Argumentarium. für einen kirchlichen Religionsunterricht an der Schule. 1. Religion stellt eine unverzichtbare Dimension humaner Bildung dar.

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Transkript:

Argumentarium für einen kirchlichen Religionsunterricht an der Schule 1. Religion stellt eine unverzichtbare Dimension humaner Bildung dar. 2. Religionsunterricht ist interreligiöse Friedensförderung. 3. Nach christlichem Verständnis steht der Gottesbezug im Zentrum der religiösen Bildung. Religiöse Bildung eröffnet Zugänge zu zukunftsfähigen Werten. 4. Religiöse Bildung braucht ein eigenes Schulfach Religion. 5. Der Religionsunterricht findet bei Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und der Elternschaft positive Resonanz. 6. Der Religionsunterricht unterstützt die Ausbildung zentraler Kompetenzen. 7. Religionsunterricht ist eine Aufgabe der staatlichen Schule und des freiheitlich-demokratischen Staates, die nur in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften erfüllt werden kann. 8. Der Religionsunterricht trägt zu einer produktiven und profilierten Schulentwicklung bei. 9. Die Kirchen werden den schulischen Religionsunterricht auch in Zukunft unterstützen zugunsten der Kinder und Jugendlichen sowie der Gesellschaft. 10. Ein durch die Kirchen verantworteter und finanzierter Religionsunterricht entlastet den Staat für die Finanzierung derjenigen Bildungsbereiche, für die er von seiner Kompetenz und seiner öffentlichen Verpflichtung her zuständig ist.

1. Religion stellt eine unverzichtbare Dimension humaner Bildung dar. Religionsunterricht ist ein wesentliches Element staatlicher und kirchlicher Bildungsverantwortung. Auch in Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft steht die Bildungsbedeutung von Religion ausser Zweifel. Angesichts der Globalisierung und der multikulturellen und multireligiösen Lebenszusammenhänge wird religiöse Bildung immer wichtiger für die eigene Verwurzelung und Identität der Kinder und Jugendlichen, für religiöse Urteilsfähigkeit, für Sinnfindung und Orientierung in der Welt sowie für Verständigungsfähigkeit und Toleranz. Der Religionsunterricht stellt einen unverzichtbaren und eigenen Beitrag zu den Bildungszielen der Schule dar. Es muss demnach Religionsunterricht in der Schule geben, weil die Schule den jungen Menschen mit den geistigen Überlieferungen vertraut machen soll, die unsere kulturelle Situation geprägt haben. In Europa gehört das Christentum in seinen Konfessionen zu den prägenden geistigen Überlieferungen. Geschichte und Kultur in der Schweiz, in Europa sowie im weltweiten Zusammenhang lassen sich ohne Vertrautheit besonders mit dem Christentum, dem Judentum aber auch dem Islam nicht angemessen verstehen. Für das Verständnis der europäischen Kultur, wie sie sich in Kunst, Musik, Architektur und Literatur manifestiert, ist religiöses Grundwissen unabdingbar (kulturgeschichtliche Begründung). Die Schule soll den Kindern und Jugendlichen zur Selbstwerdung verhelfen soll. Der Religionsunterricht verhilft durch sein Fragen nach dem Sinn-Grund dazu, die eigne Rolle und Aufgabe in der Gemeinschaft und im Leben angemessen zu sehen und wahrzunehmen (anthropologische Begründung). Die Schule kann sich nicht zufrieden geben mit der Anpassung der Kinder und Jugendlichen an die verwaltete Welt. Der Religionsunterricht ist auf die Relativierung unberechtigter Absolutheitsansprüche angelegt, auf Proteste gegen Unstimmigkeiten und auf verändernde Taten (gesellschaftlich-ethische Begründung). Für viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene spielt Religion eine bedeutende Rolle, die auch denen verständlich sein sollte, die sich selbst nicht als religiös verstehen. Nicht zuletzt ist religiöse Bildung ein Recht der Kinder und Jugendlichen. 2. Religionsunterricht ist interreligiöse Friedensförderung. Die gesellschaftliche Begründung des Religionsunterrichtes hat sich durch die zunehmende Religionspluralität verändert und erweitert. Um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren, um religiös gefärbte Konflikte bewältigen zu können, ist es notwendig, die eigene religiöse Prägung und die anderer zu verstehen. Die Religion der anderen ist für Kinder oft ein erster Anlass, genauer nach Religion zu fragen. Dazu gehört das Kennenlernen und Vertrautwerden mit religiösen Ausdrucksformen wie zum Beispiel Symbolen, Ritualen oder auch umstrittenen Kleidervorschriften. Unabdingbar ist ein Grundbestand an religiösem Wissen über wichtige Religionen. Dies steht im Dienst einer ganzheitlichen Bildung, wie vergleichsweise auch bei Kunst und Literatur. Es geht um die Sensibilisierung des Kindes für die religiöse Dimension der Wirklichkeit. Der Religionsunterricht fördert religiöse Kompetenz. Dies beinhaltet notwendige Grundinformationen, sowie das Wissen darum, wie man selbst, die eigene Familie und Gesellschaft religiös so geworden ist, wie man es ist und fördert eine Haltung des Respekts, der Frustrationstoleranz und Kommunikationsfähigkeit mit Andersdenkenden. 2

Gerade im Blick auf den interreligiösen Dialog, der auch und gerade in der Schule stattfinden soll, ist der Staat auf die Partnerschaft mit den Religionsgemeinschaften angewiesen. Die öffentliche Schule ist religionsneutral und auf die Mitwirkung der Religionsgemeinschaften und ihrer Angehörigen angewiesen. Sie stellt die Plattform dar, welche den Dialog erst ermöglicht. Religionsunterricht befähigt, mit den gesellschaftlichen religiösen Angeboten besser umzugehen, das heisst Chancen der Religionsausübung zu erkennen, aber auch deren Gefährdungen wie Ignoranz, Verdummung und religiöse Scharlatanerie. 3. Nach christlichem Verständnis steht der Gottesbezug im Zentrum der religiösen Bildung. Religiöse Bildung eröffnet Zugänge zu zukunftsfähigen Werten. Manchmal wird religiöse Bildung bloss als eine Form der Werteerziehung angesehen. Aus christlicher Sicht geht jedoch mit dem Bezug auf Gott die Wahrheitsfrage allen Werten voraus. Der Glaube beruht nicht auf Werten, sondern umgekehrt folgen Werte aus dem Glauben. Werte lassen sich auch ohne Bezug auf Religion begründen. Ebenso richtig bleibt aber, dass Religion in Geschichte und Gegenwart zu den wichtigsten Quellen der ethischen und normativen Orientierung zu zählen ist. Politik und Wissenschaft gewinnen in der Gegenwart neu Achtung vor der ethischen Motivationskraft von Glaubensüberzeugungen, die ein verantwortliches Handeln begründen. Neu bewusst geworden sind insbesondere die religiösen Wurzeln von Freiheit, Verantwortung und Toleranz sowie der gesellschaftlichen und globalen Solidarität von Menschen, die sich im biblischen Schöpfungsglauben über alle Grenzen hinweg als Brüder und Schwestern erkennen können. Abraham als Urvater des Glaubens und Gottvertrauens stellt eine gemeinsam anerkannte Wurzel der monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam dar. 4. Religiöse Bildung braucht ein eigenes Schulfach Religion. Während es wichtig und richtig ist, religiöse Themen auch in anderen Fächern aufzunehmen, beispielsweise im Sprach- und Geschichtsunterricht, in Geographie und Politik, in Kunst und Musik oder in Biologie, wird dadurch ein eigenes Fach Religion keineswegs überflüssig. Ähnlich wie die Muttersprache in allen Fächern der Schule gepflegt werden muss und doch ein eigenes Fach braucht, ist auch religiöse Bildung auf die Schule insgesamt bezogen und bleibt zugleich auf eine fachlich gesonderte Wahrnehmung angewiesen. Nur auf diese Weise kann das durch speziell dafür ausgebildete Religionslehrerinnen und -lehrer gewährleistete hohe Niveau authentisch aufrechterhalten bleiben, und nur unter der Voraussetzung eines eigenen Schulfachs ist die im Blick auf die Religionsfreiheit unerlässliche Befreiungsmöglichkeit realisierbar. Der Religionsunterricht ist keine Frage von Mehrheiten in der Bevölkerung, sondern eine Angelegenheit der Freiheit. 3

5. Der Religionsunterricht findet bei Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und der Elternschaft positive Resonanz. Neuere Umfragen und Untersuchungen in Deutschland aber auch die Erfahrungen in der Schweiz belegen, dass der Religionsunterricht in seiner heutigen Gestalt bei den Schülerinnen und Schülern auf deutliche Zustimmung stösst. Das gilt besonders für die Primarschule, aber auch für die Sekundarstufe I und die gymnasiale Oberstufe, wo das Fach in Basel-Stadt als Ergänzungsfach angeboten wird. Lehrerinnen und Lehrer erteilen ihn nach eigener Auskunft gerne und wären vielfach ausdrücklich bereit, noch mehr Religionsunterricht zu übernehmen. In den Schulen erfahren sie weithin Akzeptanz und Anerkennung. In Krisensituationen, wie sie in den letzten Jahren von Schulen häufig zu bewältigen waren sei es auf Grund von tragischen Ereignissen, von Gewalt in der eigenen Schule oder im Zusammenhang mit Terrorakten und deren hautnaher Präsenz in den Medien, erweisen sich Religionslehrerinnen und -lehrer immer wieder als unerlässliche seelsorgerliche Helfer für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Eltern wissen um die Bedeutung des Religionsunterrichts und erwarten von diesem Fach einen Beitrag zur Werteerziehung und Lebensorientierung ihrer Kinder. 6. Der Religionsunterricht unterstützt die Ausbildung zentraler Kompetenzen. Die Bedeutung des Religionsunterrichts ist für den Erwerb von Sprach- und Reflexionskompetenz kaum zu überschätzen. Hier werden Zeit, Mühe und Sorgfalt auf die Erschliessung anspruchsvoller Texte verwendet und spielt das Wort eine zentrale Rolle. Zugleich stärkt der Religionsunterricht auf vielfältige Weise das Interesse, die Wirklichkeit zu erkennen, die Welt zu verstehen und sie sich selbst und anderen zu erklären. Darüber hinaus werden im Religionsunterricht zahlreiche weitere Kompetenzen gefördert soziale, kommunikative, ästhetische und mediale ebenso wie geschichtliche Kompetenzen. 7. Religionsunterricht ist eine Aufgabe der staatlichen Schule und des freiheitlich-demokratischen Staates, die nur in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften erfüllt werden kann. Wenn Religion zur Bildung gehört und religiöse Bildung ein Schulfach Religionsunterricht voraussetzt, gehört dieser Unterricht zu den Aufgaben der staatlichen Schule. Zugleich ist der demokratische Staat zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet und kann die Inhalte und Ziele von Religionsunterricht von sich aus nicht vorschreiben. Insofern ist er, um der Demokratie sowie um der Glaubens- und Gewissensfreiheit willen, auf die Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften angewiesen. Nur so bleibt er ein demokratisch-freiheitliches Angebot. Die gegenseitige Verschränkung des freiheitlich-demokratischen Staates mit den Religionsgemeinschaften hat der ehemalige deutsche Verfassungsrichter Ernst- Wolfgang Böckenförde in seinem Werk Staat, Gesellschaft, Freiheit (S. 60) von 1976 eindrücklich dargelegt (sog. Böckenförde-Dilemma): 4

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und auf säkularisierter Ebene in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat. Darüber hinaus folgt die Einrichtung von Religionsunterricht in der staatlichen Schule dem Gebot der positiven Religionsfreiheit, indem ein solcher Unterricht die einzelnen Bürgerinnen und Bürger zur Wahrnehmung des entsprechenden Grundrechts erst befähigt. Ein durch die Religionsgemeinschaften verantworteter Religionsunterricht ist durch die Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft abgedeckt: Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit: 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. 3 Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. 4 Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen. 8. Der Religionsunterricht trägt zu einer produktiven und profilierten Schulentwicklung bei. Erfreulicherweise finden sich Bezüge auf Religion, interkulturelle und interreligiöse Verständigung, Toleranz und Solidarität in einer zunehmenden Zahl von Schulprofilen und -programmen. Damit kommt auch der vom Religionsunterricht ausgehende Beitrag zum Schulleben neu zur Geltung angefangen bei Schulfeiern, Projekten, Arbeitsgemeinschaften usw. bis hin zu den im Rahmen von Ganztagsangeboten neu eingerichteten Partnerschaften zwischen Schule und Kirchgemeinden sowie Pfarreien. Darüber hinaus wird die wachsende Bedeutung religiöser und interreligiöser Bezüge und Herausforderungen in einer globalen Welt erkannt. Globales Lernen im Zeichen von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung gehört zu den Grundanliegen christlicher Bildung, die aktiv wahrgenommen werden sollten. Ebenfalls verstärkt genutzt werden sollten die Chancen von Schulentwicklung als Öffnung hin zu Nachbarschaft und Umwelt der Schule, die auch die Kirchengemeinden und Pfarreien einschliessen. 9. Die Kirchen werden den schulischen Religionsunterricht auch in Zukunft unterstützen zugunsten der Kinder und Jugendlichen sowie der Gesellschaft. In seiner freiheitlichen Konstruktion setzt der Religionsunterricht als Gegenüber für den Staat Religionsgemeinschaften voraus, die ihrerseits zu einer demokratischen Zusammenarbeit bereit sind. Diese Zusammenarbeit schliesst weitere Voraussetzungen ein nicht zuletzt das Engagement der Religionsgemeinschaften für diesen 5

Unterricht, wie es die Kirchen seit Jahrzehnten unter Beweis stellen: Mit Angeboten zur Fortbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern, mit ihrem öffentlichen Einsatz für Religionsunterricht, mit Angeboten im Schulleben und der Schulsozialarbeit. Von großer Bedeutung für den Religionsunterricht ist es, dass Kirchgemeinden und Pfarreien mit Schulen und dem Religionsunterricht systematisch kooperieren. Insofern stellt lebendige Kirchen den Lebensrückhalt des Religionsunterrichts dar. Zugleich ist der Religionsunterricht ein wichtiges Lernfeld auch für die Kirchen selbst. Vor allem aber ist er ein Ort, an dem sie den ihnen aufgetragenen Dienst an den Kindern und Jugendlichen sowie an der Gesellschaft in der Gestalt von Bildungsverantwortung als Bildungsdiakonie zum Tragen bringen kann. In der Zuwendung zu jedem einzelnen Kind auch in seinen religiösen Bedürfnissen und Interessen können kirchliche und staatliche, theologische und pädagogische Motive übereinkommen im Eintreten für Solidarität und Toleranz, für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit in einer globalen Welt. 10. Ein durch die Kirchen verantworteter und finanzierter Religionsunterricht entlastet den Staat für die Finanzierung derjenigen Bildungsbereiche, für die er von seiner Kompetenz und seiner öffentlichen Verpflichtung her zuständig ist. Der freiheitliche Staat hat längst erkannt, dass Aufgabenbereiche, die private oder öffentlich-rechtliche Trägerschaften besser erbringen können, diesen auch überlassen bleiben sollten. Gemeinnützige Aufgaben der Religionsgemeinschaften kann und soll er dagegen mittragen und finanziell abgelten. Das gilt auch für den Bildungs- und Erziehungsauftrag an der Schule. Es gilt neu zu prüfen, welche Anteile im kirchlichen Engagement sich am jeweiligen Bekenntnis orientieren und welche Anteile gemeinnützig für die ganze Schule erbracht werden. Kirchlicher Religionsunterricht orientiert sich, auch wenn er allgemeines Bildungswissen vermittelt, am christlichen Bekenntnis und sind durch die Kirchen zu finanzieren. Die kirchlichen Projekte im Bereich der schulhausbezogenen Sozialarbeit dagegen sind gemeinnützig und kommen allen Schülerinnen und Schülern zugute. Diese Aufgabe kann vom Staat mitfinanziert werden, ohne dass er seine Neutralitätspflicht verletzt. Basel, im Oktober 2010 Rektorate für Religionsunterricht Basel-Stadt 6