Preisentwicklung bei nicht erneuerbaren Ressourcen am Beispiel Erdöl Erdöl der Der Erdölpreis ist ein Schlüsselfaktor der Weltwirtschaft. Mit einem Anteil von rund 35% am weltweiten Energieverbrauch ist Erdöl der wichtigste Energieträger, vor Kohle und Erdgas. Erdöl ist zudem ein wichtiger Ausgangsstoff für die Industrie: Fast alles, was wir im Alltag benutzen, hat mit Erdöl zu tun (zum Beispiel beinhalten Kunststoffe und auch Kunstdünger als Ausgangsstoff Erdöl). Weltweit werden jeden Tag 14 Milliarden Liter Erdöl und Erdölprodukte verbraucht (entspricht der Ladung von 25 Supertankern). Dank seiner hohen Energiedichte 1 hat Erdöl als Energieträger grosse Vorteile; namentlich im Bereich Verkehr ist eine Substitution nur schwer möglich. Der weltweite Erdölkonsum steigt In den letzten Jahren stiegen sowohl die Weltproduktion als auch der Weltkonsum von Erdöl an. Die Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 unterbrach dieses Wachstum vorübergehend. Eine besonders wichtige Rolle für die Zunahme des weltweiten Konsums spielen seit einigen Jahren die aufstrebenden Schwellenländer wie China und Indien. Steigender Wohlstand und die damit einhergehende Motorisierung sind die wichtigsten Treiber dieser Entwicklung. Die folgende Abbildung zeigt, dass der Erdölkonsum in den entwickelten Ländern (OECD-Staaten) in den letzten Jahren unter anderem durch effizientere Motoren und den vermehrten Gebrauch von alternativen Energien abgenommen hat. In den Nicht-OECD-Staaten wie Brasilien, China und Indien hat er hingegen stetig zugenommen. Abbildung: Konsum OECD-Staaten und Nicht-OECD-Staaten 1965 2012, in Tausend Barrel pro Tag Quelle: British Petroleum (BP), Statistical Review of World Energy, 2013 1 Das ist jene Menge an Energie, welche in einem bestimmten Volumen gespeichert werden kann. 1 11
Werden die USA schon bald zum grössten Erdölproduzenten? Laut Schätzungen der internationalen Energieagentur (IEA) könnten die USA schon bald zum grössten Erdölproduzenten der Welt werden. Bis ins Jahr 2008 sank die Erdölförderung in den USA stetig. Durch technische Neuerungen ist es mittlerweile aber möglich, schwer zugängliche Erdölvorkommen zu erreichen und mehr Erdöl zu fördern. Allein von 2011 auf 2012 stieg die US-Ölproduktion um über 13%. Eine dieser neuen Fördermethoden heisst Fracking. Fracking kommt dann zur Anwendung, wenn die leicht zu nutzenden Erdölfelder ausgeschöpft sind. Beim Fracking wird wesentlich tiefer gebohrt als bei den konventionellen Ölfeldern. Das Ziel der Bohrungen sind die mit Erdöl angereicherten Schiefersteinschichten. Mittels Sprengsätzen wird dieses Schiefergestein aufgebrochen (auf Englisch «to fracture»). Danach wird unter hohem Druck ein Gemisch aus Wasser, Sand und chemischen Zusätzen in das Bohrloch gepresst. Diese Fracking-Flüssigkeit soll die durch die Explosion erzeugten Risse im Gestein weiten. Das Erdöl wird nun zusammen mit etwa der Hälfte der Fracking-Flüssigkeit an die Oberfläche gefördert. Die andere Hälfte der Flüssigkeit bleibt im Erdreich. Fracking ist nicht unumstritten. In Frankreich zum Beispiel wurde diese Methode verboten. Es besteht die Gefahr, dass das mit Chemikalien versetzte Wasser die Grundwasserreserven verschmutzt oder dass durch die unterirdischen Sprengungen Erdbeben ausgelöst werden. Abbildung: Erdölreserven weltweit 1992 und 2012, in Milliarden Barrel Quelle: BP Statistical Review of World Energy, June 2013 2 11
Die bekannten Reserven haben trotz erhöhter Produktion zugenommen Trotz dieser Ausweitung der Erdölförderung haben dank der Entdeckung neuer Erdölvorkommen die bekannten Reserven von Erdöl zwischen 1992 und 2012 zugenommen. Allerdings sind die in den letzten Jahren neu entdeckten Vorkommen meist unkonventioneller Natur (Ölsand, Ölschiefer) oder liegen in schwer zugänglichen Gebieten (extreme Meerestiefen, Alaska), weshalb sie nur unter hohem Aufwand und mit grossen Risiken gefördert werden können. Trotzdem: Das Ende des Erdölzeitalters naht Dennoch ist unbestritten, dass Erdöl eine nicht erneuerbare Ressource ist, deren Vorkommen sich erschöpft. Im streng naturwissenschaftlichen Verständnis bilden sich zwar auch heute immer noch neue Erdölvorkommen, allerdings wird dieser Prozess erst in Millionen von Jahren abgeschlossen sein. Wie bei anderen nicht erneuerbaren Ressourcen stellt sich damit auch bei Erdöl die Frage, wann der letzte Tropfen gefördert werden wird. Die statische Reichweite gibt die Zeitspanne in Jahren an, für die bei aktuellem Verbrauch die weltweit bekannten und wirtschaftlich förderbaren Vorkommen eines nicht erneuerbaren Rohstoffs wie Erdöl noch reichen werden. Zurzeit wird die statische Reichweite von Erdöl auf ca. 40 Jahre geschätzt. Ein Teil der Termingeschäfte dient der Deckung eines tatsächlich erwarteten Bedarfs (z. B. eine Raffinerie, die ihre Grundauslastung sicherstellen will). Die meisten Termingeschäfte werden jedoch aus Investitions- und Spekulationsmotiven und zur Absicherung gegen künftige Preisschwankungen (das sogenannte «Hedging») getätigt. Bei diesen Geschäften wird der Kontrakt vor dessen Fälligkeitsdatum weiterverkauft, sodass der Investor oder Spekulant keine physische Öllieferung entgegennehmen muss. Sein Gewinn (oder Verlust) entsteht aus der Differenz zwischen Kaufund Verkaufspreis des Kontraktes. Schliesslich gibt es noch den Rohöl-Kassamarkt (engl. spot market). Hier wird Öl kurzfristig gekauft oder verkauft, d. h., die Abwicklung der Transaktionen erfolgt innerhalb von Tagen. (Beispiel: Eine Raffinerie kauft kurzfristig mehr Öl ein, da sich die Kundennachfrage anders als erwartet entwickelt.) Diese Art von Handel findet dort statt, wo die Ware direkt an- und abtransportiert werden kann, d. h. in den grossen Ölhäfen und Lagerstätten wie Rotterdam, New York und Singapur. Wie und wo Erdöl gehandelt wird Erdöl wird vorwiegend in Form von Termingeschäften, sogenannten Futures, gehandelt, dies sowohl an anerkannten Terminbörsen als auch ausserbörslich direkt zwischen Marktteilnehmern («Over the Counter» oder OTC genannt). Ein Futures-Kontrakt beinhaltet eine rechtlich bindende Verpflichtung, zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft eine festgelegte Menge einer Ware zu einem bei Vertragsabschluss festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Um zu gewährleisten, dass alle Marktteilnehmer von denselben Qualitäten, Mengen und Lieferbedingungen ausgehen, sind die Kontrakte standardisiert. Die für den Erdölhandel wichtigen Terminbörsen sind die New York Mercantile Exchange (NYMEX) und die International Petroleum Exchange (IPE) in London. 3 11
Schwarzes Gold, schwarze Pest? Nicht nur der massenweise Verbrauch von Erdöl, sondern auch dessen Förderung birgt hohe Risiken für Mensch und Umwelt. Besonders bei Unfällen oder Kriegseinwirkungen (z. B. im zweiten Golfkrieg), aber auch im normalen Betrieb sind mit der Erdölförderung erhebliche Umweltschäden verbunden. So verursacht zum Beispiel die Ölförderung im Nigerdelta seit Jahren grosse Umweltschäden. Ursachen sind das Abfackeln von Öl und Lecks im 6000 Kilometer langen Pipelinenetz. Hinzu kommen Explosionen als Folge von Öldiebstählen und politischen Konflikten. Steigende Erdölpreise und die Erschöpfung der herkömmlichen Ölquellen lassen die Erdölindustrie neue Techniken und Verfahren entwickeln, um bisher nicht wirtschaftlich erschliessbare Vorkommen ausbeuten zu können. Dazu gehören Ölvorkommen in weit entfernten und durch extreme klimatische Verhältnisse geprägten Gebieten (z. B. in Alaska), Ölsande, Ölschiefer oder Tiefseebohrungen. Mit der Ausbeutung solcher Vorkommen sind oft noch höhere Risiken für Mensch und Umwelt verbunden. Welche enormen Schäden sich z. B. aus der Tiefseebohrung ergeben können, zeigte sich im April 2010: Rund 780 Millionen Liter Öl strömten ungehindert in den Golf von Mexiko, nachdem die Ölbohrplattform Deepwater Horizon explodiert und untergegangen war. Erst fünf Monate nach der Explosion der Ölplattform konnte das lecke Bohrloch endgültig versiegelt werden. Auf mehr als 1000 Kilometern Küste mussten Helfer gegen die Folgen der Katastrophe kämpfen. Unzählige Tiere starben Fische, Pelikane, Schildkröten. Fischer durften ihrer Arbeit monatelang nicht nachgehen. Präsident Barack Obama nannte es die grösste Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA. Zum Thema externe Kosten und Umweltprobleme vgl. das iconomix-modul «Allmendegüter». 4 11
Aufgaben Aufgabe 1: Erneuerbare und nicht erneuerbare Ressourcen Natürliche Ressourcen, im deutschen Sprachgebrauch auch oft als Rohstoffe bezeichnet, sind alle Stoffe, die seitens der Natur zur Verfügung gestellt werden und die für den Menschen nutzbar gemacht werden können (also z. B. auch eine schöne Landschaft). Aus ökonomischer Perspektive ist die Frage wichtig, ob eine Ressource erneuerbar oder ob sie nicht erneuerbar, also erschöpfbar ist. Welche der folgenden Ressourcen gehören zu den nicht erneuerbaren bzw. erneuerbaren Ressourcen? Getreide Erdöl Steinkohle Eisen Holz Nutztiere Aufgabe 2: Faktoren, die den Preis von Erdöl beeinflussen Beim Erdölmarkt handelt es sich um einen der grössten, weltumspannenden Märkte für Rohstoffe. Öl bewegt die Welt, und der Ölpreis tut dies auch. Kein anderer Rohstoffpreis steht so im Zentrum des Interesses von Öffentlichkeit, Anlegern und Politik wie der Preis von Erdöl. Überlegen Sie sich, welche angebots- und nachfrageseitigen Faktoren den Preis von Erdöl beeinflussen. Unterscheiden Sie dabei zwischen kurz- und langfristig wirkenden Faktoren. a. Nachfrage kurze Frist b. Nachfrage lange Frist 5 11
c. Angebot kurze Frist d. Angebot lange Frist Aufgabe 3: Die Rohölpreisentwicklung in der kurzen Frist Die grosse Abhängigkeit der Industrienationen vom Erdöl einerseits und die Konzentration von Produktion und Reserven des Erdöls bei relativ wenigen Förderländern machen den Erdölmarkt anfällig für Preisschwankungen. Die Angst der Verbraucherländer vor einer Knappheit nach Rohöl und Erdölprodukten kann dabei ein Treiber sein. Unten stehende Abbildung zeigt die Entwicklung des Preises für Erdöl am Beispiel des Preises der Sorte «Brent». 1 Zwischen Mai 1987 und Januar 2011 schwankte dieser zwischen 20 und 130 US-Dollar pro Barrel (159 Liter). Abbildung: Preis der Erdölsorte «Brent» in US-Dollar pro Barrel Quelle: U.S. Energy Information Administration a. Welche wichtigen Entwicklungen bzw. Ereignisse lassen sich im Chart ablesen? 1 Kein Rohöl gleicht dem anderen. Man unterscheidet mehrere hundert Erdölsorten mit unterschiedlichen Zusammensetzungen, Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten. Daher gibt es auch keinen einheitlichen Rohölpreis, sondern einen Preis für jede Sorte. Um den Handel zu vereinfachen, haben sich je nach Handelsregion Referenzsorten entwickelt. Für Europa ist dies «Brent», für Nordamerika «West Texas Intermediate» (WTI). 6 11
Auf kurze Sicht sind sowohl die Nachfrage nach Erdöl als auch dessen Angebot preisunelastisch. Warum? Angebot Nachfrage b. Ökonomisch ausgedrückt, handelt es sich beim Erdölmarkt um ein Angebotsoligopol, d. h., wenige Anbieter von Erdöl stehen vielen Nachfragern nach Erdöl gegenüber. Die Struktur des Erdölmarktes stärkt die Preissetzungsmacht der Erdölproduzenten. Erklären Sie anhand der Organisation Erdöl exportierender Staaten (OPEC), wie dies funktioniert. c. Im Frühjahr 2011 brachen in der arabischen Welt politische Unruhen aus. In Libyen, einem der zehn grössten Erdölproduzenten, kam es in der Folge zu Produktionsausfällen, welche aber zu einem Teil durch andere OPEC-Mitgliedsländer, darunter Saudi-Arabien, ohne Rücksicht auf bestehende Quoten ausgeglichen wurden. Trotzdem schnellte der Erdölpreis in die Höhe. Wie ist dies zu erklären? 7 11
Aufgabe 4: Die Rohölpreisentwicklung in der langen Frist Wie wir in Aufgabe 3 festgestellt haben, sind sowohl Angebot als auch Nachfrage nach Erdöl in der kurzen Frist unelastisch. Längerfristig präsentiert sich die Lage anders. Denn sowohl das Angebot als auch die Nachfrage können längerfristig besser auf Preisänderungen reagieren als kurzfristig. So können die Nachfrager bei Preissteigerungen in der langen Frist auf andere Energiequellen umstellen. Längerfristig lässt sich auch die Effizienz des Verbrauchs steigern. a. Welche Preisentwicklung erwarten Sie bei der Betrachtung der Angebotsseite in der langen Frist für nicht erneuerbare und für erneuerbare Ressourcen? Begründen Sie Ihre Antwort. Nicht erneuerbare Ressourcen wie Erdöl Erneuerbare Ressourcen b. Welche Auswirkungen hat die Annahme steigender Preise in der Zukunft auf das heutige Verhalten der Anbieter von Erdöl? 8 11
c. Was könnte die Erdölproduzenten trotzdem dazu bewegen, ihr Angebot schneller als optimal und zu einem tieferen aktuellen als zukünftigen Preis auf den Markt zu bringen? p d. Zeigen Sie, ausgehend von folgendem Preis-Diagramm, auf, wie sich die Erschliessung eines grossen neuen Erdölvorkommens im Zeitpunkt t 1 auf die Preisentwicklung von Erdöl auswirkt. t 1 t e. Eine sogenannte Backstop-Technologie (ein vollständiges Substitut für Erdöl) würde den Preisanstieg von Erdöl auf dem Niveau des Preises des Substitutes stoppen. Welche Substitute für Erdöl in seiner Funktion als Energieträger für den Verkehr zeichnen sich gegenwärtig ab? 9 11
Aufgabe 5: Geografie des Erdölmarkts Im Gegensatz zu vielen anderen Gütern sind Ressourcenvorkommen bezüglich ihres geografischen Vorkommens von der Natur vorgegeben. Zudem spielen Staaten bei der Ausbeutung von Vorkommen eine entscheidende Rolle, da sie Abbaukonzessionen erteilen oder die Ressourcen gleich selbst über staatlich kontrollierte Unternehmen abbauen. 2 Deshalb unterscheiden sich viele Ressourcenmärkte von Märkten für «normale» Güter. Informieren Sie sich im Internet über die Struktur des globalen Erdölmarkts. Wer sind die wichtigsten Produzenten von Erdöl? Wer sind die grössten Nachfrager (Länder, Wirtschaftsräume) nach Erdöl? Produzenten Verbraucher 2 Die zehn grössten Öl- und Gasfirmen, gemessen an den nachgewiesenen Reserven, befinden sich in Staatsbesitz. (Big Oil s bigger brothers, The Economist, 29. Oktober 2011.) 10 11
Aufgabe 6: Fracking Unkonventionelle Erdölvorkommen können unter anderem dank dem Fracking profitabel abgebaut werden. So hat Fracking dazu beigetragen, dass die USA ihre Erdölproduktion stark erhöhen konnten. Was sind die Nachteile von Fracking? 11 11