei Millionen Menschen mehr Einkommen und Beschäftigung schaffen. Das sind drei Viertel der Bevölkerung in den Schwerpunktprovinzen unseres Verantwortungsbereichs. 2001 gab es fast keine Schulen mehr. Heute gehen sieben Mio. Jungen und Mädchen zur Schule. 3500 neue Schulgebäude wurden gebaut. 2001 gab es praktisch keine weiterführende Bildung mehr. Heute studieren mehr als 50.000 junge Menschen an 19 Universitäten, weitere 10.000 lernen an Berufsschulen. Wir werden neue Lehrer ausbilden. Und wir werden in den nächsten drei Jahren zusätzlich 500.000 Schülern einen Schulbesuch ermöglichen. Das heißt nichts anderes, als dass zukünftig 60 Prozent der Kinder Zugang zu Schulen haben werden. 2001 gab es keine Gesundheitsversorgung mehr. Heute haben etwa 85 Prozent der Bevölkerung Zugang zu medizinischer Basisversorgung. Anfang September 1997 verboten die Taliban den Ärzten, Frauen medizinisch zu behandeln. Selbst Frauen, die entbinden wollten, wurden nach Berichten der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen aus den Kliniken gewiesen. Auch Ärztinnen und Krankenschwestern wurden unter den Taliban von der medizinischen Arbeit

3 weitgehend ausgeschlossen. Heute haben Frauen wieder Zugang zu medizinischer Versorgung und zu medizinischen Berufen. 2001 gab es fast keine Infrastruktur mehr. Heute sind 14.000 km Straßen neu gebaut oder repariert worden. Mit den bis 2013 durch die Bundesregierung zur Verfügung gestellten Geldern werden wir im deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans weitere Straßen bauen insgesamt 700 Kilometer. 2001 waren Frauen und Mädchen Menschen zweiter Klasse und weithin rechtlos. Erhebliche Probleme bestehen zwar fort, doch ist heute die Gleichberechtigung in der Verfassung verankert und es gibt weibliche Parlamentsabgeordnete und Kabinettsmitglieder. 2001 gab es keine freie Meinungsäußerung. Heute gibt es mehr als 80 Radio- und Fernsehstationen, viele davon in privater Hand. Der Drogenanbau ist nach wie vor ein gravierendes Problem. Doch: Der Drogenanbau ist in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen. 2009 gab es 37 Prozent weniger Anbaufläche als 2007 und 16 Prozent weniger Produktion. 20 von 34 Provinzen sind heute frei von Mohnanbau. Die Bundesregierung will die Mittel für den Wiederaufbau ab 2010 jährlich von derzeit 220 auf 430 Millionen Euro nahezu verdoppeln. Zu diesen Erfolgen hat Deutschland maßgeblich beigetragen. Deutschland ist mit insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010 der viertgrößte bilaterale Geber Afghanistans. Wir konzentrieren uns auf die Bereiche Energie, Trinkwasserversorgung, Wirtschaftsentwicklung und Bildung. So helfen wir bei dringenden Bedürfnissen der Bevölkerung und wirken zugleich langfristig. Wann kann die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen? Niemand will einen Einsatz bis zum St. Nimmerleinstag. Deshalb unterstützt die CDU das Ziel der afghanischen Regierung, bis 2014 für die eigene Sicherheit sorgen zu können. Der Einsatz kann Zug um Zug beendet werden, wenn die afghanische Regierung für die Sicherheit im eigenen Land sorgen kann. Dies ist das vorrangige Ziel des Einsatzes. Je schneller dieses Ziel erreicht wird, desto eher kann der militärische Einsatz beendet werden. Doch wer jetzt einen Abzugstermin festlegt, ermutigt die Taliban zum Durchhalten.

4 Der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte war deshalb auch wichtiges Thema bei der von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Großbritanniens Premierminister Brown und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy initiierten Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 in London. Die CDU unterstützt die in London beschlossene internationale Übergabestrategie in Verantwortung für Afghanistan. Deshalb wird auch nochmals der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte intensiviert. Insgesamt sollen 171.600 afghanische Soldaten und 134.000 Polizisten ausgebildet werden. Im deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans soll die Ausbildung bis Ende 2011 erfolgen. Ohne Sicherheit kann es keine Entwicklung und keinen Wiederaufbau geben und ohne Wiederaufbau keine Sicherheit. Der afghanische Präsident Karzai stellte in London in Aussicht, dass die Regierung in Kabul in den kommenden fünf Jahren die Sicherheitsverantwortung in allen Teilen des Landes übernehmen wolle. In den kommenden drei Jahren soll bereits die Mehrzahl aller Operationen in den unsicheren Gebieten Afghanistans unter der Führung der afghanischen Sicherheitskräfte erfolgen. Im Gegenzug soll für eine Übergangszeit das Kontingent der internationalen Schutztruppe ISAF aufgestockt werden. Den Mitläufern und gekauften Söldnern der Taliban, die an der afghanischen Zukunft mitarbeiten wollen, muss ein Weg aus dem Terrorismus eröffnet werden. Deshalb hat die Londoner Afghanistan-Konferenz beschlossen, für deren Reintegration einen internationalen Fonds zu schaffen. Deutschland wird über fünf Jahre jährlich 10 Millionen Euro beitragen. Mit wie vielen Soldaten ist die Bundeswehr in Afghanistan und was ist deren Aufgabe? Die vom Bundestag bewilligte Höchstgrenze für Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan beträgt 4.500. Die Bundeswehr hat seit 2006 die Führung des Regionalkommandos Nord. Die Aufgaben umfassen u. a. die Sicherheitsunterstützung für die afghanische Regierung, Mitwirkung an der ISAF-Führung, Nothilfe zugunsten Dritter, Sicherung der Wiederaufbauhelfer, Ausbildungshilfe bei der Reform des Sicherheitssektors, der Verwundetentransport sowie die Eigensicherung.

5 Um die Sicherheitslage zu stärken und die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die afghanische Regierung selbst für die Sicherheit des Landes sorgen kann, befürworten wir eine zeitlich befristete Erhöhung der Truppenstärke. Wir wollen die Zahl der Polizeiausbilder von 123 auf 200 erhöhen. Die Zahl der militärischen Ausbilder wird durch Umsetzungen im bestehenden Kontingent und durch zusätzliche Soldaten von 280 auf 1.400 Soldaten angehoben. Hierfür sollen 500 Angehörige der Bundeswehr zusätzlich eingesetzt werden. Damit können die afghanischen Sicherheitskräfte schneller mehr Verantwortung übernehmen. In der Summe beabsichtigt die Bundesregierung, 5000 Soldatinnen und Soldaten einsetzen zu dürfen. Zudem sollen weitere 350 als flexible Reserve für besondere Aufgaben, z. B. die Absicherung der afghanischen Parlamentswahlen im Herbst 2010, bereitgehalten werden. Einsätze unter Rückgriff auf diese Personalreserve erfolgen jeweils zeitlich begrenzt nach entsprechender Befassung des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Sind wir nicht sicherer in Deutschland, wenn wir sofort aus Afghanistan abziehen? Nein, denn die Terroristen von Al Qaida bekämpfen die Lebensweise der gesamten zivilisierten Welt. Auch Deutschland ist im Visier der Terroristen. Zu glauben, durch Duckmäusertum würden wir sicherer leben, ist ein Trugschluss. Wer sich dem Druck von Terroristen und Extremisten beugt, muss damit rechnen, dass sich diese ermutigt fühlen, unsere Lebensweise weiter zu bekämpfen. Dürfen unsere Soldaten überhaupt in Afghanistan sein? Ja. Der so genannte ISAF-Einsatz in Afghanistan ist völkerrechtlich durch elf Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats legitimiert. Alle wurden ohne Gegenstimmen verabschiedet. Die NATO führt ISAF seit August 2003 auf Bitten der UNO und der afghanischen Regierung. Dem stimmten u. a. auch Russland, China, Syrien, Angola und Pakistan zu. Am ISAF-Einsatz beteiligen sich 43 Nationen, darunter z. B. Jordanien, die Ukraine und die Vereinigten Arabischen Emirate.

6 Das Grundgesetz ermöglicht den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr sowohl außerhalb Deutschlands als auch außerhalb des Bündnisgebiets der NATO auf Basis des Völkerrechts und bei Zustimmung des Deutschen Bundestages. Das Bundesverfassungsgericht hat dies 1994 bestätigt. Wie steht die afghanische Bevölkerung und Regierung zu den ausländischen Streitkräften? Die Anwesenheit der internationalen Streitkräfte ist nicht nur völkerrechtlich legitimiert, sie fand und findet sowohl die Zustimmung der afghanischen Regierung als auch der Mehrheit der afghanischen Bevölkerung. Viele Afghanen bitten immer wieder, sie im Kampf gegen die Taliban nicht allein zu lassen. Denn mit einem kopflosen Abzug aus Afghanistan würden wir Millionen Menschen im Stich lassen und viele von ihnen in den sicheren Tod durch die Taliban schicken. Jeder, der den Einsatz der internationalen Streitkräfte in Afghanistan heute mit den Eroberungsversuchen fremder Mächte in früheren Zeiten vergleicht, begeht einen Denkfehler. Eine gemeinsam vom WDR/ARD sowie von ABC und BBC durchgeführte Umfrage (Januar 2010; http://service.tagesschau.de/infografik/deutschlandtrend/index.shtml?afghanistan Umfrage_2010) ergab, dass 70 Prozent der Afghanen ihr Land auf dem richtigen Weg sehen. Das ist ein Anstieg um 30 Prozent gegenüber der letzten Untersuchung vor einem Jahr. 61 Prozent der Befragten glauben, dass ihre Kinder einmal besser leben werden. Während wir vor allem die Probleme Afghanistans sehen, werden vor Ort viel stärker die Fortschritte, wie die spürbare Verbesserung der Lebensbedingungen, wahrgenommen. Auch die Aussicht auf Erfolg im Kampf gegen die Taliban wird von den Afghanen optimistischer beurteilt als von den ausländischen Truppenstellern. Und: Nur acht Prozent der niedrigste je in Afghanistan in Umfragen erfasste Wert hält Anschläge auf die ausländischen Truppen für gerechtfertigt. Der Feind wird vielmehr in den Taliban gesehen. Unterstützen wir in Afghanistan ein korruptes Regime? Afghanistan wird auf absehbare Zeit keine Demokratie nach westlichem Muster werden. Der Verlauf der Präsidentenwahl im Jahr 2009 war unbefriedigend. Aber die Tatsache, dass erneut eine friedliche Wahl stattgefunden hat, wird von der afghanischen Bevölkerung

7 begrüßt. Drei von vier Afghanen trauen Präsident Karzai zu, die Stabilität des Landes verbessern zu können. Afghanistan kann ein Staat werden, dessen Bürger an politischen Entscheidungen teilhaben. Menschenrechte, wie die Gleichberechtigung der Frauen, sind in der afghanischen Verfassung verankert. Es gibt Frauen in der Regierung und im Parlament. Deutschland hat die Ausarbeitung dieser Verfassung beratend unterstützt. Aber vordemokratische Traditionen sind in der afghanischen Gesellschaft immer noch stark. Die in Afghanistan grassierende Korruption ist nicht nur ein Entwicklungshindernis, sondern unterminiert auch das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen. Deshalb stärken wir mit Programmen unserer Entwicklungszusammenarbeit auch die Fähigkeit der Verwaltung zur Korruptionsbekämpfung durch den Aufbau interner Kontrollmechanismen. Dabei müssen wir aber berücksichtigen, dass Änderungen tief verwurzelten Verhaltens in dem über Jahrzehnte von Krieg und Bürgerkrieg heimgesuchten Land nicht schnell zu erreichen sind. Der afghanische Präsident Karzai kündigte auf der Afghanistan-Konferenz in London am 28. Januar 2010 ein Reformprogramm für die Wirtschaft an. Im Mittelpunkt soll dabei der Kampf gegen die Korruption stehen, um das Investitionsklima zu verbessern und die Grundlage für mehr Arbeitsplätze zu legen. Die Bundesregierung wird genau beobachten, ob der Ankündigung des Präsidenten Taten folgen, und auf konkrete Maßnahmen drängen. Wie stehen wir zu Verhandlungen mit den Taliban? Es ist vor allem Sache der Afghanen, einen Aussöhnungsprozess zu starten. Der afghanische Präsident Karzai hat deutlich gemacht: Wer der Gewalt abschwört und sich zur afghanischen Verfassung bekennt, kann zum Gesprächspartner werden. Wir begrüßen, dass der afghanische Präsident Karzai auf der Londoner Afghanistan-Konferenz angekündigt hat, eine Friedenskonferenz einzuberufen, um gemäßigten Kräften der Taliban die Hand zu reichen.

8 Welche Bedeutung hat der Luftangriff vom 4. September 2009? Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Luftangriff vom 4. September 2009 müssen so schnell wie möglich vollständig aufgeklärt werden. Der ehemalige Verteidigungsminister Jung, Staatssekretär Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan haben politische Verantwortung übernommen und ihre Ämter zur Verfügung gestellt. Auf Initiative der Regierungskoalition ist am 16. Dezember 2009 ein Ausschuss des Deutschen Bundestags zur Untersuchung der Vorgänge eingerichtet worden. Der Bundesminister der Verteidigung, Karl-Theodor zu Guttenberg, hat die volle Rückendeckung der CDU. Die Angriffe der Opposition auf Minister zu Guttenberg sind vor allem ein durchsichtiger Versuch, den Ruf eines der beliebtesten Politiker in unserem Land zu beschädigen. Diesem Versuch wird sich die CDU mit aller Kraft entgegenstellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits am 8. September 2009 vor dem Deutschen Bundestag betont, dass die Bundesregierung zivile Opfer des Bombenangriffs bedauert. Jeder unschuldig ums Leben gekommene Mensch ist einer zuviel. Die Bundesregierung hat mit Vertretern der Angehörigen ziviler Opfer Kontakt aufgenommen, um eine Verständigung zu suchen. Gibt es auch aus den Reihen der deutschen Opposition unterstützende Stimmen für den Afghanistan-Einsatz? Ja, wobei in der SPD eine zunehmende Wankelmütigkeit festzustellen ist, seitdem diese Partei in der Opposition ist. Vor der Bundestagswahl sagte Frank-Walter Steinmeier: Es wäre falsch, öffentlich über Jahreszahlen zu debattieren. Wer ein Datum für den Rückzug nennt, gibt den Taliban ein Signal, wie lange sie überwintern müssen, bis sie wieder die Macht übernehmen können." (Hamburger Abendblatt, 05.09.2009) Nun heißt es bei Steinmeier: Wir müssen uns mit den wichtigsten europäischen Partnern auf die Beendigung unseres militärischen Engagements in einem Korridor zwischen 2013 und 2015 verständigen." (Die Zeit, 20.01.2010)

9 Das SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen und der Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil stellen dahingegen fest: Mit einem `Weiter so ist niemandem geholfen, Afghanistan muss jetzt eine Perspektive gegeben werden. Es geht um realistische und vor allem afghanische Lösungen. Klar ist aber auch, wer einen möglichst zeitnahen Abzug als Ziel formuliert, muss in den nächsten Jahren auch bereit sein, sich stärker zu engagieren. (WELT ONLINE, 22.01.2010) Ralf Fücks, Vorstandsmitglied und Leiter der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll- Stiftung, erklärt: Ich gehöre zu jener Minderheit in Deutschland, die den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr immer noch für geboten hält, aus sicherheitspolitischen wie aus menschenrechtlichen Gründen. [...] Wer unter Berufung auf christliche Werte prinzipiell gegen den Einsatz militärischer Macht ist, überlässt denen das Feld, die keine Skrupel haben, im Namen der Nation, Gottes oder der Revolution zu töten. Jeder Krieg ist furchtbar. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen das Völkerrecht gewaltsam verteidigt und Frieden erzwungen werden muss. Ist das nicht auch eine Lektion aus der deutschen Geschichte? (in einem offenen Brief in der Welt an die EKD-Vorsitzende Margot Käßmann, 02.01.2010) Tom Koenigs, Bundestagsabgeordneter der Grünen, von Februar 2006 bis 2007 Sonderbeauftragter der UN für die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA), sagt: Wir haben die Verantwortung übernommen, in Afghanistan zivilgesellschaftliche Reformen zu unterstützen, und es gibt keinen Grund, das aufzugeben. Sicher gibt es Schwierigkeiten, aber es gibt auch eine breite Strömung in der afghanischen Gesellschaft, die Unterstützung von uns erwartet und verdient. (FAZ, 17.01.2010) Weiterführende Informationen finden Sie im Internet unter folgenden Links: Dossier der Bundesregierung zum Thema Afghanistan: http://www.bundesregierung.de/webs/breg/de/afghanistan/afghanistan.html Statement von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 25. Januar 2010 zur Konzeption der Bundesregierung für die Afghanistan-Konferenz in London: http://www.bundeskanzlerin.de/nn_683698/content/de/mitschrift/pressekonfere nzen/2010/01/2010-01-26-statement-merkel-afghanistan-konferenz.html Stand des Argumentationspapiers: 29. Januar 2010.