Neue Kleider für die Lebensversicherung Konsequenzen und Schlussfolgerungen aus den Urteilen des BGH und des Bundesverfassungsgerichtes



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Transkript:

Neue Kleider für die Lebensversicherung Konsequenzen und Schlussfolgerungen aus den Urteilen des BGH und des Bundesverfassungsgerichtes 18. Januar 2006 Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 1

Leitsatz Bundesverfassungsgericht: Der Gesetzgeber ist verpflichtet, hinreichende rechtliche Vorkehrungen dafür vorzusehen, dass bei der Ermittlung eines bei Vertragsende zuzuteilenden Schlussüberschusses die Vermögenswerte angemessen berücksichtigt werden, die durch die Prämienzahlungen im Bereich der kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung geschaffen worden sind. Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 2

Grundaussagen des BGH 1. Das Treuhänderverfahren des 172 Abs. 2 VVG ist auf die kapitalbildende Lebensversicherung anwendbar und nicht nur auf die Risikoversicherungen im Sinne von 172 Abs. 1 VVG (Urteil S. 5). 2. Die Ergänzung nach 172 Abs. 2 VVG wirkt auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück (Urteil S. 19). 3. Die inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klauseln unterläuft die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit nach 307 Abs. 1 BGB und ist deshalb mit den Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 3

Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren (Urteil S. 24). 4. Dies gilt auch, wenn die Unwirksamkeit auf einem Verstoß gegen das Transparenzgebot beruht (Urteil S. 25). 5. Die Folgen des Transparenzmangels lassen sich nicht rückwirkend damit beseitigen, dass die unwirksame intransparente Klausel durch eine materiell inhaltsgleiche transparente Klausel ersetzt wird (Urteil S. 25/26). 6. Der Eingriff in die Entschließungs- und Auswahlfreiheit des Kunden bliebe unbeseitigt und bestünde bei Ein- Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 4

stellung der Prämienzahlung in seinen Auswirkungen fort (Urteil S. 26). 7. Das Scheitern der Vertragsergänzung nach 172 Abs. 2 VVG bedeutet, dass im Wege der richterlichen ergänzenden Vertragsauslegung zu entscheiden ist, ob und auf welche Art die einmaligen Abschlusskosten mit den Beiträgen zu verrechnen sind (Urteil S. 27). 8. Der Mindestrückkaufswert wird bestimmt durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals (Urteil S. 29). Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 5

Konsequenzen: Treuhänderverfahren Der BGH akzeptiert das Treuhänderverfahren. Daraus folgt aber für den Gesetzgeber keine Bindung. Der Gesetzgeber sollte wie bei den Banken auf ein Treuhänderverfahren verzichten. Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 6

Konsequenzen: Mindestrückkaufswert Das BGH-Urteil betrifft die Vergangenheit. Der Gesetzgeber sollte an die Riester-Regelung anknüpfen. Die vom BGH-Urteil betroffenen Verträge sind ohne dass dies die VN verlangen rückwirkend neu abzurechnen (Gedanke aus 241 Abs. 2, 226 BGB und 11 Abs. 2 VAG). Die Ansprüche sind erst durch das BGH-Urteil vom 12.10.05 durch richterliche ergänzende Vertragsauslegung entstanden, sodass sich Verjährungsfragen ( 12 VVG) nicht stellen. Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 7

Konsequenzen: Überschusssystem Bei der Ermittlung des Schlussüberschusses sind die durch die Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerte angemessen zu berücksichtigen. Die Entstehung der Überschüsse in der LV muss nachvollziehbar und nachrechenbar sein. Das betrifft die Überschüsse der gesamten Laufzeit des Vertrages der Schlussüberschuss reflektiert nur die Gesamtüberschussentwicklung. Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 8

Die Überschussermittlung kann nach den Kriterien des BVerfG auf mehreren Wegen erfolgen. Entscheidend ist immer, dass die Überschüsse nach Grund und Höhe nachrechenbar sind und dass der Kunde angemessen beteiligt ist. Angemessen ist der Kunde beteiligt, wenn die Überschussermittlung verursachungsorientiert erfolgt (es gibt aber auch andere Wege angemessener Beteiligung). Die Möglichkeiten der Querverrechnung sind neu zu regeln und zu beschränken. Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 9

Der VN ist bei verursachungsorientierter Überschussermittlung an stillen Reserven und stillen Lasten angemessen zu beteiligen. Der Gesetzgeber hat die Maßstäbe der Angemessenheit zu benennen. Angemessen erscheint, wenn 75 % der jeweils vorhandenen stillen Reserven direkt gutgeschrieben und 25 % zum Glätten einbehalten werden. Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin Folie 10