Masarykova univerzita Filozofická fakulta. Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky. Magisterská diplomová práce

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Transkript:

Masarykova univerzita Filozofická fakulta Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky Magisterská diplomová práce 2015 Bc. Martina Blažková 1

Masarykova univerzita Filozofická fakulta Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky Německý jazyk a literatura Deutsche versus tschechische Phraseologismen im Film: Die Hochzeitsreise des Uhrmachers durch das Korallenmeer Magisterská diplomová práce Vedoucí práce: Mgr. Vlastimil Brom, Ph.D. 2015 2

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig bearbeitet habe und dass die verwendete Literatur bzw. verwendeten Quellen von mir in nachprüfbarer Weise zitiert worden sind. Brünn, 27. April 2015.. Unterschrift 3

Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Herrn Mgr. Vlastimil Brom, Ph.D. für seine wertvollen Ratschläge, Geduld und Zeit bedanken, die mir bei der Verfassung dieser Arbeit sehr behilflich waren. Ich möchte auch bei Frau Mgr. Milada Bobková, Ph.D., für ihre Hilfe und Ratschläge bedanken. 4

Inhaltverzeichnis Einleitung... 7 Theoretischer Teil... 9 1 Phraseologismen allgemein... 9 1.1 Zur Terminologie der Phraseologismen im Hinblick auf die Idiomatisierung... 10 2 Quellenbereiche und bedeutende historische Traditionen der Phraseologismen... 11 2.1 Phraseologie in Welt und Umwelt... 13 3 Merkmale der Phraseologismen... 14 3.1 Idiomatizität... 14 3.2 Stabilität (Festigkeit)... 15 3.3 Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit... 16 3.4 Polylexikalität (Mehrgliedrigkeit)... 16 4 Kontrastive/konfrontative Phraseologie... 17 5 Semantische Besonderheiten von Phraseologismen... 19 5.1 Synonymie... 19 5.2 Antonymie... 19 5.3 Polysemie und Homonymie... 20 6 Klassifikation der Phraseologismen... 21 6.1 Feste Phrasen... 22 6.2 Topische Formeln... 23 6.3 Spezielle Klassen... 25 7 Strukturen von Phrasemen... 28 8 Modifikationen und Variationen... 30 8.1 Klassifikation von Modifikationen... 32 9 Die Phraseologie im kreativ-künstlerischen Text... 35 9.1 Verwendung von Phraseologismen im künstlerischen Text... 36 5

10 Übersetzungsmöglichkeiten von Phrasemen... 37 10.1 Übersetzungstypen... 37 10.2 Wortspiele... 38 10.2.1 Wortspiele als Übersetzungsproblem... 38 10.3 Kreativität bei der Übersetzung... 39 11 Übersetzungsgrundlagen... 40 11.1 Begriffe: Treue Äquivalenz... 40 11.2 Skopostheorie... 40 11.3 Translationsprozesse... 41 12 Praktischer Teil... 43 13 Analyse der im Film identifizierten Phraseologismen... 48 14 Zusammenfassung... 74 15 Abkürzungsverzeichnis... 76 16 Quellenverzeichnis... 77 6

Einleitung Möchten Sie ein Harmonium? Dies ist einer der meist exponierten Sprüche des Filmes Die Hochzeitsreise des Uhrmachers durch das Korallenmeer von Tomáš Svoboda, wo zwei alte Männer hin und her gehen und das Harmonium ständig anbieten. Ich habe mich dazu entschieden, meine Diplomarbeit der Thematik der Phraseologismen zu widmen, insbesondere ihrer Rolle im Film, den zwischensprachlichen Parallelen und Übersetzungsmöglichkeiten. Ich möchte dabei die Phraseologismen, Wortspiele und Sprichwörter im Film Hodinářova svatební cesta korálovým mořem (Die Hochzeitsreise des Uhrmachers durch das Korallenmeer) von Tomáš Svoboda aufsuchen und die tschechischen Phraseologismen ins Deutsche übersetzen und kommentieren. Meine Arbeit wird aus zwei Teilen bestehen. Im ersten Teil werde ich mich mit der Theorie beschäftigen und werde mich mit den grundlegenden Termini der Phraseologieforschung sowie der Übersetzungswissenschaft befassen, wie z.b. Idiomatizität, Stabilität, Polylexikalität, Synonyme, Antonyme, Homonymie, Polysemie oder Skopostheorie. Ich werde auch die Klassifikation vorstellen und nicht zuletzt werde ich über den Übersetzungsmöglichkeiten und Übersetzungsgrundlagen von Phrasemen schreiben. Im zweiten praktischen Teil der Arbeit wird der Film in den Vordergrund gestellt. In die allgemeine Charakteristik werde ich neben den maßgeblichen Daten über die Autoren, Schauspieler, die Stoffe u.a. auch die Wertungen beim Publikum berücksichtigen. Dann werde ich diesen Film im Hinblick auf die behandelte Thematik analysieren, wobei auch die tschechischen Phraseologismen ins Deutsche übersetzt werden. Warum habe ich eigentlich dieses Thema aufgesucht? Ich finde die Phraseologie eine der interessantesten Disziplinen der Linguistik und deshalb wollte ich mich gerade der deutschen Phraseologie widmen. Bei dem Recherchieren, was genau ich bearbeiten werde, habe ich festgestellt, dass sich bisher nur relativ wenige Arbeiten auf den Filmbereich konzentrieren. 1 Den konkreten Film habe ich ausgewählt, weil da die Phraseologismen reichlich belegt sind und zugleich eine nahezu zentrale Rolle spielen. Bei der Exzerption und Analyse werden alle identifizierten Phraseologismen erfasst. 1 Vgl. z.b. die folgende Hausarbeit zur Thema: FISCHER, Tim NEHM, Kathrin: Phraseologismen in Spielfilmen und auf Filmplakaten. Eine empirische Untersuchung anhand ausgewählter Beispiele (Hausarbeit). 2006. Online: http://www.phil.uni-hannover.de/fileadmin/linguisticcorner/pdf/phraseologismen_in_spielfilmen_und_auf_filmplakaten.pdf. [23. 4. 2015]. 7

Vor allem möchte ich auf die Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten der deutschen und der tschechischen Phraseologismen eingehen. 8

Theoretischer Teil 1 Phraseologismen allgemein Die Phraseologismen stellen unbestritten eine wichtige Rolle bei der sprachlichen Gestaltung der Texte dar. Ihre fuktional-stilistischen Eigenschaften werden u.a. zur Expressivitätssteigerung benutzt. 2 Die Phraseologie ist ein ziemlich komplexes sprachliches und kulturelles Phänomen. Sie wird als eine selbständige linguistische Disziplin der Linguistik betrachtet. Man kann die Phraseologismen von verschiedenen Betrachtungsweisen charakterisieren. Die bedeutendste Rolle spielt zunächst die Definition des Begriffs und die Klassifikation der Phraseologismen. 3 Nach Palm ist die Phraseologie die Wissenschaft oder Lehre von den festen Wortverbindungen einer Sprache, die in System und Satz Funktion und Bedeutung einzelner Wörter (Lexeme) übernehmen können. 4 Diese Lehre hat sich in der deutschen Linguistik erst in den 70er Jahren des 20. Jh. etabliert. 5 Phraseologismen bestehen erstens aus mehr als einem Wort, zweitens die Wörter sind nicht für dieses eine Mal zusammengestellt, sondern es handelt sich um Kombinationen von Wörtern, die den Muttersprachlern genau in dieser Kombination (eventuell mit Varianten) bekannt sind. Die lexikalischen Bestandteile nennt man Komponenten. Äquivalente Ausdrücke zum Begriff Phraseologismus stellen die Termini feste Wortverbindung und phraseologische Wortverbindung dar. Der Gegenbegriff dazu ist freie Wortverbindung. 6 Die Phraseologismen sind ein Mittel zur Erweiterung des Wortschatzes, zur Benennung (Nomination) und Verarbeitung der Welt in der menschlichen Sprachtätigkeit. Was vorzugsweise durch Phraseologismen verarbeitet wird, sind mentale Größen, wie 2 Vgl. SAAVEDROVÁ, Jiřina. Zu stilistischen und textbildenden Aspekten der Phraseologismen in publizistischen Textsorten. Brünn, 1992. S. 27. Online: http://digilib.phil.muni.cz/bitstream/handle/11222.digilib/105260/1_brunnerbeitratgegermanistiknordist ik_08-1992-1_4.pdf?sequence=1. [18. 4. 2015]. 3 Vgl. MALÁ, Jiřina. Böhmische Dörfer-Španělská vesnice Einige Aspekte der kontrastiven Phraseologie (Deutsch-Tschechisch) in Wörterbüchern und Texten. Brünn, 2000. S. 77. Online: http://digilib.phil.muni.cz/bitstream/handle/11222.digilib/106034/1_brunnerbeitratgegermanistiknordist ik_14-2000-1_7.pdf?sequence=1. [18. 4. 2015]. 4 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 1. 5 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 11. 6 Vgl. Ebd. S. 11. 9

Emotionen, Einstellungen, (negative) Verhaltensweisen, man spricht deshalb vom mentalen Lexikon einer Sprache im Zusammenhang mit der Phraseologie. 7 1.1 Zur Terminologie der Phraseologismen im Hinblick auf die Idiomatisierung Der Ausdruck Idiom erscheint seit Ende des 17. Jahrhunderts zunächst in der Bedeutung eigentümliche Mundart im Deutschen und wird auch heute noch im Sinne von Dialekt, Mundart, Idiolekt, individuell abweichende Sprechweise verwendet. Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts benutzen es deutschsprachige Phraseologen auch für polylexikale Verbindungen. Idiom ist der international gebräuchlichere Terminus. Durch diese Bezeichnung wird das Merkmal der Idiomatizität betont, allerdings werden meist neben idiomatischen auch nicht idiomatische Verbindungen unter diesem Terminus subsummiert. 8 Nach Burger ist Idiom der gegenwärtig geläufigste Terminus für die idiomatischen Wortverbindungen. Er schlägt für diejenigen Phraseologismen, die in semantischer Hinsicht als Teil-idiomatisch aufzufassen sind, den Terminus Teil-Idiome vor. 9 Bei den nicht- bzw. schwach idiomatischen Phraseologismen existiert eine ganze Reihe von Termini, mit denen unterschiedliche Unter-Klassen bezeichnet werden. Burger verwendet den Terminus Kollokation für den ganzen Bereich der nicht- bzw. schwachidiomatischen Phraseologismen. 10 Damit ergibt sich die folgende Subklassifikation: 11 Nominative Phraseologismen Kollokationen Teil-Idiome Idiome 7 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 1. 8 Vgl. DONALIES, Elke: Basiswissen Deutsche Phraseologie. Tübingen, 2009, S. 31. 9 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 38. 10 Vgl. Ebd. S. 38. 11 Vgl. Ebd. S. 38. 10

2 Quellenbereiche und bedeutende historische Traditionen der Phraseologismen Manche bis heute tw. gebräuchliche Phraseologismen kommen aus der griechischen und aus der römischen Antike, der Bibel, sowohl aus dem katholischen Mittelalter und aus der Sprache der Reformationszeit. Diese Idiome sind heute oft als bildungssprachlich, veraltend veraltet und gehoben konnotiert, aber ständig betrachtet man sie als lebendige Idiome. 12 Beispiele: herbeiführen 16 Römisch-lateinische Provenienz: ad hoc 13 = für den Augenblick gemacht; sofort; kurzfristig 14 tabula rasa 15 = komplett von vorne beginnen; einen Neuanfang pro forma 17 = offiziell; zum Schein; um der Form zu genügen 18 Stoffe der antiken griechischen Mythologie u.a.: die Büchse der Pandora 19 = etwas Übles/Unheil Bringendes 20 homerisches Gelächter 21 = laut schallendes, nicht endendes Lachen 22 den Augiasstall ausmisten 23 = eine durch Schlamperei oder Nachlässigkeit entstandene große Unordnung mit Mühe beseitigen; die Ordnung wiederherstellen 24 12 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 13 Vgl. Ebd. S. 37. 14 Redensarten-index.de Stichwort: ad hoc. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=ad+hoc&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou&suchspalte[] =rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 15 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 16 Redensarten-index.de Stichwort: tabula rasa. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=tabula+rasa&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou&suchspa lte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 17 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 18 Redensarten-index.de Stichwort: pro forma. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=pro+forma&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou&suchspal te[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 19 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 20 Redensarten-index.de Stichwort: die Büchse der Pandora. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=die+b%c3%bcchse+der+pandora&bool=relevanz&gawoe=an&suchsp alte[]=rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 21 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 22 Redensarten-index.de Stichwort: homerisches Gelächter. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=homerisches+gel%c3%a4chter&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalt e[]=rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 23 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 24 Redensarten-index.de Stichwort: den Augiasstall ausmisten. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=den+augiasstall+ausmisten&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=r art_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 11

Biblische Phraseologismen: alt wie Methusalem 25 = sehr alt 26 von Pontius zu Pilatus laufen/rennen 27 = umständlich an verschiedenen Orten etwas suchen/erledigen; mit einem Anliegen langwierig von einer Stelle zur anderen laufen 28 Sodom und Gomorrha 29 = voller Sünden; unmoralisch 30 Aus dem Französischen: Noblesse oblige! 31 = Adel verpflichtet (edel zu handeln) 32 jemandem Avancen machen 33 = jemandem entgegenkommen, um ihn für sich zu gewinnen; jemandem sein Interesse an einer Beziehung mit ihm deutlich erkennen lassen 34 peu à peu 35 = allmählich; nach und nach; sukzessive; schrittweise; Stück für Stück 36 Aus dem Englischen: ein Faß aufmachen 37 = 1. ausgelassen feiern; 2. etwas zur Sprache bringen; etwas Neues einführen; etwas in Erscheinung treten lassen; etwas ins Rollen Bringen; viel Aufhebens machen; für Aufregung sorgen 38 25 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 26 Redensarten-index.de Stichwort: alt wie Methusalem. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=alt+wie+methusalem&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou &suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 27 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 28 Redensarten-index.de Stichwort: von Pontius zu Pilatus laufen/rennen. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=von+pontius+zu+pilatus+laufen%2frennen&bool=relevanz&gawoe=an &suchspalte[]=rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 29 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 37. 30 Redensarten-index.de Stichwort: Sodom und Gomorrha. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=sodom+und+gomorrha&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 31 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 38. 32 Redensarten-index.de Stichwort: Noblesse oblige! Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=noblesse+oblige!+&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou& suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 33 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 38. 34 Redensarten-index.de Stichwort: jemandem Avancen machen. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=jemandem+avancen+machen&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[] =rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 35 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 38. 36 Redensarten-index.de Stichwort: peu à peu. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=peu+%c3%a0+peu+&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou &suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 12

2.1 Phraseologie in Welt und Umwelt Bereits in einer knappen Aufzählung kann man illustrieren, wie die Phraseologie abwechslungsreich ist und welche Bereiche die Phraseologie umfasst. Es drücken sich die wichtigsten Naturerscheinungen und die Freunde und Feinde, (Haus-)Tiere, Körperteile und Organe und die soziale Umwelt, wie Wirtschaft, Gewerbe und Handel, Technik, Gebrauchs- und Kunstgegenstände und das Hauswesen in der Idiomatik aus. 39 Christine Palm sagt, dass die Herkunftsbereiche der Bilder und Metaphern in der Idiomatik darüber informieren, welche Umwelt- und Welterscheinungen dem Menschen am nächsten sind, aus welchen Erfahrungen und Vorstellungen man schöpft, wenn die Welt versprachlicht werden muss. 40 37 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 38. 38 Redensarten-index.de Stichwort: ein Faß aufmachen. Online: URL http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=ein+fa%c3%9f+aufmachen&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]= rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [9. 4. 2015]. 39 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 38. 40 Vgl. Ebd. S. 38. 13

3 Merkmale der Phraseologismen In der Fachliteratur tauchen i.d.r. vier Kriterien bzw. Merkmale auf, nach denen man erkennen kann, ob es sich bei gegebenen Wendungen entweder um ein Phrasem oder um seine Variation/Modifikation handelt. Diese Merkmale nennt man: Idiomatizität, Stabilität, Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit, Polylexikalität. 41 3.1 Idiomatizität Die Phraseologismen unterscheiden sich insbesondere durch zwei Hauptmerkmale von den nicht phraseologischen Formulierungen: Durch Idiomatizität und durch Stabilität. Das Merkmal der Idiomatizität drückt aus, dass die Bedeutung der phraseologischen Einheit an die Gesamtheit der Wortgruppe gebunden ist. 42 Eine Wortverbindung wird als idiomatisch angesehen, wenn die Summe der Bedeutungen der einzelnen Komponenten nicht der Gesamtbedeutung der Wortverbindung entspricht: ein alter Hase = ein erfahrener Fachmann. Die Idiomatizität wird auch als semantische Unzerlegbarkeit der festen Wendung, als Ganzheit der Benennung bezeichnet. 43 Es gibt unterschiedliche Grade der Idiomatizität. Man unterscheidet nach dem Grad der Idiomatizität nichtidiomatische (mit anderen Worten, gesammelte Werke), teilidiomatische (faule Ausrede) und vollidiomatische (bei jemandem einen Stein im Brett haben) Wortgruppenlexeme. Im Sprachgebrauch sind die Grenzen der Idiomatizität vage. 44 Falls sich ein Phrasem semantisch nicht aufgliedern lässt, d.h., dass beide Komponenten phraseologisch gebunden sind, wie Kohldampf schieben = Hunger haben, so spricht man von synthetischer Bedeutung, bzw. von vollidiomatischen Wendungen. 45 Als teilidiomatische Wendungen werden die Phraseme bezeichnet, die semantisch aufgliederbar sind, d.h., dass nur ein Teil phraseologisch gebunden ist. Z.B. eine Schraube ohne Ende = eine Angelegenheit ohne Ende. Die Komponenten 41 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 15. 42 Vgl. SAAVEDROVÁ, Jiřina. Zu stilistischen und textbildenden Aspekten der Phraseologismen in publizistischen Textsorten. Brünn, 1992. S. 27. Online: http://digilib.phil.muni.cz/bitstream/handle/11222.digilib/105260/1_brunnerbeitratgegermanistiknordist ik_08-1992-1_4.pdf?sequence=1. [18. 4. 2015]. 43 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 12. 44 Vgl. Ebd. S. 12. 45 Vgl. Ebd. S. 12. 14

Schraube, faul sind phraseologisch gebunden, sie sind der idiomatische Teil der Verbindung, während ohne Ende und Ausrede in ihrer freien Bedeutung auch im Phrasem erhalten sind. 46 Zu Phrasemen im weitesten Sinne werden auch nichtidiomatische Wendungen gezählt, wie z.b. hin und her, die stabil, lexikalisiert, reproduzierbar sind. Man bezeichnet sie auch als Nominationsstereotype. Ihre Stabilität besteht in lexikalischsemantischen Austausch- und syntaktisch-strukturellen Abwandlungsbeschränkungen (feste Reihenfolge der Komponenten: Freund und Leid). 47 Es lassen sich auch verschiedene Arten der Idiomatizität nach den zu Grunde liegenden Metaphorisierungsprozessen unterscheiden: durchsichtige Metaphorisierung: metaphorische Prozesse sind nachvollziehbar, z.b. jemandem den Kopf waschen = jemanden bestrafen undurchsichtige Metaphorisierung: nicht nachvollziehbar, z.b. in die Binsen gehen = etwas ist verloren. 48 3.2 Stabilität (Festigkeit) Das Merkmal der Stabilität liegt in der Tatsache, dass die Glieder der phraseologischen Einheiten nicht frei austauschbar sind. 49 Die syntaktische und die semantische Ebene sind in enger Verknüpfung. Während in einer freien syntaktischen Fügung die einzelnen Komponenten durchaus mithilfe von Synonymen ersetzbar sind, ist eine Austauschbarkeit bei Phrasemen meist nicht möglich. Man kann nicht zum Beispiel den Rahm abschöpfen durch die Sahne abschöpfen ersetzen. 50 Ein besonderes Phänomen stellen die sog. unikalen Komponenten dar, was die Wörter sind, die außerhalb der Wendung nicht mehr vorkommen. Als unikale Komponenten kommen vor: Substantive, z.b. Fersengeld geben = fliehen. Adjektive, 46 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 12. 47 Vgl. Ebd. S. 13. 48 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 12. 49 Vgl. SAAVEDROVÁ, Jiřina. Zu stilistischen und textbildenden Aspekten der Phraseologismen in publizistischen Textsorten. Brünn, 1992. S. 27. Online: http://digilib.phil.muni.cz/bitstream/handle/11222.digilib/105260/1_brunnerbeitratgegermanistiknordist ik_08-1992-1_4.pdf?sequence=1. [18. 4. 2015]. 50 VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 14. 15

z.b. vorstellig werden = sich mit einem Anliegen an jemanden wenden. Verben, z.b. es nicht wahrhaben wollen = es nicht einsetzen/zugeben wollen. 51 3.3 Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit Phraseme sind lexikalisiert und werden in Wörterbüchern gespeichert. Die syntaktischen Strukturen der festen Wendung werden als fertige sprachliche Einheiten reproduziert. Deshalb bezeichnet man sie auch als Wortgruppenlexeme, Paralexeme oder Phraseolexeme. 52 Die Reproduzierbarkeit bedeutet, dass Phraseme als Wortgruppeneinheiten im Prozess der Äußerung nicht immer neu gebildet werden. Diese Eigenschaft hängt eng mit den Kriterien der Idiomatizität und Stabilität zusammen. 53 3.4 Polylexikalität (Mehrgliedrigkeit) Polylexikalität bezeichnet die Eigenschaft der Wendungen, die aus mehreren Lexemen (mindestens zwei) bestehen, z.b. Tüten kleben = verhaftet sein; im Gefängnis sein. 54 51 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 14. 52 Vgl. Ebd. S. 15. 53 Vgl. Ebd. S. 15. 54 Vgl. Ebd. S. 143. 16

4 Kontrastive/konfrontative Phraseologie Die kontrastive Phraseologie stellt zwei oder mehrere Sprachen gegenüber und knüpft dabei an eine lange Tradition an, insbesondere in der russischen Phraseologieforschung. Innerhalb der letzten Jahrzehnte wurden auch die zusammenhängenden theoretischen Fragen ferner behandelt, um entsprechende kontrastive Modelle phraseologischer Systeme zu entwickeln. 55 In der Phraseologie existieren die Äquivalenzbeziehungen auf allen bedeutungstragenden Ebenen der Sprache. Deswegen gehören sie zu den Untersuchungsgegenständen von mehreren Bereichen der Sprachwissenschaft. 56 Die konfrontative Linguistik, die Sprachtypologie und die zwei- oder mehrsprachige Lexikografie unterscheiden zwischen Äquivalenzbezeichnungen auf der Ebene der Parole und der Ebene der Langue und untersuchen vorrangig die Äquivalenzbezeichnungen auf der Ebene der Langue. 57 Nach Vajičková sind die Übersetzungswissenschaft und Übersetzungspraxis vor allem an den Äquivalenzbeziehungen auf der Ebene Parole interessiert. Sie sagt dazu, dass auf der Ebene der Parole, des Textes Vieles als äquivalent bezeichnet werden kann, was auf der Ebene der Langue als nichtäquivalent gelten muss. 58 Es lassen sich zwei grundlegende Äquivalenztapen unterscheiden: die quantitative und die qualitative Äquivalenz. 59 Quantitative Äquivalenz: Monoäquivalenz wenn einem Phrasem in der Sprache A nur ein Phrasem in der Sprache B entspricht: auf der Hut sein (dt.) 60 = mať se na pozore (sl.) 61 Polyäquivalenz diese Relation entsteht bei Synonymenreihen: das Holz in den Wald tragen 62 = nosiť drevo do lesa/hory (sl.) 63 Nach qualitativen Merkmalen unterscheidet man: 55 Vgl. MALÁ, Jiřina. Phraseologie- Blütezeit einer linguistischen Disziplin (Eine Reise durch die Phraseolandschaft). Brünn, 2005. S. 68-69. Online: http://digilib.phil.muni.cz/bitstream/handle/11222.digilib/105852/1_brunnerbeitratgegermanistiknordist ik_19-2005-1_6.pdf?sequence=. [18. 4. 2015]. 56 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 118. 57 Ebd. S. 118. 58 Vgl. Ebd. S. 118. 59 Vgl. Ebd. S. 120. 60 Vgl. Ebd. S. 120. 61 Vgl. Im Tschechischen: Mít se na pozoru. 62 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 120. 63 Vgl. Im Tschechischen: Nosit dříví do lesa. 17

Volläquivalenz (vollständige Äquivalenz) Es handelt sich um weitgehende morphosyntaktische und lexisch-semantische Identität in der Quellen- und Zielsprache (Dt.-Tsch.), z.b. den Bock zum Gärtner machen = jemanden für eine Arbeit einsetzen, der nicht dazu geeignet ist. Teiläquivalenz (partielle Äquivalenz) Bei Teiläquivalenz gibt es nur kleinere morphosyntaktische und lexischsemantische Unterschiede. Z.B. jemandem den Floh ins Ohr setzen = nasadit brouka do hlavy. Nulläquivalenz es handelt sich um völlig fehlende Entsprechungen, wo in der Zielsprache ggf. eine Paraphrase eingesetzt werden muss. Z.B. jemanden auf den Arm nehmen = jemanden anführen. falsche Freunde formal fast identische Wendungen, die aber verschiedene Bedeutung haben, z.b. die Ohren steif halten = nastražit uši; den Mut nicht verlieren. 64 64 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 120. 18

5 Semantische Besonderheiten von Phraseologismen Phraseologismen weisen spezifische Eigenschaften auf, die sie von nicht phraseologischen Wortverbindungen und von Wörtern unterscheiden. 65 Diese Charakteristika gelten jedoch nicht für den ganzen Bereich der Phraseologie, sondern nur für die Teilbereiche. Innerhalb eines Teilbereichs können sie in stärkerem oder schwächerem Grade ausgeprägt sein. 66 Einige semantische Merkmale sind grundsätzlich vergleichbar mit Einwortlexemen. 5.1 Synonymie Mit dem Begriff Synonymie versteht man im gegebenen Rahmen i.d.r. die partielle Synonymie, d.h. eine Übereinstimmung der Hauptbedeutungsmerkmale (Seme) und Abweichungen in den peripheren Bedeutungsmerkmalen. 67 Die phraseologischen Wortgruppen bezeichnen vor allem menschliche Emotionen. Onomasiologisch gesehen ist hier eine reiche Synonymik zu beobachten, die bezeichneten Bereiche umfassen z.b. die Lässigkeit, Gleichgültigkeit, Ablehnung, Eigenlob, Drohung, Gewinnsucht, Tadel, Anbiederung usw. 68 Nach Burger sind mit Synonymie einfach fast bedeutungsgleiche Ausdrücke gemeint. 69 5.2 Antonymie Phraseologische Antonymie kann durch den Austausch nur einer Komponente zustandekommen. 70 Mögliche Weisen, wie die Antonymie entstehen kann: 71 durch Austausch nur einer Komponente, z.b. mit dem Strom schwimmen gegen den Strom schwimmen. 65 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 74. 66 Ebd. S. 74. 67 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 44. 68 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 49. 69 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 76. 70 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 51. 71 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 45. 19

Es ist nicht immer möglich, z.b. nicht alle Tassen im Schrank haben ( nur negativ) durch Negation oder Verneinung der Negation, z.b. mit sich reden lassen mit sich nicht reden lassen durch antonymische phraseologische Wortverbindungen, bei denen keine Komponentengleichheit vorhanden ist, z.b. ein hohes Tier ein kleiner Mann 72 5.3 Polysemie und Homonymie Nach Burger ist die Polysemie bei Phraseologismen weniger häufig als bei Einzelwörtern, wo die Polysemie eher die Regel als die Ausnahme ist. 73 jmdm. eins auf die Nase geben 1. jmdn. verprügeln, 2. jmdn. zurechtweisen Bei diesen Beispielen ist auffallend, dass die erste phraseologische Bedeutung eine Metapher oder Metonymie darstellt, so dass Polysemie sich als eine Art Abstufung der Metaphosierung darstellt, mit zunehmender Abstraktheit der Bedeutung. Man spricht hier von sekundärer Metaphorisierung. Dies gilt nur für metaphorische Phraseologismen. Anstelle des Begriffs Polysemie wurde der Begriff weite Bedeutung vorgeschlagen. 74 Wie Palm angibt, die Homonymie kommt im Bereich der Phraseme nur selten vor. 75 In der Arbeit von Palm steht in diesem Zusammenhang das Beispiel in die Röhre gucken angeführt = 1. leer ausgehen; übervorteilt werden; 2. fernsehen 76 72 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 45. 73 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 74. 74 Vgl. Ebd. S. 74. 75 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 59. 76 Vgl. Ebd. S. 59. 20

6 Klassifikation der Phraseologismen Am Anfang dieses Kapitels setze ich eine illustrative Übersicht von ausgewählten Phraseologismen unterschiedlicher Typen um zu zeigen, wie vielfältig diese sind. Beispiele Bedeutung sich einen ansäuseln (ugs.) sich leicht betrinken 77 einen Bogen um jemanden, etwas machen jemanden, etwas peinlich meiden 78 den Daumen senken; mit dem Daumen nach unten zeigen ablehnend reagieren; seiner Missbilligung Ausdruck geben 79 grüne Minna (ugs.) Transportwagen der Polizei für Gefängnisinsassen oder Festgenommene 80 an sich halten sich beherrschen, sich zusammennehmen 81 jemandem die Hucke voll hauen (ugs.) jemanden verprügeln 82 es gibt Mord und Totschlag (ugs.) es gibt heftigen Streit 83 eins auf die Nase bekommen/kriegen 1.Prügel bekommen; 2.zurechtgewiesen werden 84 Probieren geht über Studieren Praktische Erfahrungen sind besser als rein theoretische Erkenntnisse; man sollte einfach beginnen, ohne lange Vorüberlegungen anzustellen 85 auf dem Kriegsfuß mit jemandem/etwas stehen (ugs.) 1.mit jemandem Streit haben; 2.eine Sache nicht beherrschen 86 etwas aus sich machen sich entfalten, sich öffentlich zur Wirkung bringen 87 ein Ritt über den Bodensee ein sehr waghalsiges Unternehmen 88 77 DUDEN Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Mannheim; Wien; Leipzig; Zürich, 2002. S. 49. 78 Ebd. S. 134. 79 Ebd. S. 158. 80 Ebd. S. 298. 81 Ebd. S. 316. 82 Ebd. S. 374. 83 Ebd. S. 520. 84 Ebd. S. 539. 85 Ebd. S. 590. 86 MÜLLER, Klaus: Lexikon der Redensarten Herkunft und Bedeutung deutscher Redewendungen. München, 2005. S. 344. 87 Ebd. S. 392. 21

jemandes gutes Recht sein jemandem zustehen 89 sonst noch was! (ugs.) das ist eine unverschämte Zumutung! das kommt nicht in Frage! 90 Scherben bringen Glück scherzhaft tröstender Kommentar, wenn jemandem Glas, Porzellan o.ä. entzweigegangen ist 91 offene Türen einrennen etwas schon Bewilligtes zu erreichen suchen; Sinnlosigkeit 92 Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie die Gesamtheit der Phraseologismen in Gruppen eingeteilt werden könnte. Burger entwirft die folgende Klassifikation der Phraseologismen: 6.1 Feste Phrasen Es sind satzwertige Formulierungen, die explizit an den Kontext angeschlossen sind, entweder durch verfestigte Komponenten oder durch ad hoc formulierte Elemente. 93 (a) das schlägt dem Fass den Boden aus = jetzt ist es aber genug, mehr kann man sich nicht gefallen lassen; das ist der Gipfel das ist ja die Höhe! = das ist unglaublich, kaum zu überbieten, frech Ausdrücke dieser Art beziehen sich auf die Situation oder den vorhergehenden Gesprächsbeitrag des Gesprächspartners. Sie umfassen zwar einen ganzen Satz, sind aber durch deiktische/anaphorische Elemente (wie das) auf die Situation bzw. den Kontext bezogen. (b) 88 MÜLLER, Klaus: Lexikon der Redensarten Herkunft und Bedeutung deutscher Redewendungen. München, 2005. S. 488. 89 Vgl. DUDEN Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Mannheim; Wien; Leipzig; Zürich, 2002. S. 608. 90 Ebd. S. 560. 91 DUDEN Redewendungen: Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Mannheim; Wien; Leipzig; Zürich, 2002. S. 658. 92 MÜLLER, Klaus: Lexikon der Redensarten Herkunft und Bedeutung deutscher Redewendungen. München, 2005. S. 624. 93 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 39. (Die in diesem Abschnitt angeführten Beispiele werden ebenfalls nach dieser Veröffentlichung von Burger zitiert). 22

du kannst dir die Knochen nummerieren lassen (derb; Drohung) = jmdn. heftig zu verprügeln dreimal darfst du raten (iron.) = es liegt auf der Hand, wer oder was gemeint ist ihr habt zu Hause wohl Säcke an den Türen? (Aufforderung) = die Tür zu schließen In dialogischer Kommunikation wird/werden mit Ausdrücken dieser Art der Adressat/die Adressaten mit den Pronomina der 2. Person direkt angesprochen. Der Sprecher kommentiert (meistens kritisch) eine Handlung des Hörers oder versucht den Hörer zu einer Handlung zu veranlassen. (c) das Maß ist voll = die Geduld ist zu Ende; es ist genug das Eis ist gebrochen = die Stimmung hat sich gelockert, die ersten Hemmungen sind beseitigt Diese Sätze werden durch Partikeln, Adverbiale usw. unauffällig in den jeweiligen Kontext eingefügt. (d) jmds. Thron wackelt = jmds. einflussreiche, führende Stellung ist bedroht jmds. Aktien steigen = jmds. Aussichten auf Erfolg werden besser Die innere Struktur umfasst in allen Fällen Subjekt und finites Verb. 6.2 Topische Formeln Dieser Terminus stammt aus der antiken Rhetorik und es sollen damit satzwertige Formulierungen erfasst werden, die durch kein lexikalisches Element an den Kontext angeschlossen werden müssen. Sie bilden generalisierende Aussagen, die auch ohne Verankerung in einem spezifischen Kontext, einer spezifischen Situation verständlich sind. Es sind zwei Hauptgruppen zu unterscheiden: 94 (a) Sprichwörter Sprichwörter bilden eine sehr große Gruppe der Phraseologismen. Die Blütezeit des Sprichwortes war im 15.-16. Jahrhundert, heute entstehen kaum neue. 95 94 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 41. 95 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 37. 23

Nach Palm sind Sprichwörter eigentlich keine Phraseme, keine Wortschatzeinheiten, ihre Festgeprägtheit und Interpretierbarkeit erlauben es jedoch, dass wir sie zur Phraseologie zählen. 96 Sprichwörter sind in sich geschlossene Sätze, die durch kein lexikalisches Element an den Kontext angeschlossen werden müssen. 97 Die Erforschung des Sprichworts hat eine lange Tradition, diese Fachdisziplin wird als Parömiologie bezeichnet. 98 Die Sprichwörter stellen selbständige Mikrotexte dar, was aus der Perspektive der Sprachproduktion bedeutet: Sie werden als Einheiten abgerufen und benötigen keine textlinguistische Anpassung an einen Kontext. Aus der Perspektive der Rezeption bedeutet es: Sie können kontextfrei verstanden werden. 99 Sprichwörter erfüllen die Grundmerkmale des Phraseologismus, daraus ist erkennbar, dass Sprichwörter zur Phraseologie zu rechnen sind: sie sind polylexikalisch (in gewissen Grenzen) fest und in unterschiedlichem Grade idiomatisch. 100 Häufig sind Sprichwörter durch rhetorische Merkmale gekennzeichnet, wie Reim oder Parallelismus: 101 Sich regen bringt Segen 102 = Viel Bewegung ist gesund; Engagement ist wichtig; wer viel arbeitet, bekommt auch viel 103 Kommt Zeit, kommt Rat! 104 = Im Laufe der Zeit wird sich schon eine Lösung finden; Man sollte zur Lösung eines Problems erst mal abwarten/sich Zeit nehmen 105 Eng verwandt mit den Sprichwörter sind die Gemeinplätze (siehe unten). jemandem Brei um den Mund schmieren 106 = jemandem schmeicheln 107 96 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 2. 97 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 106. 98 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 2. 99 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 106. 100 Vgl. Ebd. S. 107. 101 Vgl. Ebd. S. 109. 102 Ebd. S. 109. 103 Redensarten-index.de Stichwort: sich regen bringt Segen. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=sich+regen+bringt+segen.&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=ra rt_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 104 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 109. 105 Redensarten-index.de Stichwort: Kommt Zeit, kommt Rat! Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=kommt+zeit%2c+kommt+rat&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte []=rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 24

(b) Gemeinplätze Was man hat, das hat man 108 = sagt man, wenn man mit dem zufrieden ist, was man hat 109 Sprichwörter und Gemeinplätze werden meistens durch ein semantisches Kriterium voneinander abgegrenzt: Gemeinplätze formulieren keine neuen Einsichten, sondern Selbstverständlichkeiten. 110 6.3 Spezielle Klassen In diesem Kapitel möchte ich die folgenden Phänomene erwähnen: Zwillingsformeln, komparative Phraseologismen, Kinegramme, Geflügelte Worte und phraseologische Termini. a. Zwillingsformeln Im Unterschied zum Tschechischen sind die Zwillingsformeln (auch Paarformeln genannt) in der deutschen Phraseologie relativ häufig. 111 Sie sind nach einem einheitlichen Muster gebildet: Zwei Wörter der gleichen Wortart oder auch zweimal dasselbe Wort werden mit und, einer anderen Konjunktion oder einer Präposition zu einer paarigen Formel verbunden. 112 Die Komponenten sind semantisch verwandte Wörter, wie Synonyme, Antonyme oder in anderer Weise durch die Übereinstimmung semantischer Merkmale charakterisiert. 113 klipp und klar 114 = deutlich; ausdrücklich; klar 115 106 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 109. 107 Redensarten-index.de Stichwort: jemandem Brei um den Mund schmieren. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=jemandem+brei+um+den+mund+schmieren&bool=relevanz&gawoe=a n&suchspalte[]=rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 108 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 41. 109 Redensarten-index.de Stichwort: was man hat, das hat man. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=was+man+hat%2c+das+hat+man&bool=relevanz&gawoe=an&suchspa lte[]=rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 110 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 41. 111 Vgl. Ebd. S. 44. 112 Vgl. Ebd. S. 45. 113 Vgl. FLEISCHER, Wolfgang. Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache, 1982. S. 112. 114 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 45. 115 Redensarten-index.de Stichwort: klipp und klar. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=klipp+und+klar&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou&suc hspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 25

Schulter an Schulter 116 = eng verbunden; solidarisch; gemeinsam 117 Die Zwillingsformeln bilden eine markante Gruppe von Phraseologismen. Sie zeichnen sich auch durch spezifische rhetorische Merkmale aus, v.a. durch den Stabreim (frank und frei, fix und fertig, klipp und klar). 118 b. Komparative Phraseologismen Komparative Phraseologismen werden auch als phraseologische Vergleiche genannt. Sie enthalten einen festen Vergleich, der häufig der Verstärkung eines Verbs oder Adjektivs dient, die selbst in ihrer freien Bedeutung verwendet sind: 119 frieren wie ein Schneider 120 = sehr frieren 121 dumm wie Bohnenstroh 122 = sehr dumm 123 flink wie ein Wiesel 124 = schnell sein 125 c. Kinegramme Mit Kinegrammen wird konventionalisiertes nonverbales Verhalten sprachlich gefasst und kodiert: 126 die Achseln zucken 127 = Ratlosigkeit 128 116 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 45. 117 Redensarten-index.de Stichwort: Schulter an Schulter. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=schulter+an+schulter+&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 118 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 44. 119 Vgl. Ebd. S. 46. 120 Ebd. S. 46. 121 Redensarten-index.de Stichwort: frieren wie ein Schneider. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=frieren+wie+ein+schneider&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=r art_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 122 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 46. 123 Redensarten-index.de Stichwort: dumm wie Bohnenstroh. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=dumm+wie+bohnenstroh&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart _ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 124 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 46. 125 Redensarten-index.de Stichwort: flink wie ein Wiesel. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=flink+wie+ein+wiesel&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_o u&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 126 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 47. 127 Ebd. S. 47. 128 Redensarten-index.de Stichwort: die Achseln zucken. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=die+achseln+zucken&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[]=rart_ou &suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 26

stammen. 132 Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage (ein geflügeltes Wort im die Nase rümpfen (über etw.) 129 = verächtliche Geste; sich ekeln; seinen Unwillen zum Ausdruck bringen; angewiedert sein; mit etwas auf überhebliche Weise unzufrieden sein; hochmütig sein 130 Sog. Pseudo-Kinegramm liegt vor, wenn das mit dem Phraseologismus bezeichnete nonverbale Verhalten heute nicht mehr praktiziert wird und daher nur noch die phraseologische Bedeutungsebene erhalten geblieben ist. Ein Beispiel dazu ist die Hände über dem Kopf zusammenschlagen (Duden 11 über etwas entsetzt sein) 131 d. Geflügelte Worte Nach der Konzeption Georg Büchmanns handelt es sich um literarisch belegbare, allgemein geläufige Redensarten. Die Beschränkung auf literarisch belegbare Ausdrücke ist heute nicht mehr aktuell. Als geflügelte Worte gelten auch solche Wendungen, die aus Werbung, Filmen und anderen nicht literarischen Bereichen klassischen Sinne) Nicht immer, aber immer öfter (ein modernes Geflügeltes Wort aus der Werbesprache) 133 e. Phraseologische Termini Die Wendungen dieses Typs funktionieren genauso wie jeder (Wort-)Terminus. Sie sind also in ihrer Bedeutung strikt festgelegt, und diese Festlegung gilt primär nur innerhalb des fachlichen Subsystems der Sprache; manchmal werden diese nicht zur Phraseologie gerechnet. 134 rechtliches Gehör in Konkurs gehen 135 129 BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 47. 130 Redensarten-index.de Stichwort: die Nase rümpfen. Online: http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=die+nase+r%c3%bcmpfen+&bool=relevanz&gawoe=an&suchspalte[] =rart_ou&suchspalte[]=rart_varianten_ou. [14. 4. 2015]. 131 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 47-48. 132 Vgl. Ebd. S. 48. 133 Ebd. S. 48. 134 Vgl. Ebd. S. 49. 135 Ebd. S. 49. 27

7 Strukturen von Phrasemen In diesem Kapitel stelle ich einen Überblick über die Strukturen von Phraseologismen vor. Phraseme lassen sich in zwei Strukturtypen gliedern: 136 Satzteilphraseme Satzphraseme Satzteilphraseme sind Verbindungen wir Schwarzer Humor. Wie alle Satzteile bleiben sie in Texten als Einheiten zusammen und werden in Sätze eingegliedert. Sie haben eine bestimmte Funktion innerhalb eines Satzes beziehungsweise Textes. In der Phraseologie werden sie als wortäquivalent eingestuft, insofern sie die gleiche grammatische Funktion wahrnehmen können wie Wörter. 137 Satzteilphraseme lassen sich gliedern in Substantiv-, Adjektiv-, sowie Verbphraseme und ferner Phraseme anderer Wortarten. Diese vier Gruppen gliedern sich nach morphosyntaktischen Kriterien in weitere Untergruppen. 138 Substantivphraseme, und zwar vor allem Phraseme mit Adjektivattribut: Schwarzer Humor = Humor, der auf eigentlich schrecklichen Dingen basiert Phraseme mit Genitivstruktur: sich in die Höhle des Löwen begeben/wagen; in die Höhle des Löwen gehen = mutig die Auseinandersetzung mit dem Gegner suchen Phraseme mit Präpositionalstruktur: mit Zitronen handeln = keinen Erfolg haben Mehrlingsformeln: Zuckerbrot und Peitsche = Konzept von Belohnung und harter Bestrafung 139 Adjektivphraseme, und zwar vor allem Phraseme mit Vergleichspartikel: wie geschmiert laufen/gehen = reibungslos ablaufen; sehr gut funktionieren Mehrlingsformeln: groß und breit; lang und breit = sehr deutlich/ausführlich 140 Verbphraseme, und zwar vor allem 136 Vgl. DONALIES, Elke: Basiswissen Deutsche Phraseologie. Tübingen, 2009. S. 57. 137 Vgl. Ebd. S. 57. 138 Vgl. Ebd. S. 57. 139 Vgl. Ebd. S. 57. 140 Vgl. Ebd. S. 57. 28

Funktionsverbgefüge: in Frage kommen Phraseme mit Vergleichspartikel: herumlaufen/rumlaufen/dastehen/dasitzen wie Falschgeld = desorientiert/krank/unschlüssig/unpassend wirken 141 Mehrlingsformeln: sich krümmen und winden = unwillig sein; nicht offen reden; ausweichen; sich vor etw. drücken Phraseme anderer Wortarten: hierher werden z.b. mehrteilige Konstruktionen nicht flektierbarer Ausdrücke gezählt, vgl. z.b. bis zu 142 Weitere Gliederungen von Satzphrasemen, etwa nach Satztypen, sind nicht an sich sinnvoll. Die meisten Satzpraseme sind ohnehin Deklarativsätze wie z.b. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Andere Satztypen, etwa Imperativsätze wie Eile mit Weile!, kommen vor, sind aber in der Minderheit. Satzphraseme werden daher üblicherweise anders als sonstige Sätze nach Kriterien der Herkunft oder Funktion und nicht nach morphosyntaktischen Kriterien gegliedert. 143 141 Vgl. DONALIES, Elke: Basiswissen Deutsche Phraseologie. Tübingen, 2009. S. 57. 142 Vgl. Ebd. S. 57. 143 Vgl. Ebd. S. 58. 29

8 Modifikationen und Variationen Okkasionelle Formative, bei denen die Identität des Phrasems sowie dessen Bedeutung und Bildhaftigkeit verändert werden, werden als Aktualisierungen oder Modifikationen genannt. 144 Man spricht von Modifikationen von Phraseologismen, wenn Variationen im Komponentenbestand gelegentlicher (okkasioneller) und nicht allgemein gebräuchlicher (usueller) Natur Instrument bestimmter Stilabsichten sind. Sie sind aus diesen Gründen nicht im Lexikon gespeichert. 145 Diese Abwandlungen werden nach Vajičková durch mechanische oder semantische Operationen wie Rahmenbildung, Juxtaposition, Spreizstellung, Extension, Implikation, lexikalische Füllung moderner Strukturmodelle und Phraseoschablonen, Kontamination, Substitution, Remotivation verursacht. 146 Rahmenbildung Darunter versteht man die Umrahmung eines Kontextes durch ein Phrasem. 147 Palm veranschaulicht diese Erscheinung folgendermaßen: In folgendem Beispiel hat der Rahmen, der durch Phraseme gebildet wird, die Funktion der Herstellung von Textkohärenz durch Rekurrenz auf die erste Nennung des jeweiligen Phrasems. Der durch die Repetition entstehende Effekt intensiviert und verfremdet oder ironisiert die Bedeutung. 148 Das Mädel ist Tante Olga, die nicht imstande ist, ihren Mann vor die Tür zu setzen ohne weiteres getan hätte, hätte sie eine Tür gehabt, vor die sie ihn hätte setzen können. 149 144 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 39. 145 Vgl. BURGER, Harald. Phraseologie: eine Einführung am Beispiel des Deutschen. Berlin, 2010. S. 26. 146 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 39. 147 Vgl. Ebd. S. 39. 148 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 66. 149 PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 66. 30

Juxtaposition Man kann es auch als Nebeneinanderstellung oder Aneinderfügung bezeichnen. Es handelt sich um die kontextuelle Häufung von Phrasemen, wobei dabei manchmal auch andere rhetorische Figuren benutzt werden können. 150 Spreizstellung (Enttäuschung von Erwartungen) Es entsteht, wenn ein Phrasem durch eine Komponente angedeutet und dann aber absichtlich nicht vollendet wird oder umgekehrt. 151 Extension (Erweiterung) Phrasems. 152 Es entsteht durch zusätzliche Erweiterung des Komponentenbestandes eines Lexikalische Füllung Es entsteht durch die Verwendung einer bekannten phraseologischen Komponente in aktueller syntaktischer Struktur, z.b. Die Gretchenfrage stellen. 153 Implikation (Andeutung) Es entsteht durch Verwendung von Phrasemen oder deren Teile, die zwischen den Zeilen den relevanten Gedanken kohärent andeuten. 154 Kontamination (Überkreuzstellung) Damit wird die Mischung zweier oder mehrerer Phraseme bezeichnet. 155 Substitution Da kann es sich handeln um: Synonymische Substitution: Sie stießen aufs Futurum an. Hierarchische Substitution: Auf allen zehn Zehen im wirklichen Leben stehen. Polysemische Substitution: Von Fall zu Fall hinauf. 150 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 39. 151 Vgl. Ebd. S. 40. 152 Vgl. Ebd. S. 40. 153 Vgl. Ebd. S. 40. 154 Vgl. Ebd. S. 40. 155 Vgl. Ebd. S. 41. 31

Antonymische Substitution: Die unteren (oberen) Zehntausend. Homonymische Substitution: Acht haben auf etwas. 156 Aktualisierung (Remotivation) Es entsteht durch Verwendung der gesamten Struktur oder einer Komponente in der ursprünglichen Bedeutung, z.b.: Die böhmischen Dörfer lagen unter Schnee. Die remotivierten Phraseme bilden das textkonstituierende Prinzip in belletristischen Texten, z.b. in W. Hildesheimers Geschichte Ich trage eine Eule nach Athen ; B. Brechts: Wenn die Haifische Menschen wären oder in J. Redigs Gedicht: Lob den Tag vor dem Abend!. In publizistischen Texten und in der Werbung sind sie Mittel zur Verhaltenssteuerung. In der fachsprachlichen Kommunikation dienen remotivierte Phraseme zu argumentativer Informationsvermittlung. 157 Nach Palm hängt das Kriterium der Festigkeit von Phraseologismen vom Grad der Idiomatizität ab, d.h. vollidiomatische Phraseologismen mit unikalen Komponenten treten sehr selten anders als fest auf, während die Teilbarkeit mit sinkendem Idiomatizitätsgrad Variationen im Lexembestand der phraseologischen Wortgruppe zulässt. Mit Varianten von Phraseologismen meint man lexikographisch etablierte, im Phraseolexikon gespeicherte, usuelle Veränderungsmöglichkeiten im Lexembestand eines Phraseologismus. 158 Beispiele: sich einen hinter die Binde gießen (kippen) die (mit den) Achseln zucken 8.1 Klassifikation von Modifikationen Man kann zwei Grundtypen der Modifikation von Phraseologismen unterscheiden: Veränderungen in der inneren Struktur des Phrasems Veränderungen im Umfeld des Phrasems 159 156 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 41. 157 Vgl. Ebd. S. 42. 158 Vgl. PALM, Christine. Phraseologie: eine Einführung. Tübingen: Narr, 1997. S. 71. 159 Vgl. VAJIČKOVÁ, Mária. Handbuch der deutschen Phraseologie unter fremdsprachendidaktischen Aspekten. Bratislava, 2009. S. 107. 32