Schmerz (Analgetika) IASP, Subcommittee on Taxonomy, 1979 (International Association for the Study of Pain)

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Transkript:

Schmerz (Analgetika) Schmerz = "ein unangenehmes heftiges Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächlichen oder möglichen Gewebeschäden verbunden ist oder in solchen Kategorien beschrieben wird" IASP, Subcommittee on Taxonomy, 1979 (International Association for the Study of Pain)

"Normaler" und zu behandelnder Schmerz Physiologischer Schmerz nozizeptiver Schmerz: Aktivierung von C und A Fasern verursacht durch realen oder potentiellen Gewebeschaden bewirkt protektive(s) Reflexe oder Verhalten Entfernung von der Noxe oder Schutz des betroffenen Körperteils Pathologischer Schmerz Schmerz der länger anhält als für Schutzreflexe nötig Nozizeptiver Schmerz (z.b. andauernder Gewebeschaden) Neuropathischer Schmerz (Schmerz verursacht durch Schäden des peripheren oder zentralen Nervensystems)

Pharmakologische Ansatzpukte in der Schmerztherapie Noxe Botenstoffe (z.b. PG) Nerven Nozizeptor Rückenmark Gehirn Kausale Therapie NSAR Opioide Lokalanästhetika, Antiepileptika Opioide, NSAR Opioide, Nicht-Opioid- Analgetika, Psychopharmaka

Nicht-Opioid-Analgetika Nicht-Steroidale Antiphlogistika (NSAR) Salicylate: ASS Essigsäure-Der.: Diclofenac Propionsäure-Der.: Ibuprofen (selektive COX-2 Hemmer) Nicht-Antiphlogistika Nicht saure Antipyretika Anilin-Der.: Phenazon-Der.: Metamizol Paracetamol Sonstige Nefopam Flupirtin analgetisch antipyretisch antiphlogistisch/antirheumatisch

Prostaglandin Biosynthese NSAR Prostaglandine G 2 /H 2 Prostaglandin D 2, I 2 2 Im entzündeten Gewebe (hauptsächlich PGE 2 ): Sensibilisierung der Nozizeptoren sensibler Neurone gegenüber Schmerzmediatoren Fieber

Unerwünschte NSAR-Wirkungen Nierenfunktionsstörungen/-versagen (bei chronischem Gebrauch) Gastrointestinale Schädigung (Übelkeit, Sodbrennen) Zehnerregel bei Dauertherapie: 10% Ulcus, 1% kompliziert, 0,1% fatal Überempfindlichkeitsreaktionen (Analgetika-Asthma) (Plättchenaggregationshemmung)

Acetylsalicylsäure Präferentieller, irreversibler COX-Inhibitor Indikation: leichte bis mittlere Schmerzen, Migräne, Fiebersenkung, Blutverdünnung, Herzinfarktprophylaxe (niedrig dosiert) Kontraind.: Magen-Darm-Ulcera Asthma bronchiale schwere Nieren-/Leberinsuffizienz Schwangerschaft/Stillzeit Kinder und Jugendliche bis 12 Jahren Reye-Syndrom, bes. in Verbindung mit viralen Infekten Pharmakokinetik: Resorption >95% im Magen, schnelle Hydrolyse zu Salicylsäure BV 100% als Salicylsäure (reversibler, kompetitiver COX-Inhibitor)

Ibuprofen Reversibler kompetitiver COX-Inhibitor Indikation: mittlere bis starke Schmerzen Pharmakokinetik: Resorption 100% im Dünndarm; BV 80-100%. Hepatische Hydroxylierung, hauptsächlich renale Elimination UAW: siehe Folie Unerwünschte NSAR-Wirkungen Dosisreduktion bei Leber-/Nierenfunktionsstörungen

Diclofenac Reversibler kompetitiver COX-Inhibitor Indikation: akute und chronische Entzündungen und Schmerzen, Fieber Pharmakokinetik: Resorption >95% im Dünndarm; ausgeprägter First-Pass- Metabolismus -> BV30-80%. Hepatische Hydroxylierung, t 1/2 1,5 h. UAW: siehe Folie Unerwünschte NSAR-Wirkungen bei i.v.gabe -> anaphylaktischer Schock möglich

Paracetamol Genauer Wirkmechanismus? Indikation: leichte bis mittlere Schmerzen, Fieber Analgetikum der 1. Wahl bei Kindern, Schwangeren, Stillenden Pharmakokinetik: BV 65-90%, t 1/2 2h, hepatische Konjugation zu inaktiven Metaboliten (Glucuronsäure (55%)-, Schwefelsäure (30%)-konjugate); geringe Umwandlung durch Cyt-P450

Paracetamol Intoxikation bei Überdosierung: Leberschädigung Dosen von mehr als 10g oral können bei Erwachsenen tödlich sein Akute Vergiftung in ersten 24h unauffällig: vorübergehende Übelkeit, Leibschmerzen, gelegentlich Erbrechen Antidot: N-Acetylcystein, innerhalb 6-8h nach Einnahme Kontraindikationen: Genetischer Mangel an Glu6P-DH, schwere Leber-/Nierenschäden verstärkte Hepatoxizität bei chronischem Alkoholismus

Metamizol Wirkmechanismus: passiert Blut/Hirnschranke -> zentrale Wirkung Indikation: Viszerale Schmerzen, Koliken (spasmolytisch!), auch post-op, -Verletzungen, Tumorschmerz Pharmakokinetik: BV >90%, rasche Metabolisierung zu z.t. aktiven Metaboliten, renal eliminiert, t 1/2 ca. 4h UAW: Blutdruckabfall, Schock bei schneller i.v. Gabe Agranulozytose (Häufigkeit in ethnischen Gruppen?)

Kopfschmerzen Primäre Kopfschmerzen am häufigsten vom Spannungstyp oder Migräne überwiegend Selbstmedikation mit rezeptfreien Analgetika 80% der Spannungskopfschmerz- und 2/3 der Migränepatienten = keine ärztliche Konsultation! Sekundäre Kopfschmerzen z.b. HWS-Trauma / Gefäßstörungen / Tumor Neuralgien

-pulsierend, pochend -beginnen oft morgens -Dauer: 4-72h < 2h Höhepunkt -Lichtscheu -Geräuschempfindlichkeit -Geruchsempfindlichkeit Migräne mit/ohne Aura

Stufenplan: Migräne zuerst Analgetikum evtl. + Antiemetikum ASS/Paracetamol/Ibuprofen + Domperidon/Metoclopramid nicht ausreichend wirksam Triptan evtl. + Antiemetikum Sumatriptan

Medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln / Migränemitteln Gipfel: 40.-50. Lebensjahr (10 Jahre häufige Einnahme + 5-10 Jahre Ausprägung des Vollbildes) Tägliche Kopfschmerzen! Einnahme von Schmerz-, Migränemittel täglich oder jeden 2. Tag! Größere Gefahr bei Mischpräparaten (Koffein)! Therapie: Medikamenten-Entzug (ambulant, stationär) Nachbetreuung

Spannungskopfschmerz akut Paracetamol / Ibuprofen / ASS / Metamizol (Triptane = wirkungslos!) chronisch Trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin) (SSRI = wirkungslos!)