Mali: Aktuelle Lage Auskunft der SFH-Länderanalyse

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Transkript:

Mali: Aktuelle Lage Auskunft der SFH-Länderanalyse Alexandra Geiser Bern, 30. Oktober 2012

1 Konflikt Tuareg-Rebellion im Norden, Putsch in Bamako. Mit dem Ende von Gaddafi s Herrschaft in Libyen im Sommer 2011 nahm die heutige Krise in Mali ihren Anfang. Hunderte junge Tuareg 1 aus dem völlig verarmten Norden Malis hatten für Gaddafi gekämpft und kehrten nach dessen Sturz mitsamt ihrem Waffenarsenal in die Heimat zurück. Dort stellten sie sich an die Spitze einer immer wieder auffl a- ckernden Widerstandsbewegung der Tuareg. 2 Bereits vor der Unabhängigkeit Malis 1960 setzten sich die Tuareg für Autonomie und für die Anerkennung ihrer Sprache und Kultur ein. Immer wieder, 1962 bis 1963, 1990 bis 1996 und zwischen 2007 und 2009 rebellierten sie gegen die Regierung im Süden. Am 17. Jan uar startete die Mouvement National de Libération de l Azawad (MNLA), eine im Oktober 2011 gegründete separatistische Gruppe der Tuareg, ihre Offensive gegen das malische Militär. 3 In ihrem Unabhängigkeitskampf erhielten sie die Unterstützung islamist i- scher Gruppen. 4 Auch Mitglieder der nigerianischen Boko Haram wurden in Gao auf Seite der MNLA kämpfend gesehen. 5 Aus Frustration über die schwache Regierung in der Hauptstadt Bamako, die gegen die Rebellen im Norden nicht ankam, gründeten Militärangehörige unter Captain Amadou Sanogo am 22. März 2012 das Comité National pour le redressement de la Démocratie et la Restauration de l Etat (CNDRE) und putschten den Präsidenten Amadou Toumani Touré. Auf internationalen Druck hin übergab das CNDRE die Macht einer Interims-Regierung. Die MLNA jedoch nutzte das Machtvakuum und übernahm mit der Unterstützung ihrer islamistischen Verbündeten innerhalb von drei Tagen (30. März bis 1. April) die Macht in Kidal, Gao und Timbuktu und zwang die malische Armee zum Rückzug. Am 6. April rief die MNLA die Unabhängigkeit von Azawad aus, einem Gebiet, das 60 Prozent des malischen Territoriums ausmacht. 6 Machtübernahme islamistischer Gruppen im Norden. Die Ansar Dine (Helfer des Glaubens), die Mouvement pour le Tawhîd et du Jihad en Afrique de l'ouest 7 (MTJAO) und weitere Verbündete der Al-Kaida im Maghreb begannen bereits im April, die MNLA aus mehreren Städten im Norden zu vertreiben und d ie Scharia einzuführen. 8 Beobachter gehen davon aus, dass die islamistischen Gruppen im Norden über grosse finanzielle Mittel verfügen, die aus dem Drogenhandel und von Lösegelde r- pressungen kommen. 9 Seit 2004 stellt das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbe- 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Malis Nomaden. Die Zeit, Taliban in Timbuktu, 6. September 2012: www.zeit.de/2012/36/afrika-mali-taliban-terror. Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC), Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012: www.unhcr.org/refworld/docid/506996ab2.html. Die Zeit, Taliban in Timbuktu, 6. September 2012. IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. Movement for Oneness and Jihad in West Africa (MOJWA), Movement for Unity and Jihad in West Africa (MUJAO), Jamāʿat at-tawḥ īd wal-jihād fī gharb ʿafrīqqīyā. Die Zeit, Taliban in Timbuktu, 6. September 2012. UN News Service, Islamists Use Fear, Drug Money to Maintain Control of Northern Mali UN Rights Official, 10. Oktober 2012: www.unhcr.org/refworld/docid/50850f832.html. Mali Auskunft Aktuelle Situation 30. Oktober 2012 Seite 1 von 6

kämpfung Kokainschmuggel im grossen Stil aus Kolumbien via Westafrika fest. 10 Die übliche Route führt über Guinea-Bissau, nach Mali, durch Niger und dann durch Libyen und Ägypten. Weite Teile der Route werden von Islamisten kontrolliert. 11 Mittlerweile sollen rund 60 Prozent des in Westeuropa konsumierten Kokains mit einem Strassenwert von rund 18 Milliarden Dollar über Westafrika geschmuggelt werden. 12 Der Ansar Dine gehören vor allem Malier an. 13 Diese hat versucht, mit lokalen Führern zu kooperieren. Sie kontrolliert die Stadt Timbuktu und gilt als moderater als die MTJAO. 14 Die Anführer der MTJAO stammen hauptsächlich aus arabischen Ländern und haben enge Beziehungen zur Al-Kaida im Maghreb. 15 Die Tuareg-Rebellen verloren ihre neue Hauptstadt Gao an die MTJAO. 16 Bis im Juli hatte die MLNA alle Städte im Norden verloren und liess die Unabhängigkeitserklärung fallen. 17 Neue Regierung und internationale Intervention. Im August wurde die neue Regierung der «Union Nationale» unter Präsident Dioncounda Traoré und Premier Cheick Modibo Diarra eingesetzt. Das Hauptziel der neuen Regierung ist die Rückereroberung der Kontrolle im Norden. Doch die MTJAO konnte seither neue Gebiete in der Grenzregion bei Mopti einnehmen. 18 Die malische Armee hat nicht die Kapazitäten, die islamistischen Milizen zu vertreiben, die auf zwischen 2000 und 4000 Kämpfer geschätzt werden. Doch innerhalb der neuen Führungsriege ist man sich uneins bezüglich der militärischen Intervention ausländischer Truppen. Armeeangehörige fordern mehr und bessere Ausrüstung, aber keine fremden Truppen. Die Regierung hat zudem Verhandlungen mit den Islamisten aufgenommen und bereits Zugeständnisse gemacht. Sie errichtete ein Ministerium für religiöse Angelegenheiten, organisierte Treffen mit einflussreichen religiösen Führern und schickte Abgesandte in den Norden. 19 Schliesslich hat auf Anfrage der malischen Regierung der UN-Sicherheitsrat im Oktober den UN- Generalsekretär Ban Ki Moon beauftragt, innerhalb von 45 Tagen mit der Westa f- rikanischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Afrikanischen Union Pläne für einen Truppeneinmarsch auszuarbeiten. 20 Viele intern Vertriebene fürchten, dass sie bei einer allfälligen Militärintervention als menschliche Schutzschilde missbraucht we r- den könnten. 21 10 Die Zeit, In Guinea-Bissau regieren auch die Drogenbosse mit, 16. April 2012: www.zeit.de/politik/ausland/2012-04/guinea-bissau-putsch-drogen. 11 The Economist, Africa s drug trade, Blazing saddles in the Sahara, Extremists in north -west Africa finance themselves by trafficking cocaine, 22. September 2012: www.economist.com/node/21563340. 12 Die Zeit, In Guinea-Bissau regieren auch die Drogenbosse mit, 16. April 2012. 13 UN News Service, Islamists Use Fear, 10. Oktober 2012. 14 The Economist, Divided Mali, Where al-qaeda Rules the Roost, Islamist fighters Tied to al-qaeda Control a Swathe of North-West Africa, 22. September 2012: www.economist.com/node/21563335. 15 UN News Service, Islamists Use Fear, 10. Oktober 2012. 16 The Economist, Divided Mali, Where al-qaeda Rules the Roost, 22. September 2012. 17 IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. 18 IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. 19 The Economist, Divided Mali, Where al-qaeda Rules the Roost, 22. September 2012. 20 NZZ, Kampf gegen Terrorgruppen, Uno vor Militäreinsatz in Mali, 14. Oktober 2012: www.nzz.ch/aktuell/international/uno-vor-militaereinsatz-in-mali-1.17680680. 21 IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. Mali Auskunft Aktuelle Situation 30. Oktober 2012 Seite 2 von 6

2 Flucht und Vertreibung Ein Drittel der 1,5 Millionen Einwohner im Norden Malis mussten seit Januar 2012 ihre Heimat verlassen. 22 Über 200 000 Menschen sind in die Nachbarländer geflohen, alleine 100 000 haben in Mauretanien Zuflucht gesucht. 23 In den unwirtlichen Gegenden des Sahels sind die Flüchtlinge auf internationale Hilfe angewiesen. Doch das UNHCR kann wegen Geldmangels nur die absolut notwendigste Unterstützung bieten. 24 Das Internal Displacement Monitoring Centre geht von 118 800 Menschen aus, die innerhalb des Landes geflohen sind. Davon sind 35 500 im Norden geblieben und 83 400 haben im Süden Zuflucht gefunden. Die meisten sind bei Gastfamilien untergekommen. 25 Der Konflikt in Mali fällt mit einer dramatischen Dürreperiode zusammen. 26 So treibt neben Gewalt und Angst vor der Scharia auch die Ernährungskrise die Menschen in die Flucht. In Mali sind 4,6 der 15 Millionen Menschen von einer Hungerkatastrophe betroffen. 27 Die bereits fragile wirtschaftliche Lage hat sich mit der Übernahme der Macht durch die islamistischen Gruppen zusätzlich verschärft. 28 Durch die Unsicherheit sind die traditionellen Routen der Nomaden und ihrer Herden unterbrochen. Der Preis für Vieh hat sich halbiert, während sich der Getreidepreis um 50 Prozent erhöht hat. 29 Viele waren zu arm, um zu fliehen und sind in der Region geblieben oder sie wurden zurückgelassen, um die Habseligkeiten zu bewachen. 30 Verschiedene Beobachter wie auch der IKRK-Präsident Peter Maurer, warnen vor einer humanitären Krise in Mali und in den Nachbarländern, wo malische Flüchtlinge Schutz gesucht haben. 31 3 Menschenrechtsverletzungen Menschenrechtsverletzungen im Norden. Zu Beginn des Konflikts kam es zu Hinrichtungen im Schnellverfahren, Vergewaltigungen, Plünderungen und Brandschatzungen durch die Mouvement National de Libération de l Azawad. 32 Amnesty International berichtete über Drohungen der bewaffneten Gruppen gegen Christen und 22 UN News Service, Islamists Use Fear, 10. Oktober 2012. 23 UNHCR, Mali Operation Information Sharing Portal, Zugriff am 29. Oktober 2012: http://data.unhcr.org/malisituation/regional.php. 24 News.ch, UNHCR kämpft mit Geldsorgenpubliziert, 5. Oktober 2012: www.news.ch/unhcr+kaempft+mit+geldsorgen/559230/detail.htm. 25 IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. 26 IRIN, Mali: Children Take up Guns, 8. Oktober 2012: www.unhcr.org/refworld/docid/5073dcb92.html. 27 IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. 28 IRIN, Mali: Children Take up Guns, 8. Oktober 2012. 29 IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. 30 IRIN, Mali: Children Take up Guns, 8. Oktober 2012. 31 ICRC, Sahel: Risk Is High that Humanitarian Situation Will Worsen, 24. Oktober 2012: www.icrc.org/eng/resources/documents/news-release/2012/niger-mail-news-2012-10-24.htm. 32 UN News Service, Women Primary Victims of Violence in Northern Mali, Says UN Rights Official, 9. Oktober 2012: www.unhcr.org/refworld/docid/508519182.html. Mali Auskunft Aktuelle Situation 30. Oktober 2012 Seite 3 von 6

Personen, die nicht zu den Tuareg gehören. 33 Per Radio wurden diese aufgefordert, die Region zu verlassen; christliche Gedenkstätten wurden zerstört. 34 Mit der Machtübernahme der Islamisten werden Menschenrechte mit der Einführung der Scharia systematisch verletzt. 35 Seit April haben Körperstrafen, Amputationen oder Auspeitschungen zugenommen. Diese werden gegenüber Personen verhängt, die als kriminell verurteilt werden oder deren Verhalten nicht den strengen Vorschri f- ten der Islamisten entspricht. Die Bestrafungen werden trotz Protesten der lokalen Bevölkerung durchgeführt. 36 Mindestens sieben Männer wurden zu Amputationen verurteilt, die auch durchg e- führt wurden. Etwa dreissig Männer waren im September 2012 verschiedener Vergehen angeklagt und warteten auf die Bestrafung, unter anderem auf Amputati o- nen. 37 Nicht-religiöse Musik hören, rauchen und Alkohol trinken ist verboten. Wer die Vorschriften missachtet, wird hart bestraft. Einem Mann, der beim Rauchen erwischt wurde, wurde ein Teil des Ohres abgeschnitten 38, ein anderer wurde wegen Alkoholkonsums mit 40 Peitschenhieben bestraft.. Sexuelle Beziehungen ausserhalb der Ehe werden mit Steinigung geahndet. Im Juli steinigten Mitglieder der Ansar Dine ein unverheiratetes Paar, das zusammen ein Kind hatte. 39 Frauen. Zwangsverheiratungen von Frauen haben zugenommen. Der (Braut-) Preis für eine Frau liegt unter 1000 US-Dollar. Viele Frauen werden von ihren sogenan n- ten Ehemännern weiterverkauft und verheiratet. Die Heirat muss als Deckmantel für Prostitution und Vergewaltigung gesehen werden. 40 Frauen sind gezwungen, sich zu verhüllen. Die Islamisten dringen selbst in Privathäuser ein, um zu kontrollieren, ob die Frauen ihre Schleier tragen. 41 Die islamistischen Gruppen sollen Listen mit Namen von Frauen besitzen, die uneheliche Kinder haben. Zudem sind auch ihre Rechte auf Arbeit und Bildung stark eingeschränkt. Sie haben kaum Zugang zu Sozialdiensten. 42 Kinder. Auch für Kinder ist die Lage angespannt. Verschiedene Organisationen haben auf die Rekrutierung von Kindersoldaten hingewiesen. Die Kinder sind zum Teil erst elf Jahre alt und werden zur Bewachung von Checkpoints und von Häftlingen, für Patrouillen und für die Durchsetzung der Scharia eingesetzt. Vielen Familien sagen, sie hätten keine andere Wahl als ihre Kinder für die islamistischen Gruppen 33 Die Bambara, Malis grösste ethnische Gruppe, die vor allem im Süden leben, wurden von der MNLA aufgefordert, die Region zu verlassen. In: IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. 34 IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. 35 UN News Service, Women Primary Victims of Violence in Northern Mali, 9. Oktober 2012. 36 Amnesty International, Mali: Civilians Bear the Brunt of the Conflict, 20. September 2012: www.unhcr.org/refworld/docid/505c16fe2.html 37 UN News Service, Top UN official Condemns Amputations, Human Rights Violatio ns in Northern Mali, 17. September 2012: www.unhcr.org/refworld/docid/505852cb2.html. 38 The Economist, Divided Mali, Where al-qaeda Rules the Roost, 22. September 2012. 39 Amnesty International, Mali: Civilians Bear the Brunt of the Conflict, 20 September 2012. 40 UN News Service, Islamists Use Fear, 10. Oktober 2012. 41 Amnesty International, Mali: Civilians Bear the Brunt of the Conflict, 20 September 2012. 42 SF, Grausame Umsetzung der Scharia in Mali, 9. Oktober 2012: www.tagesschau.sf.tv/nachrichten/archiv/2012/10/09/international/grausame -Umsetzung-der- Scharia-in-Mali. Mali Auskunft Aktuelle Situation 30. Oktober 2012 Seite 4 von 6

arbeiten zu lassen, da sie auf das Geld angewiesen seien. 43 Für eine erfolgreiche Anwerbung erhalten die Eltern 600 US-Dollar und danach 400 US-Dollar pro Monat. Das ist viel Geld in einem Land, wo die Hälfte der Bevölkerung von weniger als 1.25 US-Dollar lebt. 44 Vor allem in der Stadt Gao soll die MTJAO Landminen gelegt haben, denen bisher hauptsächlich Kinder zum Opfer gefallen sind. 45 Menschenrechtsverletzungen im Süden. Im Süden des Landes werden Kinder von Milizen für den Kampf gegen die Islamisten militärisch ausgebildet. Alleine in Sevaré nahe der Stadt Mopti üben hunderte Jugendliche und Kinder Nahkampf und den Gebrauch von Schusswaffen. Viele von ihnen sind 14-jährig oder noch jünger. Die Milizen, die Force de Libération du Nord (FLN), erklären, dass die Kinder aus dem ganzen Land kommen, da sie den Norden befreien wollten. Viele Kinder halten sich ohne Wissen ihrer Eltern in den Trainingslagern auf. 46 Die malische Armee unterstützt die Milizen mit Waffen und Nahrung. 47 Im Süden des Landes, der von der Regierung kontrolliert wird, gibt es laut Berichten Folter und herrschen unmenschliche Haftbedingungen. Mindestens 30 Teilnehmer eines Gegenputsches vom letzten April sind immer noch inhaftiert. Ausserdem ist der Aufenthaltsort von zwanzig Soldaten, die daran beteiligt waren, nicht bekannt. 48 Im Zuge der Machtübernahme der Islamisten im Norden hat die Regierung die Kontrolle und Überwachung bestimmter muslimischer Gruppen verschärft. Anfangs September wurden 16 Personen durch das malische Militär verhaftet und einige Stunden später ohne Verfahren erschossen. 49 Die Opfer waren Malier und Mauretanier, die aus Mauretanien angereist waren, um an einer Versammlung der Dawa-Sekte teilzunehmen. 4 Zerstörung von Kulturgütern Im Sommer 2012 zerstörten die Islamisten in der Stadt Timbuktu einige der von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Marabut-Gräber 50, was an die Sprengung der Buddha-Statuen in Afghanistan durch die Taliban erinnerte. Die Islamisten lehnen die jahrhundertealten Kulturgüter als unislamisch ab. 51 43 IRIN, Mali: Children Take up Guns, 8. Oktober 2012. 44 UN News Service, Islamists Use Fear, 10. Oktober 2012. 45 IDMC, Northern Takeover Internally Displaces at least 118 000 People, 1. Oktober 2012. 46 IRIN, Mali: Children Take up Guns, 8. Oktober 2012. 47 Amnesty International, Mali: Civilians Bear the Brunt of the Conflict, 20 September 2012. 48 UN News Service, Women Primary Victims of Violence in Northern Mali, 9. Oktober 2012. 49 Amnesty International, Mali: Civilians Bear the Brunt of the Conflict, 20 September 2012. 50 «Die Errichtung der Marabut-Gräber wurzelt im Sufismus, jener spezifisch islamischen Ausprägung der Mystik. Viele Jahrhunderte lang ist die islamische Religion wie Kultur von den verschiedenen Formen eines kontemplativen Lebens begleitet, innerlich durchdrungen und getragen worden, als Ergänzung zur Gesetzes-Frömmigkeit, wie sie die Scharia, das religiöse Gesetz des Islam, fordert. Neben hochintellektuellen Formen der Mystik (al tasawwuf), wie sie vor allem in Persien und der Türkei lange blühten, verbreitete die Mystik sich in vielen Gegenden, wie dem Maghreb oder Wes t- afrika und den saharischen Regionen, gerade unter dem Volk. Vor allem der schwarzafrikanische Islam galt immer als relativ ungelehrt. Die Sufi-Bruderschaften, wie die Tidjanija, Shadhiliya, Qadirija, Darqawija und etliche andere, spielten und spielen in allen Ländern des Maghreb wie Westafrikas eine wichtige Rolle.» In: FAZ, Zerstörungen in Mali, Steinzeit-Islam, 2. Juli 2012: www.faz.net/aktuell/politik/ausland/zerstoerungen-in-mali-steinzeit-islam-11807372.html. 51 FAZ, Zerstörungen in Mali, Steinzeit-Islam, 2. Juli 2012. Mali Auskunft Aktuelle Situation 30. Oktober 2012 Seite 5 von 6

5 Karte Mali SFH-Publikationen zu afrikanischen Herkunftsländern von Flüchtlingen finden Sie unter www.fluechtlingshilfe.ch/herkunftslaender Der SFH-Newsletter informiert Sie über aktuelle Publikationen. Anmeldung unter www.fluechtlingshilfe.ch/news/newsletter Mali Auskunft Aktuelle Situation 30. Oktober 2012 Seite 6 von 6